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Erster Band
IV

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Ich wurde in ein kleines, ganz mit asiatischen Stoffen behangenes Boudoir geführt, wo ich meine schöne Landsmännin halb liegend und in einem Romane lesend antraf. Bei meinem Anblicke stand sie auf, und bei dem ersten Worte, das aus meinem Munde kam rief sie aus: – Ah! Sie sind Franzose?

Ich entschuldigte mich, sie in der Mittagsruhe zu stören, aber gestern erst angekommen sey es, mir wohl noch erlaubt, mit einigen Gebräuchen der Stadt, in welcher ich mich befände, unbekannt zu seyn, hierauf überreichte ich ihr meinen Brief.

– Von meiner Schwester! rief sie aus; ach! die gute Rolle, was ich entzückt bin Nachricht von ihr zu haben, Sie kennen sie also? ist sie immer noch vergnügt und hübsch?

– Hübsch, ich kann dafür stehen, vergnügt, ich hoffe es; ich habe sie nur ein einziges Mal gesehen, der Brief ist mir von einem meiner Freunde eingehändigt worden.

– Herr August, nicht wahr?

– Ja.

– Meine arme, liebe Schwester, sie muß in diesem Augenblicke recht zufrieden seyn; ich habe ihr köstliche Stoffe geschickt, und dann auch noch etwas anderes; ich hatte ihr geschrieben, zu mir zu kommen, aber. . .

– Aber?

– Aber da müßte sie ihren August verlassen, und sie hat es ausgeschlagen. Ei, so setzen Sie sich doch.

Ich wollte einen Stuhl nehmen, aber sie gab mir ein Zeichen, mich neben sie zu setzen, und ich gehorchte, ohne mich im mindesten zu weigern; nun machte sie sich daran, den ihr mitgebrachten Brief zu lesen, und ich hatte Zeit sie zu betrachten.

Das weibliche Geschlecht hat eine wundervolle Gabe, die nur ihm allein angehört, nämlich die, sich umzugestalten, wenn man so sagen darf. Ich hatte eine einfache Grisette der Straße de la Harpe vor meinen Augen; vor vier Jahren ging diese Grisette ohne Zweifel noch alle Sonntage nach dem Prado oder nach der Chaumière tanzen: nun denn, es hatte für dieses Mädchen genügt, gleich einer Pflanze in ein anderes Land versetzt zu werden, und sie blühete in Mitte des Luxus und der Eleganz, als ob dies der Boden sey, auf dem sie geboren war; und ich, so vertraut ich auch mit dieser schätzbaren Klasse der menschlichen Gesellschaft, zu der sie gehörte, war, konnte nichts von dem, was an die Gemeinheit ihrer Geburt und die Unregelmäßigkeit ihrer Erziehung erinnerte, wiederfinden. Die Veränderung war so vollständig, daß, indem ich dieses hübsche Wesen mit seinen langgelockten Haaren, ihrem einfachen Negligée von weißem Mouseline und ihren kleinen türkischen Pantoffeln, halb liegend in einer anmuthigen Stellung, wie sie ihr nur ein Maler hätte angeben können, um ihr Portrait zu machen, sah, hätte glauben können, daß ich in das Boudoir irgend einer eleganten aristokratischen Bewohnerin des Faubourg Saint-Germain eingeführt sey, und ich befand mich inzwischen doch nur in der Laden-Stube einer Modehandlung.

– Nun – was machen Sie denn? sagte Louise zu mir, welche seit einigen Augenblicken ihren Brief beendigt hatte und anfing über die Art und Weise verlegen zu werden, mit der ich sie betrachtete.

– Ich betrachte Sie und denke nach.

– Was denken Sie?

– Ich denke, daß wenn Rosa gekommen wäre, anstatt so heldenmüthig ihrem August getreu zu bleiben, wenn sie durch irgend eine magische Gewalt plötzlich in dieses köstliche Boudoir versetzt worden wäre, wenn sie sich Ihnen, wie ich in diesem Augenblicke, gegenüber befunden hätte; so würde sie, anstatt sich ihrer Schwester in die Arme zu werfen, auf die Kniee gefallen seyn, indem sie geglaubt eine Königin zu sehen.

