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Bevor ich die Adresse auf der Rückseite des Fotos anfuhr, wollte ich mir erst einmal etwas zu essen gönnen. Ich hoffte nur, dass ich mit der Adresse keine Niete gezogen hatte.

Aber irgendwo musste Hartmut ja stecken. Und warum nicht bei seiner Ex-Freundin? Vielleicht war sie ja auch schon seine Ex-Ex-Freundin. Jedenfalls hatte er ihr Foto aufbewahrt und sich ihre neue Adresse aufgeschrieben.

Und wenn er nicht bei ihr war, wusste sie vielleicht mehr als die bleiche Nele.

Echt.

Ich aß bei Horten, denn um zum südlich gelegenen Berg Fidel zu gelangen, wo die Adresse lag, musste ich ohnehin mehr oder weniger mitten durch die Stadt.

Auf dem Weg zu meinem Parkplatz kam ich am Friedenssaal vorbei, vor dessen Toren sich ein kleiner Menschenauflauf gebildet hatte.

Ich sah eine Traube kleinwüchsiger Männer unter den Rundbögen am Eingang des Saales. Es waren Chinesen, sofort erkennbar an der besonders unmodischen Passform ihrer volkseigenen Anzüge. Und mittendrin stand eine hoch gewachsene, hagere Gestalt, die fleißig Hände schüttelte und sich unwahrscheinlich wichtig vorzukommen schien: Es war niemand anderes als unser aller Oberbürgermeister.

Dr. Wernecks Tigerlächeln blitzte meilenweit. Es war noch grimassenhafter als normalerweise. Er hampelte zwischen den Chinesen her, als habe man ihm versehentlich hochhackige Damenschuhe angezogen, und ich fragte mich, was seine Gäste wohl von dieser Show hielten.

Ihren regungslosen Gesichtern war nichts anzumerken. Sie waren wohl einfach zu höflich.

Für einen kurzen Moment ging der Blick Seiner Herrlichkeit des Oberbürgermeisters in meine Richtung.

Zufall.

Ich winkte ihm zu und sah in der nächsten Sekunde ein Stirnrunzeln bei ihm.

Er erinnerte sich nicht an mich, was niemanden wundern konnte. Aber er grüßte trotzdem. Sicher war schließlich sicher.

Ein OB, der einigermaßen bürgernah war, musste ja wenigstens den Anschein erwecken, als kenne er jeden einzelnen seiner 250 000 Untertanen persönlich.


Acht besondere Krimis: Roman-Koffer

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