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HINTER DEN KULISSEN

Innere Stadt | Naturhistorisches Museum

Rund 30 Millionen Objekte beherbergt das Naturhistorische Museum Wien. Nur ein Teil davon ist ausgestellt. Und nur an einigen wenigen Tagen öffnen sich die Türen zum Dach, in die Präparationswerkstatt sowie in den Tiefspeicher und ermöglichen Ausblicke über die Stadt sowie Einblicke in das Gedächtnis des Museums.

Die Wiener staunten nicht schlecht, als Skelette von Elefanten und Giraffen über die Ringstraße gebracht und mit Flaschenzügen ins fast fertig gebaute Naturhistorische Museum gehoben wurden. Die vielen Sammlungen zahlreicher Mitglieder der Kaiserfamilie mussten von den diversen Aufbewahrungsorten herangeschafft werden. Bereits die Sammlung von Franz I. Stephan (1708 – 1765) umfasste Mitte des 18. Jahrhunderts rund 30 000 Objekte. Als die damals größte Naturaliensammlung von Italien nach Wien gebracht wurde, verpflichtete er den ehemaligen Besitzer Johann Ritter von Baillou als Direktor des neu gegründeten Hof-Naturalien-Cabinets, welches das Herzstück des späteren Naturhistorischen Museums Wien werden sollte.

Weitere Stücke kamen durch Expeditionen dazu: Nikolaus Joseph von Jacquin bereiste im Auftrag von Franz I. Stephan von 1754 bis 1759 Westindien und brachte Pflanzen für die kaiserlichen Gärten mit. Außerdem sandte er über sechzig Kisten voller Mineralien und Metalle, darunter auch das erste Platin, sowie lebende Tiere und Pflanzen wie Ananas, Kaktus und Zuckerrohr nach Wien. Als Kaiser Franz I. (1768 – 1835) seine Tochter Maria Leopoldine mit dem portugiesischen Kronprinzen Dom Pedro verheiratete, schickte er auch zwei Expeditionsschiffe mit nach Brasilien. Wissenschafter, Landschaftsmaler und Tierpräparatoren sollten nicht nur das Land erforschen, sondern auch Tiere und Pflanzen sammeln. Der Tierpräparator Johann Natterer blieb achtzehn Jahre lang in Südamerika und sandte bis 1835 unzählige bis dahin in der Monarchie unbekannte Tier- und Pflanzenarten nach Wien. Er packte sogar seinen erbrochenen und danach konservierten Eingeweidewurm mit in die Kisten ein. Zu den Objekten kamen in den folgenden Jahrzehnten noch Einzeller, eine „Mördermuschel“, Dinosaurierskelette, Haie, Mammutknochen, Säbelzahntiger und zahllose Mineralien dazu.


Heute umfasst die Sammlung im Naturhistorischen Museum rund 30 Millionen Objekte. Auf 8700 Quadratmetern in 39 Schausälen auf zwei Stockwerken wird die Entstehung des Universums bis in die heutige Zeit in oft überraschender Weise präsentiert. Im Mikrotheater sind etwa Wasserflöhe und Insektenlarven die Leinwandstars. Ihr Filmset ist der Objektivtisch eines Mikroskops. Mittels angeschlossener Videokameras wird ihr Leben auf eine Großleinwand projiziert. Als Erzähler fungieren Biologen, die das oft etwas seltsam anmutende Verhalten der Ministars erklären. Nach der Show können sich die Theaterbesucher selbst am Mikroskop versuchen.

Von der Welt der winzigen Tiere bis zum Ende der Galaxie sind es im Haus nur wenige Schritte. Im Digitalen Planetarium reisen Zuschauer von Wien bis zum Mond, beobachten Planeten, fliegen in der virtuellen Reise weiter zu entfernten Nebeln und Exoplaneten, statten Venus und Mars einen kurzen Besuch ab, bis sie wieder nach Wien zurückkehren. Souvenirs kann man von der Reise zwar nicht mitnehmen, dafür bietet das Museum die größte Meteoritenschausammlung der Welt.

