Читать книгу DSA 128: Der Pfad des Wolfes - Alex Spohr - Страница 8

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Palenkel

Den Rest des Tages verbrachte Druan bei Turdoch. Der geschickte Bilderstecher bereitete in aller Ruhe seine Farben vor, mischte verschiedene Substanzen hinein, die Druan nicht kannte, sie aber vom Geruch her für Kräuter hielt. Andere wiederum waren geruchlos, möglicherweise zerstoßene Steine.

Der Vorgang des Stechens war schmerzhaft. Druan lag auf dem Rücken, während Turdoch mit einem seltsamen kleinen Hammer immer wieder die Nadel mit der angemischten Farbe auf Druans Bauch niederfahren ließ. Jeder noch so kleine Schlag tat entsetzlich weh, doch Druan war zu stolz, um sein Leid zu klagen, und er versuchte, nicht eine Miene zu verziehen. Nicht immer gelang es ihm.

Am Ende des Tages war das Thar’an Mór bereits weit fortgeschritten, doch es würde noch Tage dauern, bis Turdoch fertig war. Vermutlich würde es erst am Ende des Palenkels so weit sein, gerade rechtzeitig, damit Druan zum ersten Mal als Erwachsener vor das gesamte Haerad treten konnte und man verkünden würde, dass er in die Zeit der Reife gekommen war.

Als sich Makkas Auge erneut zeigte, hörte Turdoch für diesen Tag auf und entließ den müden Druan, der sich sogleich zu Daraghs Haus begab und von diesem und Ged mit einer Wurzelsuppe mit Fleischbeilage begrüßt wurde, die zwar entsetzlich schmeckte, aber seinen Hunger zu stillen vermochte.

Er wollte nur noch schlafen, sah aber noch Daragh mit Ged sprechen. Der alte Brenoch-Dûn zeigte seinem Schüler eines der großen Geheimnisse der Schamanen, die Schrift. Mittels eines verkohlten Holzstückes zeichnete er verschlungene Symbole auf einen Stein. Beide dachten wohl, Druan sei bereits eingeschlafen, deshalb hielten sie kurz überrascht inne, als sie seine wachen Augen sahen, denn das Geheimnis der Schrift hüteten die Brenchi-Dûn wie ihren Augapfel. Druan wollte sie jedoch nicht von ihrem Unterricht abhalten, er war außerdem zu müde und wälzte sich auf die andere Seite.

Zwar hörte er noch einen Moment Daragh von den Mochûla sprechen, den Dämonen und Dienern der Nachtschwarzen Spinne, doch dann war er bereits im Reich von Makka, im Land der Träume.

***

Der nächste Tag begann nicht viel anders als der letzte. Druan machte sich schon bald nach dem Frühstück und dem Waschen zu Turdoch auf, erbat aber eine Pause, als es Mittag wurde, um das Palenkel beobachten zu können.

Die Spiele würden drei Tage andauern. Zunächst ging es um das Findlingschleppen. Jeder Wettkämpfer musste dreizehn Feldsteine aus seinem Kreis zu einem anderen, dreizehn Schritt entfernten Kreis tragen. Sieger war derjenige, dem dies am schnellsten gelang. Dann waren die Wurfdisziplinen dran. Als Erstes der Kettenkugelweitwurf, gefolgt vom Wurf des Feldsteins. Am zweiten Tag folgten der Speerwurf und der Feldsteinhochwurf. Am letzten Tag kam es noch zum Tauziehen und zum Baumstammweitwurf.

Der Ringkampf wurde über mehrere Tage veranstaltet, bis zum Schluss nur noch die beiden besten Ringer übrig waren. Am Ende würde derjenige gewinnen, der die meisten Disziplinen gewonnen hatte, wobei der Ringkampf und der Baumstammweitwurf nach alter Tradition doppelt so viel zählten wie die anderen Wettkämpfe.

