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Wer war beteiligt?

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Die Auseinandersetzungen und Rivalitäten der verschiedenen Pariser deutschen Dienststellen untereinander und im Verhältnis zum nationalsozialistischen Machtzentrum in Berlin wie zur französischen Regierung in Vichy finden in den meisten Darstellungen zur Besatzungszeit und zur „Endlösung“ in Frankreich durchaus Erwähnung. Doch wurde bislang kaum erforscht, wie sich diese Konfliktlinien auf die Verfolgung und Deportation der Juden ausgewirkt haben. Ebenso liegen nur wenig vergleichende Untersuchungen der deutschen Okkupationsregimes in Europa vor, die deren eigentümliche „Strukturlosigkeit“4 – die Verdopplung von Funktionen, Kompetenzüberschneidungen und unklaren Befehlswege – in Beziehung zum Ausmaß der Vernichtungspolitik gesetzt hätten.5 Dabei weisen die Opferzahlen etwa für die westeuropäischen Länder derart auffällige Unterschiede auf,6 daß ein kausaler Bezug zur jeweiligen Form der Besatzungsherrschaft, zum Grad der Kollaborationsbereitschaft der nationalen Behörden und zum Verhalten der nichtjüdischen Bevölkerung angenommen werden muß – Faktoren, die ihrerseits die Reaktionsweisen und -möglichkeiten der Verfolgten bestimmten.

Zwar glich der deutsche Verwaltungsaufbau im besetzten Gebiet Frankreichs in seiner Verbindung von militärischen und zivilen Stäben anfangs traditionellen Vorbildern des Heeres bzw. der Reichsverwaltung, aber der Apparat zur Judenverfolgung bildete sich ad hoc heraus – ohne definierte Zuständigkeit innerhalb der Bürokratie der Besatzung, mehr noch aufgrund der Eigeninitiative einzelner Akteure und in informellen Zusammenhängen, die erst mit der Einsetzung eines Höheren SS- und Polizeiführers im Jahr 1942 konsolidiert wurden. Wie überall waren auch in Frankreich zahlreiche deutsche Stellen an der „Endlösung“ beteiligt, die dabei ihrerseits – schon allein aus Personalgründen, aber auch zur Deckung antijüdischer Maßnahmen gegenüber der französischen Bevölkerung – auf eine Zusammenarbeit mit dem formell souveränen Vichy-Regime und dessen Polizeikräften angewiesen blieben. Und obwohl die wichtigsten Organe der Besatzungsmacht – der Militärbefehlshaber, die Deutsche Botschaft und die Führungsgruppe der SS – ganz unterschiedliche Ziele verfolgten, obwohl die besatzungspolitischen Interessen und Sicherheitsbedürfnisse der einen wie der anderen nicht immer mit den Deportationsplänen des Reichssicherheitshauptamts und des Pariser Judenreferats übereinstimmten, ist beim Vorgehen gegen die Juden ein Grundkonsens und eine weitgehende Koordination unter allen Beteiligten zu erkennen. Die pluralistische Form der Besatzungsherrschaft, das System der sich überlagernden Zuständigkeiten, stand also der Realisierung der „Endlösung“ in Frankreich keinesfalls im Wege. Wie eine solche Koordination jeweils zustande kam, wer sich mit wem über einzelne Schritte der Judenverfolgung einigte, ist allerdings nicht hinlänglich geklärt. Gleiches gilt für die Abstimmung zwischen dem Pariser Judenreferat, den regionalen Kommandos der Sicherheitspolizei und des SD, den Militärverwaltungsorganen auf Bezirksebene und der französischen Polizei bei der Festnahme der Juden in der Provinz des besetzten Gebiets.

