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Dreizehnter Theil
Erstes Capitel.
Das freie Gastmahl

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Dieser Abend, welcher den Cardinal über das aufklärte, was zur Verzweiflung getriebene Menschen auszurichten vermögen, setzte ihn in Schrecken.

Er hatte die ganze Nacht den Wiederhall jenes Musketenfeuers gehört, ohne jedoch zu wissen, wovon die Rede war,

Bei Tagesanbruch erfuhr er zu seinem Schrecken das in der Nacht stattgehabte Blutbad. Er stieg sofort zu Pferde, und wollte sich selbst genaue Kenntniß von den Vorgängen der Nacht verschaffen.

Demzufolge erreichte er, von Cesare, Malaspina, Lamarra und zweihundert Mann seiner besten Cavalleristen begleitet, das Thor des heiligen Januarius passierend, die Strada Foria, ritt mitten durch die auf dem Largo delle Pigne stehenden Sanfedisten hindurch und durch die Strada dei Studi weiter nach der Toledostraße.

Auf dem Lorgo Spirito ward er von Fra Diavolo und Mammone empfangen und sah an den düsteren Mienen der beiden Anführer sofort, daß der Bericht über die von den Sanfedisten erlittenen Verluste durchaus nicht übertrieben war.

Man hatte noch nicht Zeit gehabt, die Todten wegzuschaffen und das Blut fortzuschwemmen.

Als der Cardinal auf dem Largo della Carità ankam, wollte sein Pferd nicht weiter, denn es hatte keinen Schritt thun können, ohne auf einen Todten zu treten.

Der Cardinal machte Halt, stieg ab, trat in das Kloster Monte Oliveto und schickte Lamarra und Cesare auf Entdeckung aus, indem er ihnen zugleich bei Strafe seiner Ungnade befahl, ihm nichts zu verschweigen.

Mittlerweile rief er Fra Diavolo und Mammone zu sich und befragte sie über die Ereignisse in der Nacht.

Von dem, was in der Toledostraße vorgegangen war, wußten sie noch gar nichts.

Der Mangel an Zusammenhang der zwischen den verschiedenen sanfedistischen Corps bestand, hielt die Communicationen ab, das zu sein, was sie bei einer regulären Armee gewesen wären.

Die beiden Anführer erzählten, daß sie gegen drei Uhr Morgens von einer Rotte Teufel angegriffen worden seien, die, ohne daß sie gewußt, woher dieselbe käme, und in dem Augenblick, wo sie es am wenigsten geahnt, über sie hergefallen wäre.

Ihre unversehens angegriffenen Leute hatten keinen Widerstand geleistet und der Cardinal hatte das Resultat dieses Ueberfalls gesehen.

Die Republikaner waren übrigens verschwunden wie ein Traum, nur hatte dieser Traum zum Beweis seiner Wirklichkeit einhundertundfünfzig Feinde auf dem Schlachtfeld zurückgelassen.

Der Cardinal runzelte die Stirne.

Dann kamen Cesare und Lamarra ihrerseits.

Die Nachrichten, die sie brachten, lauteten ebenfalls sehr schlimm.

Lamarra meldete, daß das der sanfedistischen Coalition angehörige albanesische Bataillon vom ersten bis auf den letzten Mann niedergemacht worden sei.

Cesare hatte erfahren, daß von dem Posten und der Batterie in der Chiaja nur noch neun Mann übrig waren.

Die von dem englischen Kriegsschiff gelieferten vier Kanonen waren vernagelt und folglich unbrauchbar, und die russischen Artilleristen hatten sich bei ihren Geschützen niedermachen lassen.

Nun hatte in derselben Nacht, das heißt in der so eben verflossenen, der Cardinal durch einen Boten, der in Salerno an’s Land gestiegen war, den vom 14. Juni datierten Brief der Königin erhalten, in welchem Briefe die Königin ihm sagte, daß Nelson’s Flotte, nachdem sie Palermo verlassen, um den Thronerben nach Ischia zu bringen, zurückgekehrt sei, um denselben Thronerben auf die von Nelson empfangene Nachricht, daß die französische Flotte von Toulon ausgelaufen sei, wieder ans Land zu setzen.

Es war allerdings nicht sehr wahrscheinlich, daß diese Flotte nach Neapel käme; dennoch aber war es möglich, und dann wäre Ruffo’s Unternehmen verloren gewesen.

