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Erster Theil
Sechstes Kapitel
Philipp Egalité (IV)„das Ungeheuer), Vater Louis Philipps

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Die französische Revolution war Frankreichs Wiedergeburt; sie war das Werk der Freiheit und des Fortschrittes, welches von Christus mild begonnen, von den Menschen gewaltsam vollendet ward; sie war ein majestätisches, dramatisches Schauspiel, voll wichtiger, der Beachtung aller Menschenfreunde würdiger Lehren.

Man sieht ein durch Siege entfesseltes Volk, einen Thron, der sich, durch feinen Fall betäubt und entmuthigt, um sich selbst dreht. Es sei mir erlaubt, hinzuzufügen, daß nie eine mächtigere, muthigere, alle Hindernisse verachtendere und so innig mit den andern Völkern, ihren Brüdern vor Gott, sympathisierendere Nation eine Revolution bewirkte.

Im Jahre 1789 seufzte die französische Nation unter all den Uebeln, deren Quelle das monarchische System der Bourbon’s war, als die General-Staaten plötzlich zusammenberufen wurden. Da bildete sich die National-Versammlung und stellte sich kühn einem umstürzenden Throne gegenüber, den indessen die Erinnerungen seiner einstigen Gewalt und Größe noch umgaben. Der alten und stolzen Aristokratie Frankreichs, der Armee, dem zürnenden Hofe wagte die National-Versammlung zu erklären, daß sie die Nation vertrete und dieselbe als unverletzbar anerkenne. Gewiß, das war Muth, war Heldensinn. Nie hatte eine Nation so majestätisch gehandelt, wie diese, welche ein Schauspiel gab, das die Furchtsamsten ermuthigen konnte. Durch diesen imponierenden Ausspruch ihres Willens besiegte die National-Versammlung eine mehre Jahrhunderte bestandene, von einer so servilen Aristokratie, als mächtigen Armee beschützte absolute Monarchie. Wie kam sie denn dazu, diese von ihr überwundene Macht wiederherstellen zu wollen? Weil den armen Gesetzgebern der Kopf wirbelte, bei dem Gedanken an die Umgestaltung, deren jene sociale Stufenleiter bedurfte, auf deren Gipfel Glück und Reichthum sich häuften, während unten. Alles fehlte: Alles, ja, es ist schrecklich zu sagen, Alles, sogar das zur Fristung des Lebens unumgänglich nothwendige Brot. Sie ließen es also dabei bewenden, das Königthum zu einer simpeln Magistratur herabzusetzen; aber sie irrten sich. Die Geschichte gleicht dem menschlichen Leben: man sieht in derselben eine Täuschung durch die andre, einen Kampf durch den andern, eine Tyrannei durch die andre ersetzt; und das ist nicht die kleinste Lehre der Geschichte.

Der Irrthum der National-Versammlung bestand darin, daß sie glaubte, ein Volk, dem es gelungen war, einen Theil der öffentlichen Gewalt zu erringen, werde seine Anstrengungen, dieselbe ganz zu gewinnen, einstellen; auch irrte dieselbe, wenn sie glaubte, ein Bourbon, welcher König gewesen war, werde sich mit der Stelle des Präsidenten einer Republik begnügen. Die Bourgeoisie, welche 1830 denselben gefährlichen Glauben hegte, erstickte, durch Ehrgeiz und Egoismus verleitet, die großmüthigen Stimmen, welche sich erhoben, die Volksherrschaft kühn zu proclamieren.

Die Nationen fehlen sehr, daß sie die ganze Sorge der Regierung einem Alleinherrscher anvertrauen, wenn sie nicht sichre Garantien gegen dessen Ausschreitungen und schnelle wirksame Mittel haben, dessen Gewalt zu widerstehen, sobald er den Willen der Nation dem seinigen unterordnet. Alle Blätter der Geschichte zählen die Uebelstände auf, welche aus dieser großen Unvorsichtigkeit entstehen.

Die National-Versammlung setzte, statt Ludwig XVI. selbst abzusetzen, nur seine Macht herab, und stellte so zwei Gewalten einander gegenüber, die des Volks und die des Königs, welche einander so lange bekämpfen mußten, bis die Eine durch die Andre vernichtet war. Es war indessen, nicht schwer, eine Revolution vorauszusehen, die um so fürchterlicher werden mußte, als das Volk so lange unter dem Druck gelebt hatte. Je länger eine Nation verachtet und ihrer Rechte unbewußt schläft, je furchtbarer ist ihr Erwachen.

Ludwig XVI. hatte nicht gesäumt, seine Unzufriedenheit mit der Stellung, welche die National-Versammlung ihm zuerkannte, zu erkennen zu geben, er konnte den Titel eines Königs der Franzosen, den Oberbefehl der Armeen und dreißig Millionen Einkünfte nicht als hinreichende Entschädigung anerkennen. Nichts, selbst nicht der Umstand, daß er früher im Besitz der unumschränkten Gewalt war, kann ihn in den Augen der Machtwelt entfchuldigen, daß er sich, nachdem es einmal so weit gekommen, damit nicht begnügte.

Es vereinigte sich übrigens Alles, das Volk zu einer Revolution zu stimmen. Niemals war das Elend zu einer solchen Höhe gestiegen gewesen, und doch erhöhte der überaus strenge Winter von 1789 dasselbe noch.

Die Gemüther waren in einer außerordentlichen Gährung. Die Bürger bildeten Gesellschaften, die sie Clubbs nannten. Dort wurden die Interessen der Nation, die abzuschaffenden Mißbräuche, die zu bewirkenden Verbesserungen erörtert; dort wurde bewiesen, daß das Volk von den höheren Classen ausgeplündert, die Industrie in ihrem Fortschritt gehemmt sei. In der That seufzte das Volk unter Auflagen, die ihm so grausam und drückend, als den Großen unbedeutend und leicht waren; es ernährte mit seinem Schweiße und vertheidigte mit seinem Blute übermüthige Bevorrechtigte. Selbst ein Theil des Adels war unzufrieden und sah eine nahe Umwälzung voraus. Schon hatten im Anfang des Jahres 1789 mörderische Kämpfe. Statt gefunden; schon entehrte der Herzog von Orleans das Volk, indem er es betrog.

Dieser Prinz, der Schandfleck des Hauses Bourbon, ist durch seine Verrätherei und seine Sittenlosigkeit nur zu berüchtigt worden. In der Hoffnung, von den sich überall vorbereitenden Unruhen profitieren zu können, ließ er durch einige seiner Creaturen dem Volke sich anbieten, für den Fall, daß sie dem Staate ein neues Oberhaupt geben wollten.

Es wird angenommen, daß dieser Mann, dem Viele seine legitime Geburt streitig machen, und der am 13. April 1747 geboren wurde, ein Sohn von Ludwig Philipp von Orleans war. Seine Mutter, Louise Henriette von Bourbon-Conti war eine freche, schamlose Messaline, die ihr Lager mit ihren eignen Bedienten, theilte.

Philipp Egalité rief selbst eines Tages: .

»Ich bin der Sohn des Kutschers meiner Mutter!«

Sein Vater hatte ihn, so lange er lebte, nicht als seinen Sohn anerkannt.

»Ich habe triftige Gründe, so zu handeln,« sagte er, »Die Herzogin von Orleans hat, von innrer Gluth verzehrt, sogar ihre Domestiken gerufen, um ihr Lager mit ihnen zu theilen.«

Es lebte nie ein feigerer, niederträchtigerer Heuchler als Ludwig Philipp Joseph von Orleans, der, um das Volk ungehindert zu betrügen und dem Gericht der Revolution zu entgehen, den Namen Egalité annahm. Nur der Lebenswandel seiner Vorfahren kam dem seinigen gleich. Den Lastern seiner Familie treu, verrieth dieses Ungeheuer das Vaterland und seine Verwandten gleichzeitig. Er wollte die französische Revolution, durch welche das Volk sich dem Joche der Tyrannei entziehen wollte, benutzen, um sich des Thrones zu bemächtigen, dieses Thrones, den jetzt, nach dem Falle Carls X., sein Sohn doch noch bestiegen hat!