Der Sieger durfte nach Niellyn reisen, wo das große Gon’da-Gon-Palenkel stattfand, an dem Vertreter aller Haeradi teilnahmen. Der Sieger des Gon’da-Gon-Palenkel durfte sich fortan Gon nennen, bekam ein besonderes Thar’an Mór und einen Siegesmondstein als Zeichen der Ehre.

Bartakh hatte dieses Palenkel bereits einmal gewonnen und wurde seitdem Gon Bartakh genannt. Er hatte seinen Konkurrenten kaum eine Chance gelassen und galt seither als der größte lebende Held der Gjalsker neben Rastar bren Morved.

Das Palenkel stand allen offen, nur Kindern und Brenchi-Dûn nicht. Durro-Dûn nahmen fast ausnahmslos teil, setzten aber ihre von den Odûn gegebene Macht bei den Spielen nicht ein. Doch Druan fühlte sich von den Erfahrungen in Dûnthyr immer noch ein wenig entrückt, nahm viele Sinneseindrücke anders wahr als zuvor, ohne dass er es hätte genauer beschreiben können. Dies bestärkte ihn in dem Beschluss, in diesem Jahr noch nicht teilzunehmen.

Nein, das Palenkel muss ohne mich stattfinden, so gerne ich auch an den Spielen teilgenommen hätte.

Das ganze Dorf war mit den Vorbereitungen beschäftigt. Etwas außerhalb der Palisade hatten die Kinder des Haerad bereits damit begonnen, die Schlammgrube anzulegen. Es war Tradition, dass sie diese Aufgabe übernahmen. Freudig und lachend stapften sie einen großen Kreis aus, während einige von ihnen immer wieder Wasser aus dem Fluss holten und die Stelle aufweichten. Vermutlich mussten sie morgen die kleine Grube erneut befeuchten, aber niemand hielt sie von dem Spaß ab. Hier würden die Ringkämpfe stattfinden, eine der beliebtesten Disziplinen des Palenkel, denn Ringen stand für den ewigen Kampf der Gjalsker.

Die Erwachsenen hingegen hatten die Steine vorbereitet und die Kreise gezogen. Die schweren Findlinge mussten zunächst an ihren Platz gerollt oder getragen werden, was an sich schon ein anstrengender Akt war. Druan half dabei. Die Brenchi-Dûn bemalten anschließend die Steine in verschiedenen Farben.

Es war bereits Mittag, als das Palenkel begann. In diesem Jahr stand es Daraghs Konkurrenten Yuchdan zu, die Spiele zu eröffnen. Yuchdan und Daragh würden in nicht allzu ferner Zukunft unter sich ausmachen, wer der neue Dûn-Brenoch-Dûn Mortakhs, der oberste Schamane, werden würde. Der letzte Dûn-Brenoch-Dûn war vor einigen Wochen gestorben, und es musste bald ein Nachfolger bestimmt werden. Dazu begaben sich alle Brenchi-Dûn nach Dûnthyr und lieferten sich einen Wettstreit. Yuchdan schien das Wohlwollen des Yaldings zu genießen, sonst hätte er das Palenkel nicht leiten dürfen. Aber Druan glaubte fest an Daragh.

Yuchdan hatte sich nun auf einen der Findlinge gestellt und breitete seine Arme aus, mit der Rechten streckte er die Knochenkeule zum Himmel empor.

»Mortakh!«, rief er, dann noch einmal wesentlich lauter, damit alle ihm zuhörten. »Mortakh! Hört meine Worte. Bald schon ist die Zeit gekommen, wo wir wieder einen von uns nach Niellyn schicken werden. Und auch diesmal wollen wir für unser Haerad Ruhm und Ehre gewinnen. Gon Bartakh bren Yuchdan gewann das letzte Gon’da-Gon-Palenkel, und wir wollen den Odûn und den Göttern beweisen, dass wir nicht umsonst den Gon in unseren Reihen haben. Mögen Wolkenkopf und Natûru-Gon mit uns sein, und möge der Würdigste und Stärkste gewinnen!«

Ein vielstimmiges »Ahuuu!« und das Klopfen von Waffen gegen Schilde oder andere Waffen war zu hören. Alle Gjalsker waren stolz auf sich und das Palenkel.

