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Drittes Kapitel

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Der März hatte Schnee und Dauerfrost gebracht, die Frau und die vier Männer zitterten wie Espenlaub auf den wenigen Metern zwischen ihren Autos und dem Wochenendhaus, dessen Schornstein heftig qualmte. Hier oben über der Talsperre wehte es ständig, und der leiseste Hauch kratzte wie Schmirgelpapier im Gesicht. Nur Verrückte verirrten sich jetzt in diese Gegend, und der Gedanke beruhigte sie.

»Also herzlich willkommen.« Der Doktor hatte Unmengen Kaffee und Tee gekocht und in überdimensionale Thermoskannen gefüllt. So sehr er einen guten Tropfen schätzte - bei der Arbeit trank er nicht, und sie wussten, dass er auch von ihnen Abstinenz bis zum Schluss verlangte.

»Harry hat euch ja in etwa schon eingeweiht. Wir werden heute die nötigen Einzelheiten besprechen - wenn alle bereit sind mitzumachen.«

Für zwei Minuten trat eine Stille ein, in der das Knacken der brennenden Scheite im Kamin fast bedrohlich laut klang. Jeder von ihnen hatte schon einmal für den Doktor gearbeitet, und der Name »Doktor« stand für sorgfältig ausgetüftelte Aktionen, die ohne Gewalt und mit minimalen Risiken abliefen. In die Planung ließ er sich nicht hineinreden, und jeder erhielt eine lange Liste mit Aufgaben, die er genau zur angegebenen Zeit ausführen musste.

Der Sachse gähnte verstohlen und lehnte sich zurück. Nachdem er den Bullen und die alten Bauzeichnungen angeschleppt hatte, war er gut beschäftigt gewesen. So überzeugend die Pläne waren und so plausibel Bulles Geschichte klang - der Doktor hielt es mit dem schönen Wort, dass Vertrauen gut, Kontrolle aber besser sei, und bei solchen Recherchen bewies der Sachse, dass sein dümmliches Äußeres wirklich nur Maske war. In den letzten acht Tagen hatte er die Mannschaft zusammengetrieben, die jetzt vor ihnen saß, und weil der Doktor prinzipiell nichts glaubte, hatte er auch die künftigen Kollegen überprüft: Keine Haftbefehle oder Strafverfahren anhängig. Dass der Doktor Sylvia - wenn auch nur mit einer winzigen Aufgabe - beteiligen wollte, hatte den Sachsen verblüfft, in der Regel hielt der Doktor seine Freundin im Hintergrund, aber der Sachse wusste, dass sie einen großen Einfluss auf den Doktor besaß, obwohl sie das nie zeigen würde. Und den Doktor wagte er nicht zu fragen, der konnte so eigenartig grinsen, dass jedem prompt die Lust verging, sich um Dinge zu kümmern, die ihn nichts angingen.

Das Projekt stand und fiel mit Werner Jambowski. Alle Welt nannte ihn Katte, warum, das wusste keiner und er wahrscheinlich auch nicht mehr. Kattes Alter konnte man nicht schätzen, zwischen vierzig und sechzig schien jede Zahl möglich, er war nicht groß, aber auffallend breit, so rund wie sein Kugelkopf, doch der Eindruck täuschte: Katte war stark, ausdauernd und gelenkig. Im Laufe eines bewegten Lebens, über das er nicht gerne sprach, hatte er eine Liebe für Maschinen und Werkzeuge entwickelt, die voll und ganz erwidert wurde. Das Werkzeug oder die Maschine, mit der er nicht im Handumdrehen vertraut war, musste erst noch erfunden werden, und seine dicken Wurstfinger hinderten ihn nicht daran, kleinste Uhrwerke auseinanderzunehmen und blitzschnell zu reparieren. Diese Fähigkeit hatte irgendwie auf sein Äußeres abgefärbt: Was immer Katte anzog, es erinnerte an einen Blaumann, und nur darin fühlte er sich mittlerweile wohl. Ob er wirklich ein so schlichtes Gemüt besaß, wie sein Kindergesicht vermuten ließ, wollte der Sachse nicht entscheiden; Katte besaß mit Maschinen eine Engelsgeduld, doch bei Menschen konnte er vor Jähzorn explodieren.

Achim Lauffer ging in jeder Gesellschaft als Gentleman durch. Mitte vierzig, schlank, durchtrainiert, sportlich, ein kantiges Gesicht, das Frauen interessant und Männer hässlich nannten. Hinter seiner höflichen und notfalls verbindlichen Miene schimmerte stets ein Gran Spott oder Hochmut durch, und wenn er wollte, fühlten sich andere Menschen in seiner Gegenwart unbehaglich. Jederzeit und überall konnte er Autorität so spielen, dass niemand sie bezweifelte, und er besaß Intelligenz und Erfahrung genug, in allen Kreisen aufzutreten, als ob er dazu gehörte. Mit seinen Fähigkeiten hätte er auch durch ehrliche Arbeit Karriere machen können, und warum er von diesem Weg abgewichen war, wusste nur der Doktor, der diese Kenntnis vor Achim freilich verheimlichte.

