Читать книгу Die Prinzen von Orleans - Александр Дюма - Страница 3

Erster Theil
Zweites Kapitel
Philipp, Herzog v. Chartres, nachher Regent, 1674

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Werfen wir jetzt einen Blick auf die ersten Lebensjahre des Herzogs von Chartres, des Neffen Ludwig XIV., der durch den Tod seines Vaters Herzog von Orleans geworden war,

Mehre Edelleute hatten sich mit seiner Erziehung beschäftigt; Einige derselben hatten mit gutem Willen ihr Amt als Lehrer und Erzieher angetreten; die Andern hatten der zynischen Verderbtheit, welche das unselige Erbtheil dieser Familie zu sein scheint, gewissenlos geschmeichelt. Zuletzt fiel er dem Cardinal Dubois in die Hände, jenem arglistigen, ausschweifenden Priester, welcher den niedrigen Neigungen seines Zöglings schmeichelnd, seinen eigenen Ruf befleckte. Der Herzog von Orleans, der zu sehr durch seine eignen Ausschweifungen in Anspruch genommen war, um die seines Sohnes zu beachten, oder zu hindern, überließ ihn der verführenden Leitung dieses schamlosen Priesters. Das Leben Dubois ist bekannt. Es ist nur Eine Stimme über diesen Menschen; die Verachtung, welche sein Name einflößt, ist allgemein. Seine Freunde hatten nicht nöthig, ihn zu verleumden; sie brauchten nur die Wahrheit zu sagen. Das achtzehnte Jahrhundert war gewiß nicht vorwurfsfrei; es war ein unruhiges, ränkevolles, voll Kämpfe und Anfeindungen; nun wohl! Dieses Jahrhundert klagte Dubois des Cynismus und der Verworfenheit an. Nur die großen Herren verziehen ihm die Laster, deren Wohlbehagen sie mit ihm theilten. Der Abbé Dubois war durch Ränke, Verderbtheit, Lügen und Frechheit dazu gelangt, sich eine Stellung in der Welt zu verschaffen und sich dieselbe vermöge eines durch das Laster ausgebildeten Talentes zu sichern.

Der Herzog von Chartres, den einerseits die Rathschläge dieses Mannes, anderseits das schlechte Vorbild seines Vaters zu den schmutzigsten Ausschweifungen führten, versank vor der Zeit in eine Sittenlosigkeit, die alle übeln Neigungen seiner Familie in ihm entwickelte. Selbst seine Heirath veranlaßte keinen Stillstand auf der von ihm betretenen lasterhaften Bahn; er sich nach derselben, wie vorher, mit einer Menge von Höflingen, die sich bemühten, jeden Augenblick neue Ausschweifungen zu ersinnen, um die Neigungen des Prinzen aufzureizen.

An der Spitze dieser niederträchtigen Günstlinge fand Dubois; die Liderlichkeit dankte demselben einige neue Erfindungen, die der Herzog sinnreich fand, und die er nicht ermangelte, sogleich zur Ausführung zu bringen. Nach dem Beispiele seines Vaters machte es dem Herzog von Chartres Vergnügen, mit seinen Sünden zu prahlen. Monsieur ließ diesem Gange der Dinge seinen Lauf, mit dem innern Wohlbehagen eines völlig verhärteten Mannes, der sich aus dem Laster eine Ehre macht und sich darauf freut, seinen Sohn dieser schamlosen Berühmtheit würdig zu sehen.

Was Madame anbetrifft, so übertrug sie den deutschen Geist in ihre Beurtheilungen: sie hatte den Kopf voll poetischer Balladen und phantastischer Erzählungen. Sie sagte, daß sie sich über die Fehler ihres Sohnes nicht wundere, obgleich er Empfänglichkeit genug habe, das Gute zu erkennen; und fügte hinzu, nach ihren Wochen seien eine Menge Feen gekommen und hätten ihren Sohn mit vielen Eigenschaften begabt, aber unglücklicherweise sei eine alte, vergessene Fee zu spät gekommen und habe im Aerger, vernachlässigt worden zu sein, ihn mit einem unseligen Geschicke beladen, welches alle Gaben ihrer Gefährtinnen vernichte.

»So daß,« fügte die abergläubische Prinzessin hinzu, »mein Sohn die Keime aller Tugenden in sich trägt, dieselben aber nicht zur Reife bringen kann; er steht unter dem Zauber der bösen Fee.«

Die Erniedrigung dieses Prinzen ist in einer höheren Sphäre und in vernünftigeren Voraussetzungen zu suchen; man muß sagen, er hatte die Laster seines Vaters geerbt, die er selbst mit dem Blute der Orleans wieder gewissen Nachkommen hinterlassen sollte.