Die Kindheit von Philipp Egalité zeichnet sich durch nichts Neues aus, indem er nur frühzeitig in die Fußsapfen seiner Vorfahren trat, so daß, als er beinah noch Knabe zu nennen war, Unzucht, Schwelgerei und Trunkenheit schon seine Tage und Nächte ausfüllten und sich seiner wie eines ihnen gebührenden Raubes bemächtigten. Er selbst beeiferte sich, die Unregelmäßigkeit seines Lebenswandels bekannt werden zu lassen, seine Schande zu veröffentlichen, und die müßige Jugend des Hofes mit sich in den Abgrund des Verderbens zu ziehen. Er übte, indem er das Beispiel der größten Zügellosigkeit gab, den nachtheiligsten Einfluß auf die Sitten seiner Zeit aus. Dennoch war er ziemlich populair geworden, weil er die Gabe hatte, denen, die er gewinnen wollte, zu schmeicheln. Seine hohe Stirn war zwar in Folge seiner Schwelgereien vom Haar entblößt, mit frühen Falten gefurcht und seine Wangen eingefallen, auch hatte er die Gesichtsfarbe der Trinker von Profession, doch hatte sein Lächeln, wenn er sprach, einen eigenthümlichen Reiz, und seine Manieren waren, wenn er es darauf anlegte, zu gefallen, angenehm und einnehmend. Er trachtete nach dem Throne und suchte sich daher bei dem großen Haufen auf alle nur mögliche Weise beliebt zu machen. Dabei unterließ er nicht, für die Interessen seines Hauses, wie er es nannte, zu sorgen; in der Hoffnung, den Prinzen Lamballe zu beerben, stieß er denselben methodisch in den Pfuhl der Laster, erschöpfte ihn durch Ausschweifungen und verließ ihn nicht eher, als bis er einer tödtlichen Krankheit, in Folge seiner im Uebermaß genossenen Freuden, erlegen war.

Die Politik solcher Menschen besteht darin: Alles zu thun, um zum Thron und zu Reichthum zu gelangen; Alles thun! das heißt, Intriguen und Gift mit gleicher Kaltblütigkeit anwenden.

Diese Art von Mord war es nicht allein, was allen rechtschaffenen Leuten eine so tiefe Verachtung gegen den Herzog von Orleans einflößte. Es würde theils zu weitläufig, theils unmöglich sein, alle auf die schändliche Lebensweise dieses Prinzen bezüglichen Anekdoten hier zu erzählen.

Er hatte mehre Serails in seinem Palaste, in denen er sich dem niedrigsten Sinnentaumel hingab. Obgleich er der reichste Fürst Europa’s war, gab er doch täglich Beweise der niedrigsten Habsucht. Er richtete fast alle diejenigen, welche in der Nachbarschaft seiner Güter Besitzungen hatten, durch Prozesse und hinterlistige Nachstellungen zu Grunde.

Dieser so durch und durch verderbte Mann hatte alle gemeine Laster: er liebte den Wein, das Spiel, die schamlosen Weiber. Seine Orgien mit Frau v. Genlis sind historisch berühmt geworden. Er war vor Allem geizig, ehrsüchtig, unbescheiden; er betrog im Spiel, und eines Tages, als er am Hofe erschien, flüsterten sogar einige Personen:

»Da ist der Herzog v. Orleans! nehmen wir unsere Uhren in Acht

Das war durchaus nicht übertrieben, denn er war immer von Gaunern begleitet und sehr geschickt in Abdrückung von Schlüsseln, ja es begegnete ihm sogar, daß er dieselben Buhlerinnen bestahl, in deren Armen er die Nacht verschwelgt hatte. Wenn er mit seinen Freunden und Buhlerinnen geschmaust hatte, gab er auch noch dem Volke durch seine unzüchtigen Lieder und Redensarten ein Aergerniß.

Eines Abends, nach einer seiner Orgien, ging er mit Hrn. v. Genlis auf einen Ball. Als dieser ihn auf eine Frau aufmerksam machte, die er sehr schön fand, sah der Herzog dieselbe unverschämt an und sagte dann ganz laut:

»Ah! eine gewesene (passée) Schönheit!«

»Wie Ihr Ruf,« antwortete die Dame.

Aber aus Demüthigungen machte dieser Mann sich nichts, zu dem La Mothe-Piquet sagte:

»Prinz, wenn ich mich so niederträchtig aufgeführt hätte, wie Sie, schösse ich mir eine Kugel durch den Kopf.«

Sobald Orleans erfahren hatte, daß die Freimaurer sich insgeheim mit Politik beschäftigten, verband er sich mit ihnen, und in einer Freimaurerloge machte er Bekanntschaft mit Barrère, Sieyés, Grégoire, Robespierre, Marat, Saint-Just und Andern. Zuletzt ließ er sich zum Großmeister aller Logen des großen Orient ernennen, in dieser Logen führte er seinen Sohn, Ludwig Philipp v. Orleans ein, der 1830 von zweihundert und neun Deputierten zum König der Franzosen ernannt ward.

Im Jahre 1789 wurde Philipp-Egalité in einer jener Versammlungen der Grad eines Kadosch ertheilt. Er ward in einen Saal geführt, der durch eine Lampe, die düsteren Schatten an die Wand zurückwarf, matt erleuchtet war. Auf einem Throne saß eine mir den Zeichen der Königswürde geschmückte Gliederpuppe; die Brüder führten Egalité ein und forderten ihn auf. Eine Doppelleiter. Die vor dem Throne stand, hinauf zu steigen; er stieg bald wieder herab, um einen Dolch in Empfang zu nehmen, den er der gekrönten Gliederpuppe in die Brust stieß.

Eine dem Blut ähnliche Flüssigkeit rieselte über seine Hände; nun forderten ihn die Brüder auf, der Puppe den Kopf abzuschneiden und denselben darauf mit der rechten Hand emporzuheben, während er die mit dem Dolche bewaffnete Linke über seinen Kopf erheben werde. Nachdem dies geschehen war, unterwarf man ihn den andern üblichen Förmlichkeiten. Er schwor, die Könige und die Verräther zu treffen, wo er sie finden werde. Einige Zeit zuvor war er verbannt gewesen von Ludwig XVI., diesem Könige, der so schwach und so gutmüthig, so unentschlossen und so eigenmächtig zu gleicher Zeit war und der seine Schwäche und die Verbrechen seiner Vorfahren mit seinem Leben bezahlen sollte.

Die Geschichte des Ehrgeizes und der Verbrechen Ludwig-Philipp-Josephs v. Orleans beginnt eigentlich mit dem Jahre 1789. Einige Zeit nach der Zusammenberufung der General-Staaten entwickelten sich die Absichten dieses Mannes. Je nachdem sie auf unsere Erzählung Bezug haben, werden wir Bruchstücke aus der geheimen Correspondenz von Philipp-Egalité mittheilen. Was seine Unterhaltungen anbetrifft, so sind von denselben noch Proben vorhanden, wie z. B. folgende:

»Nun denn!« sagte er eines Tages zu seinem Kammerdiener, der sein bester Freund war, »sollte ich umkommen, so sterbe ich zufrieden, wenn ich den König und besonders die Königin, mit mir in den Abgrund ziehe und lebe ich, so schwöre ich, sie unglücklich zu machen, wie lebende Wesen nur werden können; ich werde all’ mein Vermögen, ja mein Leben selbst daran setzen, wenn es sein muß.«

Orleans, der den Angriff gegen das Königthum schon begonnen hatte, indem er Korn aufkaufte, um damit zu wuchern, gab sich keine Mühe mehr, seinen Haß gegen den König zu verbergen. Es war jedenfalls etwas Scheußliches um diesen Haß gegen einen Verwandten, der ihm noch dazu persönlich viel Güte erzeigt hatte; er betrog zu gleicher Zeit das Volk, denn er hatte, was er auch von Freiheit und Gleichheit schwatzen mochte, nie einen andern Zweck, als für sich die Krone zu gewinnen. Um diese Zeit schickte er einen seiner Agenten, Namens Ducrest, nach London, um über das von ihm aufgekaufte Korn einen Handel abzuschließen. Zu gleicher Zeit war Ducrest beauftragt, die britischen Diplomaten auszuforschen, und ihnen die Zusicherung zu geben: »daß die Orleans immer ihre Freunde sein würden

Ein anderer Agent des Prinzen, Pinet, kaufte mit dessen Gelde in ganz Frankreich Getreide auf. Nach diesem Streiche stiftete Philipp v. Orleans Unruhen in Paris an und organisierte den Aufstand. Er billigte nicht nur laut die großherzigen Anstrengungen des Volks, um seine Sclavenketten abzuschütteln, sondern schürte noch mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln die alle gemeine Unzufriedenheit an. Das Palais-Royal war der Zusammenkunftsort der Rädelsführer auch alle Verrufenen, Ehrlosen und alle Gauner und Spieler der Hauptstadt konnte man dort finden. Orleans besoldete die Redner, welche aus blinder Leidenschaft für das Geld, dem Meistbietenden zur Disposition standen; in seinem Palaste stiftete er ein Comité der Revolution, und fing neuen Kornwucher an. Er schmeichelte zu gleicher Zeit den Hoffnungen der Bürgerschaft, und den sehr strafbaren der Fremden. Das Volk starb vor Hunger; Orleans, der durch seinen Kornwucher daran Schuld war, prahlte mit seiner Freigebigkeit. Indessen überstiegen seine prahlerischen Almosen nicht die Summe von dreitausend Livres. Nichts desto weniger galt er für wohlthätig, für mitleidig und ließ sich den Wohlthäter des Volkes nennen.