Bodo Schütter war so ziemlich das Gegenteil seines Nachbarn. Anfang vierzig, grob, mürrisch, ungehobelt, ein Klotz, dem man gerne aus dem Wege ging. Allgemein hieß es, er sei skrupellos, doch das bezweifelte der Doktor: Bodo verfügte einfach nicht über genug Grips, sich einen gewaltfreien Ausweg aus einer Klemme auszudenken, und entwickelte nicht genug Fantasie, die Folgen seiner spontanen Taten vorherzusehen. Als Mann fürs Grobe wurde er benötigt, aber nicht geschätzt, und Bodo hatte immerhin begriffen, dass es besser war, aufs Wort genau zu tun, was ihm der Doktor befahl. Autos waren seine Stärke und seine Leidenschaft, er fuhr und reparierte alles, was mehr als ein Rad besaß, und kannte sich mit Motoren fast noch besser aus als Katte.

Alexandra Aglaja von Alten fiel nicht nur in dieser Runde auf. Der Name war so echt wie ihre Erziehung in einem stinkvornehmen Internat, das ihr allerdings in neun Jahren die Seelenachse irreparabel verbogen hatte. Nach dem Abitur eröffnete sie ihren entsetzten Eltern, dass sie sich hiermit für immer verabschiede, weil sie herausgefunden habe, dass Geld und Vergnügen wichtiger seien als guter Ruf und würdevolle Armut. Sie war eine wirkliche Schönheit, mittelgroß, zierlich, mit schulterlangen, blonden Locken und dem unverwüstlichen, immer noch makel- und faltenlosen Gesicht eines Engels. Männerherzen schmolzen, wenn sie ihre blauen Augen aufschlug, und wenn sie zaghaft lächelte, weil wieder ein Opfer an ihrem Haken zappelte, blockierte bei den meisten auch der Verstand. Ihre Klugheit hatte sie sich weniger durch gute als böse Erfahrungen erworben, gerissen schien sie dagegen von Geburt an. Ihr Äußeres täuschte auch noch in anderer Hinsicht, sie war zäh und ausdauernd, aber sie scheute regelmäßige Arbeit, erst recht, wenn sie mit körperlichem Einsatz verbunden war. Der Doktor traute ihr nur bedingt.

»Na schön, dann leg mal los!«, brummte Katte.

»Harry und ich haben die Pläne des Mannes so gründlich wie möglich geprüft. Es stimmt: Es gibt einen Gang vom Keller des Hotels Kaiserhof unter der Lindenallee hindurch, unter den Häusern auf der anderen Straßenseite bis zum Bunker unter dem Innenhof der Hauptpost. Es stimmt auch, dass dieser Gang nie beseitigt oder zugeschüttet worden ist. Und es trifft zu, dass der Gang an den Kellerwänden des Juweliers und des Bankhauses Jäger & Pauli vorbeiführt. Alles andere haben wir nicht kontrollieren können, aber ich will das Risiko eingehen.«

»Also durch diesen Gang in die Keller von Arntzen und der Bank?« Katte liebte es klar und deutlich, Achim hüstelte und zog die Bügelfalte seiner Hose glatt.

»Genau. Das werden wir vorbereiten, Schritt für Schritt, und uns erst in letzter Minute entscheiden, ob wir den Bruch durchführen. Ob es lohnt, na, und so weiter. Ihr wisst, ich wünsche keine Gewalt und drehe keine Todesspiralen.«

»Wie kommen wir ins Hotel?« Achim schien desinteressiert.

»Moment noch. Fünfzigtausend für jeden, unabhängig davon, ob wir reingehen oder uns in letzter Sekunde zurückziehen.«

»Donnerwetter!«, platzte Bodo heraus. Auch die anderen setzten sich aufrecht hin. Das war ein Wort! Zwar wussten sie alle, dass der Doktor überaus großzügig plante und honorierte, aber wenn er bereit war, 300.000 Mark plus Spesen plus Sachkosten notfalls in den Sand zu setzen, musste er sich eine Menge ausrechnen.

»Und wenn es sich wirklich gelohnt hat, eine Prämie obendrauf.« Über die erstaunten Gesichter musste der Doktor lächeln. Natürlich vermuteten sie jetzt alle, dass er schon mehr wusste, als er ihnen verriet. »Einverstanden? - Gut, dann also der Reihe nach. Achim, du quartierst dich im Kaiserhof ein. Ein Geschäftsmann, der für einige Monate in Essen zu tun hat, es lohnt nicht, ein Haus zu mieten. Du hast eine Menge wertvoller Geschäftsunterlagen in deinem Besitz, die du beim Bankhaus Jäger & Pauli sicher deponieren möchtest.«

»Schon verstanden. Ich sehe mich in der Bank um. Was befindet sich im Keller? Wie gesichert?«

»Genau. Außerdem brauchen wir den Schlüssel für eine Tür im Keller des Hotels, die in die Tiefgarage an der Rückseite führt.«

»Kein Problem.«

»Einen Plan des Hotelkellers.«

»Wird erledigt.«

»Und einen Kellerraum, den wir unmittelbar vor Beginn des Umbaus belegen können.«

Achim nickte und schmunzelte; er hatte begriffen, wie der Doktor vorgehen wollte.