Ungeachtet der Verheißungen Ludwig XIV. wurde der Herzog von Chartres am Hofe übel aufgenommen. Aus Unmuth blieb er in seinem Palais, welches schon seit langer Zeit ein übel berüchtigter Ort war. Da ihn die Schwelgereien und Ausschweifungen nicht hinreichend beschäftigten, ergab er sich dem Studium der Chemie und Physik. Bald war er von Charlatanen umgeben, die nur zu geneigt waren, sich diese neue Grille zu Nutze zu machen. Aber dieser Prinz trieb, ungläubig und ausgelassen wie er war, Alles aufs Aeußerte, und beleidigte die Gottheit durch sein Thun und Forschen. Er bekam Lust, mit Hilfe des Teufels zu wirken!. . . Der Unsinnige vergeudete zu diesem Zwecke ungeheure Summen. Später benutzte er seine erlangten chemischen Kenntnisse zur Begehung von Verbrechen!

Der Herzog von Orleans war bemüht, durch sein zügelloses Leben. Aufsehen zu machen; er liebte es, seine Ausschweifungen zu veröffentlichen. Er war es, der die Benennung roué erfand, mit welcher er seine Freunde beehrte, als da waren: der Marquis d’Effiat, der Graf von Simiane, de la Fare, der Vicomte von Polignac, der Abbé von Grancey, der Chevalier von Conflans, der Graf von Clermont u.s.w . . . Dieser Orleans machte sich, den entehrendsten Leidenschaften ergeben, eine Ehre daraus, daß das Publikum seinen Namen brandmarkte; er hüllte seine Obsönitäten nicht in den Schleier des Geheimnisses. Seine Schmach öffentlich zu zeigen, schien ihm rühmlich. Die Umgestaltungen seiner Zeit überbietend, ungläubig und zweifelsüchtig, hatte er über Alles falsche Ansichten. Dieser, aller Rechtschaffenheit gänzlich entbehrende Mann glaubte auch nicht an die Rechtlichkeit irgend eines andern Menschen. Die Herzogin von Orleans, die sich im Anfange über die übeln Gewohnheiten und den zügellosen Lebenswandel ihres Gemahls beklagt hatte, scheute sich am Ende selbst nicht, öffentlich mit den Lastern zu prunken, die an den Höfen so gewöhnlich sind.

Im Jahre 1703 entsproß dieser Verbindung ein Sohn. Ludwig XIV. setzte dem Neugebornen eine Pension von 150.000 Livres aus, was die Einnahme der Orleans auf 1.050,000 Livres. erhöhte. Die Monarchie hat immer die Genossen ihrer Zügellosigkeiten und ihrer Tyrannei mit dem Eigenthum des Volkes bereichert. Da die Geburt eines Sohnes seines Neffen Bedeutung erhöhte, schickte der König denselben zur Armee, wo ihm eine Befehlshaberstelle zugesichert wurde. Kurze Zeit vorher hatte der König der Immoralität seines Neffen Vorschub gethan, indem er Mademoiselle Seri, seiner Maitresse, gestattete, sich nach einem Gute, welches ihr Liebhaber ihr geschenkt hatte, Gräfin von Argenton zu nennen. Diese Buhlerin hatte eine große Herrschaft über Orleans zu erringen gewußt, der nicht darüber erröthete, daß sie öffentlich den Titel seiner Maitresse annahm. Am Hofe waren einige Personen, die über die Schwäche des Königs murrten, der erst die ehebrecherische Neigung seines Neffen auf eine unmoralische Weise unterstützt und dann demselben eine Armee anvertraut habe.

