Читать книгу Die Cabane und die Sennhütte - Александр Дюма - Страница 7
Erster Band
Siebentes Kapitel
Worin wir zu unserem großen Mißbehagen genöthigt sind, den alten Corneille zu plündern
ОглавлениеDas Lächeln zog nur augenblicklich über die Lippen des Monsieur Coumbes dahin. Nach diesem Blitz falteten sie sich so gut wie möglich zusammen; sein Gesicht wurde wieder ernst und sorgenvoll.
Milette war tief gerührt von der Bewegung der Zärtlichkeit, womit der Herr der Cabane Marius empfangen hatte. Dieser war nicht weniger gerührt, als seine Mutter.
»Was ist Ihnen denn?« fragte er.
Das Schweigen des Monsieur Coumbes war voll Beredtsamkeit; seine Augenlider blinzelten, zitterten mit einer doppelten, sowohl horizontalen als perpendiculären Bewegung, um zu versuchen, durch den Druck einen Augen eine Thäne auszupressen.
Wenn die Diplomatie eine Wissenschaft ist, so ist es die einzige, die man ohne voraufgehende Studien versteht. Der ehemalige Packträger hatte von selber begriffen, wenn er ein Opfer von seinen Untergebenen verlange, daß es sich vor allen Dingen darum handle, ihre Seelen lebhaft aufzuregen in der Hoffnung, einen Rächer zu finden; seine Eigenliebe beschloß sich zu demüthigen. Er ließ sich mit allen Zeichen einer wahrhaften Niedergeschlagenheit auf einen Stuhl sinken.
»Meine Kinder,« sagte er zu ihnen, »wozu sollte es nützen, Euch zu erzählen, was mir ist, da Ihr mir nicht würdet helfen können? Alles, was ich Euch sagen kann, ist, daß, wenn dies so fortdauert, Ihr bald die Büßenden in diesem Hause leben werdet!«
»Ah! mein Gott!« rief Milette, ihr Gesicht in Thränen gebadet, als hätte sie schon die Leiche des Monsieur Coumbes auf dem Schragen gesehen.
»O! es ist nicht möglich,« sagte Marius dagegen, zugleich von dem Schmerze seiner Mutter und von dieser schrecklichen Prophezeiung dessen, den er als seinen Vater ansah und liebte, ergriffen.
»Meine Kinder,« fuhr Monsieur Coumbes fort, »ich habe so viel Kummer, daß ich fühle, der Tag wird nicht mehr fern sein, wo ich meinen Lohn erhalten werde und wo ich mich bei dem großen Patron dort oben verdingen muß.«
»Diesen Kummer, wer verursacht ihn?« sagte Marius mit funkelnden Augen und bebenden Lippen.
»Nun,« fügte Monsieur Coumbes hinzu, indem er es vermied, auf diese Unterbrechung zu antworten, »ehe ich wie eine Seeigelschale hinausgeworfen werde, will ich Euch meine letzten Wünsche mittheilen.«
Milettens Schluchzen verdoppelte sich und machte die Worte des Besitzers der Cabane unhörbar. Die Stimme des jungen Marius übertäubte das Schluchzen und die ausgesprochenen Wünsche; er stürzte sich auf Monsieur Coumbes zu und sagte mit einem Eifer, der bei den Südländern immer etwas von Zorn an sich hat:
»Sie dürfen mir Ihre Wünsche nicht erst aussprechen, mein Vater; wenn es der Rath ist, rechtschaffen und arbeitsam zu sein, so hat Ihr Beispiel seit langer Zeit schon hingereicht, mir zu zeigen, daß es die Pflicht eines ehrlichen Mannes ist. Wenn Sie mir sagen wollen, daß ich meine Mutter lieben soll, so könnte ich sie nicht mehr lieben. Wenn Sie mir anempfehlen wollen, Ihr Andenken zu bewahren, so rechnen Sie zu wenig auf meine Erkenntlichkeit. Wen sollte ich denn nach meiner Mutter lieben und verehren, als den, der für meine Kindheit gesorgt hat? Was Sie uns sagen müssen, das sind die Ursachen dieses Aergers, den wir nicht kennen, die Gründe dieser unheimlichen Ahnungen, die Nichts rechtfertigt. Warum rechnen Sie nicht mehr auf uns, Gevatter? Wenn Sie irgend ein Leiden betrübt, so sagen Sie es uns gefälligst! Müßte man auf den Knieen nach Sainte-Beaume gehen, um Gott zu bitten, daß er Ihnen die Gesundheit wiedergebe, so sind meine Mutter und ich dazu bereit.«
Als Monsieur Coumbes Marius anhörte, fühlte er sich von einer Rührung ergriffen, die bei ihm selten war. Milettens Sohn begann über die Vorurtheile des guten Mannes hinsichtlich der plastischen Schönheit zu siegen.