In dieser Zeit vereinigte er sich mit zwei sehr gewandten Spitzbuben, die seit einiger Zeit die Hauptstadt unsicher machten. Diese Gaudiebe, die Coffiné und Poupart de Beaubourg hießen, trieben ihre Spitzbübereien ins Große, seit sie an Philipp v. Orleans einen Verbündeten hatten. Eine große Menge reicher Pariser wurden von diesen beiden Bösewichtern beraubt und ermordet; bei Nachtzeit brachten sie die Früchte ihres Raubes nach dem Palais-Royal, wo sie dieselben mit Orleans theilten! Meistentheils kaufte Letzterer von seinen beiden Mitschuldigen um einen geringen Preis die Gegenstände, deren sie sich, ohne Gefahr dadurch entdeckt zu werden, nicht sogleich entledigen konnten. Also spekulierte der Herzog v. Orleans, ein Prinz von königlichem Geblüte, auf Raub und Mord! Der Diebstahl, welcher Orleans am Meisten einbrachte, fand bei der Gräfin Dubarry statt, welche durch denselben alle ihre Diamanten verlor, die Orleans in England verkaufen ließ. Viele auf des Herzogs Befehl begangene Verbrechen sind unbekannt geblieben; einige derselben wollen wir indessen hier bekannt machen.

Orleans hatte einige Jahre eine Maitresse gehabt, der er noch jährlich zwölftausend Franken gab. Diese Frau war außerordentlich geizig; sie hatte folglich eine bedeutende Summe zusammen gescharrt. Eines Abends ging Orleans mit Cossiné nach ihrer Wohnung, er hatte sich angemeldet, fand sie also allein. Cossiné ward von Orleans als einer seiner Freunde vorgestellt. Das Liebespärchen schwatzte zusammen, während Cossiné sich nachlässig erhob und anscheinend die Gemälde an den Wänden betrachtend, hinter seinem Opfer anlangte und demselben mehre Dolchstiche in den Hinterkopf versetzte. . . . sie sank zu den Füßen Orleans nieder, der sich nun beeilte, seine Taschen zu füllen, und Cossiné aufforderte, dasselbe zu thun. . . . Sie fanden bei dem unglücklichen Opfer dieser Frevelthat weder Geld noch Bijouterieen . . . . Umsonst spürte die Justiz den Verbrechern nach: den Herzog von Orleans schützte seine hohe Stellung vor jedem Verdacht. Als Coffiné eines Tages verhaftet und ins Chatelet gebracht war, erklärte er, daß er wirklich alle ihm schuld gegebenen Morde und Diebstähle begangen, jedoch damit nur die Befehle des Herzogs v. Orleans vollzogen habe. Bei diesem Namen öffneten sich die Thore des Gefängnisses; man bat ihn schönstens um Verzeihung, ihn verhaftet zu haben und fügte hinzu, wenn er der Freund des Herzogs sei, so solle er künftig nicht mehr befürchten beunruhigt zu werden. Orleans trieb die Frechheit sogar so weit, Cossiné mit an den Hof zu nehmen: der Mörder mischte sich unter die Höflinge und versuchte, der Königin die Uhr zu nehmen, die sie am Halse trug; er wurde jedoch auf der That ergriffen. Abermals berief er sich auf seinen erlauchten Gönner und wurde nicht verfolgt.

Von Sieyes, Mirabeau, Valence und Dumouriez unterstützt, bereitete Orleans. Alles vor, um die Dynastie zu seinem Vortheil zu verändern: er wollte in seiner Person das constitutionelle Königthum proclamiren!

E: überschwemmte Paris mit Schmähschriften und stiftete den Clubb der Rasenden (club des enragés). Diese Gesellschaft leistete dem Volke einen großen Dienst, indem sie sehr zweckmäßige Schriften unter dasselbe vertheilte, die ganz geeignet waren, es für die Revolution zu stimmen, Orleans, der seine Popularität in Paris mit sehr geringen Kosten erlangt hatte, sah sich, um dieselbe auch im Heere zu gewinnen, genöthigt bedeutendere Opfer zu bringen. Er entsagte allen ihm zukommenden Einnahmen, stiftete Hospitäler und Lazarethe2 und vertheilte auch eine Summe Geld. Durch diese Freigebigkeiten hoffte er Deputierter zu werden. In Orleans mißglückte es ihm, und, wie um zu zeigen, daß seine Wohlthaten nicht ohne Absicht verliehen waren, entzog er der Bibliothek der Stadt nun die Summe von 24000 Franken, die er bis dahin jährlich gegeben hatte. Endlich gelang es ihm, in Villers-Cotterets gewählt zu werden. Nun ging er nach Paris und mischte sich in die Wahlen des Adels. Alle die gewählt wurden, waren, mit Ausnahme von Mirepoir, seine Creaturen, oder wenigstens Feinde des Königs.3

Die erste Volksbewegung, die am 28. April 1789 in Paris ausbrach, war gegen zwei Fabrikanten der Vorstadt St. Antoine, Reveillon und Hurin, gerichtet, welche ihre Arbeiter im Elende vergehen ließen, und ihnen sagten: »sie könnten recht gut von fünfzehn Sous täglich leben.« Ihre Häuser wurden von dem Volke demoliert; die Meubles und sonstigen Sachen wurden aus den Fenstern geworfen. Der Wuth des Volkes wurde militärische Macht entgegengestellt.

Der Herzog v. Orleans erschien selbst auf dem Kampfplatze. Er bediente sich der Herzogin, seiner Gemahlin, um die Soldaten zu zerstreuen. Bei dem Anblick der Frau des Ungeheuers öffneten sich ihre Reihen, und das Volk konnte ungehindert passiren.

Nun wurden Kanonen gegen die aufrührerischen Arbeiter aufgepflanzt. Obgleich von geringerer Anzahl, zogen die Insurgenten sich doch nicht zurück, der Kampf begann. Man sah heldenmüthige Frauen die Nothleidenden zur Verzweiflung aufreizen, in ihren Herzen das Gefühl der Menschenwürde anfeuern und an ihrer Seite kämpfen. Das Volk brachte zu diesem ersten Kampf jene Rechtschaffenheit mit, die dasselbe auch in der Julirevolution zeigte; jenen Geist, der die Stärke der Republiken bedingt und die königlichen Verläumdungen zu nichte macht. Der Widerstand der Proletarier, ihr Muth hatten etwas Heldenmüthiges, Wunderbares.

Nur der Tod brachte sie zum Weichen; sie kämpften mit dem Muthe der Verzweiflung. Sie wußten mit Ergebung zu sterben.

Der Hof entzog dem Parlamente die Instruction des Prozesses; der Herzog v. Orleans schrie laut gegen diesen Mißbrauch der Gewalt,4 bald aber, angeklagt, ein Mitschuldiger der Aufrührer zu sein, beeilte er sich, öffentlich zu erklären, und durch einige Journale publiciren zu lassen, daß er über diese Anklage sehr betrübt sei und hoffe, das Publikum werde ihn nicht für einen Theilnehmer des Complotts halten.

»Die Wahrheit,« fügte er hinzu, »wird bald genug bekannt werden; ich weiß, wer die wahren Anstifter des Aufruhrs sind, zu dessen Theilnehmer man mich machen will; ich kenne sie, und werde die Gerechtigkeit des Königs gegen sie aufrufen; ich werde sie angeben, sie den General-Staaten anzeigen, damit sie von denselben gerichtet werden; die strengste Gerechtigkeit werde ich gegen sie aufrufen; und ich erkläre hiermit feierlich, daß ich meine Anklage veröffentlichen werde.«

So verrieth Philipp-Egalité die, deren Sache er angehört hatte! Die Ereignisse waren mit unerhörter Schnellligkeit einander gefolgt, man vergaß darüber sein Versprechen, die Anstifter des Aufruhrs namhaft zu machen, und er hielt sich an seine Zusage nicht mehr für gebunden. Er ging zu Reveillon, mit dem er sich vereinigte, den Schuldigen ausfindig zu machen. Sie wählten einen Priester, Namens Leroi, der wegen seiner verderbten Sitten berüchtigt und so arm war, daß er nicht die Mittel aufbringen konnte, um sich mit Erfolg gegen Richter, die von der Verworfenheit erkauft waren, zu vertheidigen. Dennoch gaben die Richter des Chatelet, ihn frei, denn keiner der verhafteten Aufrührer erinnerte sich, ihn bei Hurin oder Reveillon gesehen zu haben. Dieser Letztere ließ sich von Orleans bereden, Leroi bei dem Parlamente zu verklagen. Louis Philipp hatte mehre Berathungen mit seinen Genossen, in welchen beschlossen wurde, falsche Zeugen gegen Leroi zu erkaufen. An dem Tage wo der Prozeß eröffnet wurde, kam Reveillon sehr früh zum Herzoge. Man hat bis jetzt nicht gewußt, was sie zusammen verhandelten, doch bin ich im Stande es mitzutheilen:

»Nun!« sagte Orleans, »ich habe über einen bessern Plan nachgedacht, als der war, den wir neulich gefaßt hatten. Leroi darf nicht vor dem Parlament erscheinen«

»Und wie ihn daran verhindern?« fragte Reveillon.