»Außerdem wirst du die Eingänge der Bank und des Juwelierladens morgens und abends filmen. Ich will wissen, wer wann als Erster hineingeht und als Letzter herauskommt.«

»Gebucht.«

»Katte, du besorgst als Erstes das Werkzeug. Denk aber dran, dass wir es notfalls zurücklassen müssen, es darf also nicht zu uns führen.«

»Alles klar.«

»Ich hab mal eine Liste zusammengestellt. Lass dir etwas einfallen, wie wir einen seit Jahrzehnten vermauerten Gang belüften und beleuchten können. Strom brauchen wir auch.«

»Geht in Ordnung.«

»Unser Informant behauptet, er habe die Zugänge nur einlagig vermauert, aber das kann falsch sein.«

»Dann denk dir was aus, wie wir das ganze Werkzeug in den Keller schaffen, Doktor. Wenn wir anschließend noch brechen sollen, klopfe ich keine Wand mit Hammer und Meißel auf.«

»Okay. Bodo, die Elektroarbeiten im Hotel werden von einer Firma Gärtner & Roedicke ausgeführt, aber den Auftrag für den Umbau haben sie nicht bekommen. Schau dir die Firmenwagen an, kauf zwei, die genauso aussehen, bring sie auf Vordermann und besorg dir Schilder oder Klebefolien oder was weiß ich mit der Aufschrift Gärtner & Roedicke.«

»Mach ich.« Bodos Stimme kratzte vor Eifer.

»Ich habe bereits eine Villa in Heiligenhaus gemietet, du wirst die Wagen etwas bewegen und dort in unregelmäßigen Abständen abstellen, die Nachbarn sollen sich daran gewöhnen.«

Bodo nickte mit glänzenden Augen.

»Außerdem wirst du für beide Wagen einen Satz falscher Kennzeichen besorgen, die wir nur am Tag X benutzen.«

»Geht klar, Doktor.«

»Nun zu dir, Aja.«

Sie seufzte, was Sylvia mit einem bösen Blick quittierte.

»Das Hotel hat eine Putzkolonne für die groben Arbeiten engagiert. Ausländerinnen, Illegale und so. Du bekommst Papiere auf den Namen Anja Beckum und lässt dich für diese Kolonne von der Firma anstellen.«

»Oh Gott, putzen.« Sie schauderte, ehrlich entsetzt.

»Sieh zu, dass du die Schlüssel bekommst, und Katte wird dir zeigen, wie man Abdrücke macht.«

Alle lachten, als sie ihre schönen Augen verheißungsvoll in Richtung Katte kullerte, der sich allerdings heftig an die Stirn tippte.

»Arntzen ist Witwer.«

Alle Blicke richteten sich verstohlen auf Sylvia, die spöttisch lächelte; sie kannte ihre Aufgabe schon.

»Sylvia und Achim werden als Ehepaar zu Arntzen gehen, wo sie sich ein Schmuckstück aussuchen soll. Aber sie kann sich nicht entscheiden, Achim wird ungeduldig herumlaufen und sehen, ob er Alarmanlagen entdeckt.«

Nach einer Weile nickte Achim zustimmend. Von Infrarotschranken und Bewegungsmeldern auf Ultraschallbasis verstand er eine Menge.

»Gut, dann wäre erst einmal alles klar. Ab jetzt vermeiden wir persönliche Kontakte, der Sachse ist Anlaufstelle, und ihr lest jetzt aufmerksam durch, was ihr in den nächsten Tagen erledigen müsst.«

Der Doktor und seine Pläne, ein allgemeiner Seufzer füllte den kahlen Raum, aber fünfzigtausend waren ein überzeugendes Argument. Sauberes Geld, das sie ohne Bedenken ausgeben durften. Und die Prämie würde mindestens hundert Riesen betragen, sie kannten ihren Doktor. Außerdem ein großzügiges Gehalt für die nächsten Monate, unterm Strich rechnete es sich.

Auf der Rückfahrt schwieg sie so demonstrativ, dass er endlich leise lachte: »Also, raus mit der Sprache.«

»Nichts«, murrte sie.

»Liebe Sylvi, ich kenne dich jetzt seit mehr als zehn Jahren. Du hast was auf dem Herzen.«

Nach zwei Minuten drückte sie heftig ihre Zigarette aus: »Ja, das habe ich.«

»Und was?«

»Mir gefällt das nicht.«

»Was? Mein Plan?«

»Dass ich da mitmachen soll. Verdammt, Doktor, ich habe keine Lust mehr, immer wieder krumme oder nur halb gerade Dinger zu drehen. Mit solchen Sachen will ich nichts mehr zu tun haben.«

So schnell ließ er sich nicht aus der Ruhe bringen, und ihr heftiger Ton beeindruckte ihn überhaupt nicht. »Fünfzigtausend für eine Viertelstunde Theaterspielen, auf solche Gagen musst du lange warten.«

»Du weißt genau, was ich meine!«, brauste sie auf, und jetzt schwieg er lange, blinkte schließlich und steuerte auf einen Parkplatz.

Als er den Zündschlüssel drehte, warf sie ihm einen unruhigen Blick zu.

