Читать книгу Krimi Sammelband 4005: Frohes Mörderfest - 4 Thriller in einem Band - Alfred Bekker - Страница 19
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Das Haus, in dem Otto Stollberg wohnte, war mit erlesenem Geschmack eingerichtet. Durch die Eingangstür kam man direkt in eine weite Halle, deren Geräumigkeit durch die dunklen Möbel noch unterstrichen wurde. Auf der einen Seite befand sich ein großer offener Kamin aus glänzendem weißen Marmor, und in der Mitte führten zwei breite Treppen in die oberen Stockwerke empor, die eine nach rechts, die andere nach links. Der Diener, den Katharina bereits von ihrem ersten Besuch kannte, empfing sie mit hochmütiger Miene und teilte ihr herablassend mit, dass Herr Stollberg heute Morgen nicht gestört zu werden wünsche.
„Sagen Sie ihm, dass Elisa Colditz tot ist!“, wies sie ihn an. „Dann wird er mich empfangen.“
Der Mann stieß einen Seufzer aus, der wie das wütende Zischen einer Schlange klang, und verschwand dann gemessenen Schrittes durch eine Seitentür. Katharina ließ sich in einen Sessel fallen. Nachdem sie etwa zehn Minuten gewartet hatte, öffnete sich die Tür wieder und zwei andere Männer, die sie noch nie gesehen hatte, kamen langsam auf sie zu. Sie waren athletisch gebaut und bewegten sich mit der gelassenen Selbstsicherheit großer Raubtiere vorwärts. Als sie vor Katharina angekommen waren, richteten sie ihre kalten, entschlossenen Augen auf die Detektivin.
„Herr Stollberg will von der ganzen Geschichte nichts mehr hören“, sagte einer der beiden Leibwächter. Er schielte leicht, und sein ganzes Gesicht war mit Sommersprossen übersät.
„Da bin ich nicht so sicher“, erwiderte Katharina mit gesenkter Stimme. „Elisa Colditz ist von jemandem umgebracht worden, der nicht über ihr Privatleben informiert war. Folglich kann es nicht Teodor Gröne gewesen sein, der in ihrer in Nachbarschaft wohnt. Auch die Wuttkes scheiden aus. Sie zählten zu ihren besten Freunden. Bleibt also nur Helmut Bente. Aber er wird ständig von der Polizei beschattet. Es gibt also nur noch einen Täter. Ihren Chef.“
Die beiden Männer wussten offenbar überhaupt nicht, worüber Katharina sprach. Der dümmliche Ausdruck, der auf ihren Gesichtern lag, bewies eindeutig, dass Intelligenz nicht gerade zu ihren Stärken gehörte.
„Herr Stollberg will ...“
„... von der Geschichte nichts mehr hören. Ich weiß. Aber ich möchte ihn sehen, verstanden! Los, holen Sie ihn!“
Statt einer Antwort stürzten sich die beiden Männer auf sie. Katharina wich mit einer blitzschnellen Bewegung aus und stieß den Kerl, der ihr am nächsten stand, zurück. Er taumelte rückwärts zwischen einen Stuhl und einen kleinen Tisch. Sein Sturz endete an einer riesigen Tonvase, die unter dem Gewicht seines Körpers in tausend Stücke zersprang. Katharina wandte sich dem zweiten Gegner zu. Er wollte sich gerade auf sie stürzen, als hinter ihn eine Stimme ertönte.
„Aufhören!“
Langsam und würdig schritt Stollberg die rechte Treppe herab. Er trug einen blauen Morgenmantel.
„Sie haben wirklich Mut“, bemerkte er gelassen.
Katharina lächelte.
„Es war auch ein bisschen Glück dabei. Warum haben Sie mir diese beiden Gorillas geschickt. Ich arbeite doch für Sie.“
„Ich wollte nicht gestört werden. Wegen der Vase brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Sie ist versichert. Los, raus, ihr beiden!“ Mit harter Stimme gab Stollberg seinen Befehl. Die beiden Männer verließen den Raum. Stollberg bat Katharina in einem Sessel Platz zu nehmen, während er sich ihr gegenüber auf einen Stuhl setzte.
