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»Für den Rest deines Lebens …«

NUR WENIGE MINUTEN nach dem vereinbarten Termin öffnete sich die Tür, und die Therapeutin betrat das Sprechzimmer, in das er kurz zuvor in seinem Rollstuhl gefahren war.

»Herr Meyer – guten Tag!« sagte die als Spezialistin für hartnäckige Fälle bekannte Frau, gab ihm die Hand, während er den Gruß erwiderte, und setzte sich ihm gegenüber auf einen Stuhl.

»Erzählen Sie mir doch bitte, was Sie hierhergeführt hat«, bat sie den Patienten, während sie in der Akte blätterte, die sie zuvor unter den linken Arm geklemmt getragen hatte.

»Steht das nicht alles in meiner Akte?« entgegnete der Rollstuhlfahrer lächelnd.

Die Therapeutin klappte den schmalen Hefter zu und sah ihrem Patienten ins Gesicht. »Wir legen Wert darauf, daß unsere Patienten ihren Werdegang in eigenen Worten schildern – schon aus therapeutischen Gründen.«

»Also gut.« Ein paar Augenblicke dachte er nach. »Angefangen hat alles mit dem Motorradunfall vor drei Jahren. Mein Kumpel wollte mir stolz seine neue Harley vorführen. Also gut, sagte ich. Ich am Samstag bei ihm hinten auf den Soziussitz, und so sind wir dann zum Biergarten. Und wie’s so geht im Biergarten – bei einem Weizen bleibt’s da nicht. Mein Kumpel beherrschte sein neues schweres Gerät noch nicht so recht, und so sind wir beim Nachhausefahren ins Schleudern geraten und gestürzt.« Er schwieg.

»Weiter!« forderte sie ihn auf.

»Ich rutscht in einer Kurve über den Asphalt und knallte an einen dieser Metallpfosten, die die Leitplanken tragen.«

Die Therapeutin nickte bestätigend, als habe sie diese Geschichte schon oft gehört.

»Im Krankenhaus wurde dann festgestellt, daß meine Wirbelsäule im Hüftbereich angeknackst ist.«

»Angeknackst? Was heißt das?«

Der Rollstuhlfahrer bemühte sich um ein Lächeln. »Da waren sich die Ärzte auch nicht so ganz sicher. Manchmal funktionierten meine Beine, einigermaßen wenigstens, und manchmal verweigerten sie den Dienst – oft ganz abrupt, so daß ich hinknallte und liegenblieb, hilflos.«

»Und was für ein therapeutischer Weg wurde dann eingeschlagen?«

»Zunächst hatte ich einen älteren Arzt, einen von der optimistischen Sorte, einen von denen, die immer meinen, man darf sich nicht hängenlassen, man muß trainieren, was man an Fähigkeiten hat, und immer wieder üben, üben, üben. Der meinte, wir sollten an Gehfähigkeit erhalten, was da war, und das dann peu à peu durch Therapie und Training ausbauen. Eine Zeitlang machte ich auch durchaus Fortschritte. Um mich zum Gehen zu zwingen, nahm er mir sogar den Rollstuhl weg, ließ mir nur Krücken und Stöcke. Es gab aber immer wieder Rückschläge. Einmal knallte ich in einem Kaufhaus der Länge nach hin, und nichts ging mehr. Als ich danach wieder im Krankenhaus war, setzte sich schließlich meine behandelnde Ärztin durch …«

»… und es kam zum Therapiewechsel«, ergänzte die Therapeutin, halb fragend, halb feststellend.

»Ja. Sie stellte fest, daß bei jedem dieser Stürze mein Wirbelsystem so erschüttert wurde, daß größte Gefahr bestand, daß auch noch der Rest zerbrechen und kaputtgehen würde. Daraus schloß sie, daß ich in Zukunft in meinem eigenen Interesse besser daran täte, den Rollstuhl nicht mehr zu verlassen, außer vielleicht für ganz kurze Momente und mit Unterstützung, etwa zum Windelwechsel im Bad.«

»Windelwechsel!« Die Therapeutin betonte es wie ein Stichwort.

