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Nur Freunde

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von Marvin Grauwolf

»Ich muss dir was sagen.« Ich kann nicht von meinen Turnschuhen aufsehen. Als wäre mein Blick zu schwer, um ihn zu heben. Die Schuhspitze ist abgenutzt, die Schnürsenkel sind unterschiedlich lang. Und nass von den Regenpfützen.

»Was ist?«, fragt Patrick, der ein paar Schritte vor mir geht. Er hebt das Bein und schwingt es durch die Gräser am Wegesrand. Kein Tritt, nein, er benutzt sein Bein wie einen Golfschläger. Grasspitzen fliegen durch die Luft.

Ich atme tief durch und … die Worte wollen nicht kommen. Sie prallen gegen einen dicken Damm, den sie nicht überwinden können. Das hier wird das schwerste, was ich jemals sagen musste, ganz sicher.

Auch Patrick merkt jetzt, dass irgendwas nicht stimmt. Er wird langsamer und passt seine Schritte meinem langsameren Tempo an. »Was ist?«, fragt er, diesmal ernster.

Ich lasse die Schultern sinken. »Wir ziehen weg.«

»Weg?«

Jetzt ist der Damm gebrochen. »Dad hat eine neue Stelle angenommen. In zwei Wochen sind wir weg. Berlin.«

»Berlin? Das ist am anderen Ende der Welt!«

»Ich weiß«, sage ich unglücklich. »So eine Scheiße, was?«

Von Patrick kommt nicht die Unterstützung, die ich mir erhofft habe. »Dann bist du also auch weg. Alle ziehen weg«, brummt er.

»Hör mal, ich will doch auch nicht«, sage ich leise. Aber Pat hat recht. Alle ziehen aus unserem Dorf weg. »Es gibt ja immer noch das Internet. Wir bleiben Freunde.«

Patrick bleibt stehen. Ich ebenfalls. Der Ausdruck in seinen Augen, als er mich ansieht, schockt mich. Patrick guckt gequält, voller Offenheit und Verzweiflung, wie … wie ein Soldat, der in eine Schlacht zieht und absolut nichts mehr zu verlieren hat, weil alles auf der Kippe steht.

»Nur Freunde?«, fragt er mich dann. Seine Stimme ist bitter.

Meine Gedanken sind für einen Moment einfach … eingefroren. Was? Sprachlos starre ich Patrick an.

»Ach, scheiß drauf!«, knurrt er, als er meinen Blick sieht, dreht sich um und geht mit schnellen Schritten zurück. Er tritt in eine Pfütze und Dreck spritzt auf.

Ich bin immer noch geschockt. Nur Freunde? Heißt das … aber … Patrick …! Ich kann keinen klaren Gedanken fassen, sie purzeln wild durcheinander.

Patrick hat das Ende des Waldwegs fast erreicht, als ein neuer Gedanke mich durchzuckt wie ein Blitz. Ich bin dabei, meinen besten Freund zu verlieren! Vielleicht für immer!

Ich renne los wie der Teufel. Ich glaube, ich war noch nie so schnell wie in diesem Moment. Als Patrick gerade aus dem Schatten der Bäume treten will, fasse ich sein Handgelenk und ziehe ihn zurück.

Er sieht mich an. Sein Blick trifft mich bis ins Mark. Diese Mischung aus Trotz, Hoffnung und Scham. Tränen, die in seinen Augenwinkeln schimmern.

Was soll ich ihm sagen? Die Wahrheit wird ihn verletzen, eine Lüge ebenfalls, nur in diesem Falle später.

»Ich … ich mag dich nicht auf diese Weise«, stammele ich und merke, wie Patrick sich versteift. Er reißt sich los.

»Dann sag‘s schon. ‚Wir können ja Freunde bleiben!‘«, faucht er mich an. »Nein, weißt du was? Vergiss es!«

Ich sehe genau, dass ihm härtere Ausdrücke auf der Zunge liegen. Aus seinen Augen sprüht blanker Hass. Wieder dreht Patrick sich um und rennt diesmal los, damit ich ihn nicht wieder einholen kann.

»Patrick!«, brülle ich ihm hinterher. »Was soll das heißen, ‚nur Freunde‘?«

Als würde er gegen eine unsichtbare Mauer prallen bleibt er stehen und wirbelt herum. »Muss ich’s dir etwa buchstabieren?« Seine Stimme ist zittrig. Zu viele Emotionen, die sie zum Beben bringen.

Ich gehe auf ihn zu. »Weißt du denn nicht, was meine Freundschaft bedeutet, Mann?«

Verständnislos starrt Patrick mich an.

»‚Nur Freunde‘, sag mal, spinnst du? Ich würde für dich durchs Feuer gehen. Ich würde mir ‘ne Kugel für dich einfangen. Ich würde auch ohne zu Zögern mit dir in irgendeinem alten Campingwagen durch die Welt ziehen, bis wir alt und grau sind.« Ich habe ihn erreicht und fasse seine Schultern. »Ich will dich nicht küssen oder mit dir schlafen, tut mir leid, Mann. Das … das ist nicht meins. Als würde ich ein Bild mit Graffiti beschmieren oder so was. Verstehst du? Aber ich werde immer für dich da sein, ob du jetzt jemanden zum Trinken brauchst oder zum Reden oder um eine Leiche zu verscharren. Ich werde bis zum Ende der Welt zu dir halten, an dich denken, dir dumme Videos auf WhatsApp schicken. Das ist meine Freundschaft!« Ich sehe ihn fest an. »Also wag es nicht – wag es nicht, Patrick – irgendwas von wegen ‚nur Freundschaft‘ zu faseln. Glaub doch nicht diesen Scheiß, dass Freundschaft irgendwie weniger wert wäre als Liebe, nur, weil man sie mit mehreren Leuten teilt. Diesen ganzen Hollywood-Mist. Bleib mir weg damit! Freundschaft kann genauso groß sein. Vielleicht sogar größer.«

Ich muss Luft holen. Patrick starrt mich geschockt an. Vielleicht habe ich es mit meinem Ausbruch etwas übertrieben. Aber diese ganzen Worte brodeln schon so lange in mir … Ich fühle mich ähnlich, wie Patrick sich eben gefühlt haben muss.

Ich lasse seine Oberarme los und klopfe ihm auf die Schulter. »Ich … sorry, Mann. Ich wollte nicht …«

Patrick atmet tief durch. »Nein, mir tut es leid. Ich hab’ dich mit meinen dummen Gefühlen überfallen.«

»Die sind doch nicht dumm.« Ich lächele ihn schief an. »Und ich liebe dich, Patrick. Nur eben … platonisch.«

Er kichert. »Vielleicht … reicht das. Für den Anfang.«

Ich boxe ihm gegen den Oberarm. »Wenn ich deine Gefühle akzeptiere, akzeptiere gefälligst auch meine!«

»Au!« Er reibt sich die Stelle. »Schon gut, meine Güte! Du bist aber auch empfindlich!«

Ich lege ihm lachend den Arm um die Schultern. »Also abgemacht? Wir bleiben in Kontakt?«

»Klar, ich schreibe dir täglich. Stündlich!«

Ich stöhne gespielt. »Ich muss auch irgendwann mal schlafen. Zum Glück hältst du das eh nicht durch.«

»Hör mal – Berlin!«, ruft Patrick. »Hast du eine Ahnung, wie neidisch ich bin? «

PMP - Das Pride Month Project

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