Es war eine der größten Ehren, sein Haerad in Niellyn zu vertreten, doch auch beim Palenkel von Mortakh konnte man großen Ruhm erlangen, selbst wenn man nicht gewann. Aber manchmal war dies auch der Tag, an dem Branndori ausgesprochen wurden. Man wusste nie, was einen während des Palenkels erwartete.

Die erste Disziplin war ein reiner Kraftakt. Das Tragen der Findlinge war etwas, bei dem nur die stärksten Stammeskrieger zu überzeugen vermochten.

Viele Mortakher standen Schlange bei Yuchdan, ließen sich von ihm noch einmal im Namen Wolkenkopfs segnen und versuchten sich der Reihe nach an dem Spiel. Der erste war Gudra, ein Stammeskrieger von einem der Höfe aus der Umgebung. Er war in den Farben der Stärke bemalt, und seine Augen leuchteten voller Erwartung. Als er den ersten Stein anhob, begann Yuchdan in den wassergefüllten Beutel zu stechen, den man einige Schritte abseits der Kreise auf einen abgeschnittenen kleinen Baum gehängt hatte. Damit wurde die Zeit gemessen.

Gudra war ein starker Mann, und es gelang ihm recht schnell, die ersten fünf, sechs Steine in den anderen Kreis zu tragen, doch dann verließ ihn die Kraft. Seine Schritte wurden langsamer, und sein ganzer Körper verriet große Erschöpfung. Seine Haut glänzte vor Schweiß, und bei jedem Stein, den er in den anderen Kreis warf, gab er etwas von sich, was ein Schrei sein sollte, aber eher ein Aufstöhnen war. Dennoch machte er seine Sache gut und hatte es trotz großer Mühen geschafft, recht schnell fertig zu werden. Doch es folgten noch zahlreiche Frauen und Männer.

Druan beobachtete eine Weile das Palenkel, zog sich dann aber wieder zu Turdoch zurück. Zu Gaschnig, den er dabei sah, meinte er: »Wenn Savia oder du an der Reihe seid, ruf mich, das will ich mir ansehen.«

Der große haarige Mann nickte, und Druan ging weiter zu Turdochs Haus, wo die schmerzhafte Prozedur von neuem begann.

Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, bis Gaschnig tatsächlich bei Turdoch erschien. Grummelnd meinte er: »Wollte dich nicht stören, deshalb habe ich dich nicht gerufen, als ich an der Reihe war. Ich war gut, Wolkenkopf hat mir Kraft geschenkt, aber ich fürchte, meine Schulter hat wehgetan, ich war nicht so schnell, wie ich hätte sein können.«

»War jemand schneller als du?«

»Nein«, antwortete Gaschnig mit einem Lächeln.

Druan freute sich, fragte dann aber nach: »Savia. War sie schon dran?«

»Jetzt gleich, beeil dich.«

Druan bat Turdoch, seine Arbeit für einen Moment zu unterbrechen und stand auf. Der Alte grummelte ungehalten etwas vor sich hin.

Die beiden Durro-Dûn verließen das Haus und sahen, wie gerade einer der letzten Gjalsker fertig wurde, jedoch wohl keine Chance hatte, den Sieg davonzutragen. Savia machte sich bereit und streckte und bewegte sich noch einmal, um ihre Muskeln auf den Kraftakt vorzubereiten. Sie war nicht so muskulös wie Gaschnig, sie konnte unmöglich schneller sein. Yuchdan segnete sie, dann stellte sie sich in den Kreis und begann. Obwohl sie nicht sonderlich groß und muskulös war, war sie sehr schnell. Man merkte ihr zwar an, dass es ihr schwerfiel, die Steine anzuheben, doch ihr Gesicht verriet Konzentration. Ihre Technik war ausgezeichnet, und sie versuchte erst gar nicht, den Stein so weit zu tragen, bis sie den Kreis erreicht hatte, sondern stieß ihn vorher mit ihrem Körper ab. So konnte sie sich ein Stück des Weges sparen, aber es gehörte auch ein wenig Glück dazu, dass alle Steine wirklich im Kreis zu liegen kamen. Doch Fekorr, der listenreiche Gott, war auf ihrer Seite.