Wie dem auch sein mochte, Orleans ging zur Armee nach Italien ab. Er belagerte Turin, wo er drei Befehlshaber fand, die nicht einig werden konnten. Er selbst ließ sich von la Feuillade leiten, der ein harter, eigensinniger und unwissender Mann war und seine hohe Stellung unlautern Quellen verdankte. Er war ein Verwandter des Ministers Chamaillard, eines Vertrauten der Maintenon und Sohn jenes Marschalls, der Ludwig XIV. eine Statue errichtet hatte. Bei gefährlichen Umständen zeigte Orleans eine außerordentliche Feigheit. Er floh vor dem Feinde, ließ seine Mit-Befehlshaber im Stich, und bewies dabei noch eine Kühnheit und einen Stolz, die mehr als unverschämt waren. Er trieb seine Feigheit so weit, daß ein piemontesischer Soldat, plötzlich aus den Reihen tretend, ihn fragte, ob er sich seines Degens bedienen wolle oder nicht? Durch seine Truppen gezwungen, entschied er sich, Marchin zu Hilfe zu ziehen; aber er that es so schwankend und unbeholfen, daß die Soldaten ihm den Gehorsam verweigerten, und die größte Verwirrung in der Armee entstand. Orleans war wüthend und wollte fliehen; mit frechem Tone gab er die Befehle dazu; aber Niemand wich oder wankte. . . Er lief zu den im Felde zerstreuten Truppen; auch sie weigerten sich, das Schlachtfeld zu verlassen. Nun näherte er sich einem Officier des Regiments Anjou und wollte ihn zwingen, die ihm untergebenen Soldaten zum Rückzuge anzuführen; als auch dieser sich weigerte, zog Orleans seinen Degen und schlug ihn damit in’s Gesicht.

Hätte jener Officier eine solche Beschimpfung nicht auf der Stelle züchtigen sollen?. . .

Endlich wichen die Soldaten von selbst; aber der Mangel gehöriger Anführung und die verschiedenen sich widersprechenden Befehle brachten Verwirrung hervor, die Anarchie that das Uebrige. Orleans weigerte sich, le Guerchois zu Hilfe zu ziehen, welcher an der Spitze seiner Marine-Brigade schon die feindlichen Reihen durchbrochen hatte und Verstärkung bedurfte, um das begonnene Werk zu vollführen. Der Herzog von Orleans berief die Anführer zusammen und erklärte ihnen, daß sie ihr Heil in der Flucht suchen müßten. So gab er das Signal zum Rückzuge. Murrend folgten ihm die französischen Soldaten.

Und dennoch ward Orleans, als er an den Hof zurückkehrte, mit Lobprüchen wegen seiner im Gefecht bewiesenen Tapferkeit überhäuft und fein Mißlingen eine ruhmvolle Niederlage genannt!

Mademoiselle Seri, jetzt Gräfin Argenton, eilte ihrem Geliebten entgegen, welcher zurückkehrte, wie er abgegangen war, der Meinung rechtlicher Leute trotzend und die guten Sitten mit Füßen tretend.

Da der Herzog sah, daß seine Feigheit mit Lorbeern gekrönt ward, richtete er, um das Ziel der Orleans, sich, selbst während der Thränen der Ihrigen, der Throne zu bemächtigen, nicht zu verfehlen, sein Augenmerk auf Spanien, mit der geheimen ehrgeizigen Absicht, Philipp V. die Krone zu stehlen. Hier der Brief, den er an Frau von Maintenon, die damals allmächtige Favorite des Königs, schrieb:

»Gnädige Frau!

»Ich würde glauben, gegen die Dankbarkeit, die ich

»über Ihre Güte empfinde, zu sündigen, so wie gegen

»das Vertrauen, welches ich der mir von Ihnen verspro-

»chenen Freundschaft schuldig bin, wenn ich Ihnen nicht

»Rechenschaft ablegte von den Schritten, die ich bei dem

»Könige gethan habe, von denen er mit Ihnen ohne Zweifel

»sprechen wird, und wegen welcher ich um Ihre gütige

»Verwendung bitte. Ich habe ihn ersucht, in Spanien

»dienen zu dürfen.

»Ich bitte Sie, gnädige Frau, überzeugt zu sein, daß ich bei dieser Gelegenheit weder meine Neigung, noch meine Eigenliebe berücksichtige. Ich halte mich nicht für fähig, Besseres zu leisten, als die, welche bis jetzt dort waren, geleistet haben; aber ich glaube, daß, indem ich als eine Art Geißel für den Schutz des Königs gegen die Spanier betrachtet werden kann, ich vielleicht beitrage, ihren Eifer und ihre Treue gegen ihren König anzufeuern. Ich schmeichle mir wenigstens, weder den Truppen des Königs, meines Oheims, noch denen des Königs von Spanien ein übles Beispiel gegeben zu haben.

»Ich glaube, gnädige Frau, daß, da ich Ihnen meine Ansicht über diese Sache vorgestellt habe, ich nicht hinzuzufügen brauche, wie leicht ich mich in die Gesinnungen derer, die in jenem Lande das Vertrauen des Königs besitzen, fügen würde. Ich habe ihm also meinen Wunsch vorgestellt, und er hat mir etwas geantwortet, was mich um so mehr überrascht hat, als ich mich weder für totalentvoll, noch für so hochstehend halte, um solche Eifersucht einflößen zu können.

