Читать книгу Akrons Crowley Tarot Führer - Akron Frey - Страница 9
1969 – 1972
ОглавлениеTimothy Leary und Sergius Golowin
Der kulturelle Wandel in den Sechzigern, ausgelöst durch die Beatles und Stones, die die Aufbruchstimmung des Rock’n’Roll oder den revolutionären Ansatz eines James Dean wieder aufnahmen und das Ganze plötzlich mit Drogen und Flower Power mischten, konnte auch an Meister Therion nicht wirkungslos vorübergehen. Er wurde von den Hippies nicht nur wegen seiner Drogenphilosophie5, sondern auch wegen seines freien Sexverhaltens zum Drogenpionier und Urvater einer freieren sexuellen Gesellschaft ernannt, die es plötzlich schick fand, vom Geist Crowleys mit dem Ziel einer gesellschaftlichen Revolution »entjungfert« zu werden. Derselben Meinung waren auch die findigen Journalisten des Sunday Times Magazines,die ihren Landsmann 1969 in einer Auflistung der tausend kreativsten Macher des 20. Jahrhunderts neben Lenin und anderen Berühmtheiten auf die Titelseite setzten. Andere verbreiteten das Gerücht, dass Crowley es war, der Aldous Huxley Experimente mit Meskalin empfahl und damit entscheidend zur Bibel der Hippie-Bewegung, Huxleys berühmtem Drogenwerk Die Pforten der Wahrnehmung, beigetragen habe. Das und ein paar andere Geschichten führten dazu, dass Crowleys Geist hinter den engen Bereichen seiner okkulten Gemeinde wieder hervorzuschielen begann, in denen er seit seinem Tod gefangen war, und sein Werk langsam Zugang zu einer größeren Öffentlichkeit fand, nachdem seine Person wieder ein gewisses Interesse erweckte, da er wie so viele andere »schrille Vögel« im nüchternen Wirtschaftsaufbau der Nachkriegsgesellschaft völlig untergegangen war.
Beatles, Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band, 1967, Apple (Pfeil weist auf Aleister Crowley)
Black Sabbath, 1970, Warner Bros. Records
Jedenfalls schien eurem geneigten Schreiber die Zeit zum Aufbruch allmählich gekommen, denn kaum hatte er einen gewissen regionalen Status als Magier erreicht, war Aleister Crowley plötzlich Kult und strömte in Form einer neuen Welle von Okkultrockern aus allen Musikboxen und Radiohitparaden, während die Beatles gleichzeitig nach Indien zu ihrem Yogi Maharishi pilgerten, bevor sie sich später im Magical Mysterie-Filmprojekt verirrten. Man nannte dieses Phänomen mit seiner Mischung okkulter Elemente von Bühnenshow, lasziven Texten von Schwarzen Messen, Hexenkult und Teufelsbeschwörungen und sinistren Plattenhüllen Okkultrock. Wenn es aus heutiger Sicht ähnlich der gestylten Gruftie-Szene auch eine völlig harmlose Sache war, die einfach ein bisschen mit den Zitaten des Okkultismus spielte, so erschienen solche Leute nach außen doch ungeheuer gefährlich und irgendwie mit dem Teufel im Bunde. Natürlich hatten die Gerüchte einen gewissen Hintergrund, aber der war weder teuflisch noch magisch. Er hatte zwei ganz simple Namen: halluzinogene Drogen und – daraus abgeleitet – jugendliche Überheblichkeit und Größenwahn. Es war die vorherrschende Haltung der Rockstars gegenüber dem Establishment und den Medien, wobei sie sich – und wir mit ihnen – dabei unwahrscheinlich klug vorkamen. Statements der (ab-)gehobenen Art wie beispielsweise Wir versuchen, mit unserer Musik den Leuten in dieser beschissenen Welt einen Sinn zu geben, vom Frontman der Gruppe Black Sabbath anlässlich ihres Plattendebüts vor der versammelten Presse zum Besten gegeben, waren keine Ausnahme. Das war einfach so. Der Spruch war nicht einmal überdurchschnittlich dämlich, sondern bloß durchschnittlich blöd, wenn ich auch zugeben muss, dass mich nicht nur das Cover mit der verfallenen Mühle, dem verfaulten Tümpel und der gespenstischen Lilith im Vordergrund vom Hocker haute, sondern auch der so genannte Tritonus, jene verminderte Quinte, die schon Niccolo Paganini zum Teufelsgeiger machte und die den Titelsong Black Sabbath einleitete, vom passenden Glockengebimmel umrahmt, das gern als untermalender Effekt in Gruselfilmen verwendet wird. Zehn Jahre später widmete der Sänger dieser Band, Ozzy Osbourne, seinem Vorbild einen Song, Mr. Crowley, der, wenn auch etwas hirnrissig, bei den Leuten gut ankam und für einen vollen Klingelbeutel sorgte. Osbourne war sowieso der Genialste, wenn es darum ging, sich mit den Federn Meister Therions zu schmücken, und er scheute sich nicht, zusammen mit Crowley samt Scharlachfrau auf einem durch Fotomontage zusammengebastelten Plakat zu posieren. Das aber nur nebenbei.