Auch nachdem sie die Hälfte aller Steine hinübergebracht hatte, verlor sie nicht an Kraft. Sie hatte sich diese sehr gut eingeteilt, und dank ihrer Ausdauer lag sie auch gut in der Zeit. Das Werfen der Steine bekam sie weitaus besser hin als andere Mortakher, die ebenfalls diese Technik angewandt hatten.

Als der letzte Stein im neuen Kreis lag, ließ sie sich erschöpft darüber fallen und atmete schwer ein und aus. Das erste Spiel hatte sie fast überanstrengt, doch sie hatte sich weit besser geschlagen, als Druan und alle anderen Mortakher erwartet hatten.

Yuchdan hatte die Tropfen des Wassers gezählt, die den Beutel verlassen hatten, und verkündete nun das Ergebnis: »Savia war zwei Tropfen schneller als Gaschnig. Sie führt!«

Unerwartet heftiger Jubel brach aus. Selbst Druan musste lachen, und auch Gaschnig schien seine Niederlage mit Fassung zu tragen. »Von einem Hasenfuß besiegt. Wie demütigend«, sagte er, doch er meinte das nicht ernst und lächelte.

Savia hatte sich mittlerweile etwas erholt, und Yuchdan hielt ihren linken Arm in die Höhe. Sie lächelte, musste aber immer noch nach Luft schnappen. Als sie wieder stehen konnte, sah sie siegessicher zu Druan und ließ sich noch einmal von allen feiern, indem sie herumlief und die Menge mit Rufen und Gesten anstachelte.

Doch noch war das erste Spiel nicht vorbei. Die nächsten Kandidaten schafften es nicht, auch nur annähernd ihre Zeit zu erreichen. Doch als Letztes stand Bartakh dort. Ohne eine Miene zu verziehen, begann er seinen Lauf. Er war stark und schnell zugleich, man hatte den Eindruck, dass es nur ein Korb voller Heu war, den er trug. Stein für Stein hob er auf, nur der Schweiß auf seiner Stirn verriet die Anstrengung.

Er trug die Steine immer bis zum Rand des Kreises und ließ sie fallen. Vielleicht kostete ihn das mehr Zeit als Savia, aber er hatte weniger Mühe und kam ihrer Zeit gefährlich nahe.

Als auch er endlich den letzten der Findlinge abgelegt hatte, atmete er schwer und tief durch, stand aber ansonsten unbeeindruckt dar. Yuchdan gab bekannt, was er gezählt hatte: »Bartakh war einen Tropfen schneller als Savia. Somit gewinnt Bartakh das erste Spiel des Palenkels!«

Bartakh hob den rechten Arm als Zeichen des Sieges, sah in die jubelnde Menge und dann Caltha an, die wie ihr Bruder Kazan und ihr Vater Marzagh das Palenkel von einem erhobenen Sitz aus beobachteten.

Druans Miene verfinsterte sich. So sehr hatte er Savia den Sieg gegönnt, und es war ausgerechnet Bartakh, der ihr den Triumph vor der Nase wegschnappte. Zorn stieg in ihm auf, und er verspürte einen Drang, zu Bartakh zu rennen und ihn zu schlagen, aber er gab diesem Drang nicht nach. Der Durro-Dûn hatte ehrlich gewonnen, und man konnte ihm seine Ehre nicht absprechen.