»Ja, Windelwechsel.« Das Lächeln des Rollstuhlfahrers wirkte resigniert und ein wenig müde. »Das war die logische Konsequenz. Eine Überprüfung unserer häuslichen und finanziellen Lage hatte ergeben, daß eine rollstuhlgerechte Toilette schlicht und einfach nicht möglich war. Nicht nur daß es viel zu teuer gewesen wäre, es wäre auch vom Platz her nicht drin gewesen in unserem kleinen Häuschen. Und so blieb nur eine Alternative.«

Der Rolli-Fahrer seufzte schicksalsergeben. »Die Alternative lautete: Windeln und Gummihosen für mich und höchstens zweimal pro Tag der gestützte Weg in die Badewanne. Das geht gerade noch so, das schafft meine Frau, und das gefährdet mich nicht zu sehr. Aber mich alle zwei, drei Stunden zur Toilette zu führen, das wäre natürlich zu viel für sie, zumal sie ja auch halbtags arbeitet.«

»Schildern Sie mir doch mal Ihre häusliche Situation und wie sich seit dem … Ereignis verändert hat.«

Der Patient dachte einen Moment lang nach. »Ich konnte meine Arbeit erstaunlich rasch nach dem Unfall wiederaufnehmen. Sie wissen vielleicht, daß ich von zu Hause aus schriftstellerisch und journalistisch tätig bin. Und ob ich nun in einem Bürostuhl oder in meinem Rolli an Schreibtisch und PC heranfahre, das ist eigentlich ziemlich egal. Auch meine Kinder haben sich rasch daran gewöhnt. Wir haben eine achtjährige Tochter und einen zweieinhalbjährigen Buben. Meine Tochter paßt jetzt mehr auf ihren kleinen Bruder auf, wenn meine Frau weg ist – ich kann’s ja nicht mehr so –, und irgendwie hab ich den Eindruck, sie paßt stellvertretend für meine Frau auch auf mich auf, daß ich keine Dummheiten anstelle. Sie berichtet ihr auch immer alles brühwarm – eine richtige kleine Petze!« Der Rollstuhlfahrer lachte, und es war schwer zu entscheiden, ob es ein fröhliches oder ein sarkastisches Lachen war.

»Und ihre Frau? Paßt die auch auf Sie auf, wie Sie sich ausdrücken?« Die Therapeutin sah ihm aufmerksam ins Gesicht.

»Na ja … wie soll ich das ausdrücken … Meine Frau hat sich verändert. Zuerst war es nur eine Notwendigkeit, daß ich beim Sex auf dem Rücken liege; jetzt scheint sie es richtig zu genießen, mich zu reiten. Würde mich gar nicht wundern, wenn unsere zwei Kinder bald noch ein Geschwisterchen bekämen.« Er grinste breit. »Irgendwie hat sie so was … Krankenschwesternhaftes angenommen, wenn Sie verstehen, was ich meine …«

»Meinen Sie den Samariter-Effekt? Krankenschwester entbrennt in Liebe zu ihrem Patienten? So was gibt’s häufig.«

»Jein. Es ist mehr diese von oben herab betüddelnde ›So-nun-wollen-wir-mal-das-und-das-machen‹-Attitüde, und dabei ist sie die einzige, die was will – ich werde überhaupt nicht gefragt. Wie bei einem unmündigen Kleinkind.«

Der Blick der Therapeutin glitt über das Windelpaket, das sich deutlich unter der Hose des Rollstuhlfahrers abzeichnete. Dann blickte sie ihm wieder ins Gesicht. »Halten Sie es nicht für normal, daß Ihre Frau in dieser Situation die Zügel in die Hand nimmt?«

»Ich bin nicht entmündigt!« entrüstete sich der Patient. »Aber wenn ich abends noch am PC arbeite und noch ein drittes Bier will, blockiert sie die Bremse hinten an meinem Rolli so, so daß ich nicht rankomme, und sagt einfach: ›Du hast für heute genug Bier gehabt. Du verfettest. Und außerdem mußt du dann wieder so viel pinkeln.‹«

