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Gewindelt unterm Business-Suit

– eine literarische Vorbetrachtung –

Michael, der Held von Elfriede Jelineks Roman »Michael; ein Jugendbuch für die Infantilgesellschaft« (1972), ist der Juniorchef der Kaffeerösterei Köster, verheiratet mit Patrizia, die ein Kind – von seinem Bruder Reiner – erwartet; Patrizias Vater ist der Seniorchef, Ida Rogalski ist Michaels Mutter.

S. 501: mutter schnell wickeln! ich muss in den Betrieb. der grosse kleine michael streckt seiner mutter die krummen beinchen entgegen. was er alles kann! die aktentasche liegt bereit.

S. 51: die mutti kann diese diese Dinge immer noch am besten. rot vor aufregung zieht ida rogalski die gummiwindelhose an michaels beinen hoch. gleich fühlt sich mein bub wieder wohl tröstet sie. schnell noch ein bisserl puder auf die empfindlichsten wunden stellen. (…) michaels ganzer apparat wird fein säuberlich hineingeschlossen damit nichts scheuert reibt wetzt. (…) rasch noch die druckknöpfe zu und drüber die bürohose gezogen. heute darf patrizia zum erstenmal ganz allein die knöpfe schliessen. michael scharrt schon ungeduldig weil er in den betrieb muss. [Später dann im Betrieb:] michael geht stelzig herum er hat es gern trocken & warm & sicher um die hoden herum. oft steckt er ein fingerl hinein um zu prüfen ob er vielleicht nass gemacht ist. nein noch nicht. da lacht er wieder von einem ohr zum nächsten.

S. 52: nanu. welche nasse flüssigkeit bricht da plötzlich in die sichere geborgenheit von michaels gummihose ein? der junge macht sich ja ganz voll! da zeigt sich wie gut die vorsorge der mutter gewesen ist, keiner merkt was (die wasserdichte gummihose lässt keinen gedanken durch die windel saugt alles auf). rasch also windelwechsel bevor es zu spät ist. (…) frau rogalski zieht ihm das nasse zeug herunter und klopft ihn ein bisschen damit er wieder lachen soll. [Wenig später:] auch dieses Paket ist Michael. sauber & fertig & verpackt darf er nur mit der geliebten windelhose bekleidet ein weilchen am tisch liegen & strampeln ganz wie er lust hat.

S. 95: na liebe jungen und mädel!

schon wieder die hosen voll? schämt euch!

wenn man es sogar bis hierher riechen kann dann riecht herr köster das ganze natürlich sofort das ist klar er steht ja direkt neben euch. wenn ihr eure muskeln nicht besser zusammenhalten könnt dann ist diese arbeit nicht die geeignete für euch.

[»Alexander der Kleine«:] So viel zu den Windelsachen in der Geschichte. Nett ist auch das Lehrmädchen Ingrid, das ihre Mutter zur Strafe für irgendeinen Fleck, den sie sich in der Arbeit aufs neue Kleid gemacht hat, den ganzen Abend mit dem Rücken zum Fernseher knien lässt, damit sie ihr geliebtes Fernsehprogramm nicht sehen kann. Zitat: »ingrid kniet gern weil dann vielleicht alles wieder gut ist. wie im tv.«

[Der Verleger:] So weit eines der üblichen … äh … etwas speziellen Familien- und Gesellschaftsszenarios von Elfriede Jelinek. Vermutlich hat jener Bekannte von mir recht, der einst sagte, die Literaturnobelpreisträgerin wäre gewiß ausgeglichener und glücklicher, wenn sie ihren latent vorhandenen massiven Masochismus offen ausleben würde – aber vermutlich wären dann die meisten ihrer Werk ungeschrieben geblieben. Auch Kafkas Werke wären vermutlich zum größten Teil nicht geschrieben worden, wäre Kafka ein ausgeglichener, glücklicher Mensch gewesen. Das führt uns zu der Frage, wie dicht Genie und Wahnsinn nebeneinander stehen und ob man womöglich einen Knall haben muß, um ein guter Schriftsteller zu werden …

Statt uns solchen ins Uferlose gehenden Betrachtungen hinzugeben, widmen wir uns lieber der Lektüre der folgenden »Verwandlung« der besonderen Art …

1 Die Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe »Alexanders des Kleinen«, des Verfassers der folgenden »Verwandlung«. A. d. Verlegers

Die Verwandlung

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