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Karte

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Wie kaum eine andere Karte entzieht sich der Narr dem Versuch, ihn mit Worten beschreiben zu wollen. Das liegt in der Unfähigkeit des menschlichen Verstandes, Dinge zu erfassen, die auf der Schwelle zwischen Bewusstsein und Unbewusstem angesiedelt sind. Ziele und Inhalte blähen sich zu verworrenen und ausufernden Gedankenkonstruktionen auf, die selten mehr als eine hilflose Liebenswürdigkeit offenbaren. Und so führt uns die resignierende Reaktion des Beschreibenden - sei es durch ein schulterzuckendes Seufzen, ein verlegenes Grinsen oder einen hoffnungsvollen Blick, der uns offen und erwartungsvoll um Beistand bittet - sehr anschaulich vor Augen, was dem Narren fehlt: die für die Beschreibung des Unbeschreiblichen notwendige abstrahierende Verstandeskraft. Auf der einen Seite liegt der Vergleich zu einem Traumtänzer nahe, der unbelastet von allen persönlichen Ansprüchen und Zweifeln in einer Leichtigkeit lebt, deren Mühelosigkeit wohl am besten mit einem kindlichen Tanz verglichen werden kann. Die andere Empfindung mag bei weniger realitätsfremden Naturen jedoch zum entsetzten Ausruf führen: Vergib ihm, denn er weiß nicht, was er tut! Und beides stimmt: Er weiß es wirklich nicht, denn es fehlt ihm der Verstand, der vergleichende Maßstab, und deshalb wird ihm von den Göttern auch vergeben werden.

Angesichts der Tatsache, dass dem Narren die Grundvoraussetzung für jede Schuld fehlt, schwindet jede persönliche Tat gegenüber der fehlenden Erkenntnis zur Nichtigkeit oder zum bloßen Webmuster im Netzwerk des Ewigen. Die Unschuld der Freude, das unbefleckte Vertrauen in die Richtigkeit seines Handelns und die Selbstsicherheit im Umgang mit allen Dingen um sich herum rückt den Narren in die Nähe eines Kleinkindes, dem wir jegliche Form von Schuld aberkennen. Verstärkt wird dieser Vergleich durch die Beobachtung, dass kleine Kinder im Anfangsstadium ihrer Entwicklung von sich selbst in der dritten Person sprechen, gerade so, als ob es dabei nur um einen unbedeutenden Teil von etwas Größerem ginge. Die vorsätzliche und bewusste Anwendung dieser Ausdrucksweise, die sich früher auch bei feudalen Herrschern wiederfand, spiegelt in sich den gleichen Ansatz wider, obwohl hier die Bedeutung völlig auf den Kopf gestellt ist. Ebenfalls lässt sich bei kleinen Kindern das Fehlen eines Bewusstseins über sich selbst darin erkennen, dass Zeit für sie allenfalls eine chronologisch ordnende Rolle spielt: vorher und nachher oder später. Zeit als Ausdruck für Vergänglichkeit kann überhaupt erst an Bedeutung gewinnen durch die Entdeckung, dass diese Vergänglichkeit auch das betreffen wird, dessen man sich vorher als das eigene Ich bewusst geworden ist. Wenn ihr nicht (wieder) werdet wie die Kindlein …, heißt es in der Bibel.

Der Advocatus Diaboli weist zu Recht darauf hin, dass jeder Versuch, den Narren zu beschreiben, falsch sein muss, wenn die Sicht des Betrachters in das Bild des Narren hineinprojiziert wird und Göttlichkeit und Leere dabei gleichgestellt werden - wie es bei der Vorstellung des Nirwana geschieht. In der Verfassung des Narren käme keiner auf die Idee, seine persönliche Lage schildern zu wollen - weil er darüber nichts weiß. Somit ist die Erfahrung dieses Archetypen immer auch eine Erfahrung, der wir uns erst im Nachhinein bewusst werden können; alles, was wir später darüber zu sagen vermögen, ist, dass wir gar nicht wussten, was wir da taten. Dieser sich Raum und Zeit entziehenden Existenz wohnt jedoch auch die Möglichkeit zur Bewusstwerdung inne. Das versinnbildlicht sich auf der Karte als Meer, in dem sich das Bewusstseinspotenzial als halb verborgener Kopf offenbart. Es bleibt offen, ob er in diesem Gewässer zu versinken droht oder sich daraus zu erheben trachtet - dem Kopf selbst scheint beides, einerlei Alles, was wir über den Narren wissen können, ist, dass er existiert, weil es außer seiner puren Existenz nichts über ihn zu wissen gibt. Er ist die Existenz schlechthin, die Essenz der Existenz. Er ist die Tatsache, dass Existenz existiert - und dass er selbst nichts davon weiß.