»Ja, ich glaube, ich weiß, was du meinst«, begann er in dem schleppenden Tonfall, den sie insgeheim fürchtete. »Du willst Sicherheit. Auf Dauer versorgt sein.«

»Ist das nicht verständlich?«

»Sicher, doch. Aber nach zehn Jahren müsstest du wissen, dass ich nicht der richtige Mann dafür bin.«

»Und warum nicht?«

»Weil ich ein Einzelgänger bin und bleibe. Du hast es gewusst, als du zum ersten Mal zu mir gekommen bist, freiwillig, aus eigenen Stücken, wenn ich dich daran erinnern darf. Ich bin gerne mit dir zusammen, das gilt immer noch uneingeschränkt, aber ich binde mich nicht.«

»Dann gibt doch wenigstens diese blöden Projekte auf.«

»Warum? Erstens machen sie mir Spaß und vertreiben die Langeweile. Zweitens verdiene ich gut daran.«

»Eines Tages werden sie dich schnappen.«

»Möglich. Aber noch ist es nicht so weit. Ich habe dich gefragt, ob du mitmachen willst, und du hast es dir reiflich überlegt. Jetzt kannst du nicht mehr abspringen. Ich würde es ehrlich bedauern, wenn sich unser Verhältnis ändern sollte, aber ich kann und werde mich nicht ändern, Sylvi.«

Gelassen griff er wieder nach dem Zündschlüssel, und sie keuchte leise. Sie hatte Angst vor der Zukunft, aber die Furcht, den Doktor zu verlieren, war im Moment noch größer.

*



ACHIM HIELT SEIN AKTENKÖFFERCHEN so demonstrativ fest, dass es dem jungen Angestellten nicht entging. »Was kann ich für Sie tun?«, fragte er höflich.

»Ich würde gern ein Schließfach mieten. Allerdings nur für sechs, höchstens sieben Wochen.«

»Natürlich, das ist kein Problem.«

Achim seufzte verlegen: »Wissen Sie, meine Firma hat mich drüben im Kaiserhof einquartiert, und da sieht mir alles etwas zu - hm ...«

Der junge Mann lachte zustimmend: »Ich verstehe. Das Hotel schließt Ende Juni, es wird zu einem Bürohaus umgebaut. Und so was färbt natürlich auf die Stimmung der Mitarbeiter ab.«

»Ziemlich sogar.« Das kam so scharf heraus, dass der Angestellte aufmerksam wurde. Der Mann vor ihm wirkte mit einem Mal sehr selbstbewusst und hart. Jemand, der Anordnungen gab und seinen Zorn über das miserable Quartier nur deshalb zügelte, weil er sich Fremden gegenüber keine Vertraulichkeiten gestattete. Eilig bückte sich der Angestellte nach dem Formularblock. »Ich muss Sie leider um einen Ausweis bitten. Oder waren Sie schon einmal Kunde bei Jäger & Pauli?«

»Nein.«

Die Abteilung mit den Schließfächern lag im Keller, Achim folgte dem jungen Mann ohne auffällige Verzögerung. Die Treppe knickte zweimal ab, also liefen sie jetzt auf die Lindenallee zu. Die Gittertür, hinter der ein Wachmann saß, ging rechts von diesem Flur ab. Hinter der Stahltür links sollte dann der Tresor liegen, rechts der Souterrainraum mit den Schließfächern. Wenn er die Größe der Schalterhalle richtig abgeschätzt hatte, stieß die Wand dieses Schließfachkellers an die Trennwand der beiden Häuser. Respektive an den Fluchtgang unter der Lindenallee hindurch. Zehn Meter, schätzte Achim und wartete geduldig, bis der junge Mann die Formalitäten erledigt hatte. Die Querwand lag frei, dort waren drei kleine Kabinen für die Schließfachbesitzer eingerichtet, die unbeobachtet ihre Kassette füllen oder leeren wollten.

»Folgen Sie mir bitte?«

»Danke.«

Zufällig stieß er mit dem Aktenkoffer gegen die Wand. Ein fester Ton, massives Mauerwerk. Wenn die Pläne stimmten, befand sich der frühere Zugang zum Tunnel direkt in der Verlängerung der mittleren Schließfachreihen, an der Querwand mit den drei Kabinen aus dünnen Brettern und Vorhängen. Nun ja, er war nicht zum letzten Mal hier. Im Türrahmen hatte er jedenfalls keine Vorrichtung für eine Licht- oder Infrarotschranke entdeckt, und auf seine Augen konnte er sich verlassen.

*



»GNÄDIGE FRAU, DAS ist ein selten schönes Stück.«

»Ja, wirklich wunderschön«, hauchte Sylvia hingerissen. Ein Rubin in einer schlichten Fassung, ungewöhnlich geschliffen, sodass er das Licht fast so intensiv brach wie ein Brillant. Eine dünne Goldkette, kein Stück, das auf den ersten Blick auffiel oder seinen Wert verriet.

Peter Arntzen war zu lange im Geschäft, um jetzt noch etwas zu empfehlen oder eifrig zu lächeln. Die Kundin hatte ihren eigenen Geschmack, so etwas blitzschnell zu erkennen und sich darauf einzustellen, machte die Kunst des Verkaufens aus, und er hatte nach dem ersten Blick begriffen, dass sie nicht zu beeinflussen war.

