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Hinter Schloss und Riegel

Von Alfred Bekker


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Für den Killer war Joe Grotzky ganz einfach ein Auftrag wie jeder andere. Es hatte ihm niemand gesagt, weshalb die Mafia Grotzky aus dem Weg haben wollte, aber der Killer konnte es sich zusammenreimen. Grotzky war Richter. Das erklärte schon fast alles.

Es war nicht sonderlich kalt, nur regnerisch. Aber der Killer trug dennoch Handschuhe. Er war hochgewachsen und ziemlich kräftig gebaut. Der blonde Kurzhaarschnitt unterstrich die kantigen Gesichtszüge. Seinen blauen Chevy hatte er am Straßenrand abgestellt. Jetzt ging der Blonde die Zeile der Reihenhäuser entlang. Mit der Rechten umklammerte er den Griff der Automatik, die in seiner tiefen Manteltasche verborgen war. Er mußte vorsichtig sein, denn der Mann, mit dem er es zu tun haben würde, war nicht irgendwer, sondern einer, der alle Tricks kannte. Der Blonde hielt an, ließ den Blick die Häuserzeile entlanggleiten und hatte dann die richtige Nummer gefunden.

Eine ältere Frau ging die Straße entlang. Der Blonde wartete, bis sie um die nächste Ecke gegangen war und überquerte dann die Fahrbahn.

Einen Augenblick später stand er an der Haustür und klingelte. Wenn es stimmte, was seine Auftraggeber ihm über Joe Grotzky gesagt hatten, dann war er um diese Zeit wahrscheinlich gerade erst aufgestanden und saß jetzt beim Frühstück. Genau die richtige Zeit für solch einen Besuch al- so... Der Blonde klingelte ein zweites Mal und faßte die Pistole mit dem aufgeschraubten Schall- dämpfer fester. Endlich kam jemand und machte auf. Aber es war nicht Grotzky. Es war eine Frau, die den Killer ziemlich erstaunt ansah. Sie war hübsch, fand der Blonde. Langes, rostbraunes Haar, dunkle Augen. Schade um sie! dachte der Killer. Aber es war ziemlich ausgeschlossen, daß er sie am Leben lassen konnte.

"Ist Mister Grotzky nicht da?" fragte er kühl.

"Nein, tut mir leid", erwiderte die Frau, während sie den Killer einer eingehenden Musterung unterzog. Auf ihrer hübschen Stirn erschienen ein paar Falten, die eine deutliche Portion Mißtrauen signalisierten. Von der Frau hatte man dem Blonden nichts gesagt. Er fluchte innerlich. Wenn er etwas nicht ausstehen konnte, dann war es Unprofessiona- lität. Sie hatten ihm ein Dossier zukommen lassen, in dem alles über Grotzkys Lebensgewohnheiten zu- sammengetragen war. Der Killer wußte über jede Kleinigkeit Bescheid. Nur die Frau, die war in dem Dossier nicht vorgekommen.

"Was wollen Sie von Joe?" fragte die Frau.

"Ich muß ihn dringend sprechen."

"Sind Sie ein Bekannter von ihm?"

Der Killer zögerte nur den Bruchteil einer Sekunde mit der Antwort.

"Ja", sagte er dann.

"Joe kommt gleich zurück", berichtete die Frau. "Er ist nur kurz Zigaretten holen gefahren."

Sie wußte nicht, wer Grotzky war. Sie konnte nichts von seiner Vergangenheit wissen oder von dem, was er jetzt tat. Das war dem Blonden sofort klar, denn hätte sie Bescheid gewußt, dann wäre ihr Mißtrauen größer gewesen. Die andere Möglichkeit war, daß sie hervorragend schauspielern konnte. Der Blonde hob die Schultern.

"Kann ich bei Ihnen auf ihn warten?"

"Nicht so gerne. Ich bin allein und ich kenne Sie gar nicht. Außerdem ist das nicht meine Wohnung und ich weiß nicht, ob es Joe recht wäre, wenn..." Aha! dachte der Blonde. Grotzky kannte die Frau noch nicht lange. Vielleicht sogar erst seit dem gestrigen Abend. Aber das würde ihr auch nicht helfen.

"Es wäre ihm recht!" behauptete der Blonde.