»Und stimmt das etwa nicht?«

»Ja, doch … Es stimmt. Aber ich find’s trotzdem anmaßend und bevormundend!«

»Aber im Grunde müssen Sie Ihrer Frau recht geben«, stellte die Therapeutin fest, nüchtern und möglichst ruhig, um den Patienten nicht gegen sich aufzubringen. »Sie kennen vielleicht das Sprichwort ›Tue gern, was du tun mußt‹. Wir sollten daran arbeiten – durch Rollenspiele und vielleicht durch Hypnose –, daß Sie dieses Handeln Ihrer Frau nicht nur als selbstverständlich empfinden, sondern als angenehme, wohlwollende Fürsorge dankbar begrüßen.«

»Na, da bin ich aber gespannt, wie Sie das bewerkstelligen wollen.« Der Patient machte aus seiner Skepsis keinen Hehl.

Die Therapeutin lächelte, runzelte aber zugleich auch die Stirn. »Sehen Sie, da haben Sie schon den ersten Fehler gemacht. Wer mit solchen inneren Vorbehalten an die Sache herangeht, der macht es sich nur selbst unnötig schwer. In der Hypnose werden wir darangehen müssen, auch die unbewußten inneren Blockaden zu beseitigen, damit Sie Ihr Leben wieder genießen können.«

»Wie soll man das Leben genießen können in vollen Windeln?« erwiderte der Rollstuhlfahrer mürrisch.

»Die mittlerweile übliche Behandlung mit den neuen Anti-Windel-Dermatitis-Pasten haben Sie aber bekommen?«

»Oh ja!« Der Patient lachte bitter auf. »Es macht mir nicht mehr das geringste aus, stundenlang in vollen Hosen am Computer zu sitzen. Physisch nicht. Psychisch schon.«

»Wie meinen Sie das?«

»Wie ich das meine?« Die betonte Ruhe der Therapeutin schien den Patienten eher aufzuregen als zu beruhigen. »Haben Sie schon einmal versucht, zum Beispiel ihre Abrechnungen zu machen, während die Matsche Ihnen unterm Po klebt?«

»Ich bin nicht in Ihrer Situation, das ist wahr, aber wäre ich es, dann würde versuchen, den Grundsatz ›Tue gern, was du tun mußt‹ konsequent zu verwirklichen«, erwiderte die Therapeutin.

»Ich komme mir wirklich vor wie ein Kleinkind.« Der Patient ging nicht auf die Worte seiner Therapeutin ein. »Allein schon wenn meine Tochter Elisabeth neben meinem Schreibtisch steht, einen Moment schnüffelt und dann quer durch die Wohnung brüllt ›Papa hat mal wieder die Hosen voll, genau wie klein Alex!‹, dann reicht es mir schon.«

»Alexander heißt Ihr kleiner Sohn, nicht wahr?«

»Ja. Er ist jetzt zweieinhalb. Und ich fühl mich in solchen Momenten, als wäre ich so klein und unmündig wie er.«

Die Therapeutin dachte einen Augenblick nach. »Und haben Sie den Eindruck, daß sich Ihr Sohn sich durch seinen … Knödel am Po sonderlich gestört fühlt beim Spielen?«

»Nein«, räumte der Patient ein. »Zum Glück nicht.« Er lachte. »Er muß nämlich genauso lange warten wie ich, bis er wieder frisch gewindelt wird. Der spielt weiter mit seinen Legosteinen, hat manchmal sogar einen schokoladeverschmierten Mund, und es scheint ihn kaum jemals zu stören, daß sein anderes Ende ebenfalls braun verschmiert ist. Und wenn er doch mal unruhig wird, verpaßt Mutti oder Elisabeth, unsere kleine Hilfspolizistin« – er lachte wieder kurz auf – »ihm einen Schnuller, und gut ist.«

Die Therapeutin nickte. »Und Sie glauben nicht, daß Sie etwas von der Fröhlichkeit, Unbekümmertheit und Gelassenheit Ihres Sohnes übernehmen könnten? Glauben Sie nicht auch, daß das zu einer ganz neuen emotionalen Nähe zwischen Ihnen, Ihrem Sohn und Ihrer Frau führen könnte?«

»Pffhh …« Ratlos machte er eine unbestimmte Geste. »Ich weiß nicht. Ich weiß es wirklich nicht.«

»Arbeiten wir daran, es herauszufinden!« Die Therapeutin schloß die dünne Akte und stand auf.

