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IM BAUCH DES BURGTHEATERS

Innere Stadt | Burgtheater

Mit dem Burgtheaterführer Werner Rauch kommt man im Burgtheater hoch hinaus und tief hinunter. Er kennt jeden Winkel des Theaters und weiß nicht nur, wo man im Haus den besten Cappuccino trinkt und die Schauspieler hautnah erleben kann, sondern führt auch auf den Schnürboden und in den Keller.

„Im Parlament hört man nichts, im Rathaus sieht man nichts und im Burgtheater hört und sieht man nichts.“ So urteilten die Wiener über die drei neuen Gebäude an der Ringstraße.

Die beiden mit dem Bau beauftragten Architekten Gottfried Semper und Carl Freiherr von Hasenauer hatten sich zerstritten, Semper hatte Wien verlassen und Hasenauer vollendete das Burgtheater nach seinen eigenen Vorstellungen – mit problematischen Folgen: Die Kuppel, die er in den Zuschauerraum bauen ließ, „verschluckte“ die Worte der Schauspieler, die großteils weiß gestrichenen Logen ließen die Damen der Gesellschaft kränklich aussehen, was den Logen im Volksmund bald den Namen „Badekasterl“ einbrachte. Einige waren außerdem so gebaut, dass man von ihnen aus nicht auf die Bühne sah. Erst Umbauarbeiten behoben die Probleme.

Der Vorläufer des Burgtheaters hatte sich im Michaelertrakt der Hofburg befunden. Dort wurde ursprünglich im Ballhaus „Jeu de Paume“, eine Art Tennis, gespielt, bis Maria Theresia 1741 die Erlaubnis gab, dort das Hoftheater zu eröffnen. Um den Adel ins Theater zu locken, erlaubte die Regierung bald Glücksspiele während der Aufführung. Maria Theresias Sohn Joseph II. griff in seinem Reformeifer stark in die Aufführungspraxis des Theaters ein: Um die Untertanen nicht zu deprimieren, wurden etablierte Stücke wie Shakespeares Romeo und Julia und Hamlet mit dem sogenannten „Wiener Schluss“ versehen – die Protagonisten durften nicht sterben.

Werner Rauch ist einer der sechs Führer durch das Burgtheater. Abseits der Haupträume wie Vestibül, Bühne und Zuschauerraum gibt es die Möglichkeit, „hinter die Kulissen“ des Theaters zu schauen. In kleinen Gruppen klettern die Besucher auf den Schnürboden 28 Meter über der Bühne, von wo aus während der Vorstellungen die Kulissen gewechselt werden, und drehen Runden auf der ältesten Drehzylinderbühne der Welt. Man besucht die Werkstätten im Keller und durchstreift die Lüftungskanäle des Theaters, steigt die Feststiegen hinauf und kann den Bühnenarbeitern vom Zuschauerraum aus beim Arbeiten zusehen. Das Burgtheater, das zu den berühmtesten Theaterhäusern der Welt gehört, bietet Theater- und Kunstinteressierten allerhand Bemerkenswertes. So lässt sich zum Beispiel die Feststiege beschreiten, die früher dem Kaiser vorbehalten war. An der Decke der Kaiserstiege ist ein Gemälde des berühmten Jugendstilmalers Gustav Klimt zu entdecken – hier noch im Stil der Historienmalerei ausgeführt. Dieses enthält übrigens auch das einzige Selbstporträt Klimts.


Man erfährt auch einiges an zeitgenössischem Klatsch, etwa dass der Kaiser bei seinen Besuchen einen Spiegel vor sich hertragen ließ, damit er seine Geliebte Katharina Schratt betrachten konnte, dass eine mazedonische Freiheitskämpferin in den Rängen einen Mann ermordete und dass es honorige Schauspieler gab, die sich nach durchzechten Nächten nicht mehr erinnerten, welches Stück sie gerade spielten.

