Читать книгу Im goldenen Käfig - Aicha Laoula - Страница 11

Freunde

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Wenn Freunde von Bilal zu uns nach Hause kamen, wurde die Luft erfüllt von einer Mischung aus Haschisch- und Zigarettenrauch. Sie rauchten und tranken Bier und vergnügten sich, mir jedoch gefielen diese Abende überhaupt nicht. Ich konnte mittlerweile den ganzen Lärm und den Rauch nicht mehr ertragen, daher musste ich oft das Haus verlassen. Ich konnte ihren Atem, getränkt von Rauch und Alkohol, nicht mehr ertragen, genauso wenig wie ihre Blicke, verloren in der Leere, als stünden sie unter Schock. Ihr Sprechen wurde schleppend und ihre Augen rot und glänzend, als hätte sie hohes Fieber. Ihre blasse Haut wurde noch blasser und war von Müdigkeit gezeichnet. Geistig schienen sie auf einem ganz anderen Planeten zu sein. Wenn sie sich in diesem Zustand befanden, lachten sie hemmungslos und am Tag danach waren sie völlig antriebslos. Die Freude der vergangenen Nacht war am nächsten Morgen verschwunden. Aber sie wiederholten alles am nächsten Abend. Sie forderten mich auf zu trinken und mit ihnen Joints zu rauchen, doch ich dachte noch nicht einmal daran. Das war gegen meine Moral und gegen meine Kultur. Wenn wir uns in der Bar trafen, blieb ich abseits sitzen und trank Tee, litt unter dem Rauch und der lauten Musik und dem deutschen Geschwätz, das ich nicht verstand. Es wurde oft spät und wegen der Schwangerschaft war ich oft müde. Ich bat Bilal, mit mir nach Hause zu gehen, doch er zog es vor, sich mit seinen Freunden zu amüsieren. Oft war ich gezwungen, um zwölf oder ein Uhr nachts zu Fuß nach Hause zu gehen. Gott sei Dank ist mir auf diesem Weg niemals etwas zugestoßen. Nur einmal wurde ich von einem Betrunkenen belästigt. Ich saß vor der Bar, um etwas frische Luft zu schnappen, in der Hoffnung, dass Bilal herauskäme und mich nach Hause brachte. Ein Mann kam torkelnd auf mich zu, blieb stehen und sah mich an. Er sagte etwas zu mir, das ich nicht verstand. Er kam auf mich zu, zog mich fest in seine Richtung und gab mir einen Kuss. Ich war erschrocken, da mich dies vollkommen überraschte. Ich stieß ihn voller Entsetzen weg, spuckte auf den Boden und wischte mir über den Mund. Ich begann, ihn auf Berberisch zu beschimpfen, ich war so wütend und schämte mich. Ich zitterte und brach in Tränen aus. Ich fühlte mich von diesem Schwein beschmutzt. Ich sagte nichts zu Bilal, aus Angst, er würde mir die Schuld geben. Von da an beschloss ich, ihn nicht mehr in diese Lokale zu begleiten, nur noch in die normalen Restaurants und nicht mehr bis spät in die Nacht. So ging er mit seinen Freunden aus, während ich oft mir selbst überlassen zu Hause blieb. Nicht alle Freunde von Bilal übertrieben den Konsum von Alkohol oder nahmen diese Substanzen, die ihre Persönlichkeit beeinflussten. In ihrer Gesellschaft fühlte ich mich gut. Ich entschied mich, an mein Baby zu denken, das bald zur Welt kommen sollte. Deswegen wollte ich mich nur mit Leuten abgeben, die ein etwas ruhigeres Leben führten. Dieser Entschluss führte dazu, dass ich Bilals Freunde zum Rauchen nach draußen schickte, was nicht allen gefiel. Zum Glück hatte Bilal verstanden, dass es um die Gesundheit unseres Kindes ging und so rauchte er nicht mehr im Haus oder später in Gegenwart unserer Kinder, sondern nur noch draußen oder auf dem Balkon. Von da an war der Trubel in unserem Haus deutlich weniger. Ich hatte begonnen, einen Platz in meinem Leben zu finden und entschied mehr und mehr, was für mich und für meinen Sohn, der bald geboren werden würde, richtig war und was nicht. Ich wünschte unseren Freunden nur das Beste, da sie eigentlich nette, liebenswerte und rücksichtsvolle Menschen waren, doch wir hatten einfach eine ganz andere Einstellung zum Leben. Im Laufe der Zeit, als ich die Freunde besser kennenlernte, verstand ich, dass sie viel Mitgefühl für die soziale Situation und die Lage in der Welt hatten. Sie waren gegen bestimmte politische Entscheidungen, gegen Waffen und Krieg, gegen die Industrialisierung, die Umweltverschmutzung verursachte, sie waren gegen Ungerechtigkeit und Armut, gegen den Stress, der in der Arbeitswelt herrschte und so weiter. Ich denke, um all die Ungerechtigkeit, die in der Welt herrscht und in der sie zu leben gezwungen waren, ertragen zu können, haben sie sich der hypnotisierenden Wirkung dieser Substanzen hingegeben. Doch ohne es zu merken, hat diese Wirkung den Zustand und die Qualität ihres Lebens weiter verschlechtert. Wenn man keinen klaren Kopf und keinen wachen Verstand mehr hat, kann man weder das eigene Leben meistern noch Besserung in der Welt erzielen. Vielleicht irre ich mich, aber so sehe ich das.