»Der König sagte mir mit einer Güte und einem Vertrauen, wovon ich tief gerührt bin, daß er mich völlig fähig zu dem Posten, zu dem ich mich erböte, glaube, daß aber der König von Spanien einigen Argwohn aus meiner Ernennung dazu schöpfen könne.

»Sollte es möglich sein, daß einige Jahre mehr dem Könige von Spanien solche Empfindungen eingeflößt hätten, da derselbe doch überzeugt sein kann, daß, der Bande des Bluts gar nicht zu gedenken, meine Ehrfurcht und Anhänglichkeit für den König und ihn, mir einen Ruhm jederzeit theurer als den meinigen machen werden? Machen Sie, gnädige Frau, nach Ihrer vortrefflichen Einsicht Gebrauch von dem, was ich Ihnen so eben in Bezug auf das Gelingen der Sache und die Zufriedenheit des Königs vorgestellt habe. Nur nach Seinem Willen wünsche ich den meinigen zu lenken, und sollte. Er je für gut befinden, mich nach jenem Lande zu schicken, so werde ich, gewohnt, mich der Beweise Ihrer Güte zu erfreuen, überzeugt sein, daß ich auch diese neue Gunst nur Ihnen zu danken habe, und werde dieselbe als die wichtigste, die mir Zeit meines Lebens zu Theil geworden ist, betrachten, weil fiel mir vielleicht die einzige Gelegenheit gibt, mich im Dienste des Königs aufzuopfern, und demselben so die Ehrfurcht, die Dankbarkeit, und wenn ich es auszusprechen wagen darf, die Zärtlichkeit zu beweisen, die ich für seine Person hege.

»Ich beschwöre Sie, gnädige Frau, Rücksicht darauf zu nehmen und überzeugt zu sein, daß nichts meine Ehrfurcht und Dankbarkeit für Sie übersteigt und ich mit diesen Gesinnungen lebenslänglich sein werde« 2c.2c.

Die Redensarten, Listen, Schmeicheleien, ja Erniedrigungen fehlten jenen Fürsten nicht, wenn es ihnen darauf ankam, sich einem Throne zu nähern! Sie wußten allen Denjenigen zu schmeicheln, von denen sie Förderung ihrer herrschsüchtigen Pläne erwarteten.

Frau von Maintenon erhielt vom Könige, was der Ehrgeizige von ihr erbeten hatte. Orleans wurde nach Spanien geschickt, wo der Herzog von Berwick, der die französische Armee kommandierte, ihn mit großer Auszeichnung empfing; er brauchte sich nur vor Bayonne, Valencia und Saragossa zu zeigen, um alle Thore sich öffnen zu sehen. Die Belagerung von Lerida allein verdient erwähnt zu werden. Die Stadt ward von französischen Truppen genommen; diese Truppen bestanden größtentheils aus fremden Abenteurern, die Ludwig XIV. anzuwerben genöthigt gewesen war, indem Frankreich, gänzlich erschöpft, nur noch Kinder in den Kampf zu schicken hatte. Der Herzog von Orleans gab die Stadt der Plünderung dieser Miethlinge Preis. Bei seiner Rückkehr nach Frankreich ward er wieder mit den Lobprüchen des Hofes überhäuft, darauf ging er wieder nach Spanien zurück. Aber sein Naturell, einen Augenblick bezähmt, gewann bald die Oberhand; er empörte, den Hof von Madrid durch seine unbezähmte Neigung zu Vergnügungen und Orgien. Bei einem Souper erlaubte er sich sogar sehr schlechte, gemeine Spöttereien über Frau von Maintenon und Frau von Ursins, die Geliebte Philipp V. Diese leichtsinnigen Witzeleien wurden beiden königlichen Buhlerinnen hinterbracht, und sie nährten seitdem einen tiefen Unwillen gegen den Herzog.

In dieser Zwischenzeit kam es an den Tag, daß Orleans die Sache, zu deren Vertheidiger er sich aufgeworfen hatte, verrathend, den erniedrigenden Vorschlägen des Wiener Hofes ein geneigtes Ohr geliehen hatte. Niemand wunderte sich darüber. Gleichzeitig erfuhr man, daß er sich durch Lord Stanhope, einen Gefährten seines Leichtsinns, überreden, auch durch das Gold Englands hatte verführen lassen. Auch wurde es bekannt, daß er die Absicht habe, sich seiner Gemahlin zu entledigen und die verwitwete Königin von Spanien zu heirathen; das Wort Gift gehörte zu denen, die schon damals den Namen Orleans brandmarkten.