Sylvia nahm die Kette ab und studierte das Preisschild, lächelte und drehte sich um. »Achim, ich hab was gefunden.«

Achim grinste breit und schüttelte den Kopf. Er hatte sich als Erstes einen der beiden Hocker organisiert, manche Sachen konnte man nicht beschleunigen, das lernte man als Ehemann, und kluge Ehemänner versuchten auch gar nicht, daran etwas zu ändern. Wirklich gebraucht wurde er nicht, aber irgendwie gehörte es sich, dass der Mann die Wahl guthieß und hinterher die Brieftasche zückte. Und weil das teure Eheweib sich mal wieder nicht entscheiden konnte, war er bald aufgestanden und hin und her getigert, hatte sich die Auslagen angesehen, den Inhalt der Glastheken studiert, einzelne Stücke in den Glasschränken hinter den Theken bewundert und alle aushängenden Zertifikate mehr als einmal gelesen. Wenn ihm die amüsierten Blicke des Personals begegneten, verzog er den Mund schräg und zwinkerte. Man verstand sich; Männer mussten leiden, wenn Frauen etwas für die Schönheit kauften.

»Bist du sicher?«, fragte er gerade so patzig, dass die beiden Verkäuferinnen ihre Heiterkeit unterdrückten.

»Ich schon!«

»Aha, ich verstehe!« Ein Ritual, oft praktiziert in diesem stillen Raum. »So, so.« Er drückte die Zigarette aus und schlenderte zur hinteren Theke.

»Gefällt es dir?«, erkundigte sie sich eifrig.

»Hauptsache, es gefällt dir.«

»Das tut es«, versicherte sie schnell und hielt ihm das Preisschildchen hin. Weil es von ihm erwartet wurde, zuckte er kurz zurück und stöhnte leicht.

»Schlimm?«

»Es hätte schlimmer kommen können«, antwortete er einigermaßen ungalant.

Peter Arntzen schmunzelte. Wenn Achim ein erfahrener Ehemann war - und so sah er eigentlich aus -, hatte er seiner Frau ein niedriges Limit vorgegeben, wohl wissend, dass sie es überschreiten würde. Aber weil sie auch eine erfahrene Ehefrau war, kannte sie den Trick und würde die Überraschung über seine unerwartete Großzügigkeit spielen müssen. Doch diesmal täuschte er sich; die beiden musterten sich eine ganze Weile, er runzelte die Stirn, sie hob die Augenbrauen, und danach verzichteten sie auf jedes Theater.

»Wir nehmen es«, verkündete Achim gelassen, und Sylvia warf ihm eine kleine Kusshand zu.

Er zahlte bar, und während die Verkäuferin nachzählte, nutzte er die letzte Gelegenheit, sich umzuschauen und in den schräg hängenden Sicherungsspiegeln oberhalb der Kasse, die den Kollegen auf der anderen Seite des Verkaufsraumes einen Blick auf das Gesicht des Kunden erlaubten, nach Warn- und Alarmanlagen zu suchen. Entdeckt hatte er nichts, so sorgfältig er auch die Einrichtung inspizierte. Die aufrollbaren Scherengitter über den beiden Schaufenstern und dem Eingang waren modern, auch die Tür besaß eine neuartige Panzerglasscheibe mit eingelassenen Stahlfäden. Wenn ihn nicht alles täuschte, wurde die Treppe in den Keller mit einer Stahltür gesichert, das Markenzeichen kannte er: S & K. Eine sehr gute, sehr konventionelle Sicherung gegen unerwünschte Besucher. Hoffentlich die einzige.

*



»WIE HEIßT DU?«

»Beckum, Anja Beckum.«

»Du bist Deutsche, wie?«

»Ja, sicher!«, knurrte Aja. Die Vorarbeiterin war ein widerliches Stück und behandelte die Ausländerinnen wie Dreck.

»Zum ersten Mal hier?«

»Ja.«

»Aha. Diese Bimbas verstehen alle kein Deutsch. Oder tun so. Du übernimmst das Erdgeschoss und den Keller und achtest ...«

»Muss das sein? Ausgerechnet der Keller?«

Die Stämmige vertrug keinen Widerspruch: »Du kannst auch gleich wieder verduften. Den Keller. Und pass auf, dass die wirklich arbeiten.«

Aja nickte nur. Als sie bei der Reinigungsfirma nach Arbeit fragte, hatte der fette Besitzer sie stumm taxiert. Ungerührt gab sie den Blick zurück, bis der Mann unangenehm kicherte: »Du brauchst Kohle, wie?«

»Wäre ich sonst hier?«

»Na schön. Bar auf die Hand, verstanden? Das Wort Sozialabgaben kenne ich nicht, keine Ansprüche, die gibt's bei mir nicht, Steuern sind was für die Dummen. Jammern kannst du dir schenken, es warten genug andere auf den Job. Alles klar?«

»Bei Stinktieren immer.«

Das Kichern war in ein erheitertes Meckern umgeschlagen, doch als sie schon die Klinke herunterdrückte, erkundigte er sich in einem beiläufigen Ton, der sie alarmierte: »Wieso will eine wie du ausgerechnet putzen?«

Ganz langsam drehte sie sich um und fixierte den Fetten, ihr Zorn war nicht einmal gespielt. Doch er war zu abgebrüht und hielt dem Blick ungerührt stand.

