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KAPITEL 2 KAISERSLAUTERN

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Da war ich nun, 15 Jahre alt, dünn wie ein Rebstock, die Haare vorne kurz und hinten lang. Die Schonzeit bei meinem VfL Neustadt war vorbei. Kaiserslautern würde eine ganz andere Hausnummer sein. Beim FCK war ich ein Niemand unter den besten Jugendspielern der Region. „Junge“, sagte mein Vater, „kicken kannst du. Es liegt nur an dir.“

Ganz allein würde ich bei meinem neuen Verein nicht sein, auch mein Bruder Mike sollte seine Chance beim großen Klub bekommen. Zusätzlicher Vorteil für mich: Mike verfügte bereits über ein Moped und konnte mich deshalb häufig mit zum Training nehmen. Wie oft war ich diese Strecke schon gefahren, um meine Feldstudien im Stadion fortzusetzen, jetzt stand ich selbst unter Beobachtung. Mein Nackenspoiler wehte im Wind, in meinem Mundwinkel klemmte eine Zigarette, vor uns lag der Betzenberg. Sommer 1984, die Welt lag mir zu Füßen.

Mein neuer Trainer hieß Ernst Diehl – vorstellen musste mir den niemand. Ernst hatte von 1967 bis 1978 bei den „Roten Teufeln“ einen eisenharten Vorstopper gegeben und mit ihnen 1972 und 1976 sogar das Pokalfinale erreicht. „Du bist hier beim FCK und nicht mehr in Neustadt“, nordete mich Diehl ein. Aber seine Worte verfehlten ihre Wirkung. Ganz im Vertrauen auf meinen rechten Fuß nahm ich mir einiges raus, was mir gar nicht gut bekam. Nach ein paar Monaten hatte Diehl genug. Er degradierte mich von der A1 in die A2: „Ich gebe dir ein halbes Jahr. Wenn du dann nicht die Kurve gekriegt hast, kannst du den Verein wieder verlassen.“ Das war mal eine Ansage, die sogar ich verstand.

Zu meinem Glück fiel Diehls Ultimatum in die beginnende Wintersaison, denn in der Halle, das wusste ich, würde ich ihm beweisen können, wie viel Talent ich tatsächlich in mir hatte. Gleich bei unserem ersten Hallenturnier wurde ich Torschützenkönig und als bester Spieler ausgezeichnet. Nach der Hallensaison nahm er mich wieder in die erste Mannschaft auf. Mit inzwischen 16 Jahren gehörte ich nun endgültig zur A-Jugend des berühmten Bundesligisten.

Sommer 1986. In Bremen knallte Michael Kutzop einen Elfmeter gegen den Pfosten und machte den FC Bayern damit letztlich zum Meister. Der FCK schloss die Saison auf einem enttäuschenden elften Platz ab. Bei der Weltmeisterschaft in Mexiko eroberte ein kleines, untersetztes Genie aus Argentinien die Fußballwelt. Und zwischen Neustadt und Kaiserslautern zuckelte ich weiterhin viermal die Woche nach Feierabend auf dem Rücksitz des brüderlichen Mofas zu den Trainingseinheiten in der Lauterer A-Jugend. Zur neuen Spielzeit bekamen wir Zuwachs in der Mannschaft. Vom FSV Mainz 05 wechselte ein gewisser Fabrizio Hayer zu uns. In kürzester Zeit entwickelte sich zwischen uns eine enge Freundschaft, die bis heute Bestand hat. Fabrizio und ich waren wie Pech und Schwefel. Zeitweise wohnten wir sogar zusammen.

Auf und neben dem Platz konnte Heißspornen wie uns auch schon mal die Sicherung durchbrennen. Einmal gerieten wir in einem Trainingsspiel so heftig aneinander, dass uns Ernst Diehl wütend auf den Nebenplatz scheuchte, wo wir beide eine halbe Stunde lang im Eins-gegen-eins antreten mussten. Im Neuschnee. Erst als wir kotzend über der Bande hingen, beendete Diehl seine Lektion. Wir hatten es mal wieder auf die harte Tour lernen müssen.