»Nichts ist einfacher als dieses. Er ist furchtsam; man muß ihm weis machen, daß das Publikum im höchsten Grade gegen ihn eingenommen ist, und daß er, schuldig oder nicht, auf jeden Fall festgesetzt und verurtheilt werden wird.. . . Er ist feige, ist mißtrauisch. . . «

»Aber, wenn er heute nicht erscheint, wird das Parlament ihm einen andern Termin setzen.«

»Dazu darf es nicht kommen; denn wir müssen uns feiner entledigen

Und so geschah es. Leroi ging, ehe er sich nach dem Parlamente verfügte, in ein Kaffeehaus. Dort umringten ihn einige Repräsentanten der orleanistischen Partei, die ihn den ganzen Morgen nicht aus den Augen verloren hatten;. . . sie bedauerten ihn, versicherten ihn, er werde auf dem Grève-Platze hingerichtet werden, wenn er das Decret seiner Verhaftung, welches nicht ausbleiben könne, abwarte,. . . er verließ dies Kaffeehaus. . . er erschien nicht vor dem Parlamente. Man hat ihn nicht wieder gesehen. . .

Kurze Zeit nach dieser Begebenheit ließ Louis Philipp v. Orleans falsche Papiere machen und dieselben durch einen gewissen Leguerre an der Disconto-Casse präsentieren, es waren für fünfzigtausend Thaler. Diese Bons waren Necker unterzeichnet und wurden bezahlt. Als sie Necker vorgelegt wurden, erkannte derselbe die Unterschrift nicht als die seinige an; doch eine Gleichgültigkeit, welche beleidigenden Argwohn gegen ihn erweckte, ließ ihn die Sache unbeachtet lassen und keine Untersuchung gegen die Fälscher veranlassen.

Endlich wurden die General-Staaten eröffnet: Louis Philipp erschien daselbst mit den Deputirten des dritten Standes und weigerte sich, seinen Platz an der Spitze der Prinzen von Geblüt einzunehmen. Als Ludwig XVI. ihm darüber bittere Vorwürfe machte, antwortete der Herzog:

»Sire, meine Geburt giebt mir immer das Recht, mich an die Seite Ew. Majestät zu setzen; aber in diesem Augenblick glaube ich mich zu Denen halten zu müssen, die mich zum Deputirten erwählt haben.«

Der Plan dieses Werks gestattet mir nicht, die Sitzungen der General-Staaten zu beschreiben und mich bei Thatsachen aufzuhalten, die sich nicht auf die Orleans beziehen. Das Betragen desjenigen von ihrer Familie, von dem hier die Rede ist, erregte eine dumpfe Sympathie. Ein Prinz von Geblüt entsagte den Vorrechten seiner Geburt, um sich zwischen die Abgeordneten der Bürgerschaft zu setzen! Das war etwas Unerhörtes. Seine Popularität gewann dadurch: er hatte das Talent, den Enthusiasmus des großen Haufens zu erregen; er legte dem Glauben des Publikums Schlingen, in denen es sich einen Augenblick fangen ließ. In einer der Adelskammern hielt Orleans eine Rede, als einer der Anwesenden, von der Hitze belästigt, laut ausrief:

»Oeffnet das Fenster!«

Orleans, glaubend, daß man ihn hinauswerfen wolle, erschrak, erbleichte und sank ohnmächtig um. Man brachte ihn in einen Nebensaal, ließ ihn Salze und Wohlgerüche einathmen, und knöpfte seine Kleider auf, um das Athemholen zu erleichtern; aber wie groß war das allgemeine Erstaunen, als man sah, daß er einen Brustharnisch trug.5 Dessen ungeachtet hatte er eine bedeutende Majorität; er hatte eine unbeugsame Beharrlichkeit und es gelang ihm, in einer Versammlung folgende Beschlüsse zu veranlassen:

»1) Montag, den 13. Juli 1789, allgemeiner Aufstand in der Hauptstadt und den Provinzen, und dann wird man die so Gelegenheit benutzen, um den Herzog von Orleans als General-Lieutenant, oder Regenten des Königreichs zu proclamiren.

»2) Wird vorläufig Alles aufgeboten werden, um die Noth allgemein zu machen, damit die Bürgerschaft gezwungen wird, zu den Waffen zu greifen.

»3) Ermordung des Flesselles, Stadtschultheißen von Paris; Berthier’s, Intendanten von Paris; Foulon’s, seines Schwiegervaters; Durocher’s, Oberbefehlshabers der Marechaussée; Pinet’s, Wechselagenten des Baron von Besenvas, des Baron von Breteuil, des Grafen Artois, des Prinzen Condé, des Prinzen Conti, des Marschall von Broglie, des Prinzen von Lambes, des Abbé Maury, des Herrn von Aligre, ehemaligen ersten Präsidenten des Parlamentes von Paris; und der Herren von Eprémesnil und von Lefebre d’Ammécourt, Parlamentsräthe.

»4) Tod Jedem, der dem Aufkauf des Getreides Hindernisse in den Weg legt, namentlich dem Müller Sauvage zu St.-Germain en Laye; dem Pächter Thomasin in der Nähe desselben Ortes, dem Cuveau, Mairie-Adjunkt zu Mans; dem Chatal, Maire zu St. Denis; dem Manssion, Intendanten von Rouen; dem Belboeuf, General-Procurator des Parlaments von Rouen.

»5) Plünderung und Anzündung aller Schlösser von Aristokraten, wo man hin gelangen kann.

»6) Niedermetzlung aller Royalisten, die Frankreich nicht verlassen werden.« –

Man wird sich vielleicht wundern, auf dieser Proscriptionsliste auch den Namen Pinet’s, eines der Mitschuldigen Orleans, zu finden. Das kam daher, daß Pinet sehr reich geworden war: Philipp-Egalité wollte ihn beerben. Uebrigens erklärte Pinet öffentlich, der Herzog sei ein ehrloser Ränkemacher und Mörder. Unter den über Philipp Egalité gefällten Urtheilen ist besonders anzuführen, was Mirabeau von ihm sagt:

»– Er ist feige und niederträchtig wie ein Laquai er ist nicht werth, daß man sich um ihn bekümmert! Er ist ein Elender, der zu nichts taugt, als Prinz zu sein!«

Talleyrand, selbst so verächtlich, schonte doch Orleans auch nicht, und sagte von ihm:

»– Er ist ein niedriger, gemeiner Intriguant; er bedarf nur Geld, um zufrieden zu sein. Für Geld würde er seine Seele verkaufen, und thäte recht daran, denn er vertauschte einen Misthaufen gegen Gold.«

Es ist merkwürdig zu sehen, wie Ein Nichtswürdiger den Andern beurtheilt. Der Herzog von Orleans ließ eine Vertheidigungsschrift drucken und vertheilen, die wörtlich so anfing:

»Hätte man jemals erwarten können, daß ein Fürst, dessen Jugend (gewiß ein großes Unrecht) fast ganz in den Frivolitäten und Freuden, die das Leben und die Empfindungen der Personen seines Ranges zu erfüllen pflegen, verging, einst den muthvollsten und edelsten Eifer für die Wiederherstellung des allgemeinen Wohlstandes und des Glückes der Nation an den Tag legen werde? Man würde diese Wahrnehmung noch bezweifeln, wenn nicht vielfache Beweise uns in dem Herrn Herzog von Orleans einen würdigen Sprößling Heinrich IV, den Feind der Verbündeten und der Aristokratie, die Stütze der Sache des Volks und des allgemeinen Rechts, welches älter als Reiche und Könige ist, erkennen ließen.«

Im Schooße der allgemeinen Gährung war die Haltung des Hofes schlaff und kraftlos. Der König, ein Theil des Adels und fast der ganze Clerus wendeten das Jahr 1789 an, um gegen die Gewalt der großherzigen Ansichten, von denen die Orleans Vortheil ziehen wollten, einen übermüthigen Kampf zu unternehmen. Was die Deputierten der Gemeinden anbetraf, so gaben sie diesen Grundsätzen der Regeneration ihren vollen Beifall und erhöhten somit den Aufschwung derselben. Auf einer Seite war der König, allem Entsetzen eines in seiner Schwäche noch hartnäckigen Geistes Preis gegeben; auf der andern Seite bemühte sich die Nationalversammlung, die Schwierigkeiten zu überwinden, die es machte, dem Lande eine Constitution zu geben.

