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1989 (Der Geist klopft an)
ОглавлениеAls wir die Buchhandlung Rösslitor in St. Gallen betraten, stand Banzhaf wie ein Wellenbrecher auf dem obersten Podest der Treppe, die links in den Vortragssaal und rechts in die Esoterikabteilung führte. Ich sprach ihn an, denn es war kaum möglich, an ihm vorbeizukommen, ohne ihm auf die Zehen zu treten, und siehe da, plötzlich klopfte der Geist an. Hajo wusste sofort, wer ich war, obwohl wir uns noch niemals im Leben begegnet waren, denn, wie das Schicksal so spielt, er war, wie man heute sagt, »Scout« beim Hugendubel-Verlag, der Manuskripte prüfte und Empfehlungen abgab, und er hatte gerade mein zweites Buch, Im Licht der Sonne, zur Publikation empfohlen. Ich kannte wohl die Empfehlung, nur wusste ich nicht, dass sie von ihm geschrieben war. Nach seinem anderthalbstündigen Vortrag sind wir dann zu viert, Hajo, Ursi, ich und Chris Schmid, der Leiter der Esoterikabteilung, ein alter Kumpel aus den Siebziger Jahren, der mich damals mit dem I Ging bekannt machte, in ein gediegenes Restaurant eingekehrt und fachsimpelten über den Esoterikmarkt. Chris gehörte mit zur halluzinogenen Clique, nennen wir sie einmal unsere 68-er-Pot-ist-fun-Abteilung, die damals die ersten bewusstseinserweiternden Drogen ausprobierte, und er war einer, der nicht nur fast alle esoterischen Bücher kannte, sondern auch Trends erspürte und sich mit fernöstlichen Techniken auseinandersetzte. Und ich kann mich noch gut entsinnen, wie Hajo – der ja keine Erfahrung mit halluzinogenen Drogen hatte – große Augen machte, als ihm Chris mit völlig ernster Miene von einem fehlenden Tag in seinem Leben erzählte, den er auf einem Horrortrip 1968 verloren habe. Hajo dachte wohl, Chris habe einen »an der Klatsche«, und wir mussten alle herzlich lachen, als sich Ursi einmischte und munter erzählte, dass ihr einmal eine ganze Teilpersönlichkeit in einem LSD-Erlebnis abhanden gekommen war. Dafür habe sie eine bessere (zukünftige) Erinnerung erhalten.
Was ich sagen will: Es war eine spontane, verrückte, fröhliche Stimmung, die uns im Laufe des späteren Abends überkam, wie das Echo des Geistes, der irgendwie in mein Leben griff, so beiläufig und doch zupackend, denn schon ein paar Tage später rief mich Hajo an und fragte mich, ob ich nicht das Buch zum Crowley-Tarot übernehmen wolle. Fred Weber vom Urania-Verlag habe ihm ein Angebot gemacht, denn es gäbe außer Gerd Zieglers Taschenbuch trotz großem Potential kein richtiges Standardwerk auf dem Markt. Auf meine Frage, warum er das nicht selbst in die Hand nehmen würde, meinte er nur, dass er sich das nicht zutraue, Crowley wäre ihm irgendwie nicht ganz geheuer. Da schlug ich ihm ohne nachzudenken vor, wir könnten es ja zusammen schreiben. Als ich kurz darauf in den Verlagskatalogen im Rösslitor wühlte, um zu sehen, wie weit sich die Popularitätskurve Meister Therions in meiner magischen Abstinenz entwickelt hatte, war ich ziemlich überrascht. Es waren mehr als ein Dutzend übersetzter Werke im Handel, die in den Listen auftauchten, und auch wenn sie in spezialisierten kleinen Häusern geführt wurden, so waren es doch mehr, als ich erwartet hatte. Der größte Verlag war Urania, damals noch in Sauerlach bei München, in dem neben dem Buch Thoth auch TAROT – Spiegel der Seele gelistet war, ein Buch über die Tarotkarten von Gerd Ziegler, das 1989 schon einen Absatz von beinahe 50 000 Exemplaren hatte. Chris erzählte mir, dass einige von Crowleys Gedankenansätzen auch in den Büchern von Ron Hubbard zu finden wären12, dem umstrittenen Gründer der Dianetik und der Scientology, die man aber nicht über den Buchhandel beziehen könne. Aus heutiger Sicht ist das nicht weiter verwunderlich, da Hubbard nach dem Krieg sehr stark in die Agape-Lodge in Los Angeles eingebunden war.13
Kurz und gut: Banzhaf und ich machten 1991 das Buch (Der Crowley-Tarot, Hugendubel, München, 1991), das sich in der Folge nicht nur recht erfolgreich entwickelte, sondern aus dessen Ansätzen auch viele weitere Bücher entstanden.14 In den beiden letzten Jahren schloss sich der Kreis dann in einem letzten, weniger fröhlichen Kapitel, das mich mit der dunkleren Seite der Schicksalsabläufe konfrontierte, die mich – auch wenn sie immer noch ein bisschen nachwirken – mit der wahren Esoterik aber letzten Endes viel tiefer in Verbindung brachten, als es ein Dutzend selbst geschriebener Bücher hätte bewirken können.
Akron im Garten von H. R. Giger, 1993
Der Traum ist das gespiegelte Bild der Wahrheit in der Seele des Menschen; der Mensch ist der Rahmen und das Bild ist die Seele selbst. Wenn du das Bild im Rahmen bewegst, kannst du bis an die Enden dieser Welt reisen - oder darüber hinaus, wie es auch die alten Mystiker taten. Sie verschwanden in der Eiseskälte der Leere, nachdem sie ihre Wahrnehmung über den Rahmen hinausschoben.
Hohepriesterin (1991) von Ursi Cadonau im Foyer der AGMüller Urania (Ausschnitt aus dem dreiteiligen Entwurf Magier-Hohepriesterin-Weltenschlange)