Читать книгу Deutscher Herbst 2015 - Alexander Meschnig - Страница 10
III.
ОглавлениеEs ist natürlich ein Leichtes, im Namen christlicher oder moralischer Werte zu fordern, Deutschland müsse noch viel mehr Zuwanderer unabhängig von ihrer Qualifikation, Bildung oder Mentalität aufnehmen. Was die Tugendsamen aber zu dieser Forderung legitimiert oder was sie selbst für eine Integration der Einwandernden leisten, bleibt in der Regel unbeantwortet. Die aus ihrer moralinsauren Haltung entstehenden materiellen und vor allem sozialen Kosten für die Allgemeinheit spielen für die »Guten« eine zu vernachlässigende Rolle. Die unmittelbaren Folgen ihrer abstrakten Menschenliebe werden gerne an diejenigen delegiert, die an den Schnittpunkten sozialer Verwerfungen leben müssen und mit den Herbeigerufenen um Arbeitsplätze und Wohnraum konkurrieren müssen. Jedes noch so vorsichtig vorgebrachte ökonomische Argument, etwa die Frage, was wir in Europa denn mit Millionen von unqualifizierten Einwanderern anfangen sollen, wo doch die Arbeitslosigkeit insbesondere junger Menschen in den südlichen Ländern der EU dramatische Dimensionen angenommen hat, wird mit dem inzwischen inflationären Begriff »menschenverachtend« rasch abgebügelt. In den allermeisten Fällen betrifft die selbsternannten »edlen Seelen« die eigene Entscheidung weder finanziell noch lebensweltlich. Wird dennoch einmal – selten genug – ein Asylantenheim in der unmittelbaren Nähe des meist bürgerlichen und wohlhabenden Wohnumfeldes errichtet, ist der Aufschrei jedes Mal groß. Das geht nun aber doch nicht!
Es gilt allgemein: Rassistisch, das sind immer die anderen, etwa diejenigen, die auch für sich ein Recht auf ein zivilisiertes Umfeld fordern und den Preis der massenhaften und ungesteuerten Zuwanderung zahlen müssen. Dass Menschen aus korruptionsverseuchten Ländern, die über keinerlei demokratische Tradition verfügen, vielfach in tribalistischen Strukturen leben und denken, sich auf wundersame Weise und ohne größere Konflikte in unser politisches System und seine Werte integrieren, mag zwar ein frommer Wunsch sein, aber die Realität der letzten Jahrzehnte zeigt eine andere Tendenz – sieht man einmal von den Medien und den meisten Parteien ab, die alles dafür tun, das schöne Bild der bunten Republik nicht zu zerstören. Warnungen vor einer allzu naiven Sichtweise gibt es, aber sie werden entweder ignoriert oder die Verkünder der Botschaft in die rechte, gerne auch rechtspopulistische Ecke gestellt. Bezeichnenderweise sind es Politiker der SPD (einst traditionell die Vertreter des »kleinen Mannes«) wie Thilo Sarrazin oder der ehemalige Neuköllner Bürgermeister Heinz Buschkowsky, die den Bezug zur Realität der normalen Bürger noch nicht ganz verloren haben – eine Tatsache, die längst nicht mehr zutrifft für ihre Partei, die sich mehr und mehr für ihre ehemaligen Stammwähler schämt. Die intellektuelle und akademische Elite schweigt in der Regel oder entspricht bei allen wichtigen Fragen rund um Zuwanderung und Integration ganz dem Typus des Weberschen Gesinnungsethikers. Eine der wenigen kritischen Stimmen, der Politikwissenschaftler Herfried Münkler, vor Kurzem selbst zur Zielscheibe linksextremer Denunzianten geworden, skizziert die aktuelle Situation, die für die nächsten Jahre bestimmend sein wird, in nüchternen Worten:
»Die größte sicherheitspolitische Herausforderung des 21. Jahrhunderts wird nicht in der Gefährdung von Grenzen durch feindliche Militärverbände, sondern im Überschreiten dieser Grenzen durch gewaltige Flüchtlingsströme bestehen, die, wenn sie massiv auftreten, nicht der wirtschaftlichen Prosperität Europas zugutekommen, sondern die sozialen Sicherungssysteme der europäischen Staaten überfordern und damit die soziale Ordnung in Frage stellen. Gleichzeitig ist Europa infolge seiner Wertbindungen nicht in der Lage, diese Flüchtlingsströme an seinen Grenzen zu stoppen und zurückzuweisen, wie man dies bei einem militärischen Angriff versuchen würde.«