Im Grunde wissen wir bis heute nicht genug über die organisatorischen Vorbereitungen des Genozids im Westen. Was unterscheidet die Ingangsetzung der „Endlösung“ in Frankreich von der in anderen Teilen Europas? Welche Dienststellen wirkten an den Verfolgungsmaßnahmen mit, wer ergriff einzelne Initiativen, in welchem Verhältnis standen sie zu übergeordneten Entscheidungsprozessen in Berlin? Welche Besprechungs- und Koordinationsgremien wurden zur Ausrichtung der antijüdischen Politik geschaffen? Wie wurden Razzien und Massenverhaftungen geplant und durchgeführt, wer nahm die Juden fest, wem unterstanden die Internierungslager, wer ordnete die Deportationen an? Wer stellte die Züge bereit, wer wählte die Deportierten aus, wer bewachte die Transporte über die Grenze und bis nach Auschwitz?

Auch die Aussagen, die die Protagonisten selbst unmittelbar nach 1945 oder später bei ihren Vernehmungen durch westdeutsche Justizbehörden zu Protokoll gegeben haben, wurden bisher nicht ausreichend von der Geschichtsforschung berücksichtigt. Nicht daß zu erwarten wäre, durch Angaben von Tatbeteiligten im Zusammenhang von Strafverfahren wegen NS-Verbrechen – gleichgültig ob es sich um Beschuldigte oder Zeugen handelt – ließen sich die historischen Ereigniszusammenhänge klären. In Nürnberg und in anderen großen Verfahren hat sich gezeigt, daß der Dokumentenbeweis – obzwar oft schwierig zu führen – letztlich der wichtigere war, und das gilt analog für die Historiographie. Aber auch wenn unterstellt werden kann, daß die meisten der Vernommenen sich nicht an die tatsächliche Wahrheit gehalten haben, sondern sich selbst zu rechtfertigen suchten, lassen ihre Aussagen doch indirekte Rückschlüsse auf das Geschehen selbst zu. Wie beschrieben sie ihre Zuständigkeiten, wie sahen sie ihre eigene Verantwortung? Welche Entlastungsargumente brachten sie vor? Was glaubten sie, ihren Angaben zufolge, wohin die Züge mit den Juden fahren würden? Was wußten sie über Auschwitz? Hatten ihre Strategien der Selbstentlastung eine faktische Grundlage in der Organisationsform des Verbrechens?

Ich werde in diesem Kapitel zunächst die Initiativen der Deutschen Botschaft in Paris zum Erlaß der ersten Verordnungen gegen Juden in Frankreich im Herbst 1940 darstellen, sodann die Frage der Zuständigkeiten und die Stellung des Judenreferats innerhalb der Pariser Dienststelle der Sicherheitspolizei und des SD behandeln und auf die Planung einer zentralen antijüdischen Verfolgungsbehörde, des späteren „Generalkommissariats für Judenfragen“, im Frühjahr 1941 eingehen. Außerdem soll eines der informellen Gremien beleuchtet werden, die der Koordination antijüdischer Politik dienten, die sogenannte Dienstagsbesprechung zwischen Vertretern des Pariser Judenreferats, der Botschaft und der Militärverwaltung. Schließlich wird untersucht, welche Besatzungsorgane an der Einführung des „gelben Sterns“ im Mai 1942 beteiligt waren, mit der die Vorbereitungsphase für die Massendeportationen aus Frankreich endete. Der allgemeinen Anlage dieses Buches entsprechend, ziehe ich jeweils die Nachkriegsaussagen der deutschen Verantwortlichen heran, also von Abetz, Knochen und anderen, um sie vor dem Hintergrund der verfügbaren, großenteils schon damals im Verhör vorgehaltenen Originaldokumente zu bewerten. Was die Aussagestrategien und Muster der Selbstrechtfertigung dieser Führungsschicht betrifft, so werden hier nur erste Hinweise gegeben. Eine eingehende Interpretation und Auswertung aller vorliegenden Zeugen- und Beschuldigtenvernehmungen erfolgt an späterer Stelle.

Täter im Verhör

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