Читать книгу Herz und Totschlag - Johanna Hofer von Lobenstein, Aj Sherwood - Страница 10
KAPITEL 3
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Zugegeben, Jons und Jims Reaktionen beunruhigten mich etwas. Jim war wahrscheinlich der ausgeglichenste Chef, für den ich je gearbeitet hatte. Er regte sich kaum jemals auf, und das wollte etwas heißen, wenn ich an all die Geschichten dachte, die sich hier vor meiner Zeit abgespielt hatten. Und Jon war natürlich der unaufgeregteste Mensch, der mir je begegnet war – wenn sogar er beunruhigt war, dann wollte ich am liebsten gar nicht wissen, was uns bevorstand. »Wir sind also schon mit diesen Typen aneinandergeraten?«
»Erinnerst du dich an den Fall, von dem Carol dir erzählt hat, als du hier angefangen hast?« Jon fuhr sich durch die Haare und ruinierte damit seine Frisur, während sein Gesichtsausdruck sich verfinsterte. »Der Softwarediebstahl? Das war ein Fall aus Clarksville. Wir müssen bestimmt einmal pro Jahr da hoch, aber die sichern das Gebäude nie ab, wenn ich komme, danach kann man die Uhr stellen.«
»Und sie verlangen Dinge von ihm, zu denen er überhaupt nicht in der Lage ist«, fügte Jim hinzu. »Dinge, die meine Leute von Rechts wegen gar nicht machen dürfen. Das erste Mal, dass ich da war, habe ich den halben Tag mit deren Rechtsabteilung über Paragrafen gestritten. Die arbeiten so selten mit Kriminalmedien zusammen, dass sie gar nicht genau wissen, wie man sie am besten einsetzt. Aber es wird mit jedem Mal ein bisschen besser, sonst würden wir das überhaupt nicht mehr machen. Und außerdem sind wir leider offiziell dazu verpflichtet, zu kommen, wenn uns ein Polizeirevier anfordert.«
Garrett hatte aufmerksam zugehört, bemüht, alles zu verstehen. »Ach, ihr habt einen Vertrag mit dem Bundesstaat?«
»Nein, sogar auf Bundesebene«, korrigierte ihn Jim. »Schon seit ein paar Jahren. Wilson, Sie werden schnell merken, dass wir von der Polizei immer eine von zwei Reaktionen bekommen: Entweder lieben sie uns, oder sie trauen uns nicht über den Weg. Carol wird eher akzeptiert, wahrscheinlich, weil Fähigkeiten wie ihre ab und zu auch im Fernsehen dargestellt werden. Aber Jon? Dem glauben sie erst, wenn er vorführt, dass er in ihnen lesen kann wie in einem Buch.«
»Und, oh Wunder, sie mögen es meist überhaupt nicht, wenn ein vollkommen fremder Mensch alle ihre Geheimnisse herausposaunt.« Jon rieb sich die Stirn zwischen den Augenbrauen, als würden sich bei ihm Kopfschmerzen anbahnen. »Ich mache mir damit keine Freunde.«
»Mir hat es nichts ausgemacht«, bemerkte ich.
»Du, mein sexy Freund, hast ja auch die Geduld eines Engels.« Sein Mund verzog sich zu einem winzigen Lächeln. »Du bist die Ausnahme von der Regel.«
Das konnte man nicht bestreiten. Ich hatte erlebt, wie die Leute auf Jons Fähigkeiten reagierten. Mich machte das ehrlich gesagt traurig. Wenn ich nur früher von ihm gewusst hätte, wenn ich ihn früher gefunden hätte, hätte ich ihm vielleicht das eine oder andere ersparen können.
