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2.1 Die Gebrauchstheorie der Bedeutung: Ludwig Wittgenstein a) Die Grundlegung durch Wittgenstein in den „Philosophischen Untersuchungen“
ОглавлениеBedeutung ist Gebrauch
So klar wie Frege und der frühe Wittgenstein – die Theorie seines „Tractatus“ (1918) ist hier aus Platzgründen nicht dargestellt; siehe: Newen (2005), darin Kapitel 3 – paradigmatisch für die Philosophie der idealen Sprache stehen, so entschieden hat sich der späte Wittgenstein in den „Philosophischen Untersuchungen“ (Wittgenstein 1952/1984a) gegen diese gerichtet und eine Strömung initiiert, die mit dem Slogan „Bedeutung ist Gebrauch“ berühmt geworden ist. Die Bedeutung von sprachlichen Zeichen wird demnach im Wesentlichen, wenn auch nicht immer (Wittgenstein 1952/1984a, §43), durch die Art und Weise, wie sie in einer Sprachgemeinschaft gebraucht werden, festgelegt. Diese oftmals relativ stabilen Verwendungsweisen lassen sich auch durch Regeln des Gebrauchs charakterisieren, so dass Regeln bzw. Konventionen eine zentrale Rolle in der Philosophie der normalen Sprache spielen. Daher sprechen wir auch von einer „konventionalistischen Bedeutungstheorie“. Die Grundauffassung der verschiedenen Ausprägungen der Philosophie der normalen Sprache lässt sich gut als Gegenpol zu den drei Merkmalen der Philosophie der idealen Sprache herausarbeiten:
(1) Bedeutung ist Zeichenverwendung im Handlungskontext: Gegen den Bedeutungsrealismus mit der These, dass Bedeutungen von Worten bzw. Sätzen Objekte bzw. Sachverhalte in der Welt sind, wobei sich letztere durch Wahrheitsbedingungen charakterisieren lassen, stellt der späte Wittgenstein die Einbettung von Ausdrücken in einen Handlungskontext in den Vordergrund. Erst diese Einbettung der akustischen Laute oder Schriftzeichen gibt ihnen ihre Bedeutung. Das Sprechen (bzw. das Verwenden von Sprache) ist dabei nur eine unter den typischen menschlichen Tätigkeitsweisen, nur eine Lebensform unter vielen: „Befehlen, fragen, erzählen, plauschen gehören zu unserer Naturgeschichte so wie gehen, essen, trinken, spielen.“ (Wittgenstein 1952/1984a, §25) Entscheidend für die jeweilige Ausprägung der Bedeutungstheorie ist die Antwort auf die Frage, wie die Sprache mit den bedeutungskonstituierenden Handlungen systematisch verbunden ist. Wittgenstein bleibt hier relativ vage und bezeichnet die Verbindung von Sprache und Handlung als Sprachspiel (Wittgenstein 1952/1984a, §7).
Zurückweisen der logischen Analyse
(2) Eine Bedeutungsangabe ist das Aufzeigen von Verwendungsweisen: Während in der Philosophie der idealen Sprache die logische Analyse der Alltagssprache erst die Tiefenstruktur eines Satzes, seine elementaren Grundlagen und damit seine Bedeutung offenlegt, hält die Philosophie der normalen Sprache eine solche Vorgehensweise schlicht für überflüssig:
„So habe ich geglaubt, daß es die Aufgabe der logischen Analyse ist, die Elementarsätze aufzufinden. […] [I]ch meinte doch, daß man später einmal die Elementarsätze würde angeben können. […] Das ist ein Irrtum. In Wahrheit haben wir schon alles, und zwar gegenwärtig, wir brauchen auf nichts zu warten. Wir bewegen uns im Bereich der Grammatik unserer gewöhnlichen Sprache, und diese Grammatik ist schon da.“ (Wittgenstein 1984b, 182f., Protokoll vom 9.12.1931)
Die Bedeutung von Ausdrücken muss gemäß Wittgenstein nicht erst durch eine logische Analyse entdeckt werden, sondern sie liegt mit dem Gebrauch der Ausdrücke in Sprachspielen offen zu Tage. Die Aufgabe der Sprachphilosophie besteht gemäß Wittgenstein darin, die Verknüpfung von Sprache und Handlung durch eine übersichtliche Darstellung von Sprachspielen transparent zu machen. Die spezifische Antwort Wittgensteins möchten wir im Folgenden ein wenig verdeutlichen, indem wir erläutern, was Wittgenstein mit Sprachspielen meint. Zugleich möchten wir bereits hier darauf hinweisen, dass Wittgensteins Theorie der Sprachspiele – die angemessener nur als Theorieskizze aufgefasst wird – nur eine Form der Ausprägung von konventionalistischen Bedeutungstheorien darstellt (eine ausgearbeitete Theorie ist z.B. Brandoms konventionalistische Sprachphilosophie, siehe dazu Kapitel 13.2).
Die Vielfalt der Funktionen von Sprache
(3) Es gibt eine Vielfalt der Satzverwendungen jenseits der Behauptungen: Zwar ist es so, dass genauso wie bei der Philosophie der idealen Sprache der Satz und nicht der Satzbestandteil im Zentrum der Bedeutungstheorie bleibt, aber es ist neu, dass mit der Philosophie der normalen Sprache erstmals die vielfältigen Verwendungsweisen von Sprache in den Blick genommen werden und nicht nur das Äußern von Aussagesätzen:
„Befehlen, und nach Befehlen handeln – Beschreiben eines Gegenstands nach dem Ansehen, oder nach Messungen – Herstellen eines Gegenstands nach einer Beschreibung (Zeichnung) – Berichten eines Hergangs – Über den Hergang Vermutungen anstellen – Eine Hypothese aufstellen und prüfen – […] Eine Geschichte erfinden; und lesen – Theater spielen – Reigen singen – Rätsel raten – Einen Witz machen; erzählen – […] Bitten, Danken, Fluchen, Grüßen, Beten.“ (Wittgenstein 1952/1984a, §23)
Diese Erweiterung des Blicks auf die Vielfalt der Sprachverwendungen wurde erstmals durch die Sprechakttheorie in einer systematischen Theoriebildung berücksichtigt (siehe Kapitel 2.2).