Die Gefechte, welche zwischen den beiderseitigen Truppen. Statt fanden, waren von geringer Bedeutung. Orleans, wie die andern Prinzen, zogen die Degen nicht; denn die Fürsten halten sich, einem groben Irrthum unterliegend, der die Republiken stand macht, und ihnen Aussichten in die Zukunft gewährt, während der Kämpfe fern von der Gefahr. Wer kann sagen, wie weit Hochmuth und Wahnsinn, wenn sie sich des beschränkten Gehirns der Könige bemächtigt haben, führen können?. . .

Als Orleans nach Madrid zurückkam, sah er sich ernsten Befragungen unterworfen; anscheinend ganz harmlos schwatzend, fühlte man ihm auf den Zahn; man verlangte Rechenschaft über seine Unterhandlungen mit den Feinden. Er war gezwungen, gehaßt und verachtet abzureisen. In Madrid ließ er einen seiner Genossen, einen gewandten Spion, Namens Renaut, der, indem er für Orleans wirkte, ein solches Aergerniß gab, daß Ludwig XIV., von seinen Schleichwegen in Kenntniß gesetzt, seinem Neffen befahl, Renaut zurückzuberufen. Nun schickte Orleans einen andern seiner Emissaire, Namens Flotte, hin, welcher auf Befehl des Marquis d’Aquilar in dem Augenblicke verhaftet wurde, wo man ihn mit Renaut confrontierte. Das Gerücht von diesen Ereignissen kam an den französischen Hof und erweckte eine allgemeine Empörung gegen den Namen Orleans. Man hatte Beweise, daß er nach der Krone Spaniens getrachtet und mit England unterhandelt hatte, während er es zu bekriegen schien. Dazu flüsterte man einander noch in die Ohren, daß seine chemischen Kenntnisse ihm förderlich sein würden, sich bald seiner Gemahlin zu entledigen: es wird den Ehrgeizigen leicht, die, welche ihre Pläne durchkreuzen, zu beseitigen. Seine Gemahlin, die zu der Zeit grade schwanger war, bekam eine sehr heftige Kolik, welches den Argwohn verdoppelte.

Spanien schwieg noch immer über die den beiden Agenten des Herzogs abgenommenen geheimen Papiere. Ludwig XIV., der unter vier Augen die Usurpations-Pläne seines Neffen gebilligt hatte, befand sich in großer Verlegenheit; er wagte nicht, ihn zu strafen, was der König von Spanien verlangte, und konnte doch auch dem allgemeinen Geschrei, welches Orleans anklagte, sein Ohr nicht verschließen. Der König versuchte die Sache zu vermitteln, Er schrieb an Philipp V., die Agenten des Herzogs seien Intriguanten, die ein unvernünftiger Eifer beseelt habe, die aber nie von seinem Neffen in ihren Absichten ermuthigt gewesen wären. Ihre Mitschuldigen im Stiche zu lassen, ist Sitte unter den Großen der Erde. In Frankreich wünschte man allgemein, daß der Herzog wegen seiner Verräthereien zum Tode verurtheilt werden möge. Am Hofe verlangten der Herzog von Maine, die Condé’s und der Dauphin selbst, daß der Herzog in Anklagestand versetzt werde. Der König sah sich genöthigt, der allgemeinen Entrüstung nachzugeben: der Prozeß des Herzogs wurde eingeleitet. Von da an lebte der Prinz, den Alles mit Abscheu floh, allein. Um sich über diese verdienten Beschimpfungen zu trösten, überließ er sich den unerhörtesten Ausschweifungen. Sein Palais, von welchem schon seit langer Zeit alle rechtlichen Leute fern geblieben waren, wurde mehr denn je der Sammelplatz der scheußlichsten Laster. Ein einziger Freund, Saint-Simon, war bei dem Herzoge geblieben und suchte ihn den Ränken und Schwelgereien abwendig zu machen. Der Marschall von Bezons unterstützte ihn in diesen Besserungsversuchen. Sie zeigten dem Herzoge den Abgrund, in welchen er versunken war und verhehlten ihm nicht, daß seine unmoralische Verbindung mit Frau von Argenton viel Schuld an seiner Ungnade sei. Saint-Simon, der es zuerst übernommen hatte, freimüthig mit ihm zu sprechen, hat es mit eben so viel Geschicklichkeit als Festigkeit. Er verbarg ihm nicht, daß er allgemein verabscheut, daß der entehrte Name seines Hauses gebrandmarkt sei. Er deckte ihm, so zu sagen, seine eignen Pläne und Absichten auf, entwarf ihm ein treues Gemälde seiner Lage; er erinnerte ihn, daß das Gewicht der schwersten Anklagen auf ihm laste, und daß er durch seine eigne Schuld von der Nation und seiner eignen Familie abgesondert dastehe. Der Herzog versuchte sich zu rechtfertigen, und behauptete verleumdet zu sein. Nun kam auch Bezons Saint-Simon zu Hilfe, und nach noch vielen Versuchen dieser Art versprach der Prinz, jenes Weib zu verabschieden, die ihm geholfen hatte, sich zu entehren. Nicht ohne schweren Kampf entschloß er sich zu der Trennung von ihr. Sie zog sich nach der Picardie auf eines seiner Güter zurück, und ließ dem Herzog den Sohn, den sie von ihm hatte. Dieser Sohn machte, getreu den Familien-Traditionen der Orleans, später sein Glück durch Mittel, welche die Rechtschaffenheit verwirft.

