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»Go big or go home!«, protzte der Immobilienmakler, als er sich in meiner Gegenwart eine fette Line legte. In seinem Office auf der Schreibtischunterlage aus Hartplastik. Er zog sie tatsächlich mit einem zusammengerollten Geldschein. Einem Zehner. Kurz darauf kamen dann die üblichen Welteroberungspläne. »Wir machen das jetzt hier wie deutsche Banken in den USA«, erläuterte er mir. »Die haben da massenhaft Grundstücke in armen Gegenden gekauft, und wenn die Hausbesitzer die Hypotheken nicht mehr zahlen konnten, dann wurde zwangsgeräumt. Arschtritt, ab in den Trailerpark!«, amüsierte er sich.

Harro hatte mir von diesen Methoden erzählt und einen Ausdruck dafür benutzt, den ich mir gemerkt hatte: Slumlords. So nannte man Eigentümer, die ihre Anwesen aus Spekulationszwecken verwahrlosen ließen. Diese Strategie führte in den Vereinigten Staaten zur Verelendung ganzer Landstriche, aber das war von den deutschen Banken geplant, denn parallel wetteten ihre Cheftrader am Finanzmarkt auf den Crash des Hypothekenmarktes! Und so verdienten sie Milliarden an der Obdachlosigkeit der Schuldner. Je mehr ich durch meine Kunden über das Investmentbanking erfuhr, desto leichter fiel mir mein Beruf. Gegen die Slumlords fühlte ich mich wie ein niedlicher Goldfisch im Aquarium der Heilsarmee.

»Das fucking Nordend ist im Kommen«, informierte mich der angeballerte Makler. »Ausgerechnet dieses Drecksloch!«

Obwohl es keine Neuigkeiten für mich waren, nickte ich ihm kundenfreundlich zu.

»Weißt du, was wir mit dem insolventen Pack machen werden, das da jetzt haust?«, fragte er mich. Ich kannte eine Studentin, die im Nordend wohnte. In einer WG mit anderen Studenten. Die waren zwar ein wenig lahmarschig, aber keine Penner.

»Wir werden denen die Buden unterm Arsch weg verkaufen! An ausländische Investoren. Das wird richtig fett! Und von der Provision kauf ich mir ein neues Auto, und dann setz ich mich in den Bumsbomber nach Thailand.«

Mein Stammkunde Rick war Fotograf mit eigenem Atelier, der ein Shooting hatte und drei G brauchte. In dem Hinterhof-Studio posierten zwei Teenager-Models mit blasser Haut und markanten Wangenknochen in Hot Pants vor einem weißen Hintergrund. Ein Assistent stand seitlich daneben und hielt einen Lichtreflektor. Dann blitzte es mehrmals und Rick kommandierte die beiden Girls herum, während er sie knipste. Sie folgten seinen Anweisungen, ihre Köpfe anders zu halten und die kaum vorhandenen Brüste mehr vorzustrecken. Dann legte er den massiven Fotoapparat mit dem schweren Objektiv vorsichtig auf dem Boden ab und lächelte mir zu.

»Die Girls sehen ja aus wie halb verhungerte Knaben mit langen Haaren«, flüsterte ich ihm zu, als ich Rick die Hand gab und ihm dabei die drei Briefchen zusteckte.

»Ja«, sagte er und fischte Geldscheine aus seiner Jeans. »Manche Modelabels stehen immer noch auf den Heroin-Chic!«

Ich nahm ihm 200 zerknitterte Euro ab und ließ ihn allein mit seinen schönen Kindern vom Bahnhof Zoo.

Zuhause wollte ich mich vor der bevorstehenden Nachtschicht noch eine Weile aufs Sofa hauen. Doch ich kam nicht zur Ruhe. Hakan beherrschte mein Hirn. Dass er die wohlhabende Gattin eines meiner besten Kunden kidnappen wollte, konnte einer seiner üblichen Kokspläne sein. Ich erinnerte mich, wie er mir Jahre nach dem 11. September anbot, wir sollten nach Afghanistan fahren, dort Osama bin Laden finden und ihn für 100 Millionen an die Amerikaner verscherbeln. Wir hatten nicht mal Geld für die Flugtickets und landeten auch nicht in Kabul, sondern als Ecstasy-Dealer auf der Herrentoilette einer hessischen Dorf-Disco. Obwohl Hakan auf Nase viel quatschte, nahm ich seine Entführungspläne diesmal ernst. Er stand mit dem Arsch an der Wand, zumindest damit, was von seinem Bulemie-Arsch noch übrig war, und das Westend war nicht Afghanistan. Da kam man mit der Straßenbahn hin.

Kurz nachdem ich die Tür aufsperrte, kam ein alter Stammkunde in die Bar. Ein Chirurg aus der Schweiz, »von der Goldküste«, wie er den reichen Speckgürtel um Zürich nannte. Er war zu einem Kongress in der Stadt, kaufte ein Gramm und verschwand damit so eilig zu den Toiletten wie ein in-kontinenter Alkoholiker. Zurück am Tresen orderte er beim Barmann einen Energy-Drink.

»Trink mal nach der Nase lieber einen Saft«, riet ich ihm.

»Ich bin Arzt. Ich kann das verantworten«, entgegnete er mir barsch.