– Die Schmeichelei ist ein wenig übertrieben, sagte Louise lächelnd zu mir, und inzwischen liegt etwas Wahres in ihr; ja, fügte sie seufzend hinzu, ja, Sie haben recht, ich bin sehr verändert.

– Madame, sagte im Eintreten ein junges Mädchen, die Goffudarina wünscht einen dem gleichen Hut, wie sie gestern der Fürstin Dolgoruki geliefert.

– Ist sie selbst da? fragte Louise.

– Sie selbst.

– Lassen Sie dieselbe in den Salon treten, ich werde im Augenblicke bei ihr seyn.

Das junge Mädchen ging hinaus.

– Das ist etwas, fuhr Louise fort, was Rosa erinnert hätte, daß ich nichts als eine arme Modehändlerin bin. Aber, wenn Sie eine noch viel größere Veränderung, als die meinige sehen wollen, fuhr sie fort; so heben Sie diese Tapete auf, und blicken Sie durch diese Glasthüre.

Bei diesen Worten ging sie mich allein lassend in den Salon. Ich benutzte die mir gegebene Erlaubniß, und drückte, indem ich die Tapete erhob, mein Auge an die Ecke einer Scheibe.

Diejenige, welche Louise hatte rufen lassen, und die man unter dem Namen der Goffudarina angekündigt, war eine schöne junge Frau von zwei und zwanzig bis vier und zwanzig Jahren und mit asiatischen Zügen, deren Hals, Ohren und Hände mit Schmuck, Diamanten und Ringen beladen war. Sie war gestützt auf eine junge Leibeigene eingetreten, und, als ob es für sie eine große Beschwerde gewesen wäre, selbst auf diesem weichen, auf dem Fußboden des Zimmers ausgebreiteten Teppiche zu gehen, hatte sie sich auf den der Thüre am nächsten stehenden Divan gesetzt, während dem die Leibeigene ihr mit einem Fächer von Federn Luft zuwedelte. Kaum hatte sie Louisen erblickt, als sie ihr mit einem Zeichen voller Nachlässigkeit winkte, näher zu treten, und sie in ziemlich schlechtem Französisch ersuchte, ihr ihre elegantesten, und vor allem theuersten Hüte zu zeigen. Louise beeilte sich, augenblicklich alles das, was sie Bestes besaß, herbei bringen zu lassen; die Goffudarina versuchte die Hüte einen nach dem anderen, befahl sich in einem Spiegel, den die kleine Leibeigene ihr knieend vorhielt, aber ohne daß irgend einer ihr zusagen konnte, denn keiner war dem der Fürstin Dolgoruki vollkommen gleich. Sie mußte ihr demnach auch versprechen, ihr einen nach demselben Muster anfertigen zu lassen. Unglücklicher Weise wünschte die schöne Nachlässige ihren Hut für denselben Tag, und es war in dieser Hoffnung, daß sie sich in ihrer Bequemlichkeit gestört hatte. Was man ihr demnach auch sagen mochte, sie verlangte, daß ihr derselbe zum mindesten am andern Morgen früh geschickt würde, was im äußersten Falle möglich war, wenn man die Nacht dazu verwandte. Durch dieses Versprechen beruhigt, von welchem man wußte, daß Louise unfähig war, es zu brechen, stand die Goffudarina auf, und ging langsamen Schrittes, immer auf ihre Leibeigene gestützt, hinaus, indem sie. Louisen empfahl ihr Wort zu halten, wenn dieselbe sie nicht vor Verdruß sterben lassen wollte. Louise begleitete sie bis an die Thür, und kehrte dann rasch wieder zu mir zurück.

– Nun! sagte sie lachend zu mir, was sagen Sie zu dieser Frau? Lassen. Sie hören.

– Ei, ich sage, daß sie sehr hübsch ist.

– Das ist es nicht, worüber ich Sie frage, ich frage, was Sie über ihren Rang und ihren Stand denken.