II

DER PLASTIKÜBERZUG DER LIEGE war mit »lustigen« Bärchen- und Micky-Maus-Motiven verziert; ebenso die Plastikhosen, die die Therapeutin übersichtlich vor dem Patienten ausgebreitet hatte.

Nackt und frisch gewaschen lag er auf der Liege in dem gut geheizten Raum, bereit, mit den von der Therapeutin gestellten Inkontinenzartikeln und den ihm von seiner Frau in einer Reisetasche mitgegebenen Kleidungsstücken frisch gewickelt und angekleidet zu werden.

»Für die Hersteller ist es einfach billiger, die Plastiklaken und -hosen in Erwachsenengrößen mit denselben Mustern zu bedrucken, die auch bei den Kleinkindergrößen verwendet werden. Ich nenne das ein Glück«, sagte die Therapeutin eindringlich, »schafft es doch genau diese Kleinkind-Atmosphäre von Behütetsein und Fürsorge, die unsere Patienten positiv erleben sollen.«

Der Rollifahrer guckte etwas skeptisch, bemühte sich aber, Begeisterung zu zeigen. Gehorsam nahm er das Ende der Plastik-Windelhose in die Hand, das ihm die Therapeutin reichte.

»Hören Sie doch nur« – die Therapeutin knetete lustvoll das andere Ende – »wie schön das Material knistert und wie angenehm es sich anfühlt! Und die straffen Bündchen am Bauch und an den Beinen sind bei diesem Modell vier Zentimeter breit; da kann Ihre Tochter bald nur noch vermuten, daß Sie die Hosen voll haben – erschnuppern kann sie es nicht mehr!« Sie lachte.

Fast widerwillig nickte der Patient. »Das hört sich ja gar nicht schlecht an.«

»Dann nehmen wir das Modell doch gleich für unseren Ausflug.« Die Therapeutin machte Nägel mit Köpfen.

Der Patient nickte wieder. Die Therapeutin zog eine dicke Windel aus der Fünfundzwanzigerpackung und raschelte auch mit ihr. »Wir wollen in den kommenden Wochen versuchen, dieses Rascheln ebenso zu genießen wie das Gefühl des Warm-und-dick-eingepackt-seins.«

Der Patient nahm die Windel aus der Hand der Therapeutin und knetete sie gehorsam, bemühte sich dabei sichtlich, zu lächeln und das Ganze positiv zu empfinden. »Es fühlt sich tatsächlich wie ein wolliger dicker Pullover an – stimmt!«

»Und nun stellen Sie sich vor, dieser Pullover umschließt und behütet sie unten herum … Zum Glück haben Sie ja noch ein sehr gutes Empfinden in dieser Region, nur Ihre Beine sind unzuverlässig geworden – zu unzuverlässig, um den Rollstuhl zu verlassen.«

Sie schob ihn mit dem Rollstuhl dicht an die Liege mit dem bärchenbedruckten Plastiküberzug heran. »Kommen Sie …« Sie half ihm auf die Liege, spreizte seine Beine, puderte seinen Intimbereich und wickelte ihn straff, aber nicht zu eng, streifte ihm dann die Plastikhose über und lächelte.

»Na – gutes Gefühl?«

»Ja – es fühlt sich dick und gemütlich an.«

»Sicherheit und Geborgenheit – das müssen Sie sich immer vor Augen führen.«

Sie half ihm, seine bewußt weitgeschnitten gewählte Hose über das Windelpaket zu ziehen. »Wenn die Ausbeulung um Ihre Hüften herum auffällt – denken Sie immer daran: Das ist von nun an Ihre Normalität, und dazu stehen Sie mit Selbstbewußtsein.«

Minuten später war der Patient vollständig angekleidet.

»Und jetzt geben Sie mir bitte Ihren Geldbeutel, Ihre Papiere, Ihre Kreditkarte – alles. Es ist wichtig, daß Sie lernen, mehr loszulassen, sich fallen zu lassen und anderen die Führungsrolle zu überlassen. Im Bett haben Sie sich wohl schon daran gewöhnt, geritten zu werden?«

»Ja. Es war eine … nicht unbeträchtliche Umgewöhnung, aber jetzt geht’s.«

»Versuchen Sie, es noch mehr zu genießen. Denken Sie immer an den alten Spruch: Tue gern, was du tun mußt. Wenn Sie schon zur Passivität … sagen wir mal: bestimmt sind, dann tun Sie am besten von Ihrer Seite aus alles, um den Genuß an dieser Passivität zu erhöhen!

