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Ein gewohnheitsmäßiger Kokser zog eine Line in etwa einer Sekunde in seinen Schädel. Das war exakt die Zeit, die ein Trading-Computer der Investmentbanker brauchte, um fünfzig geschäftliche Transaktionen hintereinander durchzuführen. Eine fucking Sekunde! Hochfrequenzhandel war ein Business voll auf Speed. Es klang so unmenschlich wie mein Handy, das mich mitten in der Nacht aus dem Schlaf schepperte. Fuck! Ich hatte vergessen, es auszumachen. Bestimmt meinte ein überspannter Yuppie, ich würde für eine Nase jetzt quer durch die Stadt zu ihm fahren, damit er sich was reinfegen kann. Einfach ausschalten war kacke, also ging ich ran.

»Ich habe sie«, erklärte mir Hakan atemlos.

»Was? Die Kohle?«, murmelte ich verpennt.

»Die Adresse«, keuchte er. »Von der Society-Nutte.«

Luisa Strahlenberg. Shit. Er machte also ernst. »Hör zu, diese zwei Deutsch-Russen haben mich besucht«, versuchte ich, ihn von seinem Film abzulenken. »Nette Leute. Die haben mir 500 für dich geboten.«

»Hast du einen Keller?«

»Unten im Haus. Wo sich so ein Keller eben meistens befindet.«

»Nee, Mann. Ich brauche ein leer stehendes Gebäude, wo ich die Frau verstecken kann, bis die Millionen fließen.«

»Hakan«, ich versuchte es auf die Freundschaftliche, »Entführer werden fast immer bei der Geldübergabe geschnappt. Oder die bauen dir einen Sender in die Tasche ein und orten dich.«

»Du hast Recht«, sagte er. »Man wird fast immer geschnappt. Aber eben nicht immer.« Dann legte er auf.

Dies war genau das Problem mit den Dauerkoksern, dass sie einen Tunnelblick kriegten und einen obendrein mit reinzogen in eine geplante Entführung. Und das bloß, weil man einem alten Kumpel helfen wollte. Der mich wahrscheinlich in seiner beschissenen Lage für ein paar Gramm Kokain verraten und verkaufen würde.

Das kühl eingerichtete Café »Dow Jones« war gegen elf Uhr noch leer. In gut einer Stunde würden die Banker zum Mittagstisch einfallen, dann wollte ich weg sein. Ich bestellte das französische Frühstück Deluxe und nahm mir ein Fashion Magazine, das im Zeitschriftenregal stand. Hundert Seiten bunter Bilder mit Girls und Boys und Mode. Es erinnerte mich, der Controllerin eine SMS zu schicken. Julia antwortete nach ein paar Minuten, dass sie sich auf heute Abend freue. Ich hatte bei einem Italiener einen Tisch reserviert. Italien war ihr Lieblingsland. Sie hatte sogar mal einen Sprachkurs gemacht. Meine Kenntnisse waren da eher begrenzt: Pasta. Amore. Ficki-ficki.

Dann rief Harro an. Er wollte am Freitag einen Tisch für drei Personen in der Bar reservieren. Ganz offiziell. Bedeutete, er würde vorbeikommen und drei Gramm abholen. Ich schätzte vorausschauende Kunden. Und Harro machte bei mir einen stabilen Jahresumsatz. Bestimmt 7000. Schon deshalb hatte ich kein Interesse daran, dass mir Hakan mit einer Amokaktion dazwischenfunkte. Es würde mich einen äußerst solventen Stammkunden kosten, wenn Harro ein fettes Lösegeld abdrücken musste, statt davon mein Kokain zu kaufen. Allmählich wurde Hakans Zustand geschäftsschädigend. Vielleicht sollte ich Harro einen versteckten Hinweis geben, dass Gerüchte im Umlauf waren, dass eine reiche Frau aus der Frankfurter Society entführt werden sollte? Aber dann würde er mich so lange aushorchen, bis ich Namen nannte. Und Hakan wollte ich nicht anschwärzen. Er war eine arme Sau. Auf zwei Gramm am Tag. Aber ich konnte ihn auch nicht einfach so machen lassen. Ich holte die Visitenkarte der Geldeintreiber aus dem Handschuhfach und blickte einen Moment auf die Handynummer. Dann verwarf ich den Gedanken, legte sie wieder zurück und schlug die Klappe zu.