Hinter den Kulissen

Nur ein kleiner Teil der vielfältigen Sammlungen kann ausgestellt werden. Der Großteil lagert bis zu vier Stockwerke tief unter dem Museum oder direkt unter dem Dach, also an Orten, zu denen Besucher normalerweise keinen Zutritt haben. Außer sie schließen sich einer der zahlreichen „Hinter den Kulissen“-Führungen an, wie jener des Präparators Franz Topka. Eingangs erzählt er von der Geschichte der Präparation, dem Faible des Adels für ausgestopfte Tiere und den mutmaßlichen Heilkräften einiger Tiere. Man erfährt, dass Speckkäfer verwendet werden, um die Tierskelette von Fleischresten zu reinigen. Einen Saal weiter zeigt er den Besuchern stolz einen über 100 Millionen Jahre alten Vogel. Nach fünf Monaten mühevoller Kleinarbeit und Hunderten verbrauchten Skalpellen hat er das Skelett, aber auch den Abdruck der langen Schwanzfedern und der Flügel freigelegt. Diesen Schatz des Museums hat er in der Werkstätte bearbeitet.

Auf einem Tisch in der Werkstätte selbst liegen Knochen eines Wollhaarnashorns zur Restaurierung bereit, auf einem langen Brett warten Abgüsse von Mammutknochen auf ihre Reise zu anderen Museen. In Behältern lagern Tausende Fossilien. Doch bei der Führung nimmt Topka sich Zeit, auch die von Besuchern mitgebrachten Muscheln und scheinbar gewöhnliche Steine zu begutachten. Er zerschneidet und poliert einen von ihnen und legt die im Inneren versteckten fossilen Korallen und Würmer frei. Sehr zur Freude des Besuchers.


Das Gedächtnis der „Kathedrale der Wissenschaft“ liegt unter der Erde, im Tiefspeicher. Topka öffnet mit einem Handrad die Archivschränke, unter leichtem Raunzen gleiten die Regale auseinander. In Tausenden Schubladen warten Walkiefer, Schädel und präparierte Tiere darauf, untersucht und ausgestellt zu werden. Der Einblick in diese archivierte Welt versetzt Besucher in Staunen.

Jede der Forschungsabteilungen im Haus hat ihren eigenen Lagerraum, sie alle sind bei den verschiedenen „Hinter den Kulissen“-Führungen zu besichtigen. Wissenschafter der jeweiligen Abteilungen geben Einblicke in ihre Arbeit. Im DNA-Labor mit seiner Sammlung von 16 000 Einzelproben erfährt man zum Beispiel, wie Rasterelektronenmikroskope funktionieren. Im Archiv für Wissenschaftsgeschichte zeigen die Hüter des Wissens ihre Schätze, wie zum Beispiel jahrhundertealte Kräuterbücher, die berühmten Tierbücher von Conrad Gesner und die Zeichnungen des Landschaftsmalers Josef Selleny von der Weltumsegelung der Fregatte Novara zwischen 1857 und 1859. Anthropologen führen Besucher durch den „Schädelgang“, in dem rund 3000 Schädel lagern, und erklären anhand einer Auswahl der rund 40 000 Skelettteile die Entwicklung vom Homo erectus zum Homo sapiens.

Auf dem Dach der „Kathedrale des Wissens“

Am „Schädelgang“ vorbei führt auch der Weg zum Dach des Museums. Durch ein Fenster steigt man hinaus und wird mit einer atemberaubenden Aussicht auf Wien belohnt: Es ist dies wahrscheinlich der beste Ort, um die unterschiedlichen Baustile der Gebäude an der Ringstraße zu betrachten, etwa die Universität im Stil der italienischen Hochrenaissance, das neugotische Rathaus oder das Parlament im neoklassizistischen Stil.

Ganz andere Ein- und Ausblicke in das und von dem Naturhistorischen Museum Wien garantieren die Übernachtungen bei den Dinosauriern. An ausgewählten Terminen kann man mit einem Glas Sekt in der Hand vom Dach über das nächtliche Lichtermeer Wiens schauen, sich nach einer Liveshow im Digitalen Planetarium, einer Taschenlampentour durch die Schausammlung und einem Galadinner in der Kuppelhalle in ein Feldbett zu Füßen von Diplodocus, Allosaurus und Iguanodon legen und von kommenden Abenteuern träumen.


Naturhistorisches Museum: Maria-Theresien-Platz, 1010 Wien

Informationen zu Führungen und Veranstaltungen werden auf der Webseite laufend aktualisiert: www.nhm-wien.ac.at

50 Dinge, die ein Wiener getan haben muss

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