Im traditionellen Tarot entspricht der Narr dem persönlichen Willen, der noch keine Zielrichtung hat, weil er in sich absichtslos ist und ohne die Struktur der künftigen Absicht einfach die Potenz der sich selbst aus sich heraus gebärenden neuen Lebensenergie darstellt. Auf der Karte sehen wir eine im Ozean des Unbewussten versunkene Gestalt, die ihren Kopf aus dem Wasser hält. Wenn das Meer die Auflösung aller Einschränkungen und das Sehnen nach Verschmelzung mit der Seele repräsentiert, dann symbolisiert das Herausheben des Kopfes den Drang, das Bewusstsein wie den Schnorchel eines Unterseebootes aus den Wassern des Numinosen zu hieven, ohne den verschlingenden Fluten aber in vollem Umfang zu entkommen. Deshalb sitzt er in der Falle: Die Vorstellung vom Ewigen ist zwar erreichbar, aber nur als Vision, und weil diese durch die Brille des Narren als neues Lebensziel herhalten muss, erkennen wir auch, dass das Ganze nur so lange funktionieren kann, wie das Ziel nicht richtig deutlich wird. Solange wir nur in den Nebeln herumstochern, sind wir wenigstens der Prüfung enthoben, festzustellen, ob das Angestrebte in der Realität überhaupt möglich ist.

Aus einer anderen Perspektive betrachtet könnte man auch sagen: In der Welt des Narren existiert kein Narr! In der Welt der Nicht—Narren existiert der Narr als Antipode zur Vernunft und somit ist er ein Vertreter des Irrationalen, das als Bedrohung des konzeptionellen Denkens empfunden wird. Er symbolisiert die Unschuld der Seele, bevor sie in die Strukturen des Persönlichen eingebunden wird. Daher gibt es einen naturgegebenen Widerspruch zwischen der Ungebundenheit des Narren und der Absichtlichkeit des handelnden Menschen. Im Moment des konzeptfreien Seins und Wahrnehmens dringen Energiegewebe aus dem strukturlosen Raum in die Ordnung des fünfhirnigen Menschen ein und bereichern diesen oder treiben ihn in die Nervenheilanstalt - den Ort, an dem versucht wird, Ver—Rückungen zu steuern (dem Narren die Unschuld zu nehmen, riefe den Fluch des Mühlsteins hervor, den Jesus einst aussprach, falls man versuchen sollte, dem Naiven den Glauben zu nehmen). Fazit: Die Qualität des Narren aus der Sicht der Nicht—Narren ist der Flug, der allerdings nur denen gelingen mag, die vorher kräftige Wurzeln entwickelt haben. Die Qualität der Nicht—Narren aus der Sicht des Narren ist ihre Nicht—Existenz.

Fassen wir zusammen: Das Sehnen nach Verschmelzung und die Auflösung aller Einschränkungen weisen gerade auf das Problem hin, den Narren, der unsere Persönlichkeit aufweicht, durch das beschränkende Ego erfahren zu müssen. Damit haben wir im Bewusstsein des Narren etwas, das sich im Grunde noch ein bisschen gegen das sträubt, was er im Begriff ist, aus sich hervorzubringen: die Vision eines neuen Lebensziels. Denn der Narr als Vertreter der Null ist nicht zu verwechseln mit dem Narren des Königs, der in Wahrheit ein Magier ist. Seine perfekte Beschäftigung ist die Nichtbeschäftigung. So können wir im Geist dieser Karte anderen helfen, sich weniger mit ihrem Tun zu identifizieren, und sie beim Loslassen unterstützen. Wir sind die Trainer der Manager, ihre einfühlsamen Meditationsmeister, zumindest solange wir etwas vermitteln, was nicht zu vermitteln ist. Wir schwimmen mit den Delphinen und tauchen ohne Furcht in die Urgründe der Erdspalten.

Unsere Erkenntnisse sind nicht reproduzierbar, sondern einzigartige Erscheinungen aus den Zwischenräumen unserer bewussten Gedanken. Der Narr ist außerhalb der Polarität und befindet sich nur für den Betrachter innerhalb eines dualen Körpers (dieser Widerspruch ist die Spiegelung der Absurdität des Narren im Nicht-Narren und somit das einzig Reale, was der Narr als Realität wahrnehmen kann). Gerade aus dem Drang, sich selbst in jedem Rahmen zu verlieren oder sich jeder Einschränkung zu entziehen, formen sich am Ende die noch etwas zögerlichen Konturen eines schöpferischen Willens. Der Geist führt ihn zunächst zu den Pforten mystischer Wahrnehmung, zu den Gipfeln göttlicher Erkenntnis, wo die Visionen die Wirklichkeit überprägen und die Realität zur reinen Fiktion zerschmilzt. Das Verzwickte an dieser Situation liegt daran, dass es nur selten möglich ist, etwas Persönliches zu kreieren, das nicht in den Schalen kollektiver Vorstellungen und Bewusstseinsmuster Platz finden kann - ein Umstand, der sich in dem Gebilde veranschaulicht, das sich wie ein Teufelshorn aus dem Kopf des Narren hervorgedreht hat. Es ist das Symbol für die soziale Kultur, die Struktur der Bilder, die die Menschheit in ihrer Entwicklung gesammelt und zu einem monströsen Gebilde aufeinander getürmt hat, denn: Kollektiver Glaube und kollektive Bilder schaffen jenen Teil der Wirklichkeit, den wir Realität nennen, gestalten Emotionen zu sichtbaren Formen, die wir als gegenständlich empfinden, und formen schließlich uns, die wir die Welt formen, damit die Welt, in der wir leben, immer genau unserer Wirklichkeit entspricht. Das bedeutet auch, kaum haben wir das Haupt aus dem Unbewussten erhoben, dringen die alten, scheinbar überwundenen Bilder aus unseren Köpfen mit dem Wunsch, ihnen eine neue kollektive Doktrin aufzuprägen.

Der Akron Tarot

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