– Wenn ich sie in Paris mit dieser übertriebenen Art, diesen falschen Manieren einer vornehmen Dame sähe; so würde ich sagen, daß sie eine vom Theater zurückgezogene, von einem Lord unterhaltene Tänzerin sey.

– Ei, nicht übel für einen Neuling, sagte Louise zu mir, und Sie sind beinahe an der Wahrheit. Diese schöne Dame, deren zarte Füße jetzt Mühe haben, auf dem persischen Teppiche zu gehen, ist ganz einfach eine frühere Sklavin von Georgischem Stamme, aus welcher der Liebling des Kaisers, der Minister Narawithcheff seine Maitresse gemacht hat. Es ist ohngefähr vier Jahre her, daß diese Verwandelung vor sich gegangen ist, und schon hat die arme Maschinka vergessen, von wo sie entsprungen ist, oder vielmehr, sie erinnert es sich dermaßen, daß, die Stunden ihrer Toilette abgerechnet, ihre übrige Zeit dazu verwandt ist, ihre früheren Kameraden, deren Schrecken sie geworden, leiden zu lassen. Die anderen Leibeigenen, die nicht mehr wagen, sie bei ihrem früheren Namen Maschinka zu nennen, haben sie Goffudarina genannt, was ohngefähr so viel sagen will, als Madame. Sie haben gehört, daß sie unter diesem Namen mir gemeldet wurde. Uebrigens, fuhr Louise fort, hier ein Beispiel der Grausamkeit dieser Emporgekommenen: es ist ihr kürzlich begegnet, daß, als sie sich auskleidete und kein Nadelkissen fand, um die Nadeln darauf zu stecken, sie dieselben in den Busen der armen Leibeigenen steckte, welche ihr als Kammerfrau diente. Aber dieses Mal machte die Sache so viel Aufsehen, daß es der Kaiser erfuhr.

– Und was hat er gethan? fragte ich rasch,

– Er hat der Leibeigenen die Freiheit gegeben, sie mit einem feiner Bauern verheirathet, und den Minister gewarnt, daß er bei dem ersten Zuge dieser Art, welchen sich seine Geliebte wieder erlauben würde, dieselbe nach Sibirien senden werde.

– Und sie hat es sich gesagt seyn lassen?

– Ja. Es ist einige Zeit her, daß man nichts von ihr hat erzählen hören. Aber das ist nun genug von mir und anderen geredet, kommen wir ein wenig auf Sie zurück. Erlauben Sie mir, mich in meiner Eigenschaft als Landsmännin zu erkundigen, in welcher Absicht Sie nach St. Petersburg gekommen sind? Vielleicht vermögte ich, die ich die Stadt seit drei Jahren kenne, Ihnen zum mindesten durch meine Rathschläge nützlich zu seyn.

– Ich zweifele daran; aber was thut das? Da Sie so gütig sind, einiges Interesse an mir nehmen zu wollen, so will ich Ihnen sagen, daß ich als Professor der Fechtkunst hergekommen bin. Ist man streitsüchtig in St. Petersburg?

– Nein, weil der Zweikampf hier fast immer tödtlich ist, da, wenn man glücklich davon kommt, Sibirien die Aussicht für die Gegner und die Zeugen ist, so schlägt man sich nur für Sachen, die der Mühe werth sind, und wenn man sich wirklich tödten will. Das thut aber nichts, es wird Ihnen nicht an Schülern fehlen. Nur werde ich Ihnen einen Rath geben.

– Welchen?

– Den, darnach zu streben, daß sie von dem Kaiser die Ernennung zum Fechtmeister irgend eines Regiments erlangen, was Ihnen einen militairischen Grad verleihen wird, denn, Sie wissen es, hier gilt die Uniform alles.

– Der Rath ist gut, nur ist es leichter ihn zu geben, als ihn zu befolgen.

– Warum das?

– Wie sollte ich zum Kaiser gelangen? Ich habe keine Protection hier.

– Ich werde darauf bedacht seyn.

– Wie, Sie?