»Was soll das heißen?«

Statt einer Antwort zuckte er die Achseln, und sie begriff, dass er gemein, widerlich, aber auch misstrauisch war.

»Du meinst, wenn ich mich hinlege und die Beine breit mache, kommt mehr in die Kasse?«

»Zum Beispiel.«

»Also, du Scheißkerl, es gibt Frauen, die lieber arbeiten als auf den Strich gehen. Ich bin geschieden. Erst hat er mein Geld durchgebracht, dann meine beste Freundin ins Bett gezerrt und mich hinterher zum Dank verprügelt. Und das Gericht hat mich verdonnert, ihm Unterhalt zu zahlen, der Arme bekommt nämlich solche Schmerzen, wenn er sich regelmäßig bewegen muss. Zufrieden?«

»Grüß das Sozialamt von mir!«

Der Keller des Kaiserhofs sah schlimm aus. Hier war seit Monaten nicht mehr gründlich gereinigt worden, defekte und verstaubte Glühbirnen steckten in den Fassungen, offenbar wurde nur noch der hintere Teil des Untergeschosses regelmäßig benutzt; in den anderen Ecken türmte sich Gerümpel. Die Türkinnen und Afrikanerinnen begannen schon stumm und hastig mit der Arbeit. Nach hinten heraus, zur Tiefgarage, lagen die Weinkeller, fest verschlossen, und mehrere Vorratskeller. Die Waschküche wurde nicht mehr benutzt; in dem früheren Bügelraum standen alte Fahrräder und defekte Elektrogeräte. Halbwegs neu und modern sah nur der Kühlraum aus.

Aja schlenderte nach vom zur Straßenseite. Dieser Teil diente inzwischen als Lager für alte Möbel: Betten, Stühle und Schränke. Was immer defekt, beschädigt oder unbrauchbar war, hatte man hier wild übereinander gestapelt. Reparatur lohnte nicht mehr. Von den Wänden rieselte der Putz. Trotz aller Mühe konnte sie ein nachträglich gemauertes Stück nicht entdecken. Aber der Zugang zu den Wänden war jederzeit möglich. Das alte Mobiliar ließ sich leicht wegräumen, das war das Wichtigste. Aja holte Luft und schwang ihren Besen. Auf Befehl des Doktors hatte sie einen Teil ihrer langen Haare geopfert und den zu einer hässlichen Strubbelfrisur verunstalteten Rest dunkel gefärbt. Mit der kleinen, stramm sitzenden Nickelbrille und dem echten Fensterglas sah sie so anders aus, dass niemand Alexandra Aglaja von Alten, mit Kosenamen Aja, wiedererkennen würde.

Die Vorarbeiterin hatte offenbar noch andere Objekte zu beaufsichtigen. Schon am dritten Tag winkte sie Aja heran: »Hör mal, Beckum, du hast ein Auge auf die Weiber, verstanden?«

»Meinetwegen.«

»Lass die Farbigen ruhig schwitzen, die sind das gewöhnt und haben hier sowieso nichts verloren. Hier, pass auf die Schlüssel auf, ich bin in einer Stunde wieder da.«

*



PETER ARNTZEN BETRACHTETE sie voller Bewunderung, und Sylvia hatte Mühe, ein Lächeln zu zerkauen. Der Rubin-Anhänger machte sich gut in dem tiefen Ausschnitt auf der braunen Haut, und ihm fiel auf, dass sie nicht nur eine ungewöhnlich attraktive, sondern sogar eine schöne Frau war. Als sie ihm die Hand hinstreckte, verbeugte sich der Juwelier: »Ich freue mich, dass Ihnen der Stein gefällt.«

»Er ist wunderschön, Herr Arntzen.«

»In diesem Punkt passt er ganz zur Trägerin.«

»Danke«, lächelte sie ohne Verlegenheit. Komplimente verwirrten sie nicht, beleidigten sie auch nicht.

»Was kann ich für Sie tun, gnädige Frau?«

»Ich brauche Ihre Hilfe.« Sie öffnete ihre große Handtasche, zögerte dann und fragte heiter: »Haben Sie einen Moment Zeit für mich?«

»Natürlich.« Die beiden Kunden wurden bedient, und zwei Verkäuferinnen waren schon mit der Abrechnung beschäftigt. Im Hinterzimmer belud seine Geschäftsführerin bereits die Schmuck-Paletten, die nachher im Keller-Tresor eingeschlossen werden sollten. In der letzten halben Stunde vor Geschäftsschluss kamen selten Kunden, die kaufen wollten, viele schauten nur.