Nachdem die letzten Jubelrufe verklungen waren, bereiteten die Mortakher alles für den Weitwurf mit der Kugel vor. Diese Disziplin sollte den Flug der Dharra, Sindarras Auge, repräsentieren. Es kam nicht nur auf die Kraft an, sondern hier war auch die Technik sehr entscheidend. Die meisten Teilnehmer drehten sich mehrmals um sich selbst, hielten die Kettenkugel mit beiden Händen fest und ließen sie im richtigen Augenblick los, wenn die Kugel die richtige Beschleunigung hatte.

Die meisten Mortakher waren darin nicht sonderlich geübt, und man sagte ihnen nach, dass sie weitaus besser mit dem Speer zu werfen verstanden. Doch Islogh gelang ein sehr weiter Wurf, der sogar für ihn überraschend war. Der Tierkrieger war verwundert, als die anderen Gjalsker ihm anerkennend zujubelten. Mehrmals fragte er nach, bis Yuchdan und seine Gehilfen ihm erklärten, dass er führte.

Islogh freute sich sehr, und selbst Bartakh gelang es nicht, einen weiteren Wurf anzusetzen. Savia kam zwar nahe an den Wurf heran, doch gab es einige, die besser waren als sie. So ging der Sieg an Islogh, den alle nur den Tauben Molch nannten, da er eine so große Ähnlichkeit mit seinem Odûn hatte: Er hatte kein einziges Haar an seinem Körper und sah aus wie ein Salamander, und schwerhörig war er noch dazu.

Als es schon langsam dunkel wurde und Makkas Auge neben Sindarras Auge zu sehen war, lieferten sich die Teilnehmer des Palenkel einen Weitwurf mit den Feldsteinen. Bartakh, Ifrundach und Gaschnig wetteiferten um die beste Weite, dass es eine Pracht war. Jeder von ihnen übertrumpfte den Wurf des Vorherigen um ein paar Finger breit. Doch am Ende war es erneut der Gon, der siegte. Bartakh genoss den Jubel der Zuschauer und die Anerkennung seiner Konkurrenten.

An diesem Abend zog er sich mit Caltha zurück, während die übrigen Mortakher im Zentrum des Haerad ausgelassen feierten. Selbst Druan und der alte Turdoch waren dort und tranken und aßen. Savia wirkte niedergeschlagen, aber nachdem sowohl Druan als auch viele andere Gjalsker, darunter Gaschnig und Kazan, ihr Komplimente für ihre Kraft und ihre Technik gemacht hatten, war sie wieder ganz die alte kämpferische Savia, die bei Ifrunn und Wolkenkopf schwor, alles zu geben und Bartakh am Ende noch zu schlagen.

Der einzige, dem die fröhliche Stimmung nicht gefiel, war Gedwed, der sich schon recht früh in Daraghs Haus zurückzog und unruhig schlief. Alpträume begleiteten ihn in Makkas Reich, Alpträume, die von Tod und Feuer handelten.

***

Am nächsten Tag musste sich Druan wieder in Turdochs Haus begeben. Das Thar’an Mór war etwa zur Hälfte fertig, doch diesen und den morgigen Tag würde der Bilderstecher noch für die aufwendige Arbeit brauchen.

Im Palenkel stand als nächste Disziplin das Speerwerfen an. Dies war eine Disziplin, die Bartakh schon immer Schwierigkeiten bereitet hatte. Noch nie hatte er hier gewonnen. Auf die Distanz sah er nicht sonderlich gut und so benutzte er im Kampf fast nie den Wurfspeer. So hatte er auch kein gutes Gefühl dafür, wie er den Speer möglichst weit werfen konnte. Kraft allein reichte nicht, und so war es Islogh, dem es gelang, das Speerwerfen zu gewinnen.

Noch nie war es dem tauben Molch gelungen, gleich zwei Spiele des Palenkels für sich zu entscheiden. Manche Mortakher machten bereits kleine Späße mit ihm und nannten ihn den neuen Gon. Nachdem er mehrfach nachgefragt hatte, über was sich Gaschnig und die anderen unterhielten, winkte er ab und verneinte. Gewonnen habe er erst, wenn er gewonnen habe. Auch wenn sich die meisten einen Spaß mit Islogh machten, so sprachen daraus auch gleichzeitig Bewunderung und Anerkennung.