Die Freiheiten, die wir uns aufgrund unserer Spielweise auf dem Sportplatz nehmen konnten, genossen wir auch nach Feierabend. Einmal lieh ich mir den hübschen Sportwagen seines Vaters aus und drehte eine Runde durch die Stadt – natürlich ohne Führerschein. Fabrizio hätte fast einen Herzinfarkt bekommen.

Nach der ersten Saison bat uns Ernst Diehl zum Gespräch: „Männer, ihr habt beide enorme Fortschritte gemacht und ich bin davon überzeugt, dass ihr es beide ganz nach oben schaffen könnt. Deshalb habe ich euch oben als Vertragsamateure empfohlen.“ Fabrizio und ich blieben erst mal ganz cool, aber natürlich haben wir die die gute Nachricht später am Abend ausgiebig gefeiert. Man gab uns die Chance, ab sofort bei den Profis mit zu trainieren, die Türen zu den großen Bühnen der Bundesliga standen auf einmal ganz weit offen.

Doch auch diese Prüfung wurde mir nicht gerade leicht gemacht. Die Mannschaft war großartig und meiner Meinung nach voller Legenden. Wie Jürgen Groh, ein Abwehrspieler, der 1983 mit dem HSV den Europapokal der Landesmeister gewonnen hatte. Er hielt seine schützende Hand über uns und erklärte uns, wie der Hase so läuft.

Der bekannteste Spieler im Kader war ein echtes Urviech der Bundesliga: Wolfram Wuttke. Wutti war ein unglaublicher Fußballer, der mit seinem Außenrist besser passen konnte als andere Profis mit der Innenseite. Er war der Inbegriff des schlampigen Genies. An manchen Tagen entschied er ein Spiel ganz allein und dann hatte er mal wieder keinen Bock zu trainieren. Selbstverständlich war ich fasziniert von ihm. Und selbstverständlich nahm ich seine Einladung an, nach Feierabend mal ein Bierchen zusammen zu trinken.

Schön und gut, aber vor allem brannte ich darauf, mein Debüt als Profifußballer zu geben. Meine Geduld wurde auf eine lange Probe gestellt: Erst ganz am Ende der Saison 1988/89 – inzwischen hatte Wutti dafür gesorgt, dass Trainer Hannes Bongartz durch Sepp Stabel ersetzt wurde, außerdem hatte Fabrizio den FCK enttäuscht verlassen – kam ich zu meinem Einsatz. Gegen Bayer Leverkusen ging es für uns nach einer schwachen Saison um nichts mehr und weil Wolfram Wuttke offenbar keinen Bock hatte, durfte ich für ihn ran. Trotz der unerträglichen 35 Grad rannte ich auf der rechten Seite wie ein Bekloppter, ich wollte allen zeigen, was für ein großer Fehler es gewesen war, mich in der Saison nicht eingesetzt zu haben. Von Krämpfen geschüttelt hielt ich bis zum Schlusspfiff durch und fiel völlig erschöpft auf den Rasen. Meine Mitspieler mussten mich auf dem Weg in die Umkleide stützen, so fertig war ich. Immerhin: Mein Debüt hatten wir mit 1: 0 gewonnen.

Vor allem hatte mir das Spiel gegen Leverkusen noch einmal bestätigt, was ich schon wusste: dass ich gut genug war, um Profi zu werden. Einige Tage später machte man mir ein Angebot, das für mich keines war. Man wollte mich noch ein Jahr dabehalten – aber als Vertragsamateur. Ich suchte das Gespräch mit FCK-Präsident Norbert Thines. „Herr Thines“, sagte ich, „ich will Profi werden!“ Ich hatte keinen Bock mehr, in der Oberliga zu versauern. Thines sagte: „Tut mir leid. Der Trainer möchte, dass Sie noch ein Jahr als Vertragsamateur bei uns bleiben.“ Ich sprang auf und rief: „Dann könnt ihr mich mal am Arsch lecken!“ Und mit diesen Abschiedsworten verschwand ich vom Vereinsgelände. Es sollte ein Jahrzehnt dauern, bis ich wieder das Trikot des FCK tragen würde.

Eigentlich bin ich ein super Typ

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