»Also, wenn wir da hinkommen, haben wir in erster Linie ein Auge auf unsere Medien?«, fragte Garrett, der gerade in den Kampfbereit-Modus wechselte: hellwach, alle Antennen auf Empfang, erhöhte Körperspannung. Niemand war so gut darin, Situationen zu erfassen und zu analysieren, wie er – das war einer der Gründe, warum ich ihn gerne an meiner Seite haben wollte. »Dann muss ich mich zuallererst in Ruhe mit euch beiden hinsetzen und mir ein umfassendes Bild davon machen, was genau ihr tut und was ihr von mir braucht. Außerdem, Boss, was ist das denn für ein Fall, für den wir bis nach Clarksville fahren müssen?«
»Ich habe noch keine Einzelheiten, ich weiß nur, dass die Sache eskaliert ist. Es gibt drei tote Frauen, aber weder Verdächtige noch Anhaltspunkte.« Jim fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Er sah jetzt schon gestresst aus. Kein gutes Zeichen. »Zum Glück ist es nicht so weit weg, wir kommen mit dem Auto hin und zurück. Aber für diese Sache brauche ich alle Mann an Deck. Ein Glück, dass ich Sie heute eingestellt habe, denn ohne Tyson habe ich einen Mann zu wenig. Ich gehe mal ein paar Anrufe machen und uns mehr Informationen besorgen. Sie sollten sich schon mal startklar machen.«
Das bedeutete für uns ein paar Veränderungen, denn wir hatten diese Woche einige Befragungen eingetaktet. Es waren aber nicht allzu viele. Jon dachte offensichtlich das Gleiche, denn er deutete mit dem Kinn auf Garrett. »Du kümmerst dich um ihn. Ich verschiebe die Termine.«
»Okay.« Ich legte schnell den Arm um ihn und drückte ihn, um den Stress etwas zu absorbieren, und er lächelte mich kurz an. Mir war klar, dass er sich auf die Aufgabe in Clarksville nicht freute, aber bisher hatte er mich dort noch nicht an seiner Seite gehabt. Mit mir als Puffer würde sich die Situation ganz automatisch erträglicher darstellen. Hoffentlich war ihm das klar. Wir konnten das später noch ausführlicher besprechen.
Jim zog sich in sein Büro zurück, für uns das Zeichen, uns zu zerstreuen. Ich klopfte Garrett auf die Schulter und ging mit ihm zu Shos Höhle auf der anderen Seite des Gebäudes. Unterwegs beugte Garrett sich herüber und raunte mir zu: »Ich kann verstehen, dass du dich so schnell bis über beide Ohren verguckt hast.«
Ich musste schmunzeln. »Ach ja?«
»Er ist attraktiv und er sieht dich an, als ob du das Beste seit der Erfindung von geschnittenem Brot bist. Mir würde es garantiert genauso gehen, wenn mich jemand mit so einem Blick anschauen würde.«
»Es ist unwiderstehlich«, gab ich zu. Wir hatten schon mal darüber gesprochen, als ich ihm erzählt hatte, dass ich jetzt der Anker eines Kriminalmediums war. Aber manche Dinge sind leichter zu verstehen, wenn man sie selbst miterlebt hat. »Und dabei dachte ich immer, euch Pansexuellen ist es egal, wie jemand aussieht.«
»Pansexuelle betrachten die Person als Ganzes, Alter. Das heißt aber noch lange nicht, dass wir blind sind«, widersprach er. »Ich steh genauso auf knackige Ärsche wie alle anderen.«
Es machte immer noch Spaß, ihn aufzuziehen – seine Reaktionen waren so lustig. »Aber eigentlich spielt das keine Rolle, oder? Du findest die Seele und das Herz und all so was attraktiv. Hast du mir zumindest mal so erklärt. Es klang fast schon poetisch. Aber das kann natürlich am Bier gelegen haben. Du warst ganz schön hacke.«
»Havili. Wenn du dich prügeln willst, ist das überhaupt kein Problem.« Er schielte zu mir hoch und versuchte, ernst zu bleiben, aber in seinen Augen blitzte der Schalk. »Mir ist klar, dass ich in den letzten drei Jahren zu weit weg war, um dir den Arsch zu versohlen, sodass du vielleicht Entzugserscheinungen hast – aber wenn du Schmerzen fühlen willst, dann bin ich dir da gerne behilflich. Du brauchst es nur zu sagen.«
»Ich bin hunderprozentig sicher, dass unsere letzte Prügelei ganz anders ausgegangen ist.« Auch ich war bemüht, ernst zu bleiben. »Ich meine mich zu erinnern, dass ich dich im Schwitzkasten hatte und dass du um Gnade gebettelt hast.«
»Siehst du, das ist ein weiteres Anzeichen dafür, wie alt du bist. Dein Gedächtnis lässt dich im Stich.«
Ich blieb vor Shos Tür stehen und schlug beiläufig vor: »Warum nehmen wir uns nicht ein bisschen Zeit, suchen uns ein paar Matten und klären das auf die altmodische Weise?«
»Nur wenn ihr versprecht, das mit freiem Oberkörper zu machen, und wenn ich als Publikum eingeladen bin«, sagte Sho, der sich in seinem Bürostuhl umdrehte, um uns anzusehen. »Das klingt nach ausgezeichneter Unterhaltung, obwohl ich den Herrn hier noch nicht kenne.«
Unser IT-Mann vom Dienst trug wie immer einen Kapuzenpulli in Übergröße und saß im Schneidersitz in einem Chefsessel, der ihn winzig erscheinen ließ. Seine schwarzen Haare waren leicht platt gedrückt von den Kopfhörern, die er bei der Arbeit meist trug. Er behauptete, sich nur bei mongolischem Metal so richtig konzentrieren zu können. Sho war, wie ich wusste, Ende zwanzig, aber mit seinem Kindergesicht und dem Styling wirkte er eher wie ein Teenager. Ich hatte ihn schon immer attraktiv gefunden, auch wenn er nicht unbedingt mein Typ war, und ich nahm an, dass es Sho mit mir ähnlich ging.