„Sie müssen verstehen, dass ich nicht jeden Menschen empfangen kann“, sagte er. „Ich muss mich ständig vor Bettlern und ähnlichen Leuten schützen. Deshalb habe ich auch die beiden Leibwächter angestellt. Da Sie meinen Diener etwas verwirrt hatten, habe ich die beiden Männer hinuntergeschickt, um Ihnen sagen zu lassen, dass ich heute Morgen nicht gestört zu werden wünsche. Ich habe natürlich nicht im Traum daran gedacht, dass sich die Dinge so entwickeln würden.“
Katharina wischte seine Entschuldigung mit einer Handbewegung beiseite und lehnte sich bequem im Sessel zurück.
„Schwamm drüber. Sie werden sich wohl denken können, dass ich Sie niemals hier gestört hätte, wenn es nicht wichtig wäre.“
„Sie sprechen davon, dass Elisa tot ist? Traurig, aber noch lange kein Grund, um ...“
„Wenn es nur das wäre.“
Stollberg schien überrascht und neugierig.
„Ja, aber was ...“
„Sie sollten nicht versuchen, mich für dumm zu verkaufen.“
„Ich versichere Ihnen ...“
„Bemühen Sie sich nicht! Ich weiß, dass Sie ein Verhältnis mit Elisa Colditz hatten. An Heiligabend hat sie aus Versehen Ihren Namen genannt.“
„Na und? Muss ich deswegen gleich ein Mörder sein?“, gab er in eisigem Ton zurück.
„Nein, das nicht. Aber da ist noch etwas anderes.“
„Was denn?“
„Für mich ist es unbegreiflich, wie der berühmte Bericht, der bei Zerban gefunden wurde, so schnell getippt werden konnte. Wenn man bedenkt, dass eine erfahrene Stenotypistin etwa zwei Stunden brauchen würde, dann sieht es so aus, als ob nur Dietrich Colditz der Verräter gewesen sein kann. Er allein hatte die nötige Zeit zur Verfügung.“
„Das ist logisch“, erwiderte Stollberg.
Katharina musste plötzlich lachen.
„Begreifen Sie denn nicht? Wenn man Ihr Verhältnis mit Elisa entdeckt, wird man sofort auf den Gedanken kommen, dass Sie ihrem Mann den Mord anhängen wollten.“
Stollberg warf ihr einen strengen Blick zu.
„Sie überschreiten Ihre Grenzen, Frau Ledermacher.“
„So? Finden Sie? Denken Sie doch ein wenig über den Bericht nach! Er ist der Schlüssel zu der ganzen Angelegenheit. Wenn er nicht vorhanden wäre, könnte Colditz sich noch ungeschoren aus der Affäre ziehen. Begreifen Sie denn nicht, dass der Text möglicherweise vorher getippt wurde? Dass man ihn vielleicht mit Absicht mit Fehlern versehen hat? Wenn das zutrifft, dann sind Sie der einzige Mensch, der das getan haben könnte.“
Stollberg sprang verblüfft auf. Auf seiner Stirn bildeten sich kleine Schweißperlen.
„Daran ... daran habe ich überhaupt nicht gedacht“, stammelte er.
„Dann beschäftigen Sie sich mal eingehend damit. Sie sehen doch, wie einfach es für den Mörder war, Zerban zu töten und Dietrich Colditz in die Falle zu locken. Und allem Anschein nach waren Sie der Einzige, der davon einen Vorteil hatte.“
„Aber Dietrich war im Gefängnis, als Elisa ermordet wurde. Das müsste doch ausreichen, um ihn zu entlasten.“
„In den Augen der Polizei genügt das keineswegs. Sie könnten ja einen Komplizen haben.“
„Ich hätte Zerban gar nicht umbringen können. Sie selbst waren doch vor einundzwanzig Uhr dreißig mit mir zusammen.“
„Sie schon, aber was ist mit Ihrem Komplizen? Begreifen Sie es denn nicht? Damit wäre zum ersten Mal in diesem Fall ein echtes Motiv aufgetaucht.“
Stollberg zog seinen Morgenmantel enger um sich. Er schien plötzlich zu frösteln.
„Was soll ich nach Ihrer Ansicht nun unternehmen?“
„Sagen Sie mir die Wahrheit!“
Er senkte den Blick.