Boleskine House (Landschaft)
Durch die Welle der Entrüstung seitens der erschreckten Bürger und Moralhüter wurden auch Mitläufer und Trittbrettfahrer für die Gazetten ein ergiebiges Thema, wie heute noch, wenn es um Okkultismus oder Satanismus geht, und plötzlich fanden wir uns im ersten scheuen Lichtstrahl des öffentlichen Interesses, wenn auch etwas mehr im Schattenbereich, für den ein zweiter Scheinwerfer aufgestellt werden musste, damit der Schatten ins Licht hervorgelockt werden konnte. Die Zeitungen schrieben von einer neuen Geisteshaltung, einer neuen Religion, die dem Aufbruch zu den indischen Yogis nach beatlemanischer Art diametral entgegenstand. Als Seuchenherde rekrutierten sie die okkulten Rockgruppen, die den Nährboden für diese Brut bildeten. Der ganze Affenzauber war natürlich mehr albern als gefährlich, ein Instrument der eigenen Persönlichkeitsfindung, aber durch das Gewicht, das sich da wie ein Lavastrom über uns »Satansjüngern« ausgoss, standen wir mit einem Mal im Mittelpunkt und mussten uns für dieses Vertrauen gegenüber der Öffentlichkeit irgendwie rechtfertigen. Wir taten das, indem wir mit dem gesellschaftlichen Klischee in Übereinstimmung zu kommen suchten. Das war gerade der Kick, denn würden wir die Menschen in ihrer Erwartung enttäuschen, dann würden sie die »teuflische« Projektion wieder von uns abziehen, das brüchige Gerüst unserer neu erworbenen Identität fiele wie ein Kartenhaus in sich zusammen und wir wären wieder das, was wir schon vorher waren – nichts! Also holten wir unseren größten Schmonzes aus der inneren Selbstdarstellungskiste und die Journalisten haben alles gefressen, was wir ihnen auftischten, obwohl sie es eigentlich besser wissen mussten – aber sie wussten natürlich auch, was bei den Lesern gut ankommt. Es ist das Thema, das nach dem Sex die tiefsten inneren Instinkte anspricht: die verdrängte Lust am Bösen als eine Form der unerlebten Freiheit. Ich war, ohne es richtig zu verinnerlichen, schon ganz im Sinne Crowleys unterwegs, nicht im Geiste Crowleys, aber immerhin im passenden magischen Gewand. Den betreffenden Namen hatte ich gleich zur Hand: Blackstone Inspiration. So taufte ich 1969 unsere Untergrund-Zeitung.
Werbung für die Hard-Rock-Gruppe Led Zeppelin. Auf der Titelseite unterstreicht Jimmy Page seine Verbindung zu Crowley.