Unterdessen setzten die Clubbs kühn ihre öffentlichen Sitzungen fort. Der Garten des Palais-Royal war einer der Mittelpunkte der Vereine. Diese Versammlungen waren von dem Herzoge von Orleans gestiftet, der eine Menge Schwelger, Müßiggänger und Ausländer in seinem Solde hatte.

Unter den glühendsten Aufwieglern machte sich Camille Desmoulins, ein überspannter Republikaner, ein Mensch eben so sentimal als blutdürstig, bemerkbar. Bei der Nachricht von der Ankunft der Truppen des Hofes begab er sich nach dem Palais-Royal und stellte sich an die Spitze der Bewegung. Das Blut des Volkes floß unter den Streichen des Prinzen von Lambes, dessen Namen die Geschichte mit seiner Schande zugleich aufzeichnete. Die Läden der Waffenschmiede wurden geplündert, die Bürger- Miliz wurde organisiert. So entstanden die Nationalgarden.

Glücklicherweise fand die Beredtsamkeit der Vertheidiger der Tyrannei dieses Mal keinen Eingang bei dem Volke, es warf sich auf die Bastille, – dieses Denkmal der rächenden Feudalherrschaft – und bemächtigte sich ihrer.

Das Schicksal der Opfer dieses großen Kampfes wie aller derer, die demselben eine Reihe von Jahren hindurch folgten, ist zu bedauern. Die Verbrechen der Vorfahren, wie ihre Irrthümer, werden oft noch an den späten Enkeln heimgesucht, und nur erst in einer andern Welt, wo wir die Weisheit der Weltregierung in ihrem vollen Lichte erkennen, wird uns das Dunkel solcher trüben Verhängnisse klar werden.

Wenn man revolutionaire Ereignisse und Thaten richtig beurtheilen will, so muß man dabei die Umstände , unter denen sie stattfinden, berücksichtigen, die Beschwerden des Volkes gegen die bevorzugten Classen reiflich erwägen, mit Einem Worte, feststellen, auf welcher Seite die größte Schuld begangener Verbrechen war. Das Königthum, der Clerus und der Adel wollten die Rechte und Vorzüge, in deren Besitz sie waren, fest halten. Das Volk darbte unter diesen Rechten und Vorzügen; es erkannte dieselben für ungerecht, übermäßig und abgeschmackt; der materielle Beweis für diese Behauptung war das Elend und der Verfall, zu dem diese vorgeblichen Rechte und Vorzüge es geführt hatten, und es fand die moralische Sanction seiner Verwerfung in seinem Gewissen und in dem Evangelium, welches ihm im Namen Gottes verkündigt war. Da nun die Frage über Rechte und Pflichten aufgeworfen war, bedurfte es eines neuen Vertrages, einer neuen sozialen und politischen Constitution; aber dieselbe mußte vollständig, feierlich, auf eine unerschütterliche Basis – die allgemeine Moral – gegründet, und durch Ehrfurcht einflößende Institutionen gegen die Eingriffe der Ränkemacher und Usurpatoren geschützt sein. Das war es, was die National-Versammlung versprach und was sie, ach! so unvollkommen hielt.

Die Religion wurde dadurch, daß Menschen sie predigten, deren Lebenswandel allgemeines Aergerniß gab, verkannt und als Lüge behandelt. Aber die Völker können nicht, so wenig wie der einzelne Mensch, ohne Glauben, ohne einen heiligen Namen auf den Lippen, ohne einen Ruf der Hoffnung, leben. Dieser Glaube, dieser Name, dieser Hoffnungsruf, sind in dem einzigen Worte Freiheit enthalten. Dieses Wort ertönte, ertönte aus Millionen jauchzenden Kehlen und die französische Monarchie stürzte zusammen. Mitten in diesem Werke der Zerstörung erhoben sich große Geister, die im hellsten Lichte die christliche Bedeutung der Gleichheit neben die der Freiheit stellten, welche so eben die Bürger gegen die Privilegien und den Despotismus bewaffnet hatte.

Daher kommt es, daß wir jetzt voll Vertrauen sind; es giebt keine Macht mehr auf Erden, die uns lange am Gängelbande führen könnte; jene entsetzliche Tyrannei kann nicht wieder erstehen, denn wenn dem so wäre, gälte es einen Kampf, und vor dem würde das Volk nicht zurückbeben. Man mag sagen was man will, es können jetzt keine Bastillen mehr bestehen. Hat der Schriftsteller nicht Feder und Schwert? Hat das Volk nicht Muth und die Erinnerung seines ersten Sieges?

Bei dem Sturze dieser alten Monarchie, die von Raub und Schändlichkeiten abgenutzt, in Wollüste und Schwelgereien versunken war, zitterten alle Könige auf ihren Thronen; sie sahen die Freiheit, drohend allen denen, die ihre Gewalt mißbrauchen; und bei dem blendenden Glanze, welchen sie verbreitete, bemerkten sie zum ersten Male, daß ihre Throne eigentlich nur ein Gebäude von geschmückten Brettern waren, welches der geringste Stoß umstürzen konnte!

Da war denn also die Demokratie in ein neues Stadium gelangt, wo wir ihr Schritt vor Schritt, in ihren Erfolgen und Verlusten, über die neue Erfolge sie trösten, folgen werden. Die Schicksale der Nationen ruhen in den Herzen und den Gedanken der Männer von Muth und Einsicht, die sich für Ideen und Grundsätze opfern, welche das einzige Wort: der Fortschritt, in sich faßt. Der Fortschritt! er erblühete aus dem Blute der gefallenen Herren, der auf einander eifersüchtigen Sclaven, der Unschuldigen, der Opfer, er erblühte auf den Schlachtfeldern, unter dem Geheul der zu Boden geworfenen Feinde, dem Gewieher der Schlachtrosse, dem Flattern der Fahnen. Der Fortschritt! er wird sich Bahn brechen durch die Ränke der Geldmänner und die geheimen Umtriebe der Polizei; er wird die Freiheit an den Tyrannen, die sie unterdrückten, rächen und Gerechtigkeit, Wahrheit und Freiheit werden endlich siegen! –

Nach der Einnahme der Bastille versuchte Ludwig XVI. noch, gegen den Strom der neuen Begriffe zu kämpfen, und das beschleunigte seinen Fall. Es gab nur noch Ein Rettungsmittel für ihn, nämlich freimüthig in die ihm vorgeschlagenen Umgestaltungen einzugehen und sich selbst an die Spitze der Volksbewegung zu stellen; aber zu diesem Entschluß gehörte ein Mann mit einer starken Seele und ausgezeichnetem Verstande, nicht aber ein König wie er, der unfähig war, die Anforderungen seiner Zeit zu erkennen und zu verstehen.

Traurig war es andrerseits anzusehen, wie leicht das Volk sich von ehrgeizigen Männern leiten und verführen ließ: so fand die Volkspartei sich geheilt zwischen Orleans, Mirabeau, Barnave, den Lameth’s und La Fayette, welche Letztere die Monarchie retten wollten. Damals erkannte das Volk nicht, daß der Herzog v. Orleans General-Lieutenant des Reichs und Mirabeau Minister werden wollte.

Dieser doppelte Versuch scheiterte an dem Terrorismus Robespierre’s und der Lameth’s.

Das Jahr 1790 hatte kaum begonnen, als der Marquis v. Favras seine geheimen Verbindungen mit dem Hofe, der alles Geschehene wieder rückgängig machen wollte, auf dem Blutgerüste büßte. Bald darauf arbeitete die ganze Nation an den Vorbereitungen zu dem Feste, welches auf dem Marsfelde gefeiert werden sollte; und dort empfingen alle Verbündeten, die Deputierten des Heeres und der Provinzen den Eid des Königs, der seine rechte Hand gegen den Altar ausstreckend, an welchem der Bischof von Autun so eben die Messe gelesen hatte, mit starker Stimme sagte:

»Ich, König der Franzosen, schwöre die mir durch die Constitutions-Urkunde des Staats verliehene Gewalt anzuwenden, um die von der National-Versammlung decretirte und von mir bestätigte Constitution auf recht zu erhalten.«

An demselben Abend war ein allgemeines Fest in Paris, und an dem Platze, wo das alte Gefängniß der Bastille gestanden hatte, las man:

Hier wird getanzt

Indessen hatte der Hof den in Chatelet schon begonnenen Prozeß gegen die Rädelsführer vom 5. und 6. October wieder anhängig gemacht. Der Herzog v. Orleans und Mirabeau waren unter den Angeklagten. Der Hof erlitt den Schimpf eine erfolglose Anklage gemacht zu haben; die Stimme Mirabeau’s übertönte dieselbe, so wie auch die des Herzogs v. Orleans.

