Читать книгу Acht besondere Krimis: Roman-Koffer - Alfred Bekker - Страница 84
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Als Feller am Montag aus der Firma nach Hause kam, war das Bier schon wieder alle. Das Wochenende mit der Auto-Show saß ihm noch in den Knochen und dann das. Es half nichts, er musste nochmal los, bevor die Geschäfte dichtmachten.
"Du trinkst zuviel", meinte Carola, die ebenfalls gerade nach Hause gekommen war.
"Na und?"
Feller spielte nervös mit dem Autoschlüssel, als er ins Freie trat. Der Himmel hatte sich bewölkt. Es war diesig geworden.
Gedankenverloren schlenderte er zum Wagen, schloss auf und stieg hinein. Mit einer nachlässigen Bewegung steckte er den Zündschlüssel ins Schloss, drehte ihn herum und startete. Dann drehte er das Autoradio an.
Eine Staumeldung reihte sich an die andere. Der Feierabend-verkehr setzte ein. Und auf der A45 hatte es gekracht. Ein Zwanzigtonner war umgekippt. Morgen würde man davon Bilder in der Zeitung sehen können.
Martin Feller wollte gerade die Handbremse lösen, da knallte es plötzlich. Während die Frontscheibe zersplitterte, warf er sich zur Seite. Der Schaltknüppel fuhr ihm dabei schmerzhaft in die Rippen.
Dreimal wurde insgesamt geschossen.
Dann heulte der Motor eines davonbrausenden Motorrads auf.
Feller schnellte hoch, sah vom Fahrer aber nur noch den Rücken.
"Verfluchter Hund",, murmelte Feller leise vor sich hin.
Wenigstens hatte er keine der kleinen Glasscherben in die Augen bekommen.
Im nächsten Moment hörte er Schritte und die Stimme seiner Frau.
"Martin!", rief Carolas helle, jetzt leicht hysterisch klingende Stimme.
Martin Feller öffnete die Wagentür und krabbelte hinaus.
"Ja?", ächzte er, als er wieder auf zwei Beinen stand.
"Martin, was ist passiert? Die Schüsse..."
"Eine Fehlzündung, sonst nix", meinte Feller in einem Tonfall, dem nicht anzumerken war, ob das eine ironische Bemerkung war, oder ob er es ernst gemeint hatte.
"Martin, jetzt erzähl doch keinen Unfug! Ich war in der Küche, ich habe alles genau gesehen. Jemand hat auf dich geschossen und dann ist ein Motorradfahrer davongebraust! Sieh dir die Scheibe an! Und das da im Blech! Einschußlöcher."
"Carola...", murmelte Martin Feller schwach, während sie ihn an sich drückte, froh darüber, dass ihm nichts passiert war.
"Ich rufe die Polizei", meinte sie dann entschieden und blickte ihm dabei geradewegs in die Augen. "Vielleicht schnappen die den Kerl noch!"
Carola wollte gehen, aber Feller gelang es gerade noch, sie am Arm zu halten, ehe sie ihm davonschlüpfen konnte.
"Carola, so warte doch!"
Ihr Blick drückte Verständnislosigkeit aus. Sie runzelte verwundert die Stirn.
"Was ist denn?", fragte sie.
"Bleib hier!"
"Jede Minute ist kostbar!"
"Du kannst die Polizei nicht rufen!"
Pause.
Zwei volle Sekunden lang sagte keiner von ihnen auch nur ein Wort. Carola nicht, weil sie einfach zu baff war. Und Martin Feller nicht, weil ihm einfach nichts Gescheites einfallen wollte, so sehr er seine kleinen grauen Zellen auch anstrengte.
Natürlich war es Carola, die als erste die Fassung wiedererlangte.
"Sag mal, tickt's bei dir noch richtig? Jemand schießt auf dich und du willst die Polizei nicht rufen?"
"Ja, so ist es!"
Carola stemmte die Hände in die geschwungenen Hüften.
"Das musst du mir schon erklären!", forderte sie.
Martin Feller zuckte die Achseln und machte eine unbestimmte Geste mit der Linken. Nachdem er dann tief Luft geholt hatte, meinte er nicht gerade überzeugend: "Die würden den ja doch nicht kriegen!"
