Читать книгу Krimi Sammelband 4005: Frohes Mörderfest - 4 Thriller in einem Band - Alfred Bekker - Страница 18
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Katharina fühlte sich immer noch müde, als sie ihren Wagen vor der Villa parkte. Mit einem Blick auf ihre Armbanduhr stellte sie fest, dass es gerade erst halb neun war, und sie hätte am liebsten ein Königreich für ein Bett geboten. Die Beamten, die vor dem Haus ihren Dienst versahen, hatten ihre Anweisungen erhalten und ließen die Detektivin ohne Schwierigkeiten auf das Grundstück. Als sie in die Garage kam, entdeckte sie Kommissar Reese. Er sagte ihr, dass er vier Stunden lang geschlafen habe und jetzt wieder völlig wach sei.
„Sie Glücklicher“, meinte Katharina. Dann fragte sie ohne Übergang: „Wo ist die Leiche?“
Er hob die Schultern.
„Ich nehme an, in der Charité. Der Notarzt hat versucht, sie wiederzubeleben, weil sie noch schwach atmete. Aber es hat nichts geholfen.“
Katharina sah sich interessiert um. Die Garage hatte nur ein Fenster, das auf der Rückseite lag. Der Wagen war noch da.
„Wer hat sie gefunden?“
„Einer meiner Leute sollte die üblichen Routinebefragungen durchführen. Sie wissen schon: Wo sind Sie geboren? Wie alt sind Sie? Ein sehr pflichtbewusster Mann. Er war schon um acht Uhr auf den Beinen. Stellen Sie sich das einmal vor: am ersten Weihnachtsfeiertag!“
„War das Garagentor geschlossen?“
„Natürlich.“
„Ich meine abgesperrt.“
„Ja klar. Das ist ein elektrisches System, wie bei den Haustüren. Im Innern befindet sich ein Knopf und außen ist auch einer. Sie funktionierten beide nicht mehr. Mein Mitarbeiter hörte innen den Motor laufen. Da hat er kurzerhand den Riegel gesprengt.“
Katharina ging nachdenklich auf den Knopf im Inneren der Garage zu, der betätigt werden musste, um das Tor zu öffnen. Sie drückte. Nichts geschah.
„Ich habe es Ihnen doch gesagt“, rief Reese ihr kopfschüttelnd zu. „Die Anlage ist blockiert.“
„Was ist mit der Tür, die zum Garten hinausführt?“
„Sie war verschlossen. Frau Colditz hatte ihren Schlüsselbund im Schlafzimmer gelassen. Als sie ihren Wagen in der Garage abstellte, hatte sie offenbar die Absicht, durch das große Tor hinauszugehen.“
„Haben Sie Anzeichen für eine gewalttätige Auseinandersetzung gefunden?“
„Die Verletzung am Hinterkopf muss sie sich wohl zugezogen haben, als sie fiel.“
„Wie haben Sie Frau Colditz gefunden? Lag sie auf dem Rücken?“
„Nein, auf dem Bauch, und ...“ Reese brach mitten im Satz ab. „Warten Sie! Irgendetwas stimmt da nicht. Wenn sie tatsächlich versucht hat, vor dem tödlichen Kohlenmonoxid zu fliehen und dann ohnmächtig gestürzt ist, dann hätte sie doch eigentlich auf dem Rücken liegen müssen. Wahrscheinlich hätte sie sich auch Blutergüsse zugezogen. Also ...“
„Wie sahen ihre Fingernägel aus?“
„Normal.“
„Waren einige Nägel abgebrochen, oder die Hände zerkratzt?“
„Nein, ich ...“
„Sie muss doch in ihrer Todesangst versucht haben, eine Tür zu öffnen. So etwas hinterlässt Spuren.“
„Vielleicht waren wir heute Morgen ein bisschen zu voreilig“, gab Reese zu.
Katharina öffnete die Wagentür und betätigte den Knopf, den sie am Vorabend gesehen hatte. Das Garagentor schloss sich langsam und beinahe völlig geräuschlos, ohne das jedoch das Schloss einschnappte. Der Kommissar warf ihr einen betroffenen Blick zu. Katharina drückte noch einmal auf den Knopf und prompt öffnete sich das Tor wieder.
„Da haben wir es“, murmelte sie. „Frau Colditz hatte zu jeder Zeit die Gelegenheit, die Garage zu verlassen. Sie ist wahrscheinlich hineingefahren, indem sie den Knopf in ihrem Wagen betätigte. Jemand hat hier im Dunkeln gewartet, sie niedergeschlagen und schließlich das Tor mithilfe des elektrischen Systems geschlossen.“
Reese schüttelte den Kopf.