Um den Bankerott zu vermeiden, brachte die Regierung eine Menge Assignaten in Umlauf und nahm alle möglichen Maaßregeln, um den Credit derselben zu sichern. Unterdessen starb Mirabeau in Folge übermäßiger Arbeiten und Schwelgereien, aufgerieben durch Sinnenlust und politische Aufregung. Es war am 2. April 1791; er war umgeben von Cabanis, Talleyrand und Barnave, die zu ihm gekommen waren, um fein letztes Lebewohl zu empfangen.

Am 20. Juni, um Mitternacht, entflohen Ludwig XVI., die Königin, Madame Elisabeth und Frau von Tourzel, Erzieherin der Kinder von Frankreich, verkleidet aus dem Schlosse. Sie reisten die ganze Nacht, ohne daß ihre Flucht bemerkt wurde. »La Fayette hat diese Entweichung begünstigt,« schrie das Volk. Erst in Varennes wurde der König verhaftet durch den republikanischen Eifer , Drouet’s, eines Postmeisters-Sohnes. Die National-Garden der Umgegend lieferten die königlichen Personen nicht eher aus, als bis drei von der National-Versammlung bevollmächtigte Personen sich zu diesem Zwecke einfanden. Es waren Barnave, Latour-Maubourg und Péthion.

Welch ein Umschwung! Der König und seine Familie kehrten in die von ihnen verlassene Hauptstadt zurück, bewacht von einem jungen Advokaten, und von einem Manne, den die Strenge und Rauhheit seiner Grundsätze seit einigen Tagen erst berühmt gemacht hatte.

Barnave, der neben der Königin saß, konnte sich des Mitleids mit dieser unglücklichen Familie nicht erwehren. Der andre Tribun, Péthion, empfand weniger Sympathie für dieselbe. Die Reise währte acht Tage; der Wagen war von National-Garde begleitet, »Das Schweigen der Völker, sagt man, ist das Verbannungsurtheil der Könige.« Ludwig XVI. kannte diesen Ausspruch, die Aufnahme die er fand, mußte ihm mithin entsetzlich sein. Nicht ein Ruf, weder der Freude noch der Lästerung, ward gehört. Von da an konnte der König sich als verloren betrachten. Diese Reise, Folge jenes Mißgeschicks, welches die Schwäche und Feigheit verfolgt, setzte ihn auf immer in der Achtung der Nation herab. Der König und seine Familie wurden in den Tuilerieen gefangen gehalten. Umsonst boten Barnave und Lameth ihren Einfluß auf, um sie zu retten, es war um sie geschehn: Péthion, Robespierre und Buzot wollten die Republik, und die, welche noch nicht geradezu Republikaner waren, verlangten wenigstens eine andre Dynastie, wogegen Jene meinten: wenn so Vieles nur geschehen sein sollte, um wieder einen König zu wählen, wäre es am Besten gewesen, diesen zu behalten. Uebrigens verdiente der Herzog v. Orleans wahrlich nicht, Ludwig XVI. vorgezogen zu werden.

Unterdessen ließ La Fayette auf dem Marsfelde, neben dem Altar der Freiheit, auf das Volk schießen. Mehre hundert Bürger wurden von seinen Soldaten niedergemetzelt und zertreten.

Endlich wurde der König, nachdem er die Constitution, welche in aller Eile entworfen war, angenommen hatte, wieder in Freiheit gesetzt, und am 30. September erklärte die National-Versammlung ihre Sitzungen für geschlossen. Einige ihrer Mitglieder, nämlich Barnave, Lameth und Duport, näherten sich dem Hofe, und gaben dem Könige Rathschläge. Aber die Unentschlossenheit des Monarchen gestattete ihm nicht, die Fingerzeige, die ihm gegeben wurden, zu benutzen.

Der neue Verein, der den Namen die gesetzgebende Versammlung annahm, zählte unter seinen Mitgliedern Girardin, Ramon, Voublanc, Dumas und jene talentvolle aber schlaffe Plejade, aus der die Partei bestand, die man die Girondisten nannte und unter welcher Deputierte aller Departements sich befanden. An der Spitze dieser Partei standen Condorcet und Vergniaur, welche eine friedliche, milde Republik träumten, und Merlin von Thionville, Chabot, Bazire, welche später zu der Partei des Berges gehörten. Die Clubbs wurden jetzt immer zahlreicher und hatten einen unerhörten Einfluß. Der älteste derselben, der Jacobinerclubb, dem Robespierre präsidierte, unterschied sich von dem der Feuillants durch seine Kühnheit und Energie. Umsonst bemühten sich die Cordeliers, deren Oberhaupt Danton und deren Secretär Camille Desmoulins war, mit den Jacobinern zu wetteifern.

Robespierre hatte sich in der National-Versammlung durch die Strenge seiner Grundsätze zu bemerkbar gemacht, um nicht bald der populairste aller Tribunen zu werden. Von der gesetzgebenden Versammlung ausgeschlossen, hatte er sich an die Jacobiner angeschlossen, wohin ihm jener Ruf der Rechtschaffenheit folgte, dem er den Beinamen des Unbestechlichen verdankte.

So standen die Sachen in Frankreich, als Bailly seine Entlassung als Maire von Paris nahm. Der Hof gab sich alle mögliche Mühe, die Ernennung Péthions zu bewirken, den er zwar als Republikaner kannte, aber für einfältig hielt. Péthion ward ernannt, und bewies dem Hofe, indem er die republikanische Partei eifrig unterstützte, daß die Großen irren, wenn sie Kälte für Unfähigkeit halten.

Nach und nach beschränkte die gesetzgebende Versammlung die königliche Macht und deren Vorrechte immer mehr. Sie machte das Veto ungültig, schaffte die althergebrachte Feierlichkeit am Neujahrstage ab, und verwarf die Titel Sire und Majestät.

Gegen den Beginn des Jahres 1792 war die Kriegs-Frage an der Tagesordnung. Die Republikaner mißtraueten der Redlichkeit des Königs. Sollte er gewissenhaft gegen seine Höflinge und Familienglieder auftreten? Die Girondisten, und mit ihnen Louvet und Brissot, waren für den Krieg, Robespierre und die Jacobiner – 123 – für den Frieden. Robespierre fürchtete, daß der Krieg dem General La Fayette, der mit Leib und Seele dem Königthume anhing, zu viel Uebergewicht geben werde. Camille Desmoulins war der Meinung Robespierre’s und erinnerte daran, daß La Fayette das Volk auf dem Marsfelde hatte niedermetzeln lassen.

Die Cordeliers, deren Mehrzahl sich von Orleans hatte betrügen lassen, führten dieselben Beschwerden gegen den Marquis La Fayette. Der Herzog v. Orleans hatte eine unedle Rolle gewählt, denn nachdem er Uneinigkeit in der republikanischen Partei angestiftet hatte, verließ er die Demokraten, um den König um Verzeihung zu bitten. Die Freunde des Königs suchten Orleans, dessen Hoffnungen mit der Gefahr des Thrones erwachten, jedoch fern zu halten. Zu diesen Gefahren muß man die Auflösung des Ministerii rechnen, und daß Delessart, der den Plan, einen Congreß zu bilden, begünstigt hatte, in Anklage stand versetzt wurde.

In dieser äußersten Verlegenheit nahm Ludwig XVL, einfältig wie man ihn geglaubt hat, seine Zuflucht zu einem, eines rechtschaffenen Mannes unwürdigen Mittel. Er beschloß ungeschickte Demagogen zu Ministern zu wählen, um den Ruf der republikanischen Partei zu schwächen. Für die auswärtigen Angelegenheiten stellte er Dumouriez an, einen glänzenden Abenteurer, der keiner innigen Ergebenheit für irgend eine Sache fähig, Soldat und nichts als Soldat war, immer bereit, die Hoffnungen der Partei, die den Krieg wollte, zu begünstigen. Wenn er sich nur schlagen konnte, welches die feindlichen Fahnen waren, war ihm einerlei. Sobald ein Krieg oder eine Bewegung begann, machte er den Schlachtplan, den er an alle Parteien schickte, bereit, für den Meistbietenden zu handeln.

Mit dieser unedeln Politik verband Dumouriez eine gewisse Gewandtheit, die er zu benutzen wußte, um die Gemüther seiner Collegen, Cayier de Gerville und Desgraves zu gewinnen. Auf den Rath des Herzogs von Orleans, dessen Ehrgeiz ihm nicht unbekannt war, setzte er bei den Jacobinern die rothe Mütze, dieses Sinnbild der Freiheit, auf. Er wünschte den Krieg und machte denselben unvermeidlich.