– Das verwundert Sie? sagte Louise lächelnd zu mir.

– Nein, Madame, nichts überrascht mich von Ihrer Seite, und Sie sind liebenswürdig genug, um alles dasjenige zu erlangen, was Sie unternehmen würden. Nur habe ich nichts gethan, um so viel von Ihnen zu verdienen.

– Sie haben nichts gethan? Sind Sie nicht mein Landsmann? haben Sie mir nicht einen Brief von meiner guten Rosa gebracht? haben Sie nicht, indem Sie mich an mein schönes Paris erinnert, mir eine der angenehmsten Stunden gewährt, die ich noch in St. Petersburg zugebracht? Ich hoffe, daß ich Sie wiedersehen werde?

– Wenn Sie es wünschen!

– Wann?

– Morgen, wenn Sie mir es erlauben wollen.

– Um dieselbe Stunde; es ist die, wo ich am freiesten bin, länger zu plaudern.

– Gut denn! um dieselbe Stunde. Ich verließ Louisen, entzückt von ihr, daß ich in St. Petersburg nicht mehr allein sey. Ein junges, alleinstehendes Mädchen, wie sie zu seyn schien, war freilich eine sehr ungewisse Stütze, aber es liegt etwas so süßes in der Freundschaft eines Weibes, daß das erste, was sie entstehen läßt, die Hoffnung ist. Ich aß dem Laden Louisens gegenüber bei einem französischen Restaurateur, Namens Talon, zu Mittag, ohne aber Lust zu haben, mit irgend einem meiner Landsleute zu sprechen, welche man dort wie überall an der erhobenen Stimme und der wunderbaren Leichtigkeit erkannte, mit der sie ganz laut von ihren Geschäften sprechen. Ich hatte außerdem genug mit meinen eigenen Gedanken, und jeder, der zu mir gekommen wäre, hätte mir ein Unbescheidener geschienen, der mir einen Theil meiner Träume zu entreißen suchte.

Ich nahm, wie am Abende zuvor, eine Gondel mit zwei Ruderern, und brachte die Nacht auf meinem Mantel liegend zu, indem ich mich an dieser süßen Harmonie der Hörner berauschte, Und alle Gestirne des Himmels einen nach dem anderen zählte.

Wie am Tage zuvor, kehrte ich um zwei Uhr Morgens nach Hause zurück, und erwachte um sieben Uhr. Da ich mit einem Schlage mit allen Sehenswürdigkeiten St. Petersburgs fertig werden wollte, damit ich mich mit nichts mehr, als mit meinen Angelegenheiten zu beschäftigen hätte; so ließ ich durch meinen Lohnbedienten eine Droschke zu demselben Preise, als gestern, kommen, und machte mich daran, alles, was mir übrig geblieben war, zu besuchen, von dem Sanct-Alexander Newski-Kloster mit seinem Grabmahle von Silber, auf welchem Gestalten von Lebensgröße beten, an, bis zu der Akademie der Wissenschaften, mit ihrer Mineralien-Sammlung, mit ihrem von Friedrich IV., Könige von Dänemark, an Peter I. geschenkten Globus von Gottorp, und ihrem Mammuth, dem Zeitgenossen der Sündfluth, von dem Reisenden Michael Adam unter dem Eise des weißen Meeres gefunden.

Alle diese Dinge waren sehr interessant, aber es ist darum nichts desto weniger wahr, daß ich von zehn zu zehn Minuten meine Uhr zog, um zu wissen, ob die Stunde zu Louisen zu gehen, heran nahete.

Endlich gegen vier Uhr war es mir unmöglich, länger dort auszuhalten, ich ließ mich demnach nach der Newskischen Perspective fahren, wo ich bis um fünf spazieren zu gehen gedachte. Aber an den Katharinen-Kanal gelangt, war es mir unmöglich, mit meiner Droschke durchzukommen, so groß war das Gedränge. Aufläufe sind in St. Petersburg eine so seltene Sache, daß ich, da ich beinahe an meiner Bestimmung angelangt war, meinen Ivoschik bezahlte, und mich zu Fuße unter die Gaffer mischte. Es handelte sich um einen Spitzbuben, den man in das Gefängniß führte, und den so eben Herr von Gorgoli, der Groß-Meister der Polizei, selbst überrascht hatte; die Umstände, welche den Diebstahl begleitet hatten, erklärten die Neugierde der Menge.

