Читать книгу Denkwürdigkeiten eines Fechtmeisters - Александр Дюма - Страница 4

Erster Band
III

Оглавление

Ich hatte mir nicht die Mühe genommen, mich um einen Wagen zu bekümmern, wie ich es am Abende vorher mit einer Barke gemacht; denn, so wenig ich auch noch in den Straßen von St. Petersburg herum gekommen war, so hatte ich doch an allen Querstraßen Kibitken und Droschken halten sehen. Kaum war ich demnach auch über den Admiralitäts-Platz gegangen, um die Alexander-Säule zu erreichen, als ich mich auf das erste gegebene Zeichen von I v o s c h i k s umringt sah, die mir zu herabgesetzten Preisen die verführerischten Anerbietungen machten. Da es keinen Tarif gibt, so wollte ich sehen, wie weit die Ermäßigung gehen würde: sie ging bis auf fünf Rubel; für fünf Rubel schloß ich mit dem Führer einer Droschke für den ganzen Tag ab, und bezeichnete ihm sogleich den Taurischen Palast.

Diese I v o s c h i k s, oder Kutscher sind im Allgemeinen Leibeigene, die mittelst eines gewissen Zinses, den man Abrock nennt, von ihren Herrn die Erlaubniß erkauft haben, nach St. Petersburg zu gehen, um dort für ihre eigne Rechnung. Fortuna aufzusuchen. Das Geschirr, dessen sie sich dieser Göttin nachzurennen bedienen, ist eine Art von Schlitten mit vier Rädern, in welchem der Sitz, anstatt der quere zu sein, der Länge nach angebracht ist, so, daß man darin nicht wie in unseren Tilburys sitzt, sondern zu Pferde, wie auf den Velocipeden.2 deren sich die Kinder in den Elisäischen Feldern bedienen. Diese Maschine ist mit einem nicht minder wilden Pferde, als sein Herr, bespannt, das wie er die heimathlichen Steppen verlassen hat, um die Straßen von St. Petersburg nach allen Richtungen auszumessen. Der Ivoschik hat für sein Pferd eine ganz natürliche Liebe, und anstatt es zu schlagen, wie unsere französischen Kutscher thun, redet er ihm noch liebevoller zu, als die spanischen Maulthiertreiber ihrem Hauptmaulthiere. Es ist ein Vater, sein Oheim, sein Täubchen, er dichtet für dasselbe Gesänge, zu welchen er die Melodie zu gleicher Zeit mit den Worten erfindet, und in welchen er ihm für das andere Leben zum Ersatz der Mühseligkeiten, welche es in diesem erleidet, tausend Glückseligkeiten verspricht, mit denen der ungenügsamste Mensch sich gern zufrieden stellen würde. Demnach geht auch das unglückliche Thier, sey es nun, daß es empfänglich für die Schmeicheleien, oder vertrauungsvoll auf die Versprechungen ist, ohne Unterlaß im starken Trabe, indem es fast niemals ausgespannt wird, und zum Fressen nur an den in allen Straßen zu diesem Zwecke angebrachten Trögen anhält. Das in Bezug auf die Droschke und das Pferd.

Was den Kutscher anbelangt, so hat er einen Zug von Aehnlichkeit mit dem Neapolitanischen Lazaroni, das ist, daß man nicht nöthig hat, seine Sprache zu kennen, um sich ihm verständlich zu machen, so sehr durchdringt sein schlauer Scharfsinn die Gedanken dessen, welcher spricht. Er sitzt auf einem kleinen Bocke zwischen demjenigen, welchen er fährt und feinem Pferde, indem er seine Ordnungsnummer am Halse hängend, und zwischen seinen Schultern herabfallend trägt, damit der Fahrende, der diese Nummer immer vor Augen hat, sie fassen kann, wenn er mit seinem Ivoschik unzufrieden ist; in diesem Falle sendet oder trägt man diese Nummer auf die Polizei, und auf eine Klage wird der Ivoschik fast immer bestraft. Obgleich selten nothwendig, ist nichts destoweniger diese Vorsicht, wie man sehen wird, nicht immer nutzlos, und das Gerücht eines im Winter 1823 in Moskau vorgefallenen Abenteuers, läuft immer noch in den Straßen St. Petersburgs herum.