Und nun stellen Sie sich bitte vor, ein kleiner Bub geht an der Hand seiner Mutter durchs Einkaufszentrum. Sie führt ihn an der Hand durch die Läden, sie weiß, was gut für ihn ist und was nicht, welches Comic, welcher Kaugummi, sie verwaltet das Einkaufsgeld.

Können Sie sich vorstellen, wie wohl dieses Umsorgtwerden dem Umsorgten tut, auch wenn er das nicht in jedem Moment zu schätzen weiß?

Denken Sie immer daran: Ihre Frau will nur Ihr Bestes, wenn sie Ihnen mal dies oder jenes verweigert. Und nun geben Sie mir bitte Ihr Portemonnaie und was sonst noch so in Ihren Taschen ist.«

Er tat es.

Er rollte, begleitet von seiner Therapeutin, in die geräumige Garage, hievte sich mit ihrer Unterstützung auf den Beifahrersitz; der Rollstuhl wurde in den Kofferraum verfrachtet.

Geschickt steuerte die Therapeutin den Van durch den dichten Verkehr der Innenstadt, lenkte ihn in ein Parkhaus und steuerte einen der bequemen Behindertenparkplätze an. »Sehen Sie? Noch ein Vorteil! Sie bzw. Ihre Frau haben in Zukunft die bestgelegenen, breitesten Parkplätze. Sie werden umsorgt, brauchen sich um keine finanziellen Angelegenheiten mehr zu kümmern, die aktive Rolle beim Sex macht Ihnen auch keinen Streß mehr, Sie werden überallhin hinchauffiert, müssen nicht mehr selbst fahren – Sie sind wahrlich ein Glückspilz.«

So kann man’s auch sehen, dachte der Patient, und nach den vorangegangenen Argumenten der Therapeutin waren seine Gedanken nur noch zur Hälfte sarkastisch gemeint.

Minuten später saß der Patient wieder in seinem Rollstuhl, der in der rollstuhlgerecht breiten Gasse zwischen zwei geparkten Autos stand.

Die Therapeutin griff in ihre Tasche, holte zwei mit kleinen Vorhängeschlössern versehene schwarze Lederriemen daraus hervor und fixierte die Füße des Patienten damit seitlich an den Rollstuhl.

Auf den fragenden Blick des Patienten hin erläuterte sie: »Ich möchte nicht, daß du dich im kritischsten Moment der Reste deiner Beinkraft erinnerst und in Panik zu fliehen versuchst. Der kritischste Moment ist außerdem gar kein kritischer Moment, sondern fortan etwas völlig Normales für dich, und du wirst ihn in Zukunft so hinter dich bringen, daß auch der Rest der Welt das als etwas völlig Normales ansieht. Es ist Zeit, daß du dich daran gewöhnst. Verstanden!?« Sie hatte leise, aber bestimmt gesprochen, war vom Siezen zum Duzen übergegangen und sah dem in seinem Rollstuhl sitzenden Patienten dabei schräg von oben in die Augen.

Der nickte.

Sie klopfte ihm beruhigend auf die Schulter. »Dann gehen wir jetzt in medias res.«

Nur wenige Meter waren es vom Behindertenparkplatz des Parkhauses zum Übergang zum Einkaufscenter.

Langsam rollte er im Center in ihrer Begleitung an Bäckereien und Fleischereien vorbei, an Spielwarenläden und Zoogeschäften und fragte sich wie immer beim Anblick des Menschenstroms, wie die lieben Mitmenschen wohl reagieren würden auf …

An einem Café blieb die Therapeutin stehen. »Hier werden wir nachher essen und trinken«, bestimmte sie. »Aber zunächst müssen wir woanders hin.«

Gehorsam folgte er ihr vom Menschenstrom weg auf einen Gang, um eine Ecke und bis in den Baby-Wickelraum. Eine plastikbespannte Liege mit »lustigen« Disneymotiven.