Ueberdies konnte etwas, was schon einmal geschehen war, auch zum zweiten Male geschehen.

Nach-der Einnahme von Cotrone war die Plünderung so ergiebig gewesen, daß drei Viertel der Sanfedisten, die sich nun genugsam bereichert zu haben glaubten, mit Waffen, Gepäck und Beute desertiert waren.

Nun aber war die Hälfte von Neapel bereits durch die Lazzaroni geplündert und die sanfedistische Armee konnte nicht annehmen, daß die andere Hälfte der Gefahren verlohne, welchen ein jeder sich aussetzte, wenn er blieb.

Der Cardinal machte sich keine Täuschung Seine Armee war mehr eine Rotte hungriger Raben, Wölfe und Geier, als ein Heer von Kriegern, welche für den Triumph einer Idee oder eines Princips kämpfen.

Das Erste, was man zu thun hatte, war daher, dem Plündern der Lazzaroni Einhalt zu thun, damit auf alle Falle noch etwas für die übrigbliebe, welche einen Marsch von hundert Meilen in der Hoffnung gemacht, selbst zu plündern.

Demzufolge und seinen Entschluß mit der Schnelligkeit der Ausführung fassend, welche eine der hervorragendsten Seiten seines Genies war, ließ der Cardinal sich Feder, Tinte und Papier bringen und verfaßte eine Proclamation, in welcher er das fernere Plündern und Morden auf’s Strengste untersagte und zugleich versprach, daß den Insurgenten, welche sofort die Waffen niederlegten, nichts zu Leide geschehen solle, denn es sei Absicht des Königs, ihnen volle und unumschränkte Amnestie zu gewähren.

Man wird zugeben, daß es schwer ist, dieses Versprechen mit den strengen Befehlen des Königs und der Königin in Bezug auf die Rebellen zu vereinigen; wenn man nicht annehmen will, daß der Cardinal wirklich die Absicht hatte, kraft seiner Vollmacht als Alterego des Königs so viel Patrioten zu retten, als in seiner Macht stünde.

Die Folge bewies übrigens, daß dies in der That seine Absicht war.

Er setzte in seiner Proclamation noch hinzu, daß alle Feindseligkeiten gegen jedes Castell und jede Befestigung in dem Augenblick aufhören würde, wo sie zum Zeichen, daß sie die angebotene Amnestie annähmen, die weiße Fahne aufpflanzten, und er bürgte mit seiner Ehre für das Leben der Officiere, welche zu ihm kommen würden, um zu parlamentiren.

Diese Proclamation ward noch denselben Tag gedruckt und an allen Straßenecken, sowie auf allen öffentlichen Plätzen der Stadt, angeschlagen.

Da es leicht möglich war, daß die Patrioten von San Martino, wenn sie nicht in die Stadt herabkämen, von diesen neuen Verfügungen des Cardinals keine Kenntniß erhielten, so schickte er Scipio Lamarra mit einer weißen Fahne und von einem Trompeter begleitet zu ihnen, um ihnen diesen Waffenstillstand melden zu lassen.

Die Patrioten von San Martino, welche von ihrem Erfolg in der vergangenen Nacht und von dem erlangten Resultat noch ganz berauscht waren, denn sie zweifelten nicht, daß sie dieses friedliche Entgegenkommen des Cardinals ihrem Siege verdankten – antworteten, sie seien entschlossen, mit den Waffen in der Hand zu sterben und würden sich zu nichts verstehen, bevor nicht Ruffo und die Sanfedisten die Stadt geräumt hätten.

Aber auch diesmal war Salvato, der die Klugheit des Diplomaten mit dem Muthe , des Soldaten verband, nicht der Meinung Monthonnet’s, der im Namen seiner Cameraden beauftragt ward, eine ablehnende Antwort zu ertheilen.

Er begab sich mit den Vorschlägen des Cardinals in der Hand zu dem legislativen Körper, und nachdem er diesem den wahren Stand der Dinge auseinandergesetzt, kostete es ihm keine große Mühe, ihn zu bestimmen, Conferencen mit dem Cardinal zu eröffnen; weil diese Conferenzen, wenn sie zu einem Vertrag führten, das einzige Mittel seien, den compromittirten Patrioten das Leben zu retten.