Er war nicht besonders groß und auch nicht gut genährt. Ich wollte keinen Nerv mit einem kollabierenden Touristen haben, der sich hier eine Überdosis reindonnerte, weil er allen beweisen musste, dass Kleinwüchsige unbesiegbar waren. Ich gestikulierte dem Bartender, die Dose mit der Koffeinbombe zurück in den Kühlschrank zu stellen. »Einen Cranberrysaft für den Herrn«, ordnete ich an. Dann blickte ich auf den Schweizer herab. »Der soll nämlich gut für die Blase sein.«

Die piekfeine Julia war letztes Wochenende schon bei uns. Seitdem war ich ein bisschen verliebt in sie. Heute trug sie einen schwarzen Blazer und hochhackige Schuhe. Ihr Hintern steckte in einer engen Jeans, ihr Mund war einladend groß und sie saugte anregend am Strohhalm des Longdrinks. Für eine Controllerin schluckte sie die orangerote Flüssigkeit des Rubber Ducks erstaunlich unkontrolliert runter.

»Lecker«, japste sie.

»Find ich auch«, erwiderte ich bei ihrem Anblick.

»Und dir gehört der Laden?«

»Bin beteiligt«, relativierte ich ihre Erwartungen.

»Lohnt sich das?«

Es fühlte sich zwar an, als würde sie bereits mein Bankkonto scannen und sich ausrechnen, ob ich eine lohnende Investition sei, aber ich nickte gelassen. Ja. Mein Geschäftsmodell funktionierte. Sie konnte beruhigt sein. Ich würde ihr nicht auf der Tasche liegen.

»Ich lass mich nämlich nur mit erfolgreichen Männern ein«, teilte sie mir lapidar mit.

Trotzdem ging Julia bald nach Hause, weil sie morgens früh ins Office musste. Ich blieb an der Bar sitzen und dachte über die Verabredung nach, die ich gerade mit der hübschen Karrierefrau ergattert hatte. Kurz vor Mitternacht winkte mich der Türsteher heran, was bedeutete, dass es am Eingang ein Problem gab. Ich schob mich zwischen den Gästen hindurch nach vorne. Unser durchtrainierter Aufpasser im Anzug deutete auf den Spion. Ich guckte durch das Fischauge und sah verzerrt zwei braun gebrannte Bodybuilder, die leider wie Schutzgelderpresser aus dem Rotlichtmilieu wirkten.

»Die warten da schon eine Weile«, informierte mich Torsten. Mit diesem Hünen an meiner Seite öffnete ich die Ladentür. Ich sah den beiden Kampfmaschinen direkt ins Gesicht. Sie waren nicht begeistert, dass sie so lange draußen anstehen mussten.

»Bist du Ronnie?«, erkundigte sich das Rattengesicht.

»Wer will das wissen?«, fragte ich zurück.

»Jemand, der Hakan sucht. Hast du ihn zuletzt mal gesehen?«

Na, herzlichen Glückwunsch, Hakan. Das waren also die Typen, mit denen er Ärger hatte.

»Welcher Hakan?«, stellte ich mich blöd.

Der mit dem Irokesen und der fetten Zornesader an der Schläfe trat vor. »Der Hakan, den du aus dem Main fischen kannst, wenn er seinen finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommt.« Zornig zog er ein Blatt Papier hervor, auf dem etwas gekritzelt war. Der Schwachkopf hatte tatsächlich einen Schuldschein unterschrieben. Ich versuchte uns zu Leidensgenossen zu machen.

»Mir schuldet er auch noch Geld.«

»Da musst du dich aber ganz weit hinten anstellen«, teilte mir das Rattengesicht mit. Aber wenigstens war er kein Zivilbulle. Ich wollte den beiden schon sagen, dass ich im Unterschied zu ihnen nicht so kreuzdämlich gewesen war, Hakan größere Summen zu leihen, aber das würden sie wohl nicht so irre komisch finden, also ließ ich meine Bemerkung stecken.

»Irgendeine Ahnung, wo er so rumhängt?«, fragte der deutsche Wichser mit dem kantigen Schädel.

»Früher war er immer in einer Kellerbar in Bornheim.« Ich wusste, dass Hakan dort schon seit Jahren nicht mehr dealte. Doch diese Spur würde die zwei Schläger erst mal ins Nichts führen.

Das ahnte die Ratte wohl und spuckte durch seinen Überbiss so ungeschickt auf den Boden, dass er sich fast selbst auf die Schuhe rotzte. Der Irokese griff in seine Prolo-Lederjacke und holte ein Kärtchen vor, das er mir ungebeten in meine vordere Hosentasche stopfte. »Für jeden Hinweis, der uns weiterhilft, zahlen wir 500«, sagte er. Zum Beweis, dass er das Geld wirklich hatte, fummelte er eine fette Rolle mit Scheinen aus seiner Moonwashed-Jeans und hielt sie mir vor die Augen. Nach dieser Show stiegen die beiden in einen teuren Flitzer und zischten ab.

Ich klopfte meinem Türsteher dankbar auf die Schulter, dass er mir während der Unterredung nicht von der Seite gewichen war.

Ich machte mir einen Drink, mit dem ich ins Lager verschwand. Dort betrachtete ich die Visitenkarte. Es war eine Handynummer drauf. Mehr nicht. Die 500, die sie als Belohnung anboten, würden sie bei Hakan mit auf die Rechnung packen. Ihren Lohn ebenfalls. So lief das. Und wenn er nicht zahlen konnte, würden sie wiederkommen und bei mir das Geld eintreiben wollen. Weil ich welches hatte. Jetzt steckte ich mit drin. Noch nicht bis zum Hals. Aber bis zu den Eiern.

Slumlords

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