Nachdem etwa die Hälfte aller Spiele vorüber war und sich abzeichnete, dass Islogh oder Bartakh das Palenkel gewinnen würden, folgte der Steinhochwurf. Mit drei Versuchen musste man einen schweren Stein über eine Latte werfen.

Zunächst lief alles gut, doch dann verrenkte sich Islogh beim zweiten Versuch den Rücken. Bartakh gewann auch diesen Wettkampf, und da Islogh von Daragh behandelt werden musste und vermutlich den Rest des Tages und möglicherweise auch morgen ausfallen würde, schien das Palenkel entschieden zu sein.

Als letzter Wettkampf fand das Ringen in den Schlammgruben statt. Die Kinder hatten den Schlamm während des Tages feucht gehalten, und so stand dem Wettstreit nichts mehr im Wege. Viele Gjalsker waren bereits durch die anderen Wettkämpfe angeschlagen oder hatten von der Feier am Vortag einen schweren Schädel, sodass sie entweder gar nicht mehr antraten oder keine ernstzunehmenden Kontrahenten mehr waren.

Bartakh überwand drei Ringer und kam so in den Endkampf. Doch sein größter Konkurrent Gaschnig war ebenfalls noch ungeschlagen. Dank ihres großen Geschicks war es Savia ebenfalls gelungen, ihre ersten Gegner zu besiegen, auch wenn sie eher schwach waren. Nun stand sie dem hünenhaften Bärentierkrieger gegenüber.

Sie weiß, dass sie Gaschnigs Kraft nicht gewachsen ist. Aber sie wird versuchen, ihn zu Fall zu bringen. Aus dem Kreis drängen kann sie ihn nicht, dachte Druan, während er bei einer Pause von seiner Tortur den Kampf seiner Freunde beobachtete.

Savia griff sofort an, nachdem Yuchdan den Ring freigegeben hatte. Sie versuchte, schnell und beweglich, wie sie war, an seine Beine heranzukommen und ihn so zu Fall zu bringen. Gaschnig war anscheinend von ihrem ersten Angriff überrascht, und es gelang ihr, ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen und zu Boden zu befördern. Gaschnig wehrte sich, so gut er konnte, doch Savia hielt ihn mit ihren Beinen in einem eisernen Griff fest und konnte ihn durch eine unerwartete Drehbewegung tatsächlich aus dem Kreis drängen. Die Zuschauer waren völlig überrascht von ihrem Sieg, und Druan mehr als alle anderen. Aber auch Gaschnig selbst wusste nicht so genau, was da schiefgelaufen war. Nachdem sie ihm aufgeholfen hatte, beglückwünschte er sie trotzdem: »Schon wieder von einem Hasenfuß besiegt? Ich werde alt«, merkte der Hüne anerkennend an.

Am morgigen Tag würde der letzte Ringkampf stattfinden. Auch in dieser Nacht feierten die Mortakher ausgelassen, aber es zog schlechtes Wetter auf, und vermutlich würde es am morgigen Tag regnen. Druan ging recht früh zu Bett und beobachtete erneut Gedwed, der Kräuter ins Feuer warf, um das zweite Gesicht zu erlangen, doch offenbar mit wenig Erfolg.

***

Der dritte und letzte Tag brachte zunächst nicht den erwarteten Regen, aber die dunklen Wolken hingen tief, und es war nur eine Frage der Zeit, bis es anfangen würde zu donnern und zu blitzen.

Das Tauziehen war an der Reihe. Bartakh galt als Favorit und schaffte es auch, jeden seiner Gegner zu besiegen, sodass er erneut im Endkampf stand. Wie durch ein Wunder war es Savia gelungen, mit einer guten Technik ihre Kontrahenten, die teilweise stärker waren als sie, doch zu besiegen, und so stand sie Bartakh im Finale gegenüber.