Da die Castelle unter dem legislativen Körper standen, so ließ demgemäß letzterer Massa, dem Commandanten des Castello Nuovo, und Aurora, dem Commandanten des Castell d’Uovo, sagen, daß er, wenn sie nicht direct mit dem Cardinal unterhandeltem in ihrem Namen selbst unterhandeln würde.

Etwas Derartiges konnte man jedoch Manthonnet nicht befehlen, denn dieser hing, da er nicht in ein Fort eingeschlossen war, sondern das Kloster San Martino besetzt hielt, nur von sich selbst ab.

Der legislative Körper forderte gleichzeitig Massa auf, sich mit dem Commandanten des Castells San Elmo zu besprechen, nicht damit dieser dieselben Bedingungen erwähne, welche den Commandanten der neapolitanischen Castelle angeboten worden wären – in seiner Eigenschaft als französischer Officier konnte er für sich allein und nach Gutdünken unterhandeln – sondern damit er die Capitulation der anderen Festungen billige und den Tractat mit unterzeichne, weil seine Unterschrift mit Grund als eine Bürgschaft mehr für dir Ausführung der Verträge zu betrachten war, denn er war ganz einfach ein Feind, während die Anderen Rebellen waren.

Man antwortete demgemäß dem Cardinal, er habe sich an die ablehnende Antwort der Patrioten von San Martino nicht zu kehren und die von ihm angebotene Amnestie sei angenommen.

Man ersuchte ihm demgemäß den Tag und die Stunde zu bestimmen, wo die Anführer der beiden Parteien zusammenkommen könnten, um die Grundlinien der Capitulation zu entwerfen.

Während dieses selben Tages, am 19. Juni, ereignete sich jedoch etwas, was sich schon längst hatte erwarten lassen.

Die Calabresen, die Lazzaroni, die Bauern, die Sträflinge und alle jene Raub- und Blutmenschen, welche Sciarpa, Mammone, Fra Diavolo, Panedigrano und anderen Banditen desselben Schlages folgten, um nach Herzenslust plündern und morden zu können, alle diese Menschen, mit einem Worte, beschlossen, als sie die Proclamation des Cardinals sahen, welche den Metzeleien und dem Sengen und Brenners ein Ziel setzte, diesem Befehl nicht zu gehorchen; sondern weiter zu plündern und zu morden.

Der Cardinal schauderte, als er fühlte, wie die Waffe, womit er bis jetzt gesiegt, seinen Händen entsank.

Er gab Befehl, den Gefangenen, welche man in die Gefängnisse bringen wolle, dieselben nicht mehr zu öffnen. Er verstärkte die russischen, türkischen und schweizerischen Corps, welche sich in der Stadt befanden, denn dieselben waren die einzigen, auf die er zählen konnte.

Nun begannen das Volk oder vielmehr die Mörder- und Räuberbanden, welche die Stadt ins Flammen setzten und mit Blut überschwemmtem als sie sahen, daß die Gefängnisse vor den Gefangenen, welche sie dahin brachten, geschlossen blieben, sie ohne Richterspruch zu erschießen und aufzuknüpfen.

Die weniger Grausamen führten die ihrigen zu dem königlichen Commandanten in Ischia, hier aber fanden die Patrioten Speciale, welcher sich begnügte, Todesurtheile über sie zu fällen, ohne sie erst zu verhören, wenn er es nämlich nicht vorzog, sie, um schneller mit ihnen fertig zu werden, ohne Richterspruch in’s Meer werfen zu lassen.

Von der Höhe von San Martino, von der Höhe des Castello d’Uovo und von der Höhe des Erster Nuovo sahen die Patrioten mit Entsetzen und mit Wuth Alles, was in der Stadt, in dem Hafen und auf dem Meere vorging.

Empört über dieses Schauspiel standen die Patrioten schon im Begriff, wieder zu den Waffen zu greifen, als der Oberst Mejean, wüthend darüber, daß er weder mit dem Directorium noch mit dem Cardinal Ruffo unterhandeln gekannt, den Republikanern sagen ließ, er habe im Castell San Elmo fünf oder sechs Geißeln, die er ihnen ausliefern würde, wenn die Metzeleien nicht aufhörten.

Unter der-Zahl dieser Geißeln befand sich ein Cousin des Chevalier Micheroux, Lieutenant des Königs, und ein dritter Bruder des Cardinals.

Man setzte Seine Eminenz von dem Stande der Dinge in Kenntniß.