„Das ist schwierig ...“
„Vor Gericht wird es noch schwieriger.“
Stollberg breitete hilflos die Arme aus.
„Aber die Sache ist völlig bedeutungslos und steht in keinem Zusammenhang mit ...“
„Das muss ich schon selber beurteilen. Erzählen Sie mir bitte alles!“
Stollberg spielte nachdenklich mit dem Gürtel seines Morgenmantels.
„Ich hatte tatsächlich ein Verhältnis mit Elisa“, sagte er. „Im Grunde genommen habe ich für solche Geschichten nicht das Geringste übrig. Sie hat mich herausgefordert.“
„Das glaube ich Ihnen ohne Weiteres. Haben Sie ihr Juwelen geschenkt?“
„Nur ein einziges Schmuckstück. Einen Rubinring. Unsere Freundschaft hat nicht sehr lange gedauert.“
„Woher kommen dann all die anderen Stücke?“, fragte Katharina. „Jedes von ihnen war ein kleines Vermögen wert.“
Stollberg zuckte mit den Schultern.
„Ich habe keine Ahnung. Außerdem habe ich ihr noch drei Schecks gegeben. Es handelte sich natürlich um sehr hohe Beträge, aber sie hätten niemals ausgereicht, um irgendwelchen wertvollen Schmuck zu kaufen.“
„Schecks? Wofür?“
„Elisa hat mir einen kleinen Dienst erwiesen.“
„Was für einen Dienst?“
Stollberg unterbrach sich und vergrub seine Hand in den Taschen des Morgenmantels.
„Sehen Sie, Zerban arbeitete äußerst geschickt. Es gelang niemandem, ihn auf frischer Tat zu ertappen. Ich musste doch darauf achten, dass in Zukunft keine weiteren Betriebsgeheimnisse an Dritte verraten wurden. Aus diesem Grund habe ich Elisa zu ihm geschickt. Sie sollte sich als Mitarbeiterin einer großen ausländischen Firma ausgeben.“
„Ich verstehe“, murmelte Katharina. „Sie haben Frau Colditz damit beauftragt, Ihre eigenen Geheimnisse für Sie zurückzukaufen.“
„Ja. Das hat natürlich eine Menge Geld gekostet.“ Er seufzte. „Leider hat dieser Trick nur einmal geklappt. Zerban fand schnell heraus, wer sie war. Deshalb hat er das Material auch noch an andere Unternehmen verkauft und auf diese Weise doppelt abkassiert. Als ich dahinterkam, war meine Beziehung zu Elisa längst beendet, und ich brach den Kontakt zu ihr ab. Das ist wirklich alles, was ich weiß. Ich schwöre es Ihnen.“
„Aber mit Hilfe von Frau Colditz hätten Sie Zerban doch auf frischer Tat ertappen können“, hielt sie ihm vor.
„Sie kennen Zerban nicht. Er war verdammt vorsichtig und forderte von Elisa, dass sie den Betrag in kleinen Scheinen in einem Paket wochenlang mit sich herumtragen solle, bevor er mit ihr Kontakt aufnahm. Jeder Versuch, ihn zu schnappen, war von vornherein zum Scheitern verurteilt. Er war einfach zu gerissen.“
„Aber mittlerweile ist er tot. Leute wie er enden immer so.“
„Ja, und aus diesem Grund benötige ich Ihre Dienste nicht mehr. Ich werde Ihnen einen Scheck ausstellen ...“
Katharina erhob sich und ging zur Tür.
„Nicht nötig. Ich behalte natürlich die Vorauszahlung, die Sie geleistet haben, aber ansonsten nehme ich die Bezahlung nur dann an, wenn ich tatsächlich Dienste geleistet habe. Also, auf Wiedersehen.“
Stollberg rannte ihr nach und packte sie am Arm.
„Einen Augenblick, Frau Ledermacher, warten Sie! Ein Skandal muss um jeden Preis vermieden werden. Wenn die Medien davon erfahren, dann ... Sie müssen den Mörder finden. Und zwar schnell. Ich werde Sie gut bezahlen.“
Katharina drehte sich langsam um und sah zum ersten Mal Angst in den harten blauen Augen. Dann warf sie ihrem Auftraggeber ein ermutigendes Lächeln zu.
„Ich werde mein Bestes tun“, versicherte sie.