Uebrigens rechtfertigte das Verfahren des Wiener Cabinets denselben hinreichend. Zum Marine-Minister schlug Dumouriez einen Beamten, Namens Lacoste, vor, der ungeachtet seines patriotischen Sinnes sich an Ludwig XVI. schloß. Ein Advokat aus Bordeaux, Duranthon, wurde zum Justiz-Minister; Clavière zum Finanz-Minister und Roland zum Minister des Innern gemacht. Dieser Letztere, ein rauher, unbeugsamer Mann, stand jedoch unter dem Einflusse seiner Frau, eines jungen, schönen Weibes, die sich aus philosophischen und republikanischen Ideen eine Religion gebildet hatte.

Das Ultimatum des österreichischen Cabinets fand Dumouriez zum Kampfe bereit; er brachte es dahin, daß Ludwig XVI. zu der Versammlung kam und dieselbe bat, dem Könige von Ungarn und Böhmen den Krieg zu erklären. Indem Frankreich den Krieg erklärte, der Europa so lange zerrissen hat, beantwortete es nur mit angemessener Würde die beleidigenden Herausforderungen der fremden Mächte. Die französischen Waffen hatten im Beginn der Campagne kein Glück und in dem girondistischen Ministerium entstand eine Spaltung; diesem folgte, auf Veranlassung des Ministers Roland, der an den König schrieb, ein feuilantistisches Ministerium. Die neuen Minister waren: Terrier de Montciel, Chambonas und Lejard. Lacoste und Duranthon hatte der König beibehalten.

Die Patrioten begannen zu murren. Ihre Anführer, Robespierre, Danton, Sergent, Panis, Parra, Fournier, l’Américain, Legendre, der Marseiller Barbaroux, wegen seiner Schönheit Antinous genannt, ein thätiger junger Mann, der sich den öffentlichen Angelegenheiten gewidmet hatte, hatten eine Zusammenkunft mit Roland und beklagten mit ihm die Gefahr, welche Frankreich und sein Volk bedrohte.

Der Hof verkannte fortwährend die Nation; Ludwig XVI. hatte Männer an Péthion abgesandt, die denselben gewinnen sollten; aber die Freude des Königs über die Aussicht, einen populairen Magistrat zu vernichten, war von kurzer Dauer: er ward nur zu bald zu der Erkenntniß gezwungen, daß die Tugend der Republikaner nicht so verkäuflich war, als der Hof gehofft hatte. Péthion wußte, wie schwer ein Mann, der im Besitze der unumschränkten Gewalt ist, seine Neigungen beherrschen kann; der Aufruf der fremden Mächte gegen die Revolution hatte ihm bewiesen, daß die Laster des Hofes unverbesserlich waren.

Am 20. Juni 1792 ging das Volk unter dem Geschrei:

Es lebe die Freiheit!

Die Constitution oder den Tod !

Es leben die Sanscúlotten!

nach der gesetzgebenden Versammlung und von da nach den Tuilerieen.

Während die Volksmasse den Palast der Könige einnahm, suchte Santerre, ein Freund Orleans, dieselbe zu allen möglichen Excessen anzureizen, indem er sie lebhaft an die Leiden erinnerte, die sie schon so lange ertragen hatte, und an die, welche sie noch bedrohten.

Ludwig XVI. zeigte sich dem Volke, welches einhielt und ihm eine Petition übergab, in der es die Sanction des von dem König zurückgewiesenen Decretes verlangte.

Péchion, der mit einigen Deputierten herbeigeeilt war, reizte durch seine Reden das Volk auf, den Palast zu plündern, und einige Tage darauf entsetzte das Departement den Maire Péthion seines Dienstes.

Nun erschienen drohende Adressen gegen das Königthum, die von Camille Desmoulins, Marat, Robespierre und Danton verfaßt und verbreitet wurden. Dieses Alles zeigte eine nahe Revolution an. Ein aus den kühnsten Patrioten bestehendes Insurrections-Comité bildete sich, während im Schlosse die Flucht vorbereitet wurde.

Den Gang dieser Begebenheiten, den Conflict dieser verschiedenen Leidenschaften und zum Kriege treibenden Interessen deutlich zu beschreiben, ist nicht der Plan dieses Werkes. Um nur die Haupt-Thatsachen zu erwähnen, sei es gesagt, daß in Folge eines National-Festes beschlossen ward, nach den Tuilerieen zu gehen und den König daselbst als Gefangnen festzusetzen.

Die Ankunft der Marseiller in Paris und die Unordnungen, welche Folge derselben waren, die Proclamation des Herzogs von Braunschweig, die Forderung des Volks, daß der König abgesetzt werde, feuerten die Vorbereitungen der Insurrection an. Das Schloß seinerseits war allen Schrecknissen und Ungewißheiten der bängsten Befürchtungen Preis gegeben.

Unter diesen gefährlichen Umständen begab Danton sich zu den Cordeliers, wo er, die Bedenklichkeit der Situation kühn entwickelnd, mit seiner Donnerstimme an die Drohungen des Hofes, so wie an dessen trügerische Versprechungen, seine heuchlerischen Worte, seine Machinationen, um Fremde auf den Boden des Vaterlandes zu berufen, erinnerte.

Nun begann der Aufstand auf das Ernsthafteste; die Bewohner der Vorstädte bemächtigten sich der Tuilerieen nach einem blutigen Kampf, und die königliche Gewalt wurde suspendiert. Ludwig XVI. begab sich mit seiner Familie nach der Versammlung, und der National-Convent wurde zusammenberufen.

Gehen wir schnell über die Folgen des 10. August hinweg. Wenn das durch den so eben für die Freiheit gelieferten Kampf erbitterte Volk, dem Impuls einiger blutdürstiger Männer folgend, sich in scheußlichen Metzeleien, in ungerechten Verurtheilungen austobte, wollen wir nicht ihm die schwere Verantwortlichkeit davon aufbürden.

Welche Wunder zeigte jeder neue Tag! Gestern war dieses Volk noch Sclave, es hatte nicht einen Herrn – ein König ist über nichts Herr – sondern hundert Herren. Heute, seht! es ist frei. Frei! Aber ach! ein so großer Triumph macht es toll! Seht, wie die Köpfe fallen, wie die Blutgerüste sich röthen: der Bruder ermordet den Bruder. Abscheuliches Schauspiel! Wie viele Leichname häufen sich Angesichts dieser rasenden Menge! Nur Ein Interesse im Auge habend, sind dem großen Haufen alle sanften und edeln Gefühle fremd.

Während Dumouriez den Sieg von Jemappe erfocht, an welchem der junge Egalité, der Sohn Antheil nahm, wurde der Mangel immer fühlbarer, und umsonst forderten die Gemeinden den National-Convent auf, die Repräsentanten des Volks zu gewinnen. Aber es war nicht genug, daß das Königthum erschüttert war, es sollte für immer vernichtet werden. Seit der Einnahme der Tuilerieen forderten eine Menge Adressen und eine große Anzahl Deputierte die Verurtheilung des Königs.

Sie wurde beschlossen.

. . .  Sehen wir jetzt, welche Rolle der Herzog von Orleans bei all diesen Ereignissen gespielt hat. Er schwebte immer zwischen der Erwartung der Stunde, wo er sich der Krone werde bemächtigen können, und der Furcht, die Hand nach derselben auszustrecken. Um zu derselben zu gelangen, mußte er erst General-Lieutenant des Reichs werden, aber dieser Entscheidung stand seine feige Unentschlossenheit entgegen. Zu der Rolle, die er als solcher spielen mußte, gehörte Muth, und Entschlossenheit, während er nur jene verbrecherische und plumpe Kühnheit besaß, die den gemeinen Ehrgeizigen bezeichnet. Er wollte sich dem Volke nur zeigen, wenn er es ohne Gefahr für seine Person wagen könnte. Die Furcht und seine Neigung für die Engländer, welche immer bereit gewesen sind, Ränke, welche Frankreich schaden konnten, zu begünstigen, bewog ihn, eine Reise nach London zu machen. Ungeachtet er sich so schwer gegen Ludwig XVI. vergangen hatte, erbat er sich doch von demselben die Erlaubnis zur Reise.