Im Buch, das mir mein »Schutzengel« überlassen hatte, standen auch ein paar gruslige Storys von einem geheimnisvollen Landsitz, in dem Crowley mit seinen Geistern kommuniziert und seine erste große magische Zeremonie abgehalten haben soll. Die Leute im Dorf hatten alle Angst vor ihm und seinen dunklen Kräften und es wird auch von Menschen berichtet, die den Verstand verloren oder unter mysteriösen Umständen ums Leben kamen. Dort, am Ostufer von Loch Ness, inmitten der alten, an das Grundstück grenzenden keltischen Gräber, die in den Sagen als Treffpunkt schwarzer Hexen beschrieben wurden, war die Rede von der Beschwörung von Abra-Melins Dämonen, die Crowley herbeirief, aber nicht unter Kontrolle brachte, vom Chaos, das ausbrach, von Dienern und Freunden, die ins Delirium fielen.6 Als sich in der Szene herumsprach, dass Jimmy Page, der gefeierte Leadgitarrist der sagenumwobenen Rockgruppe Led Zeppelin Crowleys gespenstischen Landsitz Boleskine mit Blick auf Loch Ness gekauft hatte, um sich zwischen den Tourneen oder Plattenaufnahmen zurückzuziehen und Magie zu tanken, nebst einem Buchladen mit dem sinnigen Namen The Equinox, Crowleys gleichnamiger Zeitschrift, da war’s unserem jungen Helden klar: Eine gute Band musste her, mit der er auf Tournee gehen konnte (= Die Reise des Helden), und ein Landhaus, um die okkulten Feiern zu veranstalten. Also formierten wir eine passende Band und zogen in den Bayerischen Wald, mieteten ein altes Gemäuer, probten wie die Verrückten und feierten Schwarze Messen, gaben Interviews, hielten Pressekonferenzen ab und gaben eine Pressemitteilung heraus, dass wir für unsere Bühnenshow eine passende Darstellerin suchten, die sich als »nackte Jungfrau« ans Kreuz schlagen ließ7, experimentierten mit Texten, die verschlüsselte Botschaften enthielten8, wenn man sie rückwärts abspielte, eine Technik, die Crowley zugeschrieben wurde und die ich mir auch aus dem besagten Buch entlehnt hatte. Dieses Rückwärtseinspielen von Plattenaufnahmen, wodurch geheime Botschaften übermittelt werden, wurde später berüchtigt. Das prominenteste Beispiel ist Led Zeppelins Welthit Stairway to Heaven, der vordergründig einen Passus aus der ägyptischen Mythologie beschreibt, rückwärts gespielt aber ein satanisches Glaubensbekenntnis enthält. Uns schienen diese Gedankengänge plausibel, denn wir hatten gelesen, dass die Satanisten einfach das Christentum umkehrten, indem sie statt einer Friedenstaube einen schwarzen Raben zur Kultfigur machten. Es war ja ganz leicht, so böse wie Crowley zu sein: Wir mussten nur die Grabkreuze auf dem Friedhof auf den Kopf stellen und das Vaterunser rückwärts beten, diesen ganzen verrückten Unsinn halt, der in seiner gängigen Einfachheit die Gefühle bewegte und unsere unterschwellig dunkle romantische Art ans Tageslicht brachte. Gut, ich will es hier zugeben: Wir hatten auch ein bisschen Hegel und Fichte in unser magisches Bekenntnis eingestreut, denn ganz so bekloppt wollten wir unter den Studenten nicht dastehen.
Die Frau am Kreuz (nach dem ursprünglichen Model 1971, das für die Band posierte)
»In Regensburg wurden ihnen die Instrumente gestohlen, in einem Kölner Lokal wurde ihre ganze Anlage ein Raub der Flammen. Trotzdem sind Amon Düül weiter ›topfit‹, was sie am Samstag um 20 Uhr in der Regensburger Uni-Mensa unter Beweis stellen wollen. Neu ist, daß die Gruppe jetzt zusammen mit der Thallmassinger Kommune ›Black Mass‹ ein musikalisches Kollektiv bildet, was einen interessanten Klangkörper geben dürfte. ›Black Mass‹ allein sind, so der Ingolstädter ›Donaukurier‹, bereits ihr Eintrittsgeld wert.« Mittelbayerische Zeitung, 20. Juli 1971
