Читать книгу Lauter reizende alte Damen - Agatha Christie - Страница 5

3

Оглавление

Beerdigungen sind etwas Trauriges, findest du nicht auch?«, sagte Tuppence.

Sie waren gerade von Tante Adas Begräbnis zurückgekommen und hatten eine lange, umständliche Zugfahrt hinter sich; denn Tante Ada war in dem kleinen Dorf in Lincolnshire beigesetzt worden, in dem ihre Vorfahren gelebt hatten.

»Und was erwartest du von einer Beerdigung?«, fragte Tommy nüchtern. »Ein turbulentes Freudenfest?«

»Ach, manchmal gibt es so was. Die Iren zum Beispiel haben Spaß an ihren Totenwachen. Erst wird laut geklagt und geweint, und dann gibt’s viel zu trinken und ein wildes Fest. Apropos Trinken!« Sie richtete den Blick auf das Büfett.

Tommy mixte ihr eine White Lady.

»So, jetzt geht es mir wieder besser«, sagte Tuppence erleichtert.

Sie nahm den schwarzen Hut ab, warf ihn quer durch das Zimmer und schlüpfte aus dem langen schwarzen Mantel.

»Ich mag keine Trauerkleidung. Sie riecht immer nach Mottenkugeln.«

»Du brauchst doch keine Trauer zu tragen. Das war ja nur für die Beerdigung.«

»Das weiß ich. Ich gehe auch gleich rauf und ziehe mir ein knallrotes Kleid an, um die Stimmung zu heben. Machst du mir noch eine White Lady?«

»Nanu, Tuppence? Ich wusste gar nicht, dass dich Beerdigungen so vergnügungssüchtig machen.«

»Ich sagte, dass Beerdigungen traurig sind«, erklärte Tuppence, als sie kurz darauf in einem kirschroten Kleid wiederkam, auf dessen Schulter sie eine Eidechse aus Rubinen und Brillanten gesteckt hatte. »Weil Beerdigungen wie die von Tante Ada traurig sind. Alte Menschen, zu wenig Blumen, zu wenig Leute, die schluchzen und weinen. Ein alter, einsamer Mensch, der keinem fehlt.«

»Ich hätte doch gedacht, dass du das viel besser durchstehen würdest als zum Beispiel meine Beerdigung.«

»Da irrst du dich aber sehr. Ich denke nicht gern daran, aber nehmen wir mal an, ich müsste zu deiner Beerdigung gehen, dann wäre das eine Orgie der Trauer. Wie viele Taschentücher ich allein brauchte!«

»Mit schwarzem Rand?«

»Daran hatte ich zwar nicht gedacht, aber es ist keine schlechte Idee. Außerdem ist die kirchliche Trauerfeier immer sehr schön. So erhebend, weißt du. Und richtige Trauer ist echt. Man fühlt sich hundeelend, aber es nützt einem. So wie Schweiß, weißt du?«

»Tuppence! Ich finde deine Betrachtungen über mein Hinscheiden und die Wirkung, die es auf dich haben wird, ganz ungeheuer taktlos. Es gefällt mir gar nicht. Reden wir nicht mehr von Beerdigungen, nein?«

»Gern. Vergessen wir es.«

»Die arme alte Schachtel ist tot«, sagte Tommy. »Sie ist friedlich und ohne Schmerzen gestorben. Was wollen wir mehr? – Und jetzt sollte ich das da mal aufräumen.«

Er ging zum Schreibtisch und wühlte in Papieren herum. »Wo hab ich nur Mr Rockburys Brief?«

»Wer ist Mr Rockbury? Ach, richtig, der Anwalt.«

»Ja, der von ihrem Nachlass geschrieben hat. Anscheinend bin ich ihr letzter Verwandter.«

»Schade, dass sie dir kein Vermögen hinterlassen hat.«

»Wenn sie eins gehabt hätte, hätte sie es dem Katzenheim vermacht«, erklärte Tommy. »Das schluckt so schon ihr ganzes Barvermögen. Ich glaube nicht, dass für mich etwas übrig bleibt. Ich brauch’s ja auch nicht, und ich will’s auch nicht.«

»War sie denn so vernarrt in Katzen?«

»Keine Ahnung. Vermutlich. Aber ich habe sie nie von Katzen reden hören«, sagte Tommy nachdenklich. »Sie hat zu ihren alten Freunden oft und gern gesagt: Ich habe dich auch in meinem Testament bedacht.‹ Oder: ›Diese Brosche, die dir so gut gefällt, habe ich dir vermacht.‹ Und jetzt hat niemand etwas bekommen, nur das Katzenheim.«

»Das hat ihr bestimmt einen Mordsspaß gemacht«, sagte Tuppence. »Tommy, sie war ein altes Biest, findest du nicht auch? Und trotzdem hab ich sie gern, gerade weil sie so war. Wer hat schon noch Spaß am Leben, wenn er so alt ist und in ein Heim gesteckt wird? Müssen wir zum Sonnenhügel?«

»Wo ist der andere Brief, der von Miss Packard? Ah, ja. Sie schreibt, dass ein Teil der Möbel Tante Ada gehört hat. Die werde ich jetzt wohl bekommen. Und dann ihre persönlichen Dinge. Das muss man sich einmal ansehen. Ihre Kleider und Briefe … Glaubst du, dass wir etwas davon brauchen können? Höchstens den kleinen Sekretär, den habe ich immer gerngehabt. Er hat früher dem alten Onkel William gehört.«

»Dann nimm ihn dir zur Erinnerung. Die übrigen Sachen können wir sicher versteigern lassen.«

»Dann brauchst du doch eigentlich nicht mitzukommen, Tuppence.«

»Ich würde aber sehr gern mitkommen.«

»Wieso denn das? Ich dachte, es wäre langweilig für dich?«

»Was? Ihre Sachen durchzusehen? Das ist nicht langweilig. Ich bin neugierig. Alte Briefe und antiker Schmuck sind immer interessant. Nein, wir fahren hin, räumen auf und nehmen uns, was wir haben wollen.«

»Und warum willst du nun wirklich mitfahren? Du hast doch einen anderen Grund!

Tuppence seufzte. »Es ist schrecklich, mit jemandem verheiratet zu sein, der einen so genau kennt. Nun, der einzige Grund ist …«

»Heraus mit der Sprache.«

»Ich würde ganz gern die andere – diese andere alte Tante wiedersehen.«

»Was? Die, die geglaubt hat, hinter der Kaminplatte sei ein totes Kind?«

»Ja«, sagte Tuppence. »Ich möchte wissen, was sie damit gemeint hat. Ob sie sich an etwas erinnert oder ob es nur Einbildungen sind? Je mehr ich darüber nachdenke, umso seltsamer kommt es mir vor. Ist es ein selbst ausgedachtes Märchen, oder ist irgendwann einmal etwas geschehen, das mit einem Kamin und einem toten Kind zu tun hatte? Warum hat sie geglaubt, das tote Kind könnte mein Kind gewesen sein? Sehe ich so aus, als hätte ich ein totes Kind?«

»Ich weiß nicht, wie du dir das Aussehen eines Menschen vorstellst, der ein totes Kind hat«, sagte Tommy. »Auf jeden Fall müssen wir hinfahren, und du kannst dich nebenbei deinen makabren Vergnügungen hingeben. Damit ist wohl alles klar. Wir schreiben an Miss Packard und verabreden einen Termin.«

Lauter reizende alte Damen

Подняться наверх