»Wir haben einige Jahre in Südamerika gelebt«, sagte Sylvia und lachte. »Und ich habe zu viel Geld für Steine ausgegeben. Behauptet jedenfalls mein Mann. In einem Punkt hat er recht, anfangs habe ich mir wohl viel Schund andrehen lassen. Aber von einigen Stücken bin ich immer noch überzeugt. Jetzt brauche ich einen Fachmann, der die Steine taxiert. Ich will sie nicht verkaufen, aber ich möchte auch nur die besten fassen lassen.«

»Ja, das könnte ich erledigen. Nicht bei allen Steinen, Brillanten würde ich lieber von einem unabhängigen Fachmann schätzen lassen, weil ...«

»Himmel hilf!«, unterbrach sie ihn resolut. »Zu Brillanten hat's nie gelangt. Smaragde, Rubine, Topase, Amethyste, Turmaline, was halt so auf den Märkten verkauft wird.« Sie holte einen Lederbeutel heraus. »Darf ich Ihnen mal den ganzen Schmutz zeigen?«

Bevor er antworten konnte, hatte sie schon die Schlaufe aufgezogen und den Beutel umgekippt. Arntzen wollte noch protestieren, doch nach einem Blick auf ihr Gesicht verzichtete er darauf, seufzte aber leise. Vor ihm lag ein kleiner bunter Berg in allen Farben, die unter dem Licht der Halogen-Lampen so verführerisch wie verwirrend funkelten. Selbst für sein geübtes Auge waren in dieser Menge echt und falsch, wertvoll und billig nicht zu unterscheiden, es mochten an die hundertfünfzig Steine sein. Große und kleine, rohe und schon geschliffene. Einige glühten, als sammelten sie das Licht, andere schimmerten stumpf und brüchig. Vorsichtig breitete der Juwelier den kleinen Haufen auf der Glasscheibe aus. Es war genau so, wie sie vermutet hatte, einige schöne Stücke, viele mittelmäßige und zum Teil ausgesprochener Schund. Ein goldorangener Topas mit Brillantschliff, eine Seltenheit. Aquamarine, darunter zwei kostbare dunkelblaue Exemplare; er hob sie gegen das Licht und bewunderte eine fehlerfreie Schattierung. Rosa Turmaline mit symmetrischen Einschlüssen. Citrin-Topase. Ungewöhnlich große und gleichmäßige Kaoline. Von einigen Stücken würde er ohne jede Prüfung annehmen, dass es Diamanten waren. Andere sahen sehr nach Bergkristall aus, nein, da musste er jedes Stück einzeln begutachten.

»Sie mögen Steine?«

Ihre Frage riss ihn aus seiner Verzückung. »Ja«, gestand er leise, »ich bin auch ein paar Jahre in Südamerika gewesen. In Brasilien, in Diamantina, in Minas Gerais, ich habe Steine gebrochen und Drusen gesucht. Es waren schöne Jahre. Die schönsten«, setzte er hinzu und wunderte sich einen Moment, dass er so viel von sich verraten hatte.

»Für mich auch«, stimmte sie mit flacher Stimme zu. »Jetzt haben wir schon zwei Dinge gemeinsam.«

»Auf die Schnelle kann ich die Steine nicht schätzen«, bedauerte Arntzen und füllte sie in den Lederbeutel zurück.

»Das sollen Sie auch nicht«, befahl sie vergnügt und zwinkerte. »Ich lasse sie hier, Sie nehmen sich Zeit, und Sie entscheiden, welcher Stein eine Fassung lohnt.«

»Wissen Sie, dass Sie leichtsinnig sind? Steine für eine Viertelmillion oder mehr in der Handtasche herumzuschleppen?«

»Sehe ich so aus, als lohne sich bei mir ein Überfall?«

»Doch, das tun Sie«, erwiderte er ernsthaft. »Wir verplomben jetzt diesen Beutel, ich gebe Ihnen eine Quittung, und dann packe ich alles unten in unseren Tresor. Mir wäre sehr unbehaglich, wenn Sie mit diesen Steinen ohne Schutz auf die Straße gingen.«

»Oh!«, machte Sylvia überrascht. »Wem gilt Ihre Sorge? Den Steinen oder mir?«

»Zuerst Ihnen, und dann den Steinen.«

Lange Sekunden wich er ihrem Blick nicht aus. Sie war eine erfahrene Frau, zu beeindruckend, um in diesem Moment an das Geschäft zu denken, und ihre Miene ließ erkennen, dass sie ihn durchschaute, in diesem Moment sogar verstand. Endlich zuckte es in ihren Mundwinkeln: »Die Marquise von Scudery würde sich gern von ihrem Cardillac zu einem Wein einladen lassen.«

»So blutrünstig bin ich nicht«, wehrte er ab und hatte plötzlich einen trockenen Mund.

»Dann warte ich draußen auf Sie!«

*



DAS ZIMMER IM ZWEITEN Stock war für seine Zwecke ideal gelegen. Hinter den altmodischen, dichten Stores fielen die beiden Stative mit den Camcordern nicht auf, wenn er kein Licht anknipste, und von der Straße aus ließen sie sich nicht sehen. Die Leute, die in den Büros im zweiten Stock auf der anderen Straßenseite arbeiteten, hatten das Interesse an den Hotelgästen verloren, jedenfalls war ihm trotz stundenlanger Kontrolle nie aufgefallen, dass jemand zu ihm herübergeschaut hätte, wenn er die Stores oder die Übergardinen bewegte.