Nicht als ob der Adel der Gesinnungen, die er aussprach, ihn tief rührte, Monsieur Coumbes glaubte nur zur Hälfte daran; aber die Energie der Ausdrucksweise des jungen Mannes und die Ueberzeugung von seinem Zorn machten, daß der ehemalige Packträger fühlte, daß er in ihm den Paladin finden werde, den er suchte, ohne je von ihm gehört zu haben. Eine Minute schämte er sich ein wenig, eine so begeisterte Aufopferung für einen so elenden Gegenstand in Anspruch zu nehmen; aber ein Widerwille und sein Haß gegen seinen Nachbar waren stärker, als diese unmerkliche Bewegung der Vernunft, und zum zweitenmal an dem Tage umfaßte er Marius und drückte ihn an seine Brust.
»Siehst Du, Sohn,« rief er, indem er Milette eine seiner Hände überließ, welche dieselbe mit ihren Küssen und Thränen bedeckte, »seit einiger Zeit ist diese Cabane eine Hölle für mich geworden; ich möchte sie verlassen, und ich fühle, daß ich sterben werde, wenn ich sie nicht wiedersehe.«
»Aber warum denn das?« fiel Milette ein; »haben Sie denn dieses Jahr nicht. Alles nach Wunsche gehabt? Hat nicht die Hand des guten Gottes. Alles gesegnet, was Sie der Erde anvertraut? Warum denn das, da es kaum acht Monate sind, als ich Sie so glücklich sah, nicht mehr genöthigt zu sein, Ihren Zufluchtsort zu verlassen und in die Stadt zurückzukehren.«
Mit einer schweigenden aber feierlichen Geberde deutete Monsieur Coumbes auf die benachbarte Sennhütte, deren rothe Dachziegel man bemerkte.
Milette seufzte; als sie sich der Umstände erinnerte, begriff und errieth sie die Ursachen der üblen Laune ihres Herrn, dessen Jagdliebhaberei ihn um so viele Zeit gebracht hatte. Marius, der nicht mit allen diesen Umständen bekannt war, sah Monsieur Coumbes mit einer fragenden Ueberraschung an.
»Ja,« versetzte Monsieur Coumbes, »das ist das Geheimniß meiner Traurigkeit; das ist die Ursache meines Lebensüberdrusses. Höre, Milette, ich habe Dir Nichts davon mitgetheilt, aber als ich zuerst die Arbeiter ihren Graben im Sande ziehen sah, schnürte mir ein geheimes Vorgefühl das Herz zusammen und sagte mir, daß es um mein Glück geschehen sei; und doch konnte ich damals nicht vorher sagen, daß die Wuth meiner Verfolger einst bis zur Beleidigung gehen werde.«
»Man hat Sie beleidigt!« rief Marius vor Zorn erglühend, »man hat den Respect vergessen, den man Ihrem Alter schuldig war!«
Der ehemalige Packträger war nicht geschickt genug, um die angenehme Empfindung zu verbergen, die ihm dieser Eifer des Sohnes Milettens, seine Vertheidigung zu übernehmen, verursachte. Dieser bemerkte die Bewegung der Freude, die das Gesicht des Monsieur Coumbes erhellte; sie errieth sein Vorhaben und ihre mit Recht beunruhigte mütterliche Bekümmerniß bemühte sich, ihren aufgebrachten Herrn zu beruhigen.