Den anstößigen Verhältnissen seiner ehebrecherischen Liebschaft folgte unter eben so anstößigen Umständen eine Trennung, welche der Herzog nur durch Aufopferung von mehr als zwei Millionen, die er seiner Maitresse gab, erreichte. Dieses Geschöpf verhöhnte vermöge ihres, durch ihre Schande erworbenen Vermögens, die armen, hungernden Töchter aus dem Volke, die lieber das größte Elend erduldeten, als daß sie die Linderung desselben mit Aufopferung ihrer Ehre erkauft hätten. Uebrigens hatte ja Ludwig XIV. ein Beispiel solcher glänzenden Versunkenheit gegeben.

Das Opfer, welches der Herzog brachte, beschwichtigte den einmal aufgeregten Zorn der Prinzen von Geblüt nicht. Die Großen versplittern einen großen Theil ihres Lebens in Streitigkeiten über armselige Angelegenheiten der Etiquette, welche doch den Werth eines Menschen nicht zu erhöhen vermag. Orleans hatte den Marschall Bezons seinem Sohne zum Erzieher geben wollen, die Condé’s darüber eifersüchtig, intriguirten so lange, bis der König es verweigerte.

Der gefährlichen Eitelkeit nachgebend, welche die Fürsten veranlaßt, sogenannte diplomatische Verbindungen zu schließen, vermählte Ludwig XIV. Mademoiselle, die Tochter seines Neffen, mit dem Herzog von Berry, dem Sohne des Dauphin.

Sobald die Tochter des Herzogs von Orleans vermählt war, überließ sie sich all’ den Lastern, welche unglücklicherweise fast alle Mitglieder dieser Familie zur Schande geführt haben. Ihre Frivolität, die von keiner Rücksicht der Schamhaftigkeit zurückgehalten ward, machte sie der ganzen Welt zum Abscheu. Monsieur bemühte sich, sie zu trösten, und nun, es ist schrecklich, es aussprechen zu müssen, sah man, wie weit Zügellosigkeit und wüthende Leidenschaftlichkeit einen Vater und eine Tochter führen können, die beide gleich schuldig, beide gleich verderbt sind! Entsetzen! Der Herzog von Orleans wurde einer schändlichen Liebschaft mit feiner eignen Tochter an geklagt; und wie, um dieser schrecklichen Beschuldigung mehr Gewicht zu geben, starb der Dauphin, der hauptsächlich darauf gedrungen hatte, Monsieur zu entfernen, plötzlich an einem unbekannten Uebel!. . . Das Publikum schrie über Vergiftung und klagte Orleans derselben an . . . Unmittelbar nach diesem traurigen Todesfalle begann der Herzog und seine Tochter ein zügelloseres Leben als je zuvor. Täglich neue Orgien im Palais Royal, wo die schamloseste Frechheit präsidierte; der Vater umarmte seine Tochter in Gegenwart seiner schändlichen Genossen, als wäre sie ein Freudenmädchen.

Diese Ausschweifungen überstiegen. Alles, was man bis dahin gesehen hatte und bereiteten jene Zeit der Liederlichkeit vor, welche die Blätter der Geschichte besudelt und ein schändendes Brandmaal auf die Stirnen der Großen drückt!