Eine Französin, Namens Madam L. . . . . ., befand sich außer ihrem Hause und zu einer sehr vorgerückten Stunde der Nacht in Gesellschaft. Da sie nicht zu Fuße nach ihrer Wohnung zurückkehren wollte, obgleich die Leute, bei welchen sie sich befand, ihr anboten, sie durch einen Bedienten begleiten zu lassen, so ließ man einen Wagen holen; unglücklicher Weise befanden sich nur Droschken auf dem Platze; man führte eine herbei, sie stieg hinein, gab ihre Adresse und fuhr ab.

Außer einer goldnen Kette und diamantenen Ohrringen, welche er hatte glänzen sehen, hatte der Kutscher noch bemerkt, daß Madame L . . . . . in einen kostbaren Pelzmantel eingehüllt war. Indem er demnach die Dunkelheit der Nacht, die Einsamkeit der Straßen und die Zerstreuung der Madame L . . . . . benutzte, welche aus Furcht vor der Kälte den Kopf in ihren Mantel gehüllt sich fahren ließ, ohne zu bemerken, welchen Weg ihr Kutscher einschlug, so entfernte er sich von dem Wege und war schon über das einsamste Quartier der Stadt hinaus, als Madame L . . . . ., den ihre Augen bedeckenden Schleier wegnehmend, gewahr wurde, daß sie sich auf dem Felde befand. Sogleich ruft sie, schreiet, da sie aber sieht, daß der Ivoschik anstatt anzuhalten die Schnelligkeit seines Pferdes verdoppelt, so faßt sie ihn an dem Schilde, auf welchem seine Numer befindlich, entreißt ihm das selbe, indem sie ihm drohet, das Schild am anderen Tage auf die Polizei zu tragen, wenn er sie nicht nach Hause führe. Sei es nun, daß der Kutscher an dem Orte angelangt war, den er selbst zu seinem Verbrechen bestimmt hätte, oder sey es, daß er glaubte, daß der Widerstand der Madame L . . . . . ihm nicht länger zu warten gestatten würde, kurz, er springt von seinem Bocke und kommt an die eine Seite der Droschke. Glücklicher Weise ist Madam L . . . . . ., immer mit dem anklagenden Schilde versehen, auf der anderen herausgesprungen, und die Thür eines vor ihr noch offenstehenden Gitters aufstoßend, stürzt sie in einen geschlossenen Raum, den sie an den darin verstreueten hölzernen und eisernen Kreuzen bald einen Kirchhof erkennt.

Aber hinter ihr ist der Kutscher eingetreten, er verfolgt sie mit einem neuen Eifer; dieses Mal ist für ihn nicht mehr die Rede davon sich durch Diebstahl des Pelzes und der Diamanten zu bereichern, es handelt sich darum, sein Leben zu retten, glücklicher Weise hat Madam L. . . . . . einige Schritte vor ihm voraus, und die Nacht ist so finster, daß man sich auf einige Schritte weit aus dem Gesicht verliert. Plötzlich fehlt der Flüchtigen der Boden, es scheint ihr, daß sie versinkt, sie ist in offenes Grab gefallen, das sich am anderen Morgen über einem Leichnam schließen soll. Aber Madame L . . . . . hat eingesehen, daß dieses Grab Zufluchtsstätte wäre, die sie der Verfolgung Mörders entziehen könnte: sie stößt demnach auch keinen Schrei, keine Klage aus. Der Kutscher der sie wie einen Schatten verschwinden sehen, er geht sie immer verfolgend an dem Grabe vorüber. Madame L . . . . . . ist gerettet.