„Wie soll das Ganze vor sich gegangen sein?“
„Wer sagt Ihnen, dass nicht noch ein zweiter Stromkreis existiert, der von außen geschlossen werden kann. Kommen Sie, sehen wir mal nach!“
Sie traten auf den Bürgersteig hinaus und entdeckten auf der rechten Seite der Mauer, etwa einen Meter zwanzig über dem Boden einen Kontakt, der aussah wie das Zündschloss eines Wagens. Katharina ging zu dem Wagen zurück, zog den Zündschlüssel heraus und versuchte ihn in das Schloss zu stecken. Der Schlüssel passte. Als sie ihn herumdrehte, begann der Elektromotor, von dem das Funktionieren des Garagentors abhing, zu brummen. Langsam schloss es sich wieder.
„Sehen Sie. Es genügt, einen Schlüssel zu haben, der mit dem des Wagens identisch ist, um das Tor mithilfe dieses zweiten Stromkreises in Bewegung zu setzen.“ Katharina drehte den Schlüssel in der entgegengesetzten Richtung. Sofort öffnete sich das Tor wieder. „Das funktioniert ja ausgezeichnet“, stellte sie fest. „Übrigens ist es ganz normal, einen zweiten Stromkreis zu haben, um eine Katastrophe zu vermeiden, wenn tatsächlich einmal eine Sicherung durchbrennt.“
„Ja, das ändert die Sachlage völlig“, gestand Reese ein. „Aber Sie müssen zugeben, dass die Szene gut aufgezogen war. Bei dem Wagen hatte man die Zündung kurzgeschlossen, damit der Motor ungehindert weiterlaufen konnte. Man hat sogar daran gedacht, die Motorhaube hochzuheben, um den Eindruck zu erwecken, dass Frau Colditz in letzter Minute noch versuchte, die Drähte herauszureißen, bevor sie ohnmächtig wurde.“
„Auf jeden Fall hatte die Person, die das Verbrechen als Unfall tarnen wollte, einen wertvollen Anhaltspunkt zurückgelassen. Offenbar war sie mit dem Anwesen nicht sehr vertraut. Dadurch können wir den Kreis der Verdächtigen wesentlich enger ziehen.“
„Also“, murmelte Reese. „Somit ist alles klar, bis auf einen Punkt. Der Mörder hat sein Opfer in der Garage erwartet, in die er mithilfe eines nachgemachten Zündschlüssels von Frau Colditz‘ Wagen eingedrungen war. So ein Nachschlüssel lässt sich ja ganz leicht herstellen. Trotzdem bleibt eine Frage: Warum?“
„Die gleiche Frage könnte man in Hinblick auf den Mord an Zerban stellen“, warf Katharina ein. „Warum wurde er ermordet? Hat er der Person, die ihm die Informationen verschaffte, gedroht? Wenn das stimmt, warum hat der Mörder den Bericht, der ihn schwer belasten musste, am Tatort zurückgelassen? Oder besteht vielleicht zwischen dem Mörder und dem Verräter kein Zusammenhang? Ich kenne die genaue Antwort noch nicht, aber beide Verbrechen haben einen gemeinsamen Nenner.“
„Welchen?“
„Die berühmte Schreibmaschine. Schade, dass es Ihnen bis jetzt nicht gelungen ist, ihren ursprünglichen Besitzer festzustellen. Eine Tatsache lässt sich jedoch nicht bestreiten. Die Unterlagen, die Sie in Colditz‘ Schreibtisch finden werden, sind ebenfalls auf der Maschine getippt worden.“
Plötzlich kam wieder Leben in den Kommissar. Er rief einen seiner Mitarbeiter herbei und bat ihn, die Papiere, die Katharina erwähnt hatte, herzuholen. Er zog eine einzige Seite des Berichts, den sie bei Zerban gefunden hatten, aus der Tasche und verglich die Schrifttypen mit denen auf Colditz‘ Papieren.
„Ja, es handelt sich tatsächlich um sehr ähnliche Typen“, sagte er zögernd. „Aber nur ein Spezialist kann feststellen, ob wirklich beide Texte auf derselben Maschine geschrieben wurden.“
„Sonst noch was?“, erkundigte sich Katharina.