Zu derselben Zeit fing der Herzog von Orleans mit glühendem Eifer das Studium der Chemie wieder an; er legte sich besonders auf die Bereitung der aller feinsten Gifte. Mehre von den auffallendsten Umständen begleitete, traurige Todesfälle, die sich in jener Zeit ereigneten, veranlaßten die schwersten Anklagen gegen ihn. Die Herzogin von Burgund, der Dauphin und der Herzog von Bretagne starben und Niemand zweifelte mehr daran, daß der Herzog von Orleans der Vergifter sei. Mehre Freunde des Königshauses sprachen davon, ihn zu tödten, denn es war nicht zu bezweifeln, daß es auf die königliche Familie abgesehen war. Ludwig XIV. wagte diesen unheimlichen Gerüchten, die den Sohn seines Bruders als Verbrecher bezeichneten, keinen Glauben beizumessen. Indessen hatte der Herzog von Maine sich erboten, zu beweisen, daß Orleans dieser Verbrechen schuldig sei. Frau von Maintenon war seiner Meinung; endlich, nach den Gutachten der Aerzte und einigen geheimen Unterredungen mit gewissen Personen, theilte der König die allgemeine Ansicht. Dessenungeachtet wußte Orleans sich der menschlichen Gerechtigkeit zu entziehen aber der Verachtung des Volkes konnte er nicht entgehen welches laut schrie, daß der Herzog von Orleans der würdige Sohn seines Vaters sei, bei welcher Gelegenheit es an den Tod von dessen erster Gemahlin erinnerte. An dem Tage der Beerdigung des Dauphins und seiner Gemahlin, wurde der Herzog von Orleans öffentlich insultiert und sein Leben bedroht. Man kennt wenige Namen, die so verabscheut wären, als dieser!

Die Verwünschungen wurden so laut, und der allgemeine Unwille war so gewaltig, daß Monsieur nicht aus dem Hause zu gehen wagte, aus Furcht getödtet zu werden. Zuletzt ging er zum Könige und forderte Gerechtigkeit von demselben. Ludwig XIV., der seinen Schwiegersohn und Neffen nicht verurtheilen lassen wollte, empfing ihn zwar mit Verachtung, ließ ihn aber weiter nicht verfolgen. Indessen erhöhte ein neuer Umstand den schon erregten allgemeinen Haß gegen den Prinzen. Einer seiner Agenten, der sich in ein Kloster geflüchtet hatte, wurde von dem Prinzen von Cholais, dem Gesandten des Königs von Spanien verhaftet. Dieser Prinz hatte eine geheimnisvolle Unterredung mit Ludwig XIV.; aber man erfuhr bald, daß der Mönch ein Werkzeug der Verbrechen Orleans gewesen sei. Diesen bewog seine Feigheit und seine Hoffnung auf den Schutz des Königs, sich bei all diesen Stürmen ruhig zu verhalten, denn wie konnte der König seinen Verwandten auf die Bänke der Angeklagten schleppen lassen. Unter diesen Umständen war der Herzog von Orleans frech genug, von seinen Rechten an die Krone, für den Fall, daß der Thronerbe stürbe, öffentlich zusprechen; und einige Zeit darauf starb der Herzog v. Berry an Gift! Es ist erwiesen, daß seine Frau, die noch die Maitresse ihres eignen Vaters, des Herzogs von Orleans war, von diesem das Gift erhalten hatte. In den Eingeweiden des Herzogs von Berry fand sich der Beweis des Verbrechens. Die Laster von Vater und Tochter lieferten immer neue Beiträge zu den Beweisen, die Ludwig XIV., der auch dieses Mal noch verzieh, schon erhalten hatte. Der König, selbst so schuldbewußt, hatte nicht den Muth, gegen seine Tochter und seinen Neffen mit Strenge zu verfahren. Da er Orleans nicht verhindern konnte, seine Verwandten zu vergiften, so beschloß er wenigstens, zu verhindern, daß er sich der Krone bemächtige; um aber diesen Zweck zu erreichen, trat er den moralischen Geist der Nation mit Füßen, indem er seinen Bastarden die politische Gewalt sicherte.

Jetzt verdoppelte der Herzog von Orleans seine Intriguen, um sich Anhänger zu sichern. Er fand deren in der Sphäre des Hofes. Diese Höflinge, die den Thron umgaben und von Schande und Niedrigkeit lebten, schonten seiner, denn sie konnten voraussehen, daß er Regent werden würde. Der König von Spanien sogar nahm seine Vorstellungen an und setzte seine Mitschuldigen in Freiheit.