Während eines Theiles der Nacht streifte der Kutscher auf dem Kirchhofe herum, denn er konnte der Hoffnung, diejenige wieder zu finden, nicht entsagen, welche sein Leben in Händen hielt. Bald versuchte er sie durch fürchterliche Drohungen zu erschrecken, bald hoffte er sie durch sein Flehen zu erweichen, indem er bei allen Heiligen auf das feierlichste schwor, daß er sie nach Hause fahren wollte, ohne ihr das geringste Leid anzuthun, wenn sie ihm nur ein Schild wiedergeben wollte; aber Madame L. . . . . ließ sich weder einschüchtern noch verführen, sie blieb auf dem Grunde des Grabes stumm und ohne Bewegung und gleich dem Leichname, dessen Stelle sie einnahm.

Endlich, da die Nacht zu Ende ging, wurde der Ivoschik gezwungen, den Kirchhof zu verlassen und zu entfliehen. Was Madame L . . . . . anbelangt, so blieb sie bis zu Tages Anbruche in dem Grabe verborgen; zwei Stunden nachdem sie es verlassen, war die Klage und das Schild bei der Polizei eingereicht. Drei Tage lang dienten die Moskau umgebenden Wälder dem Mörder zur Zufluchtsstätte. Endlich, von der Kälte und dem Hunger besiegt, kam er, um in einem kleinen Dorfe einen Zufluchtsort zu suchen, aber überall in der Umgegend war eine Nummer und seine Beschreibung gegeben worden: er wurde erkannt, festgenommen, geknutet und in die Bergwerke gesandt.

Inzwischen sind diese Beispiele selten, das russische Volk ist instinktmäßig gut, und es gibt viele leicht keine Hauptstadt, wo die Morde aus Habsucht oder aus Rache seltener sind, als in St. Petersburg. Sogar noch mehr, obgleich sehr zum Diebstahle geneigt, hat der Moujick doch einen Abscheu vor dem Erbrechen, und man darf einem Lohnbedienten oder einem Kutscher ohne Sorge einen verschlossenen Brief voller Bankbillets, wüßte er sogar was er trägt, übergeben, während dem es Unbesonnen wäre, in dem Bereiche dieses Menschen das geringste Geldstück herumfahren zu lassen.

Ich weiß nicht, ob mein Ivoschik ein Dieb war, aber so viel ist gewiß, daß er sehr fürchtete, bestohlen zu werden, denn an dem Gitter des taurischen Palastes angelangt, gab er mir zu verstehen, daß, da der Palast zwei Ausgänge habe, er sehr wünsche, daß ich auf die bedungenen fünf Rubel eine zu der bereits gemachten Fahrt im Verhältniß stehende Abschlagszahlung gäbe. In Paris würde ich dem unverschämten Forderer barsch geantwortet haben, in St. Petersburg lachte ich nur darüber, denn das begegnete Größeren, als ich, die sich nicht darüber beleidigt fühlten. In der That, als zwei Monate zuvor der Kaiser Alexander eines Tages seiner Gewohnheit gemäß zu Fuße spazieren ging, und sich vom Regen bedrohet sah, nahm er eine Mieth-Droschke, und ließ sich nach dem kaiserlichen Palaste fahren; dort angelangt suchte er in seinen Taschen und entdeckte, daß er kein Geld bei sich habe; er sagte nun aus der Droschke steigend zu dem Ivoschik: Warte, ich werde Dir Dein Fuhrlohn senden.

– Ach ja, sagte der Kutscher, ich brauche nur darauf zu warten.

– Wie so? fragte der Kaiser.

– O! ich weiß wohl, was ich sage.

– Nun, laß hören, was sagst Du denn?

– Ich sage, daß ich eben so viele Schuldner habe, die ich nicht wiedersehe, als ich Personen vor ein Haus mit zwei Thüren fahre, die ohne mich zu bezahlen aussteigen.

– Wie? selbst vor dem Palaste des Kaisers?