Wenn die Metzeleien fortdauerten, so sollten eben so viel Geißeln, als man Patrioten gemordet hätte, von den Mauern des Castells San Elmo herabgestürzt werden.

Die gegenseitigen Meldungen wurden immer schlimmer und führten natürlich beide Parteien zu einem Vertilgungskriege. Es stand in keiner Weise zu bezweifeln, daß muthige und verzweifelte Männer die von ihnen angedrohten Repressalien auch wirklich in Ausführung bringen würden.

Der Cardinal begriff, daß kein Augenblick zu verlieren sei.

Er rief alle Anführer sämtlicher unter seinem Commando stehenden Corps zusammen und bat sie, ihre Soldaten unter der strengsten Disciplin zu halten, indem er ihnen zugleich, wenn ihnen dies gelänge, die glänzendsten Belohnungen in Aussicht stellte.

Man formierte nun Patrouillen, die blos aus Unterofficieren bestanden. Die Patrouillen durchzogen die Straßen nach allen Richtungen, und durch Drohungen, Versprechungen und freigebige Geldspenden brachte man es endlich dahin, daß die Flammen erloschen und das Blut aufhörte zu fließen. Neapel athmete auf.

Es bedurfte aber nicht weniger als zweier Tage, um zu diesem Resultat zu gelangen.

Am 21. Junis beschlossen die Patrioten von San Martino und der beiden Castelle, den Waffenstillstand und die Ruhe, welche nach so vielen Anstrengungen die Folge desselben war, zu thun, was die Alten thaten, wenn sie zum Tode verurtheilt waren. Sie beschlossen das sogenannte freie Mahl zu halten.

Nur Cesare fehlte, um die furchtbaren Worte: Morituri te salutant! entgegenzunehmen.

Es war ein trauriges Fest, bei welchem jeder sein eigenes Leichenbegängniß zu feiern schien, etwas Aehnliches wie jenes letzte Gastmahl der Senatoren von Capua, an dessen Ende mitten unter verwelkten Blumen und beim Tone verhallender Musik man den Giftbecher kreisen ließ, aus welchem achtzig Gäste den Tod tranken.

Der Platz, welchen man dazu wählte, war der vor dem Nationalpalast, heutzutage Platz des Plebiscit.

Damals war er bei weitem nicht so umfangreich, als er gegenwärtig ist.

Der ganzen Länge der Tafel nach wurden Masten ausgepflanzt. Auf jedem derselben flatterte eine weiße Flagge, auf der mit schwarzen Buchstaben die Worte geschrieben standen:

»Freiheit oder Tod!«

Unter dieser Flagge und in der Mitte eines jeden Mastes befand sich eine Gruppe von drei Fahnen, deren unterste Enden die Stirne der Gäste streiften.

Die eine dieser Fahnen war dreifarbig. Es war die Fahne der Freiheit.

Die andere war roth. Sie war das Symbol des Blutes, welches vergossen worden, und dessen, welches noch vergossen werden sollte.

Die- dritte war schwarz. Sie war das Emblem der Trauer, welche das Vaterland einhüllen würde, wenn die einen Augenblick verscheuchte Tyrannei wieder darüber herrschte.

In der Mitte des Platzes, am Fuße des Freiheitsbaumes erhob sich der Altar des Vaterlandes.

Man begann damit, daß man hier die Todtenmesse zu Ehren der für die Freiheit gefallenen Märtyrer hielt.

Der Bischof della Torre, Mitglied des gesetzgebenden Körpers, hielt die Leichenrede.

Dann setzte man sich zu Tische.

Das Mahl war düster, traurig, fast stumm.

Nur dreimal ward es durch einen doppelten Toast auf die Freiheit und den Tod unterbrochen – diese beiden großen Gottheiten, welche von den unterdrückten Völkern angerufen werden.

Von ihren Vorposten aus konnten die Sanfedisten dieses letzte Gastmahl mit ansehen, aber sie verstanden die erhabene Trauer desselben nicht.

Nur der Cardinal berechnete, welche verzweifelten Anstrengungen Menschen fähig sind, welcher sich mit dieser erhabenen Ruhe auf den Tod vorbereiten, und er ward, mochte nun Furcht oder Bewunderung die Ursache sein, in seinem Entschluß, mit ihnen zu unterhandeln, dadurch nur um desto mehr bestärkt.

La San Felice Band 13

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