Ludwig XIV. erkrankte; je näher er dem Grabe kam, je mehr drängten die Höflinge und Egoisten sich um den Herzog von Orleans. Unglücklicherweise folgte die Bourgeoisie dem Beispiele der Hofleute; und dieser des Mordes überwiesene Mann genoß jetzt einer Volksgunst, die dem Philosophen Stoff giebt, über den Werth der menschlichen Zuneigung nachzudenken. Man vergaß für einige Zeit, daß Orleans ein Vorbild für alle Verbrecher und Schweiger gewesen war, man vergaß, daß er auf dem Schlachtfelder seinen Degen entehrt hatte. So ließ das Volk, in Folge einer Verblendung, von der man mehre Beispiele in der Geschichte findet, sich von den Versprechungen eines Mörders täuschen, der durch Geld und Versprechungen, einen d’Aguessau, Bezons, d’Argenson, Herzog von Guiche, Camillac, Voisin, Raynold, Saint-Hilaire, Herzog von Moailles, den Präsidenten von Maison-Villars und einige andre Ehrgeizige für seine Interessen zu gewinnen gewußt hatte. Er konnte also nun auf das Parlament, die Bourgeoisie und die Armee rechnen.

Endlich starb Ludwig XIV. und beschloß seine Lauf bahn mit einem unpopulären Testamente.

Er hatte darin den Herzog von Maine und seine Bastarde zu Regenten des Königreichs ernannt. Diese Wahl mißfiel; der Herzog von Orleans, der Alles vorbereitet hatte, ließ sich von einer Versammlung, die von ihm erkauft war, statt ihrer ernennen.

Als diese Ernennung bekannt gemacht ward, nahm das Volk, welches an die Versprechungen Orleans glaubte, dieselbe mit blindem Jubel auf. Der Regent zeigte bei dieser unglücklichen Begebenheit viele Gewandtheit, – eine sehr traurige Gewandtheit, da fiel keinen andern Zweck hatte, als die Nation zu betrügen. Er umgab sich mit Rathgebern; er stellte sich volksthümlich und berief im Geheimen die Ehrgeizigen an seine Seite. Sie ließen nicht auf sich warten. Orleans betrog die ganze Welt, selbst feine Mitschuldigen. Er bebte vor keinem Mittel, vor keiner Niedrigkeit. Er veranlaßte eine Reaction, die nur eine List war, und übrigens nicht von Dauer sein konnte. Er suchte sich auf alle Weise beliebt zu machen, und benutzte alle möglichen Schlechtigkeiten, um die verworfensten Seelen für sich zu gewinnen. Er erklärte laut, daß seine einzige Hoffnung sei, die zerrütteten Angelegenheiten des Staates zu ordnen, und das Leben des jungen Königs zu erhalten, und als man bei dieser Gelegenheit an die Vergiftung der andern Glieder der königlichen Familie erinnerte, antwortete er:

»Man habe ihn ungerechterweise unersättlicher Herrschsucht beschuldigt und er würde nicht glücklich leben, wenn er Ludwig XV. verlöre.«

So begann die Regierung der Regentschaft, welche den allgemeinen Haß gegen den Herzog von Orleans vermehrte, und diesen zu neuen Schandthaten ermuthigte.

Am Schlusse dieses Kapitels möge noch folgende Philippika ihren Platz finden, in der während der Regentschaft ein kühner Dichter den Herzog an seine zahllosen Verbrechen zu erinnern den Muth hatte:

Fährmann der Unterwelt,

Bereite Dich, ohne zu erschrecken

Die königlichen Schatten überzusetzen,

Die Philipp Dir zusenden wird.


O, immer wiederkehrend Mißgeschick!

O, täglich neuer Verlust!

Thränen schwellen Deine Fluth,

Deine Segel sind von Seufzern gebläht.

Im ewigen schnellen Laufe

Eilt Welle auf Welle dahin.


Während Söhne ihre Väter beweinen,

Trifft derselbe Schlag auch sie.

Dem Bruder folgt der Bruder,

Die Gattin geht dem Gatten voraus.

Aber, o Schreckliches, was uns bedroht,

Ueber zwei Söhne, die allein uns noch blieben,

Ist die Sichel der Parze gezückt!

Den Ersten traf tödtlich sie schon,

Des Andern erbleichtes Gesicht

Deutet sein nahes Scheiden uns an.


Die Prinzen von Orleans

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