– Oefter noch als anderswo. Die großen Herren haben sehr wenig Gedächtniß.

– Du mußt Dich beklagen, und die Diebe arretieren lassen, sagte Alexander, den dieses Gespräch belustigte.

– Einen Adeligen arretieren lassen? Eure Excellenz weiß wohl, daß man das vergeblich versuchen würde. Wenn es einer von uns wäre, das lasse ich mir gefallen, das ist leicht, fügte der Kutscher hinzu, indem er auf seinen Bart zeigte, denn man weiß, wo man uns faßt; aber die großen Herrn, die ein glattes Kinn haben, ohnmöglich! Wolle Eure Excellenz darum nur genau in ihren Taschen suchen, und ich bin sicher, daß Sie darin etwas finden werden, um mich zu bezahlen.

– Höre, sagte der Kaiser, hier ist mein Mantel, er ist wohl eine Fahrt werth, nicht wahr? Nun denn, behalte ihn, und gieb ihn dem wieder, der Dir Geld bringt.

– Ah! so ist’s recht, sagte der Ivoschik, Sie sind vernünftig. Einen Augenblick nachher empfing der Kutscher gegen den in Versatz gebliebenen Mantel ein Billet von Hundert Rubel. Der Kaiser hatte zugleich für sich und die, welche zu ihm kamen, bezahlt.

Da ich mich nicht der Laune einer ähnlichen Freigebigkeit hingeben konnte, so begnügte ich mich, meinem Ivoschik die fünf Rubel zu geben, die der Preis seines Tages waren, vergnügt ihm zu beweisen, daß ich mehr Vertrauen in ihn setzte, als er in mich gehabt hatte. Freilich wußte ich seine Nummer, und er meinen Namen nicht.

Der Taurische Palast ist ein Geschenk, welches der Günstling Potemkin, mit seinen prachtvollen feinen Marmorstatuen und feinen Teichen voller Gold- und Azur-Fische, seiner mächtigen und großen Gebieterin, Katharina II. machte, um die Eroberung des Landes zu feiern, dessen Namen er trägt; aber das Erstaunungswürdige dabei ist nicht der Prunk des Gebers, sondern die Gewissenhaftigkeit, mit welcher das Geheimniß bewahrt wurde. Ein Wunder hatte sich in ihrer Hauptstadt erhoben, und Katharina wußte nichts davon, so daß, als sie eines Abends, an welchem sie der Minister zu dem nächtlichen Feste einlud, das er ihr zu geben gedachte, an der Stelle einiger ihr bekannten feuchten Wiesen, einen von Licht strahlenden Palast voller Harmonie und ganz mit lebendigen Blumen geschmückt fand, sie hätte glauben können, daß er von Feen-Händen erbaut sey.

Potemkin war auch das Muster für emporgekommene Fürsten, wie Katharina II. das Beispiel für improvisierte Königinnen war; der eine war ein einfacher Unterofficier, die andere eine einfache Prinzessin Deutschlands, und nehme man inzwischen alle Fürsten und alle erblichen Könige dieser Zeit, und man wird finden, daß alle beide groß unter den Großen waren.