Die Tür schloß sich hinter ihnen. Sie waren allein in dem Raum.

»Du wirst diesen Raum wohl eher selten benötigen. Die guten Cremes verhindern ein rasches Wundwerden deines Pos, und die neuen Windelhosen mit den vier Zentimeter breiten, straffen Bündchen sind, wie wir schon besprochen haben, weitgehend geruchsdicht, so daß du es in Zukunft eine ganze Zeitlang … ohne Windelwechsel aushalten kannst, aber trotzdem möchte ich, daß du auch diesen Raum als dir zugehörig empfindest, ganz selbstverständlich und normal.«

Der Patient nickte wieder stumm.

Die Therapeutin löste die Fußriemen, half ihrem Patienten, sich vornüber mit gespreizten Beinen über die Liege zu beugen.

Der Patient hörte ein Rascheln und Knistern von Medikamentenpackungen und Cellophanstreifen, dann ein Rascheln seiner Plastik-Windelhose. Er spürte, wie sich eine gummibehandschuhte Hand den Weg zwischen seine Pobacken bahnte und behutsam, aber sicher ein Zäpfchen in seinem Po versenkte, das sogleich ein leichtes Prickeln in ihm auslöste.

Behutsam hievte sie ihn wieder in seinen Rollstuhl, fixierte seine Füße wieder seitlich an den blinkenden Metallstreben, an denen die Fußstützen befestigt waren.

Langsam rollte er hinaus, hinaus zu dem Café, das nicht nur Kaffee und Kuchen bot, sondern – fast wie ein Restaurant – auch solide, wohlschmeckende Gerichte.

Die Therapeutin nahm ihm gegenüber Platz, nachdem sie ihm und seinem Rollstuhl einen Platz freigeräumt hatte.

Das Café füllte sich zusehends. Auch unmittelbar rechts und links von ihnen nahmen jetzt Leute Platz. Der Patient blickte leicht besorgt um sich.

Sie vertieften sich in das Studium der Speisekarte. Ein immer stärkeres Grollen in seinem Bauch hinderte ihn daran, sich diesem Studium so hinzugeben wie die Therapeutin. Sie bemerkte es. »Laß es einfach geschehen, wenn es geschehen will. Beachte es nicht weiter«, wies sie ihn ruhig an.

»Ich hätte gern ein Pfeffersteak mit grünen Bohnen, ein großes Bier dazu und Erdbeeren mit Vanillepudding zum Schluß«, sagte er der Therapeutin.

Die lächelte. Sie wußte, Vanillepudding mit Erdbeeren war sein Lieblingsnachtisch, der würde ihm die schwierige Situation versüßen. Sie wollte es ihm aber nicht so einfach machen.

Die Kellnerin erschien. »Für mich bitte Lasagne al forno und einen Valpolicella und für ihn Pfeffersteak mit Salzkartoffeln und ein alkoholfreies Bier«, sagte sie lächelnd.

Die Kellnerin verschwand. Die gute Laune der Therapeutin blieb. »Bohnen machen zu viel Blähungen, und Alkohol wäre im Moment für dich unangebracht, ebenso wie zu viel Süßes.« Den wahren Grund nannte sie nicht, er war ohnedies offensichtlich: Ich will es schlicht und einfach so. Basta.

Das Rumoren in seinem Darm wurde immer stärker. Man sah es wohl seinem Gesicht an.

»Schenk dem keine Beachtung. Es dauert sowieso immer länger, als man so denkt.«

Stimmt, dachte er, das Rumoren geht weiter, aber es führt nicht zu seinem logischen Ende. Noch nicht.

Die Bedienung brachte das Essen, für beide zugleich, und wünschte guten Appetit.

Dampfend und wohlriechend stand das Essen vor dem Patienten und der Therapeutin, da geschah das Unvermeidliche: Der Patient mußte sich kurz an den Seitenlehnen seines Rollstuhls hochstemmen, eine dicke, warme, breiige Masse entfuhr seinen Hinterbacken und verteilte sich breit unter ihm, als er sich wieder in seinen Stuhl plumpsen ließ. Vorne wurde es naß und warm.