Sie schüttete nur Oel ins Feuer; um die Thatsachen auf ihre wahren Verhältnisse zurückzuführen, mußte man nothwendig dem Steckenpferde des Monsieur Coumbes Sattel und Zaum nehmen, die ihm gestatteten, es zu reiten, eine herrschsüchtigen Ideen zu mäßigen, durch den Zweifel an seiner Vernunft eine Empfindlichkeit als Besitzer zu verletzen. Miletten gelang es nur, die schmerzliche Stellung, welche dieser seit dem Anfang dieser Scene eingenommen hatte, in eine wirkliche Wuth zu verwandeln.
Wie es den Leuten von phlegmatischem Temperament begegnet, war Monsieur Coumbes, wenn er sich seinem Zorne hingab, nicht im Stande, ihn zu beherrschen. In seinem Zorne, einen Schein des Widerspruchs zu finden, wo er ihn so wenig erwartete, zeigte er sich hart und grausam gegen die arme Milette; er überhäufte sie mit Vorwürfen; er ging sogar so weit, von Undankbarkeit hinsichtlich der Wohlthaten zu reden, womit er sie überschüttet zu haben behauptete.
Marius hörte ihn mit gesenktem Kopfe an; es schmerzte ihn tief, diejenige so mißhandeln zu sehen, welche er mehr, als sein Leben liebte; sein Körper wurde von krampfhaftem Zittern erschüttert und große Thränen rollten an seinen braunen Wangen nieder; aber er hatte einen so tiefen Respekt vor Monsieur Coumbes, daß er den Mund nicht zu öffnen wagte, um sie zu vertheidigen und sich damit begnügte, seine Augen flehend zu diesem zu erheben.
Als Monsieur Coumbes die Küche verließ, wo Milette niedergebeugt und schluchzend zurückblieb, richtete Marius einige tröstende Worte an seine Mutter und folgte dann dem Herrn der Cabane, wo er sich im Schatten des Abends zu besänftigen begann, worauf dieser Letztere das Bedauern aussprach, welches ihm dieser Unfall verursacht habe.
»Vater,« sagte er zu ihm, »man muß meiner Mutter verzeihen; Sie ist eine Frau und hat Furcht; aber ich bin ein Mann, und hier bin ich.«
»Was sagst Du?« rief Monsieur Coumbes, der weit entfernt war, diesen Umschwung des Glücks zu erwarten.
»Sobald ich ihre Worte verstehen konnte, sagte meine Mutter zu mir, indem sie auf. Sie deutete: »Da ist der, dem ich das Leben verdanke, mein Kind, und ich werde alle Tage zu Gott beten, er wolle gestatten, daß Du für ihn thun mögest, was er für mich gethan. Nicht zufrieden, mich errettet zu haben, hat er mich in meiner Noth nicht verlassen. Der Himmel wird so gerecht sein, um zu gestatten, daß wir ihm eines Tages unsere Erkenntlichkeit beweisen können!« Ich war noch sehr klein, als sie so sprach, Vater, indessen sind diese Worte nie aus meinem Gedächtnisse entschwunden, und heute will ich Ihnen beweisen, daß ich bereit bin, das Versprechen zu halten, welches sie mir abgenommen.«
Die Stimme war fest, energisch und sicher; indessen glaubte Monsieur Coumbes, oder stellte sich, als ob er an eine jugendliche Prahlerei glaube.
»Nein,« sagte er mit einer neuen Bitterkeit, »Deine Mutter hatte eben ganz Recht, ich habe Unrecht, zu wollen, daß man mein Gut und meine Person respectire, Unrecht, der Chikane und Beleidigungen, womit man mich überhäuft, überdrüssig zu werden. Wozu nützt es, einen Respect zu fordern, welchen zu erzwingen man zu alt ist? Ist es nicht ganz einfach, ganz natürlich, daß die jungen Leute einen armen Greis zu ihrem Spielzeug machen, und ist es nicht widersinnig von diesem, seine Klagen laut werden zu lassen?«
Monsieur Coumbes hatte völlig vergessen, daß er die Ereignisse, die er erwähnte, selber herbeigeführt hatte.
»Sie haben meine Kindheit beschützt,« versetzte Marius mit zunehmender Energie, »es ist an mir, Ihr Alter zu beschützen. Wer Sie anrührt, rührt mich an; wer Sie beleidigt, beleidigt mich. Morgen werde ich Monsieur Riouffe aufsuchen.«