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PASSAUER MORDS-DESSERT


––––––––


von Alfred Bekker & Rupert Bauer

Sie hatten sich zu einem gepflegten abendlichen Tête-à-tête verabredet.

"Ich kann auch über nacht bleiben", hatte Nadine gesagt.

"Sagt dein Mann nichts dazu?"

"Nein, Robert."

"Aber..."Er runzelte die Stirn.

"Die Wahrheit ist: Ich habe ihn schon seit ein paar Tagen nicht mehr gesehen."

"Hattet ihr Streit?"

"Ja, ein bißchen. Aber ich hätte nicht gedacht, dass es so schlimm kommt und er einfach davonläuft und nicht wieder auftaucht."

Jetzt saßen sie vor einem vorzüglichen Essen. Robert war ein guter Hobby-Koch und hatte sich gehörig ins Zeug gelegt.

Es war ein alter Jugendtraum von ihm, Koch in einem Restaurant der haute cuisine zu sein.

Am liebsten in seinem bevorzugten Speiselokal, dem Stiftskeller in der Heiliggeistgasse in seiner Heimatstadt Passau.

Dorthin führte er gerne seine Gäste aus. Es gab da drei Möglichkeiten in einem gepflegten Ambiente zu dinieren: Entweder am einem lauschigen Sommerabend im Stiftsgarten oder im rustikalen Keller. In letzterem fühlte man sich sofort ins Mittelalter versetzt.

Am liebsten aber speiste er im Bischofszimmer mit seiner uralten Wandtäfelung. Genau das Richtige als Herrenzimmer für die älteste deutschsprachige Vereinigung, die schon über 800 Jahre zählt. In einem Geheimfach in diesem Raum wird die Gründungsurkunde aus dem 12. Jahrhundert aufbewahrt.

Aber aus diesen Plänen war nichts geworden.

Er hatte Jura studiert und war Anwalt geworden.

Robert hatte Lachs mit Kräuterbutter auf den Tisch gebracht, und er sah mit Genugtuung, dass Nadine solche Kostbarkeiten zu würdigen wusste.

Sie hoben die Weingläser und prosteten sich zu.

"Auf meinen charmanten Gast", sagte Robert.

"Auf einen exzellenten Koch!", erwiderte Nadine freundlich lächelnd. "Und auf einen faszinierenden Mann!"

"Sagen wir einfach: Auf uns!"

Sie nickte.

"Ja, das ist gut. Damit bin ich auch einverstanden."

Zum Nachtisch gab es köstliche Eistorte. Robert hatte sie selbstverständlich eigenhändig kreiert.

Nadine dachte kurz an ihren Mann und daran, was er wohl sagen würde, wenn er sie hier mit Robert hätte sehen können.

Nadines Mann war temperamentvoll und sehr eifersüchtig. Und vor allem war er nicht bereit, Nadine freizugeben Nadine wiederum war keine sehr starke Persönlichkeit. Sie hatte zwar schon oft Robert gegenüber angekündigt, dass sie sich nun endlich von ihrem Mann trennen wollte, aber wenn es dann ernst wurde, schreckte sie regelmäßig davor zurück.

Das war ein Punkt, den Robert nur schwer schlucken konnte und den er auch nicht verstand.

Er mußte es hinnehmen, schon deshalb, weil ihm wirklich etwas an Nadine lag. Er würde ihr soviel Zeit geben, wie sie brauchte.

"Was weiß dein Mann eigentlich von mir?", fragte Robert.

"Er weiß, dass da etwas ist. Aber er weiß keinen Namen. Er kennt dich also nicht, jedenfalls soweit ich weiß." Sie lachte und zeigte dabei ihre strahlend weißen Zähne. "Und das ist auch gut so, Robert!"

"Ich weiß nicht. Vielleicht würde es einiges klären..."

"Das glaube ich nicht! Ich kann dir sagen, was passieren würde, Robert!"

"Und was bitte?"

"Er käme hier vorbei, würde mit einem hochroten Kopf bei dir klingeln und dich dann gleich beim Kragen packen."

"Und dann?"

Sie zuckte mit den Schultern.

"Vielleicht - wenn er verhältnismäßig ausgeglichen ist - würde er eine ernste Warnung aussprechen. 'Lassen Sie in Zukunft die Finger von meiner Frau!' oder so ähnlich würde sich das anhören."

Robert verzog das Gesicht.

"Dein Mann ist doch keine Figur aus diesen alten Wildwest-Filmen!"

"Er benimmt sich aber so."

Robert schien das Ganze zu amüsieren.

"Wie ginge es dann weiter?"

"Vielleicht würdest du einen Kinnhaken abbekommen, vielleicht auch eine ausgewachsene Tracht Prügel..."

