Читать книгу 23 Killergeschichten: Kurze Krimis - Alfred Bekker - Страница 8
ОглавлениеNACH ALL DEN JAHREN
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von Alfred Bekker
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Kurz-Krimi
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An dem Tag, als Koslowski entlassen wurde, regnete es Bindfäden. Aber das konnte ihm heute nicht die Laune verderben.
Er hatte die Jahre abgesessen, die man ihm und seinen Komplizen damals, nach dem Banküberfall aufgebrummt hatte. Koslowski war jetzt wieder ein freier Mann - und nicht nur das!
Bald würde er auch ein reicher Mann sein!
Koslowski lächelte, als er mit dem Handkoffer vor den Toren der Strafvollzugsanstalt stand und sich hinter ihm das Tor schloss.
Der Überfall damals, das war vollendete Stümperei gewesen. Zu dritt waren sie in die Bank gestürmt, hatten mit Revolvern herumgewedelt und 500.000 DM erbeutet.
So weit so gut.
Doch dann war alles schiefgegangen.
Ihre Flucht war schlecht vorbereitet gewesen und so hatte die Polizei nicht allzu viel Mühe gehabt, sie der Reihe nach einzufangen: den rothaarigen Schröder, den hitzköpfigen Paslak und ihn, Rudi Koslowski.
Während der Flucht hatten sie sich getrennt, um sich später an einem vereinbarten Treffpunkt zu beratschlagen. Koslowski hatte die Beute bei sich gehabt und war den Verfolgern am längsten ent- wischt.
Er war als Letzter festgenommen worden - nicht ohne zuvor noch nach einem guten Versteck für die Beute zu suchen.
Es hatte schnell gehen müssen, aber noch gerade geklappt. Koslowki verzog das Gesicht. Niemand hatte das Geld bisher gefunden, nicht die Kripo und nicht seine Komplizen. Vor Gericht hatte Koslowski eisern geschwiegen, was ihm ein paar Jahre mehr eingebracht hatte.
Doch es würde sich lohnen...
Schröder und Paslak waren schon seit geraumer Zeit wieder auf freiem Fuß. Aber sie standen vor dem Nichts, während Koslowski einem Neuanfang in Rio entgegensah...
*
Ein Wagen kam heran.
Es war das Taxi, das Koslowski sich bestellt hatte. Das Taxi hielt und bevor Koslowski einstieg sah er sich einmal gründlich um.
Dann stockte er auf einmal.
Sein Blick blieb an einem Wagen haften, der auf der anderen Straßenseite geparkt hatte. Einen Sekundenbruchteil nur sah er das Gesicht des Fahrers, dann war es zurück in den Schatten getaucht. Aber dieser kurze Augenblick hatte ihm völlig genügt, um es zu erkennen.
Koslowski fühlte seinen Puls bis zum Hals schlagen...
Schröder! dachte er. Das Gesicht des Rothaarigen würde er in seinem Leben nicht mehr vergessen...
Der Mann auf dem Beifahrersitz war dann wohl Paslak. Sie hatten ihm hier aufgelauert, in der Hoffnung, dass Koslowski sie zur Beute aus dem Überfall führen würde...
Koslowski kniff die Augen zusammen, warf seinen Koffer auf den Rücksitz des Taxis und rief zum Fahrer: "Sehen Sie zu, dass Sie den Wagen dort drüben abhängen, wenn er uns folgt!"
*
Der Taxifahrer war ein Meister seines Fachs, gerade so, als wäre es sein täglicher Job, irgend- welche Verfolger abzuhängen. Nachdem Koslowski ihm einen saftigen Aufschlag versprochen hatte, fuhr er wie der Teufel. Ihn hätten wir damals als Fahrer dabeihaben müssen, nicht diesen nervösen Paslak! dachte Koslowski bitter. Aber das war jetzt alles Schnee von gestern.
"Die Kerle sind nicht mehr hinter uns", meinte der Taxifahrer. "Wo soll's jetzt hingehen?"
Koslowski atmete tief durch und sagte es ihm.