Frauen wie Julia fühlten sich im Umfeld von Geld und Erfolg am wohlsten, also hatte ich ein Restaurant ausgesucht, in dem es vor erfolgreichen Wichsern und ihren Tussies nur so wimmelte. Um äußerlich mithalten zu können, hatte ich meinen besten Anzug an. Dunkelgrau, eng geschnittenen. Prada. 1300 Euro. Dazu ein Hemd von Boss. Unterhosen von Calvin Klein mit fettem Schriftzug am Bund. Parfüm von Chanel. Socken von Fila. Schwarze Schuhe von einem englischen Label. Und ich würde für uns den teuersten Wein der Karte bringen lassen. Das musste Julia beeindrucken.

Ich holte sie mit meinem SUV ab und kutschierte mein sexy Date zum »Mondo«. Ich wusste, dass sie schon immer mal hinwollte, es war der angesagteste High-End-Italiener der Stadt. Hier saßen sie alle rum: Die Fondsmanager, Venture Capitalists, Etat-Direktoren, Chief Executives, CFOs, Consultants, Kontakter, Headhunter, Business Angel, Sales Manager, Supervisor, General Manager, Vice Presidents, Heads of Strategy, Chairmen und Broker. Frauen waren meist nur als Dekoration mit am Tisch. Nicht so bei mir. Meine künstliche Blondine hatte eine eigene Karriere. Sie trug ein recht auffälliges Mintgrün als Abendkleid, das ihr einladend eng am Körper klebte. Ich stand gar nicht so auf Kurzhaarige, aber zu Julia passte es exorbitant. Allerdings hatte sie für eine Lady ganz schön kräftige Hände. Der Nagellack war farblich auf ihre Garderobe abgestimmt. Der Lippenstift hingegen war knallrot. Hoffentlich war er kussecht. Ich hatte keine Lust auf Schmierspuren an meiner Vorhaut.

Julia blickte sich dauernd möglichst unauffällig um, ob sie hier einen Prominenten oder zumindest eine Lokalgröße entdeckte. Gleichzeitig bemühte sie sich mir den Eindruck zu vermitteln, mit ihrer Aufmerksamkeit bei meinen Gesprächsthemen zu sein: den sechs Staffeln »Breaking Bad« auf DVD, dem Frankfurter Nachtleben, dem Komfort meines amerikanischen Geländewagens und ihrem atemberaubenden Kleid. Sie bedankte sich für das Kompliment mit einem Top-Lächeln ihrer gebleachten Zähne.

»Ich stamme aus Thüringen«, erzählte sie mir. Wir stießen an.

»Weißt du, wie man Mädchen aus der Region nennt?«, stellte sie mir nach dem Schluck Sancerre eine Quizfrage. »Puffbohnen!«, kicherte sie.

Ich lächelte die Zugereiste aus dem Nachbarland höflich an. »Und was verschlägt eine Puffbohne nach Frankfurt?«

»Die Männer! Bei uns laufen doch nur Arbeitslose rum.«

Okay, das konnte man ihr nicht verübeln. Frauen hatten nun mal keinen Bock, ihre Kerle dauerhaft finanziell durchzufüttern. Aber mir gefiel an Julia auch, dass sie ihr eigenes Geld verdiente.

»Ich mag Frauen wie dich«, erklärte ich ihr. »Du bist nicht so verklemmt wie diese ganzen Schickimicki-Schicksen.«

»Ich bumse eben gern«, flüsterte sie mir zum Beweis zu. Und schon war ich richtig verliebt.

Julia hatte eine komplett rasierte Pussy. Ich hob ihre trainierten Schenkel beiseite und leckte sie oberflächlich. Eigentlich wollte ich ihn ihr zeitnah reinstecken, aber Julia hatte was dagegen.