Ein außerordentlicher Zufall, oder ein. Berechnung der Vorsehung, hatte sie zusammengeführt. Katharina war dreißig Jahre alt; sie war schön, sie war geliebt durch ihre Wohlthätigkeit und geachtet durch ihre Frömmigkeit, als sie plötzlich erfuhr, daß Peter III. sie verstoßen wolle, um sich mit der Gräfin von Woronzoff zu vermählen, und, um einen Vorwand zur Verstoßung zu haben, die Geburt Paul Petrowitsch für unrechtmäßig zu erklären gedachte. Nun sah sie ein, daß kein Augenblick zu verlieren, sey; sie verläßt am Abend um elf Uhr das Schloß Partei, steigt in den Karren eines Bauern, der nicht weiß, daß er die künftige Czarin fährt, kommt, als der Tag anbricht, nach St. Petersburg, versammelt die Freunde, auf welche sie rechnen zu können glaubt, stellt sich an ihre Spitze, und rückt mit ihnen vor die in St. Petersburg in Besatzung liegenden Regimenter, welche zusammenberufen sind, ohne zu wissen, um was es sich handelt. Vor der Fronte der Linie angelangt, redet sie Katharina an, beschwört ihre Artigkeit als Männer und ihre Treue als Soldaten, dann, den Eindruck benutzend, den ihre Rede hervorgebracht hat, zieht sie einen Degen, von welchem sie die Scheide wegwirft, und verlangt eine Degenquaste, um ihm an ihrem Arme zu befestigen. Ein junger achtzehnjähriger Unterofficier tritt aus seiner Reihe, nähert sich und bietet ihr die seinige an; Katharina nimmt sie mit jenem süßen Lächeln an, wie es diejenigen besitzen, die sich um ein Königreich bewerben. Der junge Unterofficier will sich nun entfernen, um seine Stelle wieder einzunehmen; aber das an die Eskadron gewöhnte Pferd, welches er reitet, verweigert den Gehorsam, bäumt sich, springt, und will halsstarrig an der Seite von dem Pferde der Kaiserin bleiben. Nun betrachtet die Kaiserin den schönen Reiter der sich so an sie schließt; ihr vergeblichen Anstrengungen, sich von dem jungen Manne zu entfernen, scheinen ihr eine Stimme de Vorsehung, welche ihr einen Vertheidiger andeutet Sie macht ihn im Augenblicke selbst zum Officier und acht Tage nachher, als Peter III., ohne Widerstand eingekerkert, die Krone an Katharina abgetreten hat, die er ihr hat nehmen wollen, und als sie wahrhaft Gebieterin war, erinnert sie sich Potemkins, und macht ihn zum Kammerherrn in ihrem Palaste.

Von diesem Tage an war das Glück de Günstlings immer wachsend. Viele griffen ihn an die an ihm sich vernichteten. Ein einziger glaubt gesiegt zu haben, das war ein junger Serbier Namens Zoritsch. Begünstigt durch Potemkin selbst in die Nähe Katharinens durch ihn gestellt, benutzte er seine Abwesenheit, um seinen Sturz durch Verläumdung zu versuchen. Nun langt Potemkin benachrichtigt an, steigt in seiner früheren Wohnung im Palaste ab, und dort erfährt er, daß seine Ungnade vollständig, und daß er verbannt ist. Bei diesem Worte begibt sich Potemkin, ohne den seine Reisekleider bedeckenden Staub abzuschütteln, zu Kaiserin. An der Thüre ihres Zimmers will ihn ein junger Lieutenant der Ehrenwache festnehmen, Potemkin faßt ihn in den Seiten, hebt ihn auf, wirft ihn an die andere Seite des Zimmers, tritt bei der Kaiserin ein, und eine Viertelstunde nachher kommt er wieder hinaus, indem er ein Papier in der Hand hält.

– Nehmen Sie, mein Herr, sagt er zu dem jungen Lieutenant, hier ist die Bestallung zum Hauptmann, die ich so eben von Ihro Majestät für Sie erlangt habe.

Am andern Tage war Zoritsch nach der Stadt Schklow verbannt, welche ein großmüthiger Nebenbuhler zu seiner Herrschaft machen ließ.