Der Patient beugte sich vor. »Ich hab immer Angst, man hört was, ein Quackern oder Prasseln«, wisperte er mit scheuem Seitenblick auf die Gäste an den Nebentischen der Therapeutin zu.

»Dann mußt du eben dazu stehen«, entgegnete sie in normaler Lautstärke. »Es ist Teil deiner künftigen Alltagsrealität, für den ganzen Rest deines Lebens, und je eher du lernst, eventuelle despektierliche Bemerkungen ebenso wortgewandt zu parieren, desto besser.«

Konsequent zog sie ihn in ein Gespräch über allerlei Alltägliches und forderte ihn immer wieder dazu auf, das Essen zu genießen. Er bemühte sich nach Kräften, ihren Anforderungen zu genügen und alles so selbstverständlich und locker zu sehen, wie sie es wollte.

Endlich hatten sie ihre Mahlzeit beendet, sie hatte bezahlt, und wieder rollte er an ihrer Seite durch die Menschenmassen und an den Läden und Geschäften vorbei, wobei er bei jeder Bewegung die Matsche unter seinem Po und zwischen seinen Beinen spürte. Geruch gab es kaum, die neuen breitbündigen Windelhosen waren in der Tat vorzüglich.

An einem Zeitschriftenstand blieb er stehen. Das Titelthema des ausliegenden aktuellen SPIEGEL interessierte ihn.

»Könnte ich bitte einen SPIEGEL haben?« fragte er seine Therapeutin.

Die Therapeutin trat heran, nahm einen SPIEGEL vom Stapel, blätterte kurz darin, sagte: »Ich glaube nicht, daß im aktuellen SPIEGEL etwas von wirklichem Interesse steht« und legte ihn wieder auf den Stapel.

Der Patient wußte, damit war die Sache gegessen. Sie hatte den Geldbeutel, nicht er.

Gemächlich rollten und schlenderten sie zurück zum Parkhaus …

Wieder zurück in der mollig warm geheizten Praxis bettete die Therapeutin den bis auf die Windelhose entkleideten Patienten mit leicht gespreizten Beinen auf eine bequeme Chaiselongue, die sie zuvor mit einem Gummilaken überzogen hatte.

»Und nun wollen wir noch ein wenig daran arbeiten, das Erlebte zu verarbeiten und mit positiven Gefühlen zu konnotieren«, verkündete die Therapeutin. »Greif jetzt in die Windel und reib deinen Schwanz. Stell dir vor, wie es in Zukunft öfter mal sein wird. Deine Windel ist voll, aber es ist nicht lästig oder unangenehm, eher gemütlich, und es ist überhaupt nicht schlimm, daß der nächste Windelwechsel erst in einigen Stunden ist.

Du bist mitten in einer dichten Menschenmenge und mußt ›groß‹, und es geht eben nicht lautlos und unauffällig, sondern diesmal nur sehr auffällig laut, alle gucken irritiert bis indigniert, aber du siehst das ganz locker.

Du bist auf einem Stadtbummel mit deiner Frau, und natürlich hat sie den Geldbeutel, und sie verweigert dir etwas, was du gerne hättest, aber dein Verstand muß ihr im Grunde Recht geben, sie weiß besser als du, was für dich gut ist …«

Nach gut zehn Minuten solcher Erzählungen ergoß sich der Patient schließlich in seine Windel.

Zufrieden nickte die Therapeutin. Dann verschwand sie im Nebenraum und kehrte mit einer Portion Vanillepudding mit Erdbeeren zurück, die sie dem beglückten Patienten reichte.

Oben Matsche, unten Matsche, dachte er, als er den Pudding mit der Zunge kostete und dabei mehr denn je das schmierige Gefühl auf seinem Po spürte.

Die folgende Geschichte erwuchs aus einem Rollenspiel zwischen mir und der erfahrenen »Gummimami« »Pam von Pers«:

www.kleines-fetischstudio.de/ich.htm

Telefon: 0173/8185318.

Es ist eigentlich überflüssig zu betonen, daß es sich bei der folgenden Story um ein Rollenspiel unter Erwachsenen handelte; aber manche Leute kriegen ja alles in den falschen Hals …

Gary Pooper

Die Verwandlung

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