Obgleich Herr von Gorgoli, einer der schönsten Männer der Hauptstadt, und einer der tapfersten Generäle der Armee, von einer ziemlich seltenen Stattlichkeit war, so hatte es der Zufall gewollt, daß einer der gewandtesten Schelme von St. Petersburg eine wunderbare Aehnlichkeit mit ihm hatte. Der Spitzbube beschloß, diese äußere Aehnlichkeit zu benutzen: um dem zu Folge die Täuschung noch vollständiger zu machen, hüllt sich unser Sosie in eine General-Major-Uniform, wirft einen grauen Mantel mit großen Kragen über die Schultern, läßt sich eine Droschke gleich der anfertigen, welcher sich Herr von Gorgoli gewöhnlich bediente, vollendet die Nachahmung dadurch, daß er sich Pferde von derselben Farbe des Haares leihet, und gefahren von einem Kutscher, welcher wie der des Generals gekleidet ist, hält er vor der Thüre eines Kaufmannes der großen Millionen-Straße an, stürzt in den Laden, und sich an den Herrn des Hauses wendend, sagte er zu ihm:

– Sie kennen mich, mein Herr, ich bin der General Gorgoli, Groß-Meister der Polizei.

– Ja, Eure Excellenz.

– Nun denn! ich bedarf augenblicklich für eine sehr wichtige Operation fünf und zwanzig Tausend Rubel; ich bin zu weit vom Ministerium entfernt, um sie dort zu holen, denn eine Verzögerung würde alles verderben. Ich ersuche Sie, mir diese fünf und zwanzig Tausend Rubel zu geben, und morgen früh in meine Wohnung zu kommen, um sie wieder abzuholen.

– Excellenz, rief der Kaufmann entzückt über den Vorzug aus, ich bin zu glücklich, Ihnen angenehm seyn zu können; wollen Sie mehr?

– Ei nun, geben Sie mir denn dreißig Taufend.

– Hier sind sie, mein Herr.

– Danke, morgen um neun Uhr, in meiner Wohnung.

– Und der Leiher steigt wieder in seine Droschke und fährt im Galopp nach der Seite des Sommer-Gartens zu. Am andern Morgen kommt der Kaufmann zur bestimmten Stunde zu Herrn von Gorgoli, der ihn mit seiner gewöhnlichen Leutseligkeit empfängt, und welcher, da er zögert, ihm den Beweggrund seines Besuches zu erklären, ihn fragt, was er wünsche.

Diese Frage macht den Kaufmann bange, welcher außerdem, den General näher betrachtend, einigen Unterschied zwischen ihm und der Person zu entdecken glaubt, die am Tage zuvor sich unter seinem Namen bei ihm vorgestellt hat; plötzlich ruft er aus: Excellenz, ich bin bestohlen, – und erzählt sogleich die unglaubliche List, deren Opfer er gewesen ist. Herr von Gorgoli hört ihm, ohne ihn zu unterbrechen, zu; als er geendigt, läßt sich der General seinen grauen Mantel bringen, und befiehlt, daß man den Rothfuchs an seine Droschke spanne; dann, als er sich ein zweites Mal die Sache in allen Einzelheiten hat erzählen lassen, ersucht er den Kaufmann, ihn zu Hause zu erwarten, während dem daß er die Spur seines Diebes verfolgen wolle.

Herr von Gorgoli läßt sich nach der großen Millionen-Straße fahren, fährt von dem Laden des Kaufmannes ab, verfolgt denselben Weg, den der Dieb eingeschlagen hat, und sich an den Boutchnick4 wendend, sagte er zu ihm:

– Ich bin gestern Nachmittag um drei Uhr an Dir vorüber gekommen, hast Du mich gesehen?

– Ja, Excellenz.