Was ihn anbelangt, so träumte er eins um das andere von der Herzogswürde von Kurland und dem Throne von Polen, dann wollte er nichts von alle dem, indem er sich damit begnügte, Königen Feste und Königinnen Paläste zu geben. Welche Krone hätte ihn außerdem mächtiger und glänzender gemacht, als er war? Verehrten ihn die Hofleute nicht wie einen Kaiser? Hatte er nicht an seiner linken Hand, denn seine rechte behielt er bloß, um seinen Säbel besser halten zu können, eben so viel Diamanten, als deren an der Krone waren? Hatte er nicht Couriere, welche von der Wolga Störe, von Astrachan Wasser-Melonen, aus der Krimm Trauben, Sträuße überall her, wo es schöne Blumen gab, holten, und gab er nicht unter andern seiner Gebieterin jedes Neujahr einen Teller Kirschen, der ihm zehn Tausend Rubel kostete?3

Bald Engel, bald Teufel, schuf oder zerstörte er ohne Unterlaß, oder, wenn er weder das eine noch das andere that, verwirrte, aber belebte er alles; nichts war etwas, als bis es nicht mehr da war, und wenn es wieder erschien, so kehrte alles vor ihm in das Nichts zurück. Der Fürst von Leiningen sagte, daß in ihm etwas riesenhaftes, romantisches und barbarisches läge, und der Fürst von Leiningen hatte recht.

Sein Tod wurde sonderbar, wie sein Leben und sein Ende unerwartet, wie sein Anfang. Er hatte ein Jahr lang in Petersburg in Mitte von Festen und Gelagen zugebracht, indem er dachte, daß er für seinen Ruhm und den Elisabeths dadurch genug gethan habe, daß er die Gränzen Rußlands bis über den Kaukasus hinaus ausgedehnt, als er plötzlich erfuhr, daß der alte Repnin, der seine Abwesenheit benutzt, um die Türken zu schlagen und sie zu zwingen um Frieden zu bitten, mehr in zwei Monaten gethan hätte, als er in drei Jahren.

Nun hatte er keine Ruhe mehr: er war freilich krank, aber was liegt daran, er muß abreisen. Was die Krankheit anbelangte, so wird er mit ihr kämpfen und sie wird ihn tödten. Er langt in Jassy, seiner Hauptstadt, an, und geht nach Otschakow, seiner Eroberung, ab. Nachdem er einige Werste gefahren, erstickt ihn die Luft seines Wagens; man breitet seinen Mantel auf dem Boden aus, er steigt aus, legt sich darauf, und verscheidet an dem Rande eines Weges.

Katharina wäre beinahe über seinen Tod gestorben! Alles, selbst das Leben, schien gemeinschaftlich unter diesen beiden großen Herzen, sie wurde drei Mal ohnmächtig, beweinte ihn lange Zeit, und betrauerte ihn immer.

Der Taurische Palast, welchen in dem Augenblicke, wo ich ihn besuchte, der Großfürst Michael inne hatte, diente eine Zeitlang der Königin Louise zur Wohnung, dieser modernen Amazone, die einen Augenblick lang hoffte, ihren Besieger zu besiegen; denn als Napoleon sie das erste Mal erblickte, hatte er zu ihr gesagt: »Madame, ich wußte wohl, daß Sie die schönste Königin wären, aber ich wußte nicht, daß Sie auch die schönste Frau sind.« Unglücklicher Weise war die Galanterie des Korsischen Heros nicht von langer Dauer. Eines Tages spielte die Königin Louise mit einer Rose:

– Geben Sie mir diese Rose, sagte Napoleon.

– Geben Sie mir Magdeburg, antwortete die Königin.

– Ach! meiner Treue! rief der Kaiser aus, das würde zu theuer sein.

Die Königin warf die in ihren Händen befindliche Rose vor Aerger weg, aber sie bekam Magdeburg nicht.

Den Taurischen Palast verlassend, setzte ich meinen Ausflug fort, indem ich über die Brücke von Troitskoi fuhr, um die Hütte Peter 1, dieses plumpe kaiserliche Kleinod zu besuchen, von dem ich am Tage zuvor nur die Hülle gesehen hatte.

Die volksthümliche Ehrfurcht hat dieses Denkmal in seiner ganzen ersten Reinheit bewahrt, und das Speisezimmer, der Salon und das Schlafgemach scheinen noch die Rückkehr des Czar zu erwarten. In dem Hofe steht die kleine Barke, welche ganz von dem Zimmermanne von Saardam erbauet ist, und deren er sich bediente, um sich auf der Newa nach den verschiedenen Punkten der entstehenden Stadt zu fahren, wo seine Gegenwart nothwendig war.