Neben Led Zeppelin und Black Sabbath gab es im okkulten musikalischen Eintopf anfangs der 70er Jahre ein paar weitere Kracher wie Deep Purple oder Rainbow mit ihrem Sänger Dio9, anfänglich noch die Rolling Stones, die 1967 von keinem Geringeren als von Anton Szandor La Vey, Gründer und Hohepriester der First Church of Satan, der Satanskirche in San Francisco, zu ihrer grandiosen Platte Their Satanic Majesties Request inspiriert worden sind, wenn man dem Gerücht Glauben schenken darf. Kurz darauf entstand der Song Sympathy for the Devil, um deren Eingebung sich der satanische Oberhirte mit Kenneth Anger, Filmemacher und selbsternannter Crowley-Schüler, der zusammen mit dem Sexualforscher Robert Kinsey die erotischmagischen Fresken des Meisters in der Abtei Thelema in Cefalù aus dem Staub hervorbuddeln und fotografieren ließ10, zeit seines Lebens stritt. Das Lied wurde dann auch nur sehr bedingt eine Hymne für Satansanbeter, dafür aber ein Hit für die ganze Welt. Ähnlich konfuse Mythen ranken sich um das 30-Minuten-Filmkunstwerk Lucifer Rising, das einer Zusammenarbeit zwischen Anger und den Rolling Stones entsprungen sein soll. Anger, eine der Protagonisten der amerikanischen Untergrundfilmszene, produzierte zwar ein packendes, künstlerisch interessantes, wenn auch aus heutiger Sicht nicht übermäßig schockierendes Sittengemälde, das seinerzeit für großes Aufsehen sorgte. Weniger des teuflischen Inhalts, sondern mehr der äußeren Begleitumstände wegen, als Jagger in dem Film die Hauptrolle spielte sollte, nachdem sein Vorgänger, der Gitarrist Bobby Beausoleil von der Gruppe Lovecraft aus unerklärlichen Gründen Amok gelaufen ist und im Zusammenhang mit der Kommune um Charles Manson gemordet haben soll. Jagger hat dann zwar in einem Fragment, Invocation of My Demon Brother, den Luzifer gemimt und den Soundtrack eingespielt, ist aber nach dem verheerenden Massaker der Hell’s Angels im Dezember 1969 in Altamont Speedway, die als Ordner bestellt waren und eine Welle der Gewalttätigkeit auslösten, bei dem die 18jährige Schwarze Meredith Hunter erstochen wurde, wieder ausgestiegen. Es war ein Fall, der damals um die Welt ging, und seither zählt Altamont als das schwarze Gegenstück zum sonnigen Woodstock. Der Soundtrack zu Lucifer Rising, dem Crowleys Hymn to Lucifer unterlegt ist und zu dem nach unbestätigten Gerüchten Jimmy Page eine Filmmusik geschrieben haben soll, wurde von Bobby Beausoleil mit seinem Freedom Orchestra 1967 eingespielt und 2002 im Hochsicherheitstrakt vollendet, wo er eine lebenslängliche Strafe wegen des besagten Mordes, möglicherweise aber auch im Zusammenhang mit seinen Kontakten zu Charles Manson und dessen Family, verbüßt. Auf der undatierten CD Anfang der 90er Jahre wird er zumindest als Composer aufgeführt. Während sich die Rolling Stones wieder ins kommerzielle Showbusiness verabschiedeten, ging die Sache für einen anderen exzellenten Musiker, Graham Bond, der sich für Crowleys unehelichen Sohn hielt und in dessen Organisation Musiker wie beispielsweise Dick Heckstall-Smith, Jon Hisemann, Jack Bruce, Ginger Baker oder John McLaughlin zu absoluten Berühmtheiten heranreiften11, nicht so glimpflich aus. Seine beiden letzten Platten waren Holy Magick (1970), auf der er in ägyptischer Sprache ein Kabbalistisches Kreuz anbetete und ein Pentagramm-Ritual vollzog, und We Put Our Magick On You (1971), ein kleines Opus über White Magic, also Magie, die die hellen Kräfte der Menschen freisetzt, weswegen auch beim Herabrufen des Großen Lichts, dem Zelebrieren des Crowley-Rituals The Bringing Down of the Light, sinnigerweise eine Studiowand in Flammen aufgegangen sein soll, bevor man ihn 1974 unter merkwürdigen Umständen völlig verstümmelt unter der Londoner U-Bahn hervorzog und nur aufgrund seines Siegelringes identifizieren konnte. Mein persönliches Inferno erfolgte kurz zuvor, 1972, als mir der Bayerische Freistaat ohne Nennen von Gründen, aber wahrscheinlich wegen dem Spektakel um Teufelsmessen und nackten Jungfrauen in den Medien die Arbeitsbewilligung in Deutschland nicht verlängerte.
Kenneth Anger, Lucifer Rising,
The Soundtrack Album of the Film, 1967 (2002 vom Komponisten im Hochsicherheitstrakt vollendet)
Graham Bond, We Put Our Magick On You, 1971, Vertigo
Regensburger Woche, 25. März 1971