Jetzt keine Zeit mehr verlieren! ging es ihm durch den Kopf. Zum Geldversteck und dann auf und davon. Die Schakale, die hinter ihm her waren, würden seine Spur schon bald wieder aufgenommen haben - wahrscheinlich viel früher, als ihm lieb sein konnte.
*
Sie fuhren durch ein Wohngebiet und Koslowski runzelte die Stirn. Der Regen hatte indessen aufgehört.
"Wo soll ich Sie hier absetzen?" meinte der Taxifahrer.
"Was reden Sie da?" schimpfte Koslowski. "Bring- en Sie mich dorthin, wohin ich Ihnen gesagt habe!"
Der Taxifahrer seufzte.
"Das meine ich ja. Wir sind da. Dies ist die Straße, die Sie mir genannt haben!"
"Ach was, hier müssten Wiesen mit Bäumen sein. Und ein paar Bullen auf der Weide!"
Der Taxifahrer schüttelte den Kopf und lachte.
Und was er dann sagte, war für Koslowski wie ein Schlag vor den Kopf.
"Hier ist schon lange keine Wiese mehr! In den letzten Jahren hat man hier ein Wohngebiet errichtet!"
*
Koslowski mußte schlucken.
"Es hat sich alles so verändert...", murmelte er dann. "Ich war jahrelang nicht hier, müssen Sie wissen... Fahren Sie langsamer!"
Der Taxifahrer nickte.
Koslowskis Blick glitt die schmucken Bungalows entlang, die hier jetzt standen, oft genug von weiträumigen Grundstücken umgeben. Einige hatten sogar Swimming-Pools. Koslowski suchte nach Orientierungspunkten, nach Dingen, die sich nicht ver- ändert hatten. Verzweifelung machte sich mehr und mehr in ihm breit. Wenn hier alles umgegraben worden war, dann waren die 500.000 DM von dem Über- fall am Ende gar auf einer Schutthalde gelandet!
Und dann sah er den Baum.
Ja, dachte er. Einen solchen Baum gab es nur einmal. Er war verkrüppelt und halb gespalten. Vermutlich war irgendwann einmal der Blitz hinein- gefahren. Es war genau der Baum, unter dessen knorrigen Wurzeln er damals das Geld vergraben hatte!
Der Baum war also noch da! Warum nicht auch das Geld? Hoffnung keimte in ihm auf.
"Anhalten!" befahl Koslowski.
"Soll ich warten?"
"Ja", sagte Koslowski nach einigem Zögern.
Er konnte das Geld jetzt - am hellichten Tag - sowieso nicht holen. "Ich komme gleich wieder!"
Und damit stieg er aus. Wenig später stand er an dem hohen Zaun, der das Anwesen von der Straße trennte.
Ein Mann kam den Bürgersteig entlang, blieb ebenfalls vor dem Grundstück stehen und holte umständlich einen Schlüssel hervor, mit dem er das Zauntor öffnete.
"Ist das Ihr Haus?" fragte Koslowski.
"Nein", sagte der Mann. "Ich bin nur der Gärtner!" Er trat an Koslowski heran. "Ein schönes Anwesen, nicht wahr?"
"Ja, kann man wohl sagen." Und bei sich dachte er: Hier gibt es bestimmt eine Alarmanlage! "Wem gehört übrigens das Haus? Einem Fabrikanten?"
"Aber nein!" meinte der Gärtner. "Sehen Sie, der Mann, dem dieses Haus jetzt gehört, war mein Vorgänger als Gärtner. Der ursprüngliche Besitzer hatte sich finanziell übernommen und konnte das Anwesen nicht halten, und da kam dieser Gärtner und kaufte es. Er soll im Lotto gewonnen haben oder so etwas in der Art..."
Koslowski verstand. "Ach, wirklich?" zischte er verkrampft. Es hatte wohl nicht mehr viel Sinn, nach dem Geld zu graben... Koslowski atmete tief durch. "Sagen Sie, das Beet um den verkrüppelten Baum herum - hat das zufällig Ihr Vorgänger angelegt?"
Der Gärtner runzelte die Stirn. "Woher wissen Sie das?"