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Elf

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Nun - im Alter von elf Ceonsläufen - erfuhr ich auf bitterste Art und Weise, dass die Soldaten sich geirrt hatten. Nicht alle Sholo’Sa waren vernichtet worden.

Ich weiß nicht mehr, wie lange ich weinend und zitternd über den bleichen entstellten Körpern meiner Eltern gelegen hatte. Ich bemerkte nicht, wie Soldaten des Kaisers das Haus betraten. Ich weiß nur noch, dass mich jemand hoch hob. Ein Gesicht. Männlich. Schulterlange braune Haare unter dem Gardehelm. Ein junger Soldat.

“Das Mädchen lebt noch, Herr Hauptmann.”

“Bringt sie zum Waisenhaus”, befahl der Offizier des Soldatentrupps.

Der Mann, der mich im Arm hielt, nickte.

Ich begann zu weinen. Der Soldat verfiel in Laufschritt und trug mich durch das Gewirr der Straßen der geteilten Stadt.

Er brachte mich nicht zu den Waisen. Stattdessen suchte er ein altes Lagerhaus auf.

Er zog sich aus. Meine Mutter hatte mich vor bösen Männern gewarnt, die kleine Mädchen entführten und ihnen schlimme Dinge antaten. Ich sollte nie mit einem Fremden mitgehen. Doch welche Wahl war mir heute geblieben?

Er entledigte sich der Uniform.

Als er meine ängstlichen Blicke bemerkte, lächelte er.

“Du musst keine Angst haben”, raunte er mir zu und schlüpfte in einen schwarzgrauen unregelmäßig gemusterten Anzug. Perfekt, um mit den Häusern der Stadt zu verschmelzen.

“Mein Name ist Shing.” Zaghaft ergriff ich die Hand, die er mir hinstreckte.

Er lächelte traurig. “Auch wenn es zu spät für dich kommt: Wir haben die Sholo’Sa aus der Stadt vertrieben. Die Gefahr ist gebannt. Fürs Erste.”

Auch mir legte er eine Decke mit einem ähnlichen Muster über. Dann nahm er mich wieder in seine kräftigen Arme.

Ich hatte keine Angst. Irgendwie spürte ich, dass er mir nichts tun würde. Der Schrecken lag bereits hinter mir. Meine Mutter, meine geliebte Mutter. Jian würde mich nie wieder in ihren Armen halten. Ebenso wenig, wie Xoman, mein Vater. Wir waren eine wohlhabende Kaufmannsfamilie gewesen, die mit Porzellan und Seide handelte; dem Gold Sang Wan Yaos.

Jetzt gab es nur noch zwei bleiche tote Hüllen. Und mich.


Ab jetzt war ich weder arm noch reich. Ich war eine Quai-Lam. Eine Schülerin der Schatten. Anfangs verstand ich selbst nicht recht, was das sein sollte. Ich lernte zunächst, mich zu verstecken. In Räumen mit den Schatten zu verschmelzen; während unserer Ausflüge zum Übungsgelände außerhalb der Stadt, tarnten wir uns zwischen Bambusstangen, im Gras und zwischen Felsen. Wenn unsere Ausbilder uns allzu leicht entdeckten, ermahnten sie uns streng. Mehr als einmal bekam ich mit der Bambusrute eins auf die Finger, wenn meine Tarnung zu offensichtlich war. Sie waren unerbittlich.

Geborgenheit erfuhr ich nur, wenn ich mir die Decke in unserem Mehrbettraum über den Kopf zog — und zwar genau so lange, bis einer meiner Mitschüler sie mir entriss.

Einer von ihnen war dreizehn. Zwei Jahre älter, kräftig und bösartig. Er hieß Chul. Ein Junge mit igelkurzen borstigen schwarzen Haaren. Grinsend warf er meine Decke auf sein Bett und verschränkte die Arme vor der Brust.

Ich verbrachte meine Nächte zitternd ohne Decke. Bis eines Abends Shing nach mir sah.

Seitdem musste ich mir um meine Decke keine Sorgen mehr machen. Chul bekam Latrinendienst aufgebrummt. Einen Mond lang jeden Tag.

Der Vorfall stachelte Chul nur noch weiter an. Er fuhr fort, mir das Leben zur Hölle zu machen. Ich war verzweifelt. Was hatte ich ihm nur getan?

Wenige wochen Später passte er mich an der Essensausgabe ab. Er spuckte auf meinen gefüllten Teller.

“Na, wo ist jetzt dein großer Beschützer?” fragte er hämisch.

“Hinter dir”, antwortete ich, da ich mir nicht anmerken lassen wollte, wie eingeschüchtert ich war.

Er sah sich tatsächlich um. Er war dumm wie polierter Reis. Und nun auch noch blass um die Nase.

Als klar wurde, dass ich log, drehte er mir wieder seinen Kopf zu.

“Sehr witzig”, äffte er. Chul zog die Nase hoch, nur um einen Moment später den Finger an einen Nasenflügel zu legen und auf meinen Teller zu rotzen.

Shing klopfte ihm auf die Schulter. Er erschien, wie aus dem Nichts. Mein Retter.

“Das Essen ist würzig, Junge Das solltest du dir nicht entgehen lassen. Iss, bevor es kalt wird.”

Shing nahm mir den Teller aus der Hand und begleitete den Jungen an einen der Tische. Wir sahen alle verstohlen zu, wie er wartete, bis Chul den Teller mit Eintopf blitzblank gelöffelt hatte.

Seit diesem Tag war Schluss mit der Hänselei. Zumindest für eine Weile.

Ich wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis er es wieder wagte, mich zu tyrannisieren. Unterdessen nährte er seinen Zorn im Stillen.


Das Herz der Schatten

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