Trotz der kleinen Schritte, die ich gemachte hatte, um meine Lebenssituation zu ändern und mich zu integrieren, fühlte ich mich nach wie vor in allem vom Bilal abhängig, sogar in Bezug darauf, wie ich mich kleiden sollte, wohin ich ging und was ich einkaufte. Bereits am Abend zuvor fragte ich immer, was ich am nächsten Tag einkaufen und kochen sollte. Wenn ich Kleidung kaufte, wählte ich nur die Farben aus, die ihm gefielen und am Ende hatte ich vor allem Klamotten in Beige oder Khaki, seine Lieblingsfarben, anstatt in den Farben Orange, Gelb, Grün und Braun, meine Lieblingsfarben. Ich fragte ihn bei allem um seine Meinung, da ich Angst hatte, einen Fehler zu machen. Ich glaubte immer noch, ich sei dumm und alle anderen wären besser als ich. Geistig war ich weiterhin in der der Rolle der Sklavin, in der mir immer andere Anordnungen gaben, was ich zu tun oder zu lassen hätte. Ohne es zu merken, sah ich Bilal als meinen Herrn an, der mir Befehle erteilte. Ihm hingegen gefiel es keineswegs, dass ich ihm bei jeder Kleinigkeit um Rat fragte. Er ließ mir meine Freiheit und ermutigte mich, meine Entscheidungen eigenständig zu treffen. Bis zu diesem Moment jedoch hatte ich noch niemals eine Entscheidung ganz auf mich allein gestellt getroffen und war noch niemals an einen Ort gegangen, ohne jemanden um Erlaubnis zu bitten. Im ersten Moment fühlte ich mich verloren, wie ein Fisch an Land. Ich musste mich an diese neue Situation gewöhnen, doch das war einfacher gesagt als getan. Ich musste schnell lernen, dass mir Bilal die Verantwortung für alles überließ, was mit unserem Zuhause zu tun hatte und, infolgedessen, auch die Erziehung unseres Sohnes. Ich erledigte alles so gut ich konnte.

Carla und Pina kamen auch weiterhin vorbei. Neben Schreiben und Lesen hatten sie mir beigebracht zu nähen, zu häkeln und zu stricken. Tätigkeiten, von denen ich schon als kleines Kind geträumt hatte, doch als Sklavin hatte ich keine Möglichkeit gehabt, solche Fertigkeiten zu erlernen. Pina war von Beruf Schneiderin und zeigte mir, wie ich meine eigenen Kleidungsstücke nach Maß nähen konnte. Bald lernte ich, mir Kleider, Röcke, Jacken und Blusen zu nähen. Später nähte ich auch die Kleidung für die Kinder und lange Röcke, die ich meinen Schwestern und meiner Mutter nach Marokko schickte. Ich hatte mir eine günstige Nähmaschine gekauft, ein altes Modell, das man mit Fußpedalen betrieb. Ich kaufte Scheren, Stoff, Faden, Knöpfe, Reißverschlüsse und dann konnte es losgehen. Ich hatte solche Freude, wenn ich meine eigenen Kreationen zwischen meinen Händen entstehen ließ und ich sie auch tragen konnte. Pina kontrollierte, dass die Nähte gerade und sauber waren und ob der Stoff perfekt geschnitten war. Sie war sehr genau und alles musste perfekt sein. Ich gehorchte ihr und korrigierte die Fehler, die nicht akzeptabel waren. Carla hingegen war meine Lehrerin für das Häkeln und Stricken, aber auch für die mediterrane Küche. Endlich hatte ich genug zu tun und langweilte mich nicht mehr. Ich war begierig danach, Neues zu lernen und war wie ein Schwamm, der alles aufsaugte. Ich lernte soviel ich nur konnte und war diesen meinen Freunden und Gott so wahnsinnig dankbar dafür, dass ich jemanden hatte, der mich lehrte.

Im goldenen Käfig

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