Dem Gesichtsausdruck von Garrett nach zu schließen, war Sho aber genau sein Typ. Er versuchte zwar, cool zu wirken, aber ich war zu oft mit ihm auf der Pirsch gewesen, um den Ausdruck in seinen Augen misszuverstehen. Oh, damit konnte ich ihn später so was von aufziehen! Seele und Herz, von wegen. Mit ausladender Geste stellte ich die beiden einander vor. »Sho, das ist unser neuer Kriminalberater Garrett Wilson. Er ist ein Freund von mir. Garrett, Michael Sho, unser IT-Hexenmeister.«
»Ich mag den Titel, den du mir da zuteilwerden lässt«, sagte Sho und wackelte mit den Augenbrauen. »Mir fehlt nur noch ein Hoodie, der damit bedruckt ist.«
»Den kannst du dir gerne selber kaufen. Du verdienst mehr als ich«, gab ich zurück.
Sho entknotete seine Beine und stand auf, um Garrett die Hand zu geben. »Freut mich.«
Garrett schüttelte ihm die Hand und errötete leicht. »Ja, gleichfalls.«
»Ein alter Freund von Donovan, hm?« Sho legte den Kopf schief, setzte sich wieder und deutete auf die beiden Besucherstühle, die an der Wand standen. »Ein alter Armyfreund vielleicht?«
»Ja, wir waren ein paar Jahre bei der gleichen Einheit.« Garrett setzte sich neben mich und ließ die ganzen Monitore und Computer, den riesigen Fernsehschirm an der Rückwand und Dutzende andere Elektronik-Spielsachen, die ich gar nicht kannte, auf sich wirken. »Das hier erinnert mich sehr an die Höhle von Batman.«
Sho fing sofort an zu strahlen. »Ja, wenn ich jetzt nur noch Alfred und das Batmobil hätte, dann wäre ich wunschlos glücklich.«
»Und die Milliarden«, sagte ich kopfschüttelnd. Ich hatte genau gewusst, dass Garrett hier richtig war. Das bestätigte sich mit jedem neuen Kollegen, den wir ihm vorstellten. Ein Arbeitsumfeld wie das hier würde ihm guttun. »Sho, er braucht die Komplettausstattung. Er läuft bei Jon und mir mit, bis Tyson wieder da ist.«
»Aha, Defcon Delta«, bemerkte Sho nachdenklich.