Beide hatten sich bereit gemacht und zogen auf Yuchdans Zeichen hin so kräftig an dem Seil, wie sie es nur vermochten. Sie stemmten ihre Füße in den Boden, die Adern quollen hervor, ihre Augen waren so weit aufgerissen, dass es fast den Anschein machte, als würden sie aus den Höhlen springen. Doch dann, eine scheinbar endlose Zeit später, setzte sich Bartakh durch, und Savia fiel auf den Boden und wurde bis zu der Begrenzung geschliffen. Gedemütigt blieb sie auf dem erdigen Boden liegen und atmete schwer. Sie hatte alles gegeben und doch verloren. Nun war sie kraftlos und musste gleich im Ringen erneut gegen Bartakh antreten.

»Ihr Götter, schenkt mir noch einmal die Kraft und die Stärke. Erhöre mich, o Natûru-Gon. Erhöre mich, Wolkenkopf!«

Druan glaubte nicht daran, dass jemand Bartakh noch den Sieg nehmen konnte. Savia hatte sich wacker geschlagen, doch Bartakh war unbezwingbar, niemand konnte sich mit ihm messen.

Dennoch begaben sich beide zur Schlammgrube. Savia, immer noch schwer atmend, stellte sich auf die eine Seite und schloss die Augen, um sich zu konzentrieren. Bartakh nahm den Kampf wieder einmal leichter als die meisten Mortakher, er ging auf und ab, dehnte seine Muskeln und schwang seine Arme, um sich bereit zu machen. Dann gab Yuchdan das Zeichen für den Beginn des Kampfes. Bartakh und Savia umkreisten sich, und es war der Tierkrieger, der zuerst angriff. Mit einer Finte schaffte er es, hinter Savia zu gelangen und ihre Arme zu ergreifen, doch sie konnte sich mit einer geschickten Bewegung nach unten lösen und ergriff Bartakhs Bein. Der war von so viel Gegenwehr überrascht und fiel unsanft auf den schlammigen Boden. Savia und er wanden sich, bis sie ganz mit Schlamm besudelt waren. Mal hatte er die Oberhand, mal sie. Es schien keinen klaren Sieger zu geben, denn Bartakhs Stärkenvorteil schien auf dem Boden keine große Rolle zu spielen. Er rutschte an dem glitschigen Schlamm auf Savias Haut ab, konnte sie nur selten richtig greifen. Sie verstand es mit geschickten Griffen, ihn immer wieder in Bedrängnis zu bringen, und so rollten sie minutenlang durch den Kreis.

Plötzlich erhob Yuchdan seine Hände und gab das Zeichen für das Ende des Kampfes. Die grölende Menge wusste nicht wieso, und auch Bartakh und Savia waren überrascht, sie kämpften noch weiter, bis Yuchdan sie auseinanderzog.

»Der Sieger steht fest«, rief der Brenoch-Dûn geheimnisvoll in die Menge. »Ein Fuß war außerhalb des Kreises. Ich habe es gesehen, Sindarra sei meine Zeugin. Eben, als ihr nahe am Rand des Kreises gelegen habt. Savia, du bist die Siegerin.«

Nach dem ersten Augenblick des Erstaunens war es totenstill, Druan war der erste, der einen Jubelschrei ausstieß, ihm folgten alle anderen Mortakher, die es kaum glauben konnten, dass der mächtige Gon Bartakh bezwungen sein sollte. Dieser hatte eine grimmige Miene aufgelegt und ging grußlos davon, während sich Savia freudestrahlend feiern ließ, auch wenn sie über und über mit Schlamm besudelt war. Selbst ihr blondes Haar war mittlerweile zu einer braunen Masse verklebt.

Ein Sieg der kleinen Savia gegen den unbesiegbaren Bartakh war ein Wunder, ein Zeichen der Götter, dachten viele Gjalsker in diesem Moment.

Doch noch stand das letzte Spiel aus, der Baumweitwurf. Zwar nahmen auch noch andere an dem Spiel teil, doch Yuchdan richtete es so ein, dass Bartakh der vorletzte Werfer war und Savia den letzten Wurf hatte.