"Klingt nicht sehr verlockend."

"Was würdest du tun, Robert?" Sie schien auch zunehmend Gefallen an dieser Art der Gedankenspielerei zu entwickeln. "Mein Mann ist über eins neunzig groß und ein ziemlich breiter Schrank."

"Kein Problem, Nadine!"

Robert griff blitzschnell unter sein Jackett und zog eine Pistole hervor. Nadine erschrak.

"Mein Gott, Robert! Das... Das wusste ich bisher nicht!"

"Habe ich dir nicht erzählt, dass ich Sportschütze bin und eine Waffen besitze?"

"Doch, das wohl. Aber ich wusste nicht, dass du sie ständig bei dir trägst!"

Er zuckte mit den Schultern. "Ich habe oft genug die Opfer von Gewalttaten vor Gericht vertreten müssen. Wir leben in einer gefährlichen Zeit und ich möchte nicht eines Tages selbst zu diesen Opfern gehören."

Sie atmete tief durch. "Ja, das verstehe ich. Aber wenn man so etwas sieht, verschlägt es einem im ersten Moment einfach die Sprache..." Dann blitzte es in ihren Augen. "Würdest du meinen Mann erschießen, wenn er hier auftauchen würde?"

Er nickte. "Warum nicht? Wären damit nicht alle meine Probleme gelöst? Ich hätte dich endlich für mich gewonnen..."

Sie lächelte freundlich und fasste seine Hand. "Leider ist das wohl kein gangbarer Weg", meinte sie.

"Weshalb nicht?"

"Du scherzt! Aber im Ernst: Weil die meisten Morde irgendwann einmal aufgeklärt werden. Bei Autoeinbrüchen ist das anders, da hat man als Täter eine Chance. Aber nicht als Mörder, Robert."

Sie lachten beide herzhaft. Der Wein hatte sie bereits etwas beschwipst und ihre Zungen gelockert.

"Weißt du, weshalb die meisten am Ende gefasst werden?", fragte sie und gab auch gleich die Antwort: "Weil sie keinen wirklich guten Ort wissen, an dem man die Leiche verstecken kann!"

"Man könnte meinen, du hättest praktische Erfahrungen auf diesem Gebiet!"

"Nein. Ich habe nur jede Menge Romane gelesen." Um ihre Mundwinkel spielte ein schwer zu deutendes Lächeln. "Angenommen, mein Mann wäre hier aufgetaucht, hätte dich zur Rede gestellt, vielleicht auch angegriffen und du hättest ihn erschossen... Wo hättest du die Leiche versteckt? In den Fluß geworfen? Im Garten vergraben?"

„Nun ja, ich wohne hier am Vogelfelsen, vergiß das nicht. Du hast doch schon oft den herrlichen Blick in das Inntal bewundert. Hier gibt es viele kleinen Grotten und Klüfte, die keinen Leichnam wieder hergeben würden. Es hat schon seinen Grund, warum dieses Gebiet hier Vogelfelsen heißt. In wenigen Wochen wäre nichts mehr von deinem Robert vorhanden. Nicht zu vergessen den Inn. Ein wenig weiter östlich zwischen der Eisenbahnbrücke und dem Fünferlsteg bildet der Inn viele Strudel und gibt nichts mehr her. Und gleich darüber ist der Stadtfriedhof. Ein wahrhaft idealer Ort!“

Er lachte leise vor sich hin.

"Bevor wir uns weiter darüber unterhalten, Schatz: Möchtest du zum Schluss noch einen Cappuccino?"

"Oh, ja, gerne."

"Gut, dann gehe ich schnell in die Küche und mach uns einen!"

Sie sah ihm nach und dann fiel ihr Blick auf die restlichen Stücke der Eistorte, die zu schmelzen begonnen hatten. Nein, es wäre doch wirklich zu schade drum gewesen! Die Torte musste schnellstens wieder eingefroren werden, wenn man sie noch retten wollte! Nadine zögerte nicht lange. Sie kannte sich in Roberts Bungalow, der wie ein Nest in den Vogelfelsen gebaut war, gut aus, fast wie zu Hause.

Sie nahm die Torte und lief mit ihr in den Keller, wo sich die Vorratskammer befand. Diese war direkt in den Felsen geschlagen. Nadine stand zwei Tiefkühlschränken gegenüber, die vermutlich mit Delikatessen angefüllt waren.

Nadine wusste nicht, in welchen die Torte gehörte.

Sie versuchte es beim rechten Eisschrank und öffnete die Tür. Die Torte fiel ihr vor Schreck aus der Hand, als sie in das ihr wohlbekannte Gesicht ihres Mannes blickte.

23 Killergeschichten: Kurze Krimis

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