Bei dem Juweliergeschäft Arntzen hatte er keine Zweifel mehr. Neben dem linken Schaufenster gab es einen Eingang für die Büros, die über dem Geschäft lagen. Gegen 18.30 Uhr fuhren die schweren Scherengitter vor den beiden Auslagen und dem Geschäftseingang herunter, dann dauerte es zwei oder drei Minuten, bis entweder der Juwelier oder eine ältere Angestellte aus dem Seiteneingang auf die Lindenallee trat. Auch sie schien Schlüssel für das Geschäft zu besitzen; Achim hatte sie mehrmals morgens beobachtet und auf Videoband aufgenommen, wenn sie noch vor Arntzen durch den Seiteneingang das Haus betrat. Zwei, drei Minuten später hoben sich die Scherengitter, und anschließend wurde die Tür zum Geschäft von innen aufgeschlossen.

Die Bank beobachteten Achim und der Doktor noch. Ganz rechts, fast schon an der Ecke Lindenallee/Eichenstraße, existierte eine Art Personaleingang, der ebenfalls mit einem ferngesteuerten, einbruchsicheren Rollladen gesichert war. Der Haupteingang der Bank, eine zweiflügelige Glastür, zu der acht Stufen hinaufführten, wurde nachts durch ein innen herabgelassenes Gitter geschützt. Die ziemlich hoch über dem Bürgersteig liegenden Fenster des Erdgeschosses waren mit sehr stabilen, fest eingemauerten Ziergittern versehen, durch die sich nicht einmal ein Kind zwängen konnte.

Zweimal hatte Achim abends gefilmt, wie sich der Rollladen und das Schutzgitter senkten, obwohl sich kein Mensch in der Nähe der beiden Türen befand. Also wurden die Motoren entweder über eine Fernsteuerung angeworfen - oder von einem Menschen bedient, der sich anschließend nicht durch die Türen zur Lindenallee entfernte. Was das bedeutete, wollte er nicht allein entscheiden.

Der Doktor hatte sich belustigt in dem hohen Zimmer mit seiner verblichenen und verschlissenen Eleganz umgesehen und dann genickt: »Es gibt einen Hinterausgang der Bank, der auf den Innenhof der Hauptpost führt. Das werden wir morgen überprüfen.«

Achim drückte die Taste des Funksprechgeräts: »Unsere Freunde verlassen die Party.«

»Verstanden!«, quäkte es prompt zurück.

Zwei Minuten später gab er die nächste Meldung durch: »Der Hausherr verriegelt die Haustür.« Im Fernglas konnte er sehen, wie sich das Gitter im Zeitlupentempo hinabsenkte.

»Verstanden.«

Keine Minute später war die nächste Durchsage fällig: »Der Hausherr verschließt den Seiteneingang.« Der Rollladen knallte regelrecht auf den Boden.

»Verstanden.«

Zwei weitere Minuten später schnarrte das Funksprechgerät: »Der Hausherr verdrückt sich durch die Hintertür.«

»Na prima.« Achim setzte das Glas ab. Das ergab Sinn: Ein Mitarbeiter der Bank, der Schlüssel zu der Hintertür besaß, kam als Erster, ging als Letzter und bediente innen in der Bank die Schalter der Sicherungsgitter für den Haupt- und den Personaleingang. Gut möglich, dass innerhalb des Gebäudes bestimmte Abteilungen auf ähnliche Art und Weise abgesperrt waren, aber das störte sie nicht, im Gegenteil, es verringerte die Gefahr, dass in der Bank zusätzliche Alarm und Kontrollanlagen über Nacht eingeschaltet wurden.

Erleichtert drehte Achim den Kopf nach links und erstarrte. Das war doch ... automatisch schaltete er den linken Camcorder ein, der auf den Seiteneingang neben dem Juweliergeschäft Arntzen gerichtet war. Das war Sylvia, kein Zweifel, die Freundin des Doktors, und der Mann, der jetzt aus dem Gebäude kam und sie wie eine gute Bekannte begrüßte, war Peter Arntzen. Der Recorder schnurrte leise. Zusammen gingen sie fort, in eine angeregte Unterhaltung vertieft, und erst nachdem sie außer Sicht waren, wagte Achim wieder auszuatmen. Sylvia und Peter Arntzen! Das stand nicht in den ellenlangen Vorschriften, die der Doktor verteilt hatte. Wie ein Automat nahm er die Kassette aus dem Gerät, legte sie aufs Bett und räumte seine Geräte zusammen, die er in einem Stahlkoffer verschloss, um sie heute Abend in sein Auto zu packen. Für den Wagen hatte er in der Tiefgarage hinter dem Hotel einen Platz gemietet - hauptsächlich, um an der Rezeption offiziell einen Schlüssel für die Verbindungstür zu erhalten. Was sollte er bloß tun?

Gegen neun Uhr erreichte er den Sachsen am Telefon. »Hör mal, Harry, ich habe hier eine Video-Kassette, die du dir unbedingt ansehen musst.«

»Du weißt doch, ich hasse Fernsehen.«

»Hör auf mit deinen blöden Witzen. Ich fürchte, das wird ernst.«


Killerhof 3 Krimis

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