Da die Männer, welche sich aus edeln Absichten und in der Ueberzeugung, nur so dem allgemeinen Elende abhelfen zu können, an die Spitze des Volks gestellt hatten, dem Herzoge zu langsam gingen, beschloß er, den König und den Grafen von Artois ermorden zu lassen. Er verband sich zu diesem Zwecke mit Herrn von Talleyrand, dem heuchlerischen Priester, dem sogar aller Gewandtheit ermangelnden Bösewicht. Sie fanden einen Mörder auf, der auf den Wagen des Königs schoß. Die Kugel tödtete eine unglückliche Frau. Der Mörder entfloh. Eine weniger bekannte Thatsache ist, daß Ludwig XVI. an demselben Tage, als er die Stufen der Rathhaus-Treppe hinanstieg, einen Dolchstich bekam, den er in dem Augenblicke kaum fühlte. Am Abend, als er nach Versailles zurückkehrte, konnte er ein Kleid nicht ausziehen und mußte es aufschneiden lassen; nun fand es sich, daß sein Hemd, ganz mit Blutgetränkt, an der Wunde festklebte. Ludwig XVI. ließ sich von den Anwesenden das Versprechen geben, diesen Vorfall zu verschweigen. Sie hielten lange Wort. Ganz natürlich ward auch dieses Attentat auf das Leben des Königs dem Herzoge von Orleans zugeschrieben. Man kann dies dahingestellt sein lassen, indem man ihm der Verbrechen so viele vorzuwerfen hat, daß eins mehr oder weniger keinen großen Unterschied in dieser schrecklichen Liste machen würde, die mit dem Monopol anfängt und mit Räubereien aller Art endet. Es ist erwiesen, daß der Herzog den Stadtschultheißen Flesselles durch einen seiner Agenten, einen Niederträchtigen, Namens Molaive, ermorden ließ. Auch Pinet hatte der Herzog nicht vergessen, er ließ ihn nach dem Palais-Royal bescheiden und sagte zu ihm:

»Mein lieber Pinet, ich habe gehört, daß dieser Tage Unruhen vor Ihrem Hause. Stattgefunden haben; man muß das Volk fürchten; es will den reichen Leuten nicht wohl . . . ich rathe Ihnen, Ihr Geld nicht im Hause zu behalten . . . Sie sehen, wie ich mit dem Volke stehe, mein Palast ist ein sicherer Zufluchtsort!«

Pinet überlieferte Orleans sein ganzes Vermögen in einer Brieftasche. Einige Zeit darauf bat er ihn um einige tausend Franken, weil er eine Zahlung zu leisten habe, Orleans versprach sie ihm in einigen Tagen und bestellte ihn nach dem Hause in Passy. Abends zu der bestimmten Stunde kam Pinet daselbst an. »Haben Sie den Empfangschein?« war die erste Frage des Herzogs, und auf die bejahende Antwort erwiderte er:

»Ihre Brieftasche, mein lieber Pinet, werden Sie bei Bazin finden, der Sie in Vèsinet erwartet, . . .ich werde Ihnen ein Cabriolet geben mit Einem meiner Leute, der Sie zu Bazin fahren wird. Indem Sie demselben ein kleines Douceur geben, wird er Ihnen die Brieftasche zustellen.«

Pinet empfahl sich dem Herzoge und stieg in das Cabriolet, welches den Weg durch das Gehölz von Vésinet nahm . . . kaum war er eine Viertelstunde in demselben, als plötzlich Männer6 den Wagen umringten, Pinet zum Aussteigen nöthigten und ihn mit einem Pistol in den Hinterkopf schossen. Sie plünderten ihn und bemächtigten sich seiner Papiere, die sie. Orleans überbrachten. Pinet starb, den Herzog von Orleans als einen Mörder bezeichnend, zwei Tage darauf an den Folgen seiner Wunde. Philipp Egalité hatte ihm also vierundfünfzig Millionen gestohlen!!! Ein alter Kammerdiener des Herzogs versprach den Gläubigern Pinet’s, ihnen die Wahrheit zu sagen . . . indem er sich vor Gericht stellen wollte, ließ der Herzog ihn zu sich rufen. . . einige Tage darauf war dieser Mann verschwunden! . . . Andere Mitschuldige Orleans, die derselbe in verschiedene Departements geschickt hatte, wurden arretiert. Der Eine derselben, Bordier, ward in Rouen verhaftet. Die Akten dieses Prozesses sind bis jetzt den Geschichtschreibern unbekannt geblieben, so wie auch denen, die Interesse dabei haben, sie zu vernichten. Aber diese Akten sind vorhanden! Es würde zu weitläufig sein, sie mitzutheilen: sie beweisen, daß der Herzog von Orleans dem Bordier die Summe von dreißigtausend Livres gegeben hat, um den Bürgerkrieg anzuschüren und die Provinzen in Aufruhr zu bringen. Der Herzog bereitete. Alles zum Siege vor: er hatte schon seine Wappen umarbeiten lassen, welche an die Stelle derer der älteren Linie gesetzt werden sollten. In Beziehung auf diesen Umstand sagt Montjoie:

»Es fiel ihm damals nicht ein, daß der Sohn, den er nach seinem Herzen erzog, dieselben einst in einem Anfalle panischen Schreckens mit seinen eignen Händen zerkratzen würde.«

Der Herzog von Chartres (jetzt König der Franzosen) wohnte mit seinem Vater den stürmischen Sitzungen der National-Versammlung bei. Bei einer dieser Sitzungen machte derselbe sich bemerklich, indem er, als ein Deputierter gesagt hatte: »Wir müssen noch Opfer haben: es fehlt noch an Laternen,« ausrief:

»Ja, ja, es fehlt noch an Laternen!«

Indem Montjoie diesen Zug angeführt, fügt er hinzu:

»Diese abscheulichen Worte beweisen, daß der Sohn seines Vaters würdig war! Und dennoch gibt es eine Partei in unserm Vaterlande, welche diesen in den Grundsätzen seines Vaters erzogenen jungen Mann jetzt auf den Thron der Franzosen setzen möchte. Wenn unser Land so gedemüthigt würde, dann wäre die Verbannung, ja der Tod selbst, dieser Beherrschung vorzuziehen!«

Montjoie schrieb dieses vor 1830. Indessen ist seine Meinung von Ludwig Philipp I. 1834 nochmals publicirt worden.

Philipp Egalité lächelte dem Volke zu, unter das seine Mitschuldigen sich mischten; er schwatzte vertraulich mit aller Welt und theilte zahlreiche Händedrücke aus. Es war eine Familien-Gewohnheit. Er ließ seine Freunde schreien:

»Es lebe Orleans! Es lebe unser Vater Orleans! Nieder mit dem Könige! Nieder mit der Königin!«

Und Orleans antwortete:

»Seid ruhig, meine Kinder, wir wollen ihre Herzen essen und uns aus ihren Gedärmen Kokarden machen!«

Orleans begnügte sich nicht damit, die traurigen Nothwendigkeiten der Revolution gut zu heißen; er veranlaßte die entsetzlichsten Blutbäder. Er hungerte Paris abermals aus. Durch alle möglichen Verbrechen war es ihm gelungen, sich in Besitz fast sämtlichen Getreides zu setzen. La Fayette hatte über diesen Punkt eine sehr stürmische Erklärung mit ihm: er erhob sogar die Hand, um dem Herzog eine Ohrfeige zu geben. Der feige Orleans wankte drei Schritte zurück und sank ohnmächtig in einen Lehnstuhl. La Fayette befahl ihm, sich zu Ludwig XVI. Zu begeben, der ihm andeutete, Frankreich zu verlassen. Orleans schwor, daß er gehorchen werde und kam ganz verstört in Passy an. Seine Anhänger warfen ihm vor, daß er sie im Augenblicke der Gefahr verlasse, und beschworen ihn, zu bleiben. Er wagte es nicht; La Fayette’s Drohungen machten ihn zittern, denn er war eben so geschmeidig gegen die, welche er fürchtete, als kühn gegen die, welche er nicht fürchtete. Vor seiner Abreise schrieb er folgenden Brief an den König:

2

Sein Sohn wendete nicht so viel daran, um populair zu werden, denn im Jahre 1830, in dem Augenblicke wo er den Thron bestieg, lag er im Prozeß mit fast sämtlichen am Meere gelegenen Gemeinden der Nieder-Normandie. Er sollte so eben vor das Tribunal von Coutances gefordert und ihm angedeutet werden, seinen gehässigen Prätenfionen zu entsagen. Zwei ähnliche Prozesse gegen die Stadt Cherbourg hatte er schon verloren.

3

Diese Deputierten waren die Grafen von Rochechouart, von Clermont-Tonnerre, von Lally-Tolendal, von Lusignan, der Herzog von La Rochefaucould, der Marquis von Montesquiou, die Räthe Duport und Dionis du Sejour, der Präsident Saint-Fargeau.

4

Jetzt sind auf eben die Weise die politischen Prozesse der Jury entzogen; und die Pairs-Kammer hat den Auftrag, die Schriftsteller und Verschwörer, die sich etwas zu laut über den jetzigen Zustand der Dinge vernehmen lassen, zu richten. »Man kann auf eine Majorität in dieser Kammer sicher rechnen.

5

Man behauptet, daß der Sohn Egalités auch einen Brustharnisch trägt. Die Erfolglosigkeit der zahlreichen Attentate gegen seine Person, die seit 1830 statt gefunden haben, giebt dieser Vermuthung große Wahrscheinlichkeit.

6

Orleans hatte die höllische Vorsicht beobachtet, die Mörder in die Livree der Königin zu kleiden.

Die Prinzen von Orleans

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