– Wohin ging ich?

– Nach der Seite der Brücke von Troitskoi.

– Es ist gut.

Und der General schlägt den Weg nach der Brücke ein. Am Eingange der Brücke findet er eine andere Schildwache.

– Ich bin gestern Nachmittag um drei Uhr zehn Minuten an Dir vorbei gekommen, hast Du mich gesehen?

– Ja, Excellenz.

– Welchen Weg hab ich genommen?

– Eure Excellenz ist über die Brücke gefahren.

– Gut. Der General fährt über die Brücke, und hält vor der Hütte Peters I. an; der Boutchnick, welcher sich im Schilderhause befand, stürzt heraus.

– Ich bin gestern um halb vier an Dir vorbei gekommen, sagt der General zu ihm.

– Ja, Excellenz.

– Wo hast Du mich hinfahren sehen?

– Nach dem Quartier von Wiborg.

– Gut.

Herr von Gorgoli setzt seinen Weg fort, entschlossen, ihn bis an das Ende zu verfolgen. An der Ecke des Hospitals der Landtruppen findet er einen anderen Boutchnick, und befragt ihn nochmals. Dieses Mal hat er seinen Weg nach der Seite des Brandtewein-Magazins gerichtet; der General begibt sich dorthin. Von dem Brandtewein-Magazine ist er über die Brücke Woskresenskoi gefahren, von der Brücke Woskresenskoi hat er sich in gerader Linie nach dem Ende der großen Aussicht begeben; von dem Ende der großen Aussicht nach dem äußersten Ende der Kramläden an der Seite der Bank und der Assignationen. Herr von Gorgoli befragt ein letztes Mal den Schilderhaussteher.

– Ich bin gestern um halb fünf an Dir vorüber gekommen? sagt er zu ihm.

– Ja, Excellenz.

– Wohin ging ich?

– In No. 19, an der Ecke des Katharinen-Kanales.

– Bin ich daselbst eingetreten?

– Ja.

– Hast Du mich wieder heraus kommen sehen?

– Nein.

– Sehr gut. Laß Dich durch einen Deiner Kameraden ablösen, und hole mir zwei Soldaten aus der nächsten Kaserne.

– Gleich, Excellenz.

Der Schilderhaussteher eilt fort, und kommt nach Verlauf von zehn Minuten mit den beiden verlangten Soldaten zurück.

Der General geht mit ihnen nach No. 19, läßt die Thüren des Hauses verschließen, befragt den Pförtner, erfährt, daß sein Mann im zweiten Stocke wohnt, geht hinauf, stößt die Thüre mit einem Fußtritte ein, und befindet sich seinem Ebenbilde gegenüber, welcher, über diesen Besuch erschreckt, dessen Gegenstand er erräth, alles eingesteht, und die dreißig Tausend Rubel zurückerstattet.

Die Civilisation von St. Petersburg ist, wie man sieht, nicht hinter der von Paris zurück geblieben. Dieses Abenteuer, dessen Entwickelung ich beiwohnte, hatte mich ein und zwanzig Minuten verlieren, oder vielmehr gewinnen lassen; das war, nach noch anderen zwanzig Minuten, die Stunde, zu welcher mir Louise erlaubt hatte, zu ihr zu kommen. Ich begab mich hin. In dem Maße, als ich mich näherte, schlug mir das Herz stärker, und als ich frug, ob sie zu sprechen sey, zitterte meine Stimme so, daß ich, um verstanden zu werden, meine Frage zwei Male wiederholen mußte.

Louise erwartete mich in dem Boudoir.

4

Die Boutchnicks sind eine Art Schildwachen, welche an den Ecken jeder Hauptstraße in Hütten, Boutka genannt, aufgestellt sind, und die, weder dem Civil- noch dem Militärstande angehörend, ohngefähr das, obgleich in einem niederern Grade, was unsere Stadt-Sergeanten, sind. Einer von ihnen steht immer mit einer Hellebarde in der Hand an der Thüre seiner Hütte, daher kommt ihr Name Boutchnicks, oder Schilderhaussteher.

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