Während Sho die Kisten unter dem Fernseher durchsuchte, in denen er all seine Schätze hortete, erklärte ich Garrett das System. »Wir haben hier verschiedene Sicherheitslevel. Paranormale sind gefährlich für die Elektronik, denn ihre übersinnliche Energie ist nicht mit Elektrizität kompatibel. Es ist nicht bei allen gleich extrem, die meisten geben selbst nicht genug Energie ab, um etwas kaputt zu machen. Carol zum Beispiel kann sogar während ihrer Lesungen Handys und andere Geräte benutzen. Jon ist einfach eine Ausnahme.«
»Für die meisten übersinnlich Begabten gilt Defcon Alpha«, erklärte Sho, während er ein Laptop und eine EMP-Schutzhülle herauszog und auf den Stuhl legte. »Wenn man hier in der Agentur mit einem der Medien zusammenarbeitet, gilt Defcon Bravo. Wenn man im Nachbarbüro von Jon oder an einem Ort sitzt, wo er öfter vorbeikommt, gilt Defcon Charlie.«
»Und wenn ich direkt mit ihm zusammenarbeite, gilt Defcon Delta?«, fragte Garrett, der mit einer hochgezogenen Augenbraue registrierte, was Sho alles an EMP-Ausrüstung aus seinen Kisten hervorholte. »Dass er meine Armbanduhr geschrottet hat, ist also kein Einzelfall?«
»Jon ruiniert jeden Monat irgendetwas«, erwiderte ich achselzuckend. »Er passt wirklich gut auf, aber manchmal kommt es doch vor, dass er nicht so ganz darauf achtet, und – sssst! Genau wie bei deiner Uhr.«
»Verstehe. Mein Job ist also, ihn beim Aufpassen zu unterstützen.«
»Das kann nicht schaden. Wenn er in eine Lesung eintaucht, vergisst er alles um sich herum.« Das machte mir übrigens eine Höllenangst. Nachdem ich ein paar Monate mit ihm gearbeitet und gesehen hatte, mit was für Verbrechern er dauernd in Kontakt kam, konnte ich nur spekulieren, wie es gewesen war, bevor ich hier angefangen hatte. »Sho, ich weiß nicht genau, ob das eine Rolle spielt, aber Jim sagte, das Revier in Clarksville hat uns angefordert. Wir müssen wahrscheinlich noch diese Woche dorthin.«
Sho erstarrte und wandte sich langsam um, wie die Hauptdarstellerin in einem Horrorfilm, hinter der das Monster schon lauert. Er sah regelrecht verängstigt aus. »Nicht schon wieder! Was ist es denn dieses Mal?«
»Jim war sich nicht sicher. Nur dass es drei Frauenmorde gegeben hat und dass sie keine Verdächtigen und keine Spuren haben. Er versucht gerade, mehr herauszubekommen.«
»Scheiße.« Sho sank in sich zusammen. »Na hoffentlich wird es dieses Mal nicht so dramatisch, weil wir jetzt euch haben.«
»Hallo, ich bin der Neue«, erinnerte ihn Garrett, indem er mit dem Finger auf sich zeigte. »Bin noch nicht auf dem Laufenden.«
»Der letzte Fall war ein Albtraum«, sagte Sho, der kurzzeitig seine Suche abbrach und sich an die Kisten lehnte, die Arme vor der Brust gekreuzt. »Es ging um Identitätsbetrug. Zwei verschiedene Firmen schworen Stein und Bein, dass eine bestimmte App bei ihnen im Haus entwickelt worden war, von einem Ingenieur, der bei beiden beschäftigt gewesen war. Beide bestanden darauf, die Urheberrechte für die App zu haben. Die ganzen Beweise waren auf den Computern, wir konnten nicht alles ausdrucken, und Carol und Jon mussten energetische Lesungen im Akkord machen. Die Leute dort vergaßen ständig, dass Jon eine Gefahr für die Elektronik ist, und kamen ihm immer wieder zu nahe. Er bemühte sich wirklich, Probleme zu vermeiden, aber die anderen waren einfach leichtsinnig. Ich habe es selbst beobachtet. Drei Zwischenfälle hätten verhindert werden können, wenn die Leute achtsamer gewesen wären. Für Jon war es die Hölle, weil er dauernd angebrüllt wurde, und für mich war es die Hölle, weil ich ständig Dinge ersetzen musste. Es kam so weit, dass er sich einfach in eine Ecke zurückgezogen und sich geweigert hat, den Raum zu verlassen, wenn einer der Beamten in der Nähe war. Rückblickend ist es eigentlich ganz lustig, aber trotzdem möchte keiner von uns das noch mal erleben.«
Das konnte ich mir vorstellen, und meine Besorgnis nahm zu, als ich das hörte. »Und da bestellen sie ihn trotzdem ein?«
»Das kann nur heißen, dass die Situation extrem unschön ist und dass sie eine schnelle Lösung brauchen. Das ist sowieso der einzige Grund, warum sie uns überhaupt anrufen.« Sho rieb sich die Stirn und starrte aus seinen dunklen Augen abwesend ins Leere. »Ich gehe mal davon aus, dass ich auch mitmuss. Zumindest für den ersten Tag. Vielleicht können wir eine Katastrophe vermeiden, wenn wir genug EMP-Schutzhüllen verteilen.«
»Man kann es auf jeden Fall versuchen«, stimmte Garrett lächelnd zu. »Ich kann dir helfen.«
Sho nickte ein bisschen scheu. »Danke. Das wäre wirklich gut. Aber jetzt lass uns dafür sorgen, dass du vor unserer wandelnden Gefahrenzone sicher bist.«
Ich blieb auf meinem Stuhl sitzen und schaute zu, wie Garrett mit den gleichen Schutzmechanismen ausgestattet wurde, wie ich sie benutzte. Sho druckte eine vorübergehende Dienstmarke für Garrett aus. Das hatte er damals für mich nicht getan, aber es sah auch ganz so aus, als ob Garrett seinen Ausweis früher brauchen würde als ich.
