Читать книгу Die Stimme des Ozeans – Unbewusstes sichtbar machen - Alexandra Stierle - Страница 11

Оглавление

Innere Stimme

Da wo guter Rat teuer, du grad lost und gebeutelt bist, war da nicht immer diese Stimme, die dir hilft, und zwar immer? Hör auf die Stimme, hör, was sie sagt, sie war immer da, komm, hör auf ihren Rat, hör auf die Stimme, sie macht dich stark, sie will, dass du’s schaffst! Also hör, was sie dir sagt!

(Mark Forster Songtext: „Hör auf die Stimme“)

Es war wieder soweit, ich fuhr nach Bad Laasphe zu meinem ersten richtigen Termin mit Anne Seidlitz, meinem Coach, bei der ich mein erstes Persönlichkeits-Entwicklungs-Gespräch hatte. Nachdem wir uns herzlich begrüßt hatten, starteten wir mit dem zuletzt behandelten Thema. Sie fragte mich, wie es mir in der Zwischenzeit ergangen wäre. Mir war es noch nicht so ganz wohl bei der Sache, und so unterhielten wir uns zuerst ganz allgemein. Aber irgendwie hatte ich noch keinen „Plan“. Anne scheinbar sehr wohl. Sie führte das Gespräch, stellte mir viele gute Fragen und gab mir die nötigen Hilfestellungen, um mir selbst zu helfen. Dabei ergab es sich, dass ich in mir eine kleine Stimme hörte und ich ihr davon erzählte. Nachdem ich ausgeredet hatte, fragte sie mich: „Kannst du mir diese Stimme genauer beschreiben?“ „Hm. Schwierig. Ich weiß nicht, wie ich es in Worte fassen soll.“ „Versuche es“, meinte sie nur ermutigend. Also gut, ich gab mir einen Ruck. „Die Stimme kommt von innen. Sie flößt mir ein schlechtes Gewissen ein. Oder wenn es mir sehr gut geht, dann meldet sie sich und holt mich von der Euphorie wieder runter. Ich mag diese Stimme nicht. Sie ist mir suspekt, und ich fürchte mich sogar manchmal davor.“ Anne hörte mir gebannt zu. Dann sagte sie: „Wie würdest du die Stimme beschreiben? Hat sie einen Namen?“ „Einen Namen? Nein. Sie ist einfach da“, sagte ich. „Wann ist sie da?“, fragte Anne dann. „Sehr oft“, erwiderte ich. Anne fragte weiter: „Kannst du mir ein Beispiel nennen?“ „Ein Beispiel?“, sagte ich. „Ich weiß nicht, was willst du denn hören?“ Daraufhin sagte Anne: „Es geht nicht darum, was ich hören will, sondern darum, was du empfindest.“ Stille machte sich im Raum breit. So kamen wir nicht weiter. Ich war irgendwie „leer“.

Kennst du das, eine Leere zu haben und doch eine innere Spannung? Unsicherheit und Unwohlsein breitete sich aus. Ich habe einen Mund, doch aus dem kommt einfach nichts raus. Zumindest nichts, was ich mich trauen würde zu sagen. Und da war sie wieder, die Stimme: „Sag es nicht, ich warne dich!“, redete sie mir ein. Tränen flossen mir über die Wangen. Anne meinte nur: „Lass es einfach fließen und spreche es aus, das ist schon in Ordnung, diese Tränen sind heilende Tränen – die sind sehr wichtig!“ Dann war eine kleine Pause. Ich schnäuzte mir die Nase, doch das Wasser floss nur so aus mir heraus. Aber warum? Was war der Grund? Ich glaube, den kannte ich selbst nicht. In dem folgenden intensiven Gespräch stellte mir Anne weitere sehr gute Fragen, um mir Denkanstöße zu geben. Ich suchte nach dem Grund – den ich bis dahin selbst nicht kannte oder der sich nicht zeigte.

Nach einiger Zeit meinte sie nur: „ich möchte gerne etwas mit dir ausprobieren. Wärst du damit einverstanden?“ Ich wusste zwar nicht, was nun kommen würde, doch ich lies mich darauf ein und nickte nur. Sie ging zu Ihrem Schrank in der Ecke und holte drei Kissen heraus. Jedes Kissen stand für jemanden oder etwas. Das erste Kissen war ich, das zweite war meine innere Stimme und das dritte der Grund für meine Ängste. Ich sollte die Kissen im Raum verteilen und dabei auf meine Gefühle achten: Was empfand ich dabei? Danach meinte sie dann: „Und nun, höre auf deine innere Stimme. Was sagt sie? Wer sagt es?“ Ich schluchzte wieder und neue Tränen kamen. „Ich weiß es nicht“, brachte ich gerade noch so heraus. „Versuche, es in Worte zu fassen“, ermutigte sie mich. „Es – es ist ein kleiner Mann, so wie ein Wächter vor einem Tor.“ Und ich meinte weiter: „Er steht vor mir.“ Anne meinte daraufhin: „Beschreibe mir den kleinen Mann.“ „Er hat kein Gesicht. Er ist einfach nur da“, sagte ich schließlich. „Und wer spricht?“, ergänzte sie. „Ist er es, der spricht?“ „Nein, gerade nicht.“ „Aber er spricht ab und an?“, fragte sie weiter. „Ja – aber da ist noch jemand.“ „Wer?“, wollte Anne wissen. „Die kleine Sandra“, meinte ich nur, und wieder brachte ich kaum ein Wort heraus, weil ich in einem regelrechten Heulkrampf war. Tröstend sagte Anne: „Gut, diese Tränen sind wichtig, lass sie fließen“, meinte sie nur wieder sehr einfühlsam. Beinahe hätte sie mitgeweint. Sie litt richtig mit mir. Als ich mich beruhigt hatte, beendeten wir diese „Mini-Aufstellung“. Erleichterung kam in mir hoch. Ich habe über meine Gefühle, mein tiefstes Inneres gesprochen – und es tat sehr gut. Anne schien sehr zufrieden und sagte: „Wir sind schon ein gutes Stück vorangekommen“, und sie ergänzte: „Wir haben die Stimme identifiziert und dein Kind-ich – die kleine Sandra. Du hast mir ja bereits in Limburg von ihr erzählt, und nun ist sie ganz nah bei dir“, und weiter meinte sie: „Ich möchte dir an dieser Stelle gerne eine kleine Aufgabe mitgeben. Wenn du nun gleich in dein Hotelzimmer zurückkehrst und vielleicht an einem schönen Ort etwas gegessen hast, dann nimm dir ein leeres Blatt Papier und Stifte – gerne auch in verschiedenen Farben, und dann zeichne ein Bild, male alles, was dir in den Sinn kommt oder schreibe es auf, ganz egal, was es ist, nur: tu es.“ Sie stand auf und nahm mich in den Arm und gab mir einfach nur ein sicheres, geborgenes Gefühl. So, als ob sie zu mir sagen wollte: „Ich bin für dich da. Ich nehme dich ernst. Wir schaffen das.“ Das war so enorm tröstend. Und ich war von tiefer Dankbarkeit erfüllt. Jemand hat mir einen Engel geschickt. Dieser hat blonde Locken und steht vor mir. Anne.

Dieses Bild entstand danach:


Alexandra Stierle

Was es alles mit dem Inhalt des Bildes auf sich hatte, wird in einem anderen Kapitel noch vertieft, versprochen!

Die Stimme des Ozeans – Unbewusstes sichtbar machen

Подняться наверх