In der Kantine des Burgtheaters bewirtet Herr Heinz neben Bühnenarbeitern, Schauspielern und Regisseuren auch Besucher, die so einigen Einblick in den Theateralltag bekommen. An der Wand hängt ein Fernsehapparat und überträgt die Aktivitäten auf der Bühne, die zweimal täglich umgebaut wird. Über einen Lautsprecher rufen die Inspizienten die Schauspieler auf die Bühne. Tagsüber ist die Kantine auch für Besucher geöffnet, abends ist sie den Mitarbeitern des Theaters vorbehalten.

Keller als Sammelsurium

Nicht ganz so prominent, aber umso interessanter ist der Kellerbereich des Burgtheaters: Abseits von Bühne und Zuschauerraum bildet er so etwas wie das Herz des Theaters. Jede Ausbuchtung der verwinkelten Gänge des Kellers wird zur Lagerung von Requisiten genutzt, überall gibt es Stühle, Koffer, Musikständer und ausgebleichte Kostüme. In einer Vitrine hängt die Uniform Franz Ferdinands aus Karl Kraus’ Die letzten Tage der Menschheit, daneben stehen ein Sarg, ein Moped. Auf jedem Gegenstand klebt ein Zettel, damit die Bühnenarbeiter wissen, zu welchem Stück er gehört. Werden die Requisiten nicht mehr gebraucht, werden sie am Burgtheaterflohmarkt, der in unregelmäßigen Abständen stattfindet, verkauft.

Mitten im Keller findet sich der Sockel der Drehzylinderbühne. Diese wurde im Zuge des Wiederaufbaus des Burgtheaters 1954 eingebaut und wiegt 350 Tonnen. Mit ihrer Hilfe können Bühnendekorationen innerhalb von vierzig Sekunden geräuschlos gewechselt werden.

Rosenduft und Lüftung

Im Keller residiert auch Herr Martin, der „Wächter der Theaterluft“. Mithilfe des „wichtigsten Radls“ des Theaters, dem Steuerrad für die Belüftungskanäle, regelt er vom Keller aus Temperatur und Luftzufuhr. Die Zugvorrichtung, die mit dem Drehrad verbunden ist, scheint einem Jules-Verne-Roman zu entstammen und läuft kreuz und quer durch den labyrinthischen Keller bis zu einem Lüftungstor unter dem Volksgarten, wo die Luft für den Zuschauerraum angesaugt wird. Kaiser Franz Joseph hatte gar die Idee gehabt, mit der Luft gleich auch noch Rosenduft aus den Rosenbeeten des Volksgartens anzusaugen. Funktioniert hat die Idee, das Burgtheater auf diese Weise zu parfümieren, freilich nie. Ihren eigentlichen Zweck erfüllt die ebenso simple wie geniale Konstruktion aber immer noch tadellos, auch wenn es auf den Stehplätzen in den schwindelerregenden Höhen der Galerie schon einmal bis zu vierzig Grad heiß werden kann.

Workshops

Für jene, die gerne einmal am Burgtheater spielen möchten, werden Theaterworkshops angeboten. Im kuppelförmigen Dach, in 43 Metern Höhe, verbirgt sich ein Theaterraum: der Lusterboden. Hier unterrichten Theaterpädagogen junge Nachwuchsschauspieler und zeigen diesen, wie sie mit vollem Körpereinsatz den richtigen Ton treffen oder scheinbar langweilige Alltagssituationen in unterhaltsame Stücke verwandeln.

Als besonderen Service für Blinde und Sehbeeinträchtigte bietet die Burg mit dem Projekt „Theater4All“ einmal im Monat Vorstellungen mit Live-Audiodeskriptionen an, wo Sprecher die Bilder des gesamten Stückes beschreiben. Außerdem werden alle Aufführungen für Besucher mit Hörgeräten mittels Induktion akustisch verstärkt, damit wirklich jeder in den Genuss einer der besten Bühnen der Welt kommt.


Burgtheater: Universitätsring 2, 1010 Wien. Führungen beginnen beim Haupteingang in der Kassenhalle. Dauer: ca. 50 Minuten. Keine Anmeldung erforderlich, Spezialführungen (Schnürboden, Keller) müssen separat gebucht werden. Preise: Erwachsene 6,50 €, Senioren 5,50 €, Kinder/​Schüler/​Studenten 3 €.

www.burgtheater.at

50 Dinge, die ein Wiener getan haben muss

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