Neben dieser Wohnung von einem Tage befindet sich seine ewige Wohnung. Sein Körper, wie der seiner Nachfolger, ruht in der, in der Mitte der Festung gelegenen Kirche St. Peter und St. Paul. Diese Kirche, deren goldener Pfeil eine zu hohe Idee gibt, ist klein, wenig regelmäßig, und von einem schlechten Geschmacke; ihr einziger Werth besteht in dem Todten-Schatze, den sie einschließt. Das Grab des Czars befindet sich neben, der rechten Seitenthür; von dem Gewölbe hängen mehr als sieben Hundert, den Türken, Schweden und Persern genommene Fahnen herab.

Ich kam über die Tiuzschhoff-Brücke auf die Insel Wasiliefsko. Die Hauptsehenswürdigkeiten dieses Theiles der Stadt sind die Börse und die Akademien. Ich begnügte mich, vor diesen Denkmählern vorüberzugehen, und indem ich die Isaaks-Brücke und die Auferstehungs-Straße einschlug, befand ich mich bald an dem Fontanka-Kanale, dessen Kai entlang ich bis zur katholischen Kirche ging; dort verweilte ich: ich wollte das Grab Moreaus sehen. Es ist eine einfache, dem Hochaltare gegenüber, und in Mitte des Chores liegende Steinplatte.

Da ich einmal an den Kirchen war; so wollte ich auch noch sogleich die von Kasan sehen, welche für St. Petersburg das ist, was Notre-Dame für Paris. Ich trat in dieselbe durch ihre doppelte, nach dem Muster der St. Peterskirche in Rom erbaute Säulenhalle ein. Hier erreicht gegen die Gewohnheit der Ruf die Wirklichkeit nicht. An dem Aeußeren ist alles Gips und Backstein, im Inneren ist alles Bronze, Marmor und Granit, die Thüren sind von Erz oder massivem Silber, der Fußboden von Jaspis und die Wände von Marmor.

Ich hatte nun genug Denkmähler für einen einzigen Tag, und ließ mich demnach zu der berühmten Madame Xavier fahren, um meiner schönen Landsmännin den Brief zu übergeben, mit dem ich für die beauftragt war. Seit sechs Monaten bewohnte sie das Haus nicht mehr, und ihre frühere Herrin benachrichtigte mich mit einem sehr spöttelnden Tone, daß sie sich für ihre eigene Rechnung zwischen dem Kanale der Moika und dem Magazine Orgelots niedergelassen habe, das war leicht zu finden: Orgelot ist der Schweizer von St. Petersburg.

Zehn Minuten nachher war ich vor dem bezeichneten Hause. Da ich bei einem Restaurateur gegen über, den ich an seinem Namen für einen Landsmann erkannt hatte, zu Mittag zu essen gedachte, so schickte ich meine Droschke fort, und trat in den Laden, indem ich nach Mademoiselle Louise Dupuy frug.

Eine Demoiselle erkundigte sich, ob es für den Ankauf von Waaren, oder für Privat-Angelegenheiten sei; ich antwortete ihr, daß es Privat- Angelegenheiten wären.

Sogleich stand sie auf, und führte mich in ihr Zimmer.

2

Draisinen.

3

Potemkin hatte in seinem Gefolge einen Officier Namens Faucher, den er immerwährend zu solchen Sendungen verwandte, und der beständig als Courier reitete. Dieser Officier hatte sich in der Ahnung, daß er auf irgend einer seiner Reifen den Hals brechen würde, im voraus folgende Grabschrift gemacht:

Ci git Faucher, Hier liegt Faucher,

Fouette, Cocher. Klatsche, Kutscher.

Denkwürdigkeiten eines Fechtmeisters

Подняться наверх