Eine halbe Stunde später verließen wir Shos Büro, um einige Dinge reicher als beim Hineingehen, in mehrerlei Hinsicht. Garrett hatte ganz beiläufig nach Shos Nummer gefragt, rein dienstlich, versteht sich – nicht, dass ich ihm das auch nur eine Sekunde lang abkaufte. Dieses Grinsen kannte ich zu gut.
Als wir sicher außer Hörweite waren, beugte ich mich zu ihm hinunter und flüsterte ihm ins Ohr: »Endlich hast du jemanden gefunden, der klein genug für dich ist.«
Ohne mit der Wimper zu zucken, boxte er mich hart in die Rippen.
»Aua!«, beschwerte ich mich. Es hatte zwar nicht wirklich wehgetan, da er nicht mit voller Kraft zugeschlagen hatte, aber es ging hier ums Prinzip. »Wieso haust du mich?«
»Weil du es darauf angelegt hast, Havili. Der Kerl ist so süß wie ein Rudel Hundebabys«, sagte Garrett, dessen Südstaaten-Slang gerade noch mehr durchklang als sonst. Dann warf er einen sehnsüchtigen Blick zurück. »Bitte sag mir, dass er Single ist.«
»Er hatte bis vor Kurzem einen Freund, aber seit ich hier arbeite, ist er Single.« Jon hatte den Ex-Freund überhaupt nicht gemocht.
»Yesssss!«, zischte Garrett erleichtert. »Es kann so peinlich werden, wenn man mit jemandem flirtet und nicht weiß, ob er nur zum Spaß darauf einsteigt oder nicht.«
Typisch Garrett – er hatte keine Hemmungen, schon an seinem ersten Tag einen Kollegen anzugraben. Andererseits war es genau diese Lockerheit, mit der er auf andere Menschen zuging, die uns zu Freunden gemacht hatte. Eine bewundernswerte Courage. Ich hätte das nie gekonnt. »Garrett. Eines solltest du wissen.«
Er blieb stehen und sah aufmerksam zu mir hoch. »Was denn?«
»Wir haben hier manchmal … Schwierigkeiten«, sagte ich. Ich wollte genau erklären, was ich meinte, ohne zu viel Aufhebens darum zu machen – aber zu wenig sollte es auch nicht sein. »Wie ich dir schon erzählt habe, manchmal versuchen Leute, unsere Kollegen auf dem Heimweg abzupassen. Ich schaue meistens abends noch mal vorbei, um sicherzugehen, dass sie unbehelligt zu ihren Autos kommen. Oder ich rufe zumindest noch mal an.«
»Du meinst so was wie den Angriff auf Jon neulich? Wenn du mal nicht kannst, ruf mich an, und ich bin da«, bot Garrett an. »Wir sollten den Arschlöchern keine Chance geben, wenn es zu vermeiden ist.«
Die Anspannung, die ich seit Monaten verspürte, lockerte sich, als ich das hörte. Das war der Grund, warum ich Garrett hatte hierhaben wollen. Na ja, einer der Gründe. Natürlich auch, weil ich meinen Freund vermisste und gerne wieder mehr Zeit mit ihm verbringen wollte. Aber auch, weil mir die Leute hier immer mehr ans Herz wuchsen. Sie mussten beschützt werden, und ich konnte nun mal schlecht an zwei Orten zugleich sein. Jetzt war Garrett da, also brauchte ich das auch nicht mehr, und ich fühlte mich unendlich erleichtert. »Danke, Mann.«
»Wilson!«, rief Jim aus seinem Büro. »Sind Sie so weit?«
»Ich komme, Boss!« Garrett ging schnellen Schrittes in Richtung Chefbüro. Und ich machte mich auf die Suche nach einem Stuhl, den wir für Garrett in unser Büro stellen konnten. Ich versuchte gar nicht, so zu tun, als wären meine Schritte nicht beflügelt.