„In Zerbans Wohnung gab es keinen interessanten Fingerabdruck, ebenso wenig auf der Maschine, aber die Analyse des Glases, das auf dem kleinen Tisch stand, halt erstaunliche Resultate gezeigt.“
„Das Glas enthielt nur Kognak, nicht wahr?“
„Ja. Haben Sie mich deswegen auf die Glasscherben in der Küche aufmerksam gemacht? Anfangs hatte ich geglaubt, Zerban hätte sich geschnitten, denn an seinem linken Zeigefinger haben wir eine tiefe Schnittwunde entdeckt. Zuerst hatte ich gar nichts begriffen, aber nun ist mir alles klar. Sie haben recht, dem Kognak war nichts beigemischt, aber wir haben eine andere interessante Tatsache aufgedeckt. Aus dem Glas ist niemals getrunken worden.“
„Das hatte ich mir schon gedacht. Der Staub und der kleine Holzsplitter brachten mich auf den Gedanken.“
„Sie wissen selbst, dass jedes Reinigungsmittel, ganz egal welcher Zusammensetzung, immer eine leichte Fettspur hinterlässt, die mithilfe der Analyse ohne weiteres festgestellt werden kann. Auf diesem Glas befanden sich jedoch überhaupt keine Spuren. Es ist noch nicht ein einziges Mal abgewaschen worden. Nach dieser Feststellung habe ich sofort einen meiner Leute losgeschickt, um aus Zerbans Wohnung die anderen Gläser des gleichen Satzes abzuholen. Auch sie sind noch niemals abgewaschen worden. Und wissen Sie, was wir noch auf dem komischen Glas gefunden haben? Einen Fingerabdruck von Teodor Gröne.“ Katharina hob vielsagend die Brauen, enthielt sich jedoch jeden Kommentars. „Natürlich haben wir Gröne verhört. Ich hatte mich ja zuerst nur der Muster der Fingerabdrücke bedient, die Sie mir gegeben haben. Als wir dann Gröne verhörten, haben wir ihm seine Fingerabdrücke gleich noch einmal abgenommen. Selbstverständlich hat er hoch und heilig geschworen, dass er Zerbans Wohnung niemals betreten hatte.“
„Glauben Sie ihm?“
Der Kommissar warf ihr einen vorwurfsvollen Blick zu.
„Halten Sie mich für so naiv? Die unbenutzten Gläser, die Scherben vor dem Mülleimer – meinen Sie vielleicht, ich hätte nicht begriffen? Der wahre Täter ist sicherlich mehrmals in Zerbans Wohnung gewesen. Vielleicht hat er eines der Gläser berührt, die in dem Barschrank standen, als er mit dem Spion zusammen trank. Natürlich war es für ihn wichtig, alle eventuellen Indizien zu vernichten. Deshalb hat er nach der Ermordung Zarbans die Gläser zerbrochen, die Scherben in den Mülleimer geworfen und die Tüte anschließend mitgenommen. Dabei hat er nicht bemerkt, dass einige Splitter daneben gefallen sind.“ Der Kommissar machte eine kurze Pause, bevor er fortfuhr. „Dann hat er die Gläser, die er selber in einem Paket mitgebracht hatte, einfach anstelle der alten in den Barschrank gestellt. Eines hat er auf dem kleinen Tisch im Wohnzimmer stehenlassen und es mit Kognak gefüllt, damit es noch natürlicher wirkte. Denn schließlich war dieses Glas ziemlich wichtig für ihn. Auf irgendeine Weise war es ihm gelungen, Gröne dazu zu bringen, das Glas zu berühren, ohne das gleichzeitig seine eigenen Fingerabdrücke daran haften blieben. Aber das ist um diese Zeit ziemlich leicht. Überall werden Weihnachtsfeiern veranstaltet. Der Mörder hat alles daran gesetzt, um uns auf eine falsche Spur zu setzen. Aber wir sind nicht auf den Trick hereingefallen. Gröne wäre bestimmt der Letzte gewesen, der einen so offensichtlichen Beweis für seine Schuld hinterlassen hätte.“
„Für einen Augenblick stand er aber doch unter Verdacht, oder nicht?“
„Nein, er hätte gar nicht genug Zeit gehabt, den Bericht für Zerban zu schreiben, den Spion anschließend zu töten und um zweiundzwanzig Uhr bereits bei den Wuttkes zu sein. Das ist ausgeschlossen. Auch sein Privatleben fällt keinesfalls aus dem Rahmen. Wir haben festgestellt, dass er nur zwei Hobbys hat: den Fischfang und die Jagd. Abgesehen davon lebt er sehr bescheiden. Er wohnt in einem kleinen Haus mit niedriger Miete und fährt einen alten Wagen. Er ist mit sich und der Welt zufrieden, überzeugter Junggeselle und braucht kein Geld.“
„Warum haben Sie ihn dann zum Verhör geholt?“
„Das habe ich Ihnen doch schon gesagt. Um völlig sicherzugehen, dass es sich bei den Fingerabdrücken auf dem Glas tatsächlich um die von Gröne handelte. Wir konnten uns nicht einfach auf die Muster verlassen, die Stollberg Ihnen gegeben hat. Nehmen Sie doch mal an, er hätte sich geirrt, oder vielleicht aus einem anderen Grund versucht, die Spuren zu verwischen.“
„Eins zu Null für Sie. An die Möglichkeit hatte ich überhaupt nicht gedacht.“
„Auf jeden Fall gibt es nun keinen Zweifel mehr. Es sind die richtigen Abdrücke. Ist eigentlich das erste Mal, das man Ihnen so eindeutige Hinweise gibt, nicht wahr?“
„Ja“, antwortete Katharina nachdenklich. Plötzlich kam ihr eine Idee. „Ich gehe jetzt. Ich muss jemandem einen Besuch abstatten. Es gibt da eine Kleinigkeit, die ich überprüfen muss.“
Reese blickte sie interessiert an.
„Darf man fragen, um wen es sich handelt?“
„Man darf.“
„Wer ist die Person?“
„Ich halte Sie auf dem Laufenden.“