Das ganze Haerad wartete gespannt auf den Ausgang des Palenkel, und Bartakh heizte die Stimmung mit Gesten an, er wollte Unterstützung für seinen Wurf. Er nahm das untere Ende des Stammes in beide Hände, nachdem zwei andere Gjalsker geholfen hatten, den Stamm aufzurichten. Selbst Bartakh gelang es nur mit großer Mühe, den Stamm bis zu der Begrenzung zu tragen, und er warf ihn dann mit voller Wucht, sodass er sich einmal um sich selbst drehte. Der Baumstamm kam mit brachialer Gewalt auf dem Boden auf und blieb erst liegen, nachdem er noch ein Stück weit gerollt war. Bartakh hatte weiter geworfen als alle anderen, ein ganzes Stück sogar, und war damit schon fast Sieger des Palenkel.

Savia, die sich darauf vorbereitet hatte, sah noch einmal zu Druan hinüber. Er war stolz auf sie, denn sie hatte niemals aufgegeben und war in den Wettkampf zurückgekehrt, auch als niemand mehr an sie geglaubt hatte. Sie hatte Bartakh beim Ringen besiegt und bereits jetzt damit – wortwörtlich – große Ehre errungen. Niemand würde dieses Palenkel vergessen.

Auch für sie wurde der Stamm aufgerichtet, und mit äußerster Mühe und Konzentration hob sie ihn auf und nahm Anlauf. Man sah ihr die Anstrengung an, und der Schrei, als sie den Baumstamm warf, war so laut wie kein Schrei zuvor. Der Stamm kam auf den Boden auf, viel weiter, als es irgendjemand für möglich gehalten hatte. Jeder hielt den Atem an, als der Baumstamm dort zu liegen kam, wo auch Bartakhs Baum lag. Bartakh selbst sah irritiert aus, sein siegesgewisses Lachen war versteinert, er war plötzlich sehr bleich.

Yuchdan eilte sofort mit seinen beiden Helfern zu den Bäumen und schaut sich die Lage genauer an. Er nahm ein Seil und zog eine Linie von einem Stamm zum anderen. Dann rief er den Mortakhern zu: »Mit einem halben Finger. Mit einem halben Finger hat Savia gewonnen.«

Der Jubel war so ohrenbetäubend, dass selbst Druan erschrocken war. Viele Gjalsker rannten zu Savia und ließen sie hochleben, nahmen sie auf die Schultern und trugen sie umher. Sie alle hatten ihre Kraft sehr unterschätzt, doch wer so viel zu leisten vermochte, wie sie es getan hatte, der musste einfach die Kraft eines Bären besitzen. Niemand mehr sah in ihr das kleine Mädchen aus der Zeit der Blüte, der man solch einen Kraftakt niemals zugetraut hätte.

Erst als sie sie wieder runtergelassen hatten, stellte sich Yuchdan wieder auf einen der Felsen und sprach zu der Menge: »Seit fünfzig Jahren ist dies das erste Mal, dass zwei Anwärter gleich gut sind. Bartakh bren Yuchdan und Savia brai Mardak haben beide vier Punkte.«

Bartakh hatte zwar die meisten Wettbewerbe gewonnen, doch Savias Siege bei den beiden wichtigsten Spielen, dem Ringen und dem Baumstammweitwurf, zählten doppelt und wogen genauso viel wie Bartakhs vier Erfolge.

»Und wer reist nun zum Gon’da-Gon-Palenkel?«, rief jemand aus der Menge.

Yuchdan wusste darauf keine Antwort. Es war ein halbes Jahrhundert her, dass so ein Fall eingetreten war.

Und so war es Caltha, die kluge Tochter des Yalding, die zuerst einen Vorschlag machte: »Sie haben beide gewonnen, also reisen sie auch beide nach Niellyn.«

DSA 128: Der Pfad des Wolfes

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