»Reib mich mit deinem besten Koka ein«, verlangte sie von mir. Kein außergewöhnlicher Wunsch, aber offenkundig wusste sie, wovon ich das Bett bezahlt hatte, in dem wir nahezu übereinander lagen.

»Wie kommst du darauf, dass ich was da habe?«

»Du bist mir empfohlen worden.« Da war sie wieder, diese sachliche Controllerin-Art. Zudem schien es für sie nicht verhandelbar. Ihr Blick war entschlossen. Kein Kokain auf der Pussy, kein Sex. Ernüchtert ging ich in die Küche und trug meine Latte vor mich her, die allmählich an Kraft verlor. Ich öffnete die Schublade mit dem Besteck, bei dem sich ein silberner Dreizack befand, mit dem man heiße Pellkartoffeln aufspießte. Ich schraubte den hohlen Griff auf, in dem drei G für den Hausgebrauch gebunkert waren. Im Schlafzimmer hatte Julia bereits alle Vorbereitungen getroffen.

Sie hielt einen kleinen Schminkspiegel und eine alte Kreditkarte in der Hand. Mein Pulver sollte also nicht nur ihre Schamlippen narkotisieren, sondern auch ihre Nasenschleimhäute stimulieren. Ich reichte Julia das Gummitütchen. Sie machte sich gierig darüber her. Hinterher griente sie solange dreckig, bis sie meinen schlaffen Schwanz sah. Doch dann nahm sie ihn komplett in den Mund und saugte sich an mir fest.

Als ich vormittags aufwachte war Julia verschwunden. Dafür lag ihre Visitenkarte neben meinem Handy. Ich brauchte lange, bis ich aufstehen konnte. Nicht, weil ich kaputt war vom Sex. Nein, ich war schwermütig. Weil es statt einer Liebesbeziehung wieder auf die übliche Geschäftsbeziehung hinauslief. Ich bekam 60 Kilo strammes Fleisch geboten und musste als Gegenleistung ein paar Gramm Kokain auf den Tisch legen. Das war der Deal.

Meine letzte Beziehung war bereits über dreieinhalb Jahre her. Das konnte auch mit Frankfurt zu tun haben. Hier spielte die berufliche Karriere die entscheidende Rolle, und das zog eine bestimmte Art von Frauen an, für die Geld alles war. Finanziell konnte ich mir solche Frauen durchaus leisten, aber ich wollte eine, die mich nicht nach dem Shopping, dem Luxus, dem Lifestyle oder dem Kokain beurteilte. Ich suchte in Wirklichkeit eine, der egal war, ob ich gut verdiente oder von der Hand in den Mund lebte.

Und auch die meisten Partnerschaften, die ich um mich herum sah, wirkten nicht wie Liebeshochzeiten, sondern eher wie strategische Allianzen. Als würden zwei Firmen fusionieren, um auf dem Markt gemeinsam bessere Umsätze erzielen zu können. Dies war nie meine Vorstellung von Liebe, sondern von der Hölle. Bis ich ausgerechnet bei Apartment-Nutten etwas entdeckte, das mir in dieser Stadt verlorengegangen war: Aufrichtigkeit. Klar, sich eine Frau für eine Stunde zu kaufen, das war schmucklos, aber auch eine ehrliche Angelegenheit: Die Ladies verkauften dir keine Illusionen oder Gefühle, sondern Sex. Sie hielten ihre Pussy hin und dafür bezahlte man. Das war ein fairer Trade. Mit meinen letzten Affären hingegen war es verlogen, weil sie von Liebe redeten, aber eigentlich nur umsonst an meinen Stoff wollten und dafür ihre Pussy hinhielten. Und das machte mich traurig. Dass ich nur noch Frauen kennenlernte, die ich ficken durfte, weil sie sich möglichst preisgünstig ihre Nasen pudern wollten. Es war so bitter wie der Nachgeschmack meines Kokains. Auch Julia hatte sich das schwarze Gummitütchen eingesteckt, das bestimmt noch halb voll mit Pulver war. Mit dem Rest würde sie sich am Wochenende amüsieren, und ich würde frühestens in sechs oder sieben Tagen wieder von ihr hören. Wenn sie Nachschub brauchte. Für die Nase.

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