"Ach! Aber wenn dir jemand beim Autofahren den Stinkefinger zeigt, dann bist immer gleich mit einer Anzeige bei der Hand, woll?"
Feller schluckte, machte einen verlegenen und etwas ratlosen Eindruck. Zweimal setzte er zu einer Erwiderung an, dann sagte er schließlich: "Ich bring jetzt den Wagen in die Werkstatt!"
Eigentlich kannte er sie gut genug, um zu wissen, dass er die Sache so nicht abtun konnte! Nicht bei Carola!
Sie fasste ihn am Oberarm.
"So kommst du mir nicht davon! Du erklärst mir das jetzt erst mal!"
Martin Feller zuckte die Achseln.
"Was soll's da zu erklären geben?"
"Kennst du den Kerl auf dem Motorrad?"
Er hob die Augenbrauen. Und seine Antwort kam um den Bruchteil einer Sekunde zu spät, um noch überzeugend wirken zu können.
"Wie kommst du denn darauf?", meinte Martin Feller schwach.
Carola fuhr sich mit der rechten durch das dichte Haar.
"Na, irgendeinen Grund muss es doch haben, dass du ihn nicht anzeigen willst!", war ihr messerscharfer Schluss.
"Ich hab doch die Nummer gar nicht!"
"Er hatte keine Nummer."
"Was?"
"Wie gesagt, ich stand am Küchenfenster und hab's genau gesehen."
Feller atmete tief durch.
"Na, siehst du!"
"Quatsch!", meinte Carola entschieden und äffte ihren Mann dann nach: "Na, siehst du!"
"Ich meine ja nur, dass die Polizei dann wohl kaum eine Chance hat, den Kerl zu fassen."
Carola runzelte die Stirn.
"Wieso DEN KERL?"
"Häh?"
Als Carola das Gesicht ihres Mannes sah, dachte sie unwillkürlich an einen Schuljungen, den man dabei erwischt hatte, wie er seine Hausaufgaben abschrieb.
Carola sagte schließlich: "Na, ich konnte unter der Motorradkluft mit dem Helm und so weiter nicht zweifelsfrei sehen, ob das nun ein Männlein oder Weiblein war. Kennst du IHN vielleicht doch?"
Er wurde jetzt gereizt, was sie nur noch mehr in der Auffassung bestätigte, dass hier etwas nicht stimmte.
"Sag mal, was soll das hier?", meinte er. "Wird das ein Detektivspiel oder was?"
"Irgend etwas verheimlichst du mir."
"Ach, Unsinn."
"Hat es vielleicht etwas mit den Anrufen zu tun? Die, bei denen sich keiner meldet?"
"Ach, Quatsch!"
"Ich hab das Gefühl, wir müssen miteinander reden, Martin!", meinte sie.
Martin Feller nickte zögernd.
"Gut, aber nicht jetzt."
"Und wann dann?"
"Nachher. In Ruhe."
Sie verdrehte die Augen.
"Ach ja, das musste ja kommen! Nachher!"
"Schatz..."
"Du weichst mir aus, Martin! Und ich frage mich, warum! Jeder von uns kennt den anderen wie seine Westentasche. Wir hatten nie Geheimnisse voreinander und jetzt..."
Sie sprach nicht weiter, und er nahm die willkommene Gelegenheit wahr, das Gespräch erst einmal zu beenden.
"Ich bring jetzt erstmal den Wagen in die Werkstatt und hol mir einen Kasten Bier", sagte er tonlos, während er sich bereits halb zum Gehen gewandt hatte.
Carola machte indessen einen letzten Versuch.
"Soll ich nicht doch die Polizei..."
Aber ihr Mann schüttelte energisch den Kopf.
"Keine Polizei, hörst du?", wies er sie sehr eindringlich an. "Ich erklär's dir ja. Aber nicht jetzt."
Carola seufzte.
"Du verlangst eine ganze Menge!"
"Versprichst du mir, dass du den Hörer auf der Gabel lässt?"
Carola überlegte einen Moment lang.
Dann sagte sie: "Okay."
Aber sie sah ihn dabei nicht an.