"Nein, das möchte ich nicht!" sagte sie mit überraschender Bestimmtheit. Sie versuchte die Tür zu schließen, aber der Blonde ahnte das voraus und stellte seinen Fuß dazwischen. Ein schneller Griff und er hatte die Automatik aus der Manteltasche herausgerissen. Der lange Schalldämpfer zeigte direkt auf den Oberkörper der jungen Frau und ließ sie schreckensbleich zurückweichen. Der Blonde trat ein und gab der Tür einen Stoß mit der Hacke, so daß sie geräuschvoll ins Schloß fiel. Die Frau schüttelte stumm den Kopf. Es dauerte ein paar Sekunden, ehe sie wieder soweit beieinander war, daß sie etwas sagen konnte.

"Was wollen Sie?" fragte sie schluckend, während sie noch einen Schritt rückwärts machte und dabei gegen die Kommode stieß, die in dem engen Flur stand. Auf der Kommode stand das Telefon. Sie hatte den Hörer schon fast in der Hand, aber sie begriff, daß sie keine Chance hatte, irgend jeman- den anzurufen, bevor ihr Gegenüber sein Geschoß auf die Reise geschickt haben würde.

"Ist noch jemand in der Wohnung?" fragte der Blonde kalt. Sie schüttelte stumm den Kopf. Dann hob der Blonde die Schalldämpferpistole ein wenig an und drückte ab. Es gab ein Geräusch, das Ähn- lichkeit mit einem kräftigen Niesen hatte und auf der Stirn der jungen Frau erschien ein roter Punkt, der rasch größer wurde. Sie taumelte rück- wärts und schlug der Länge nach hin.

Der Blonde atmete tief durch. Die Sache mit der Frau war nicht eingeplant gewesen, aber sie hatte nuneinmal sein Gesicht gesehen. Und das war ihr Todesurteil gewesen. Der Blonde stieg über ihren leblosen Körper hinweg und sah sich im Rest der Wohnung um. Ein Zimmer nach dem anderen nahm er sich vor. Er mußte auf Nummer sicher gehen, aber die Frau hatte die Wahrheit gesagt. Sie war tat- sächlich allein gewesen. Der Blonde steckte die Waffe ein, faßte die junge Frau unter den Armen und schleifte sie ins Wohnzimmer. Dann ließ er sich in einen der klobigen Ledersessel fallen und wartete. Nicht lange, höchstens zehn Minuten. Dann waren an der Haustür Schritte zu hören. Ein Schlüssel wurde herumgedreht und jemand trat ein. Das mußte Grotzky sein.

"Jennifer?" Sekunden später stand Grotzky in der Wohnzimmertür. Der Blonde erkannte ihn sofort von den Fotos, die man ihm gegeben hatte. Alles was nun geschah, ging blitzschnell. So schnell, daß Joe Grotzky nicht den Hauch einer Chance hatte.

*


Als der Blonde seinen Job erledigt hatte, sah er sich noch ein bißchen im Haus um. Es gab etwas Bargeld. Ein paar Tausender, die steckte er ein. Er zog die Schubladen aus den Schränken und kippte den Inhalt auf den Boden. Es sollte wie ein Einbruch aussehen. Dann ging er ins Kellergeschoß und da erlebte er eine Überraschung. In Grotzkys Keller befand sich ein voll ausgerüsteter Atomschutzraum. Ein Schild an der Wand verriet das. Es standen auch gleich ein paar Verhaltensregeln für den Ernstfall dabei. Die dicke Tür, die diesen Raum Luftdicht von der Außenwelt abschließen konnte, stand offen. Er ging hinein und inspizierte den Raum interessiert. Dabei fragte er sich, ob Grotzky wirklich Angst vor einem Atomkrieg gehabt hatte oder ob er nur auf die Steuervorteile und Fördergelder aus gewesen war, die es für solche Schutzräume früher gegeben hatte. Der Killer zuckte die Schultern. Es konnte ihm gleichgültig sein. Aber auf jeden Fall war dieser Raum ein idealer Platz, um die Leichen un- terzubringen. Er konnte die Tür von außen ver- schließen und dann würde man eine Weile brauchen, um sie zu finden. Das bedeutete auch, daß die Po- lizei länger brauchen würde, um zu rekonstruieren, was in diesem Haus passiert war.

Für den Killer war das nur von Vorteil.

Er würde Zeit gewinnen, um sich abzusetzen.

So ging er hinauf ins Erdgeschoß. Entschlossen nahm er Grotzkys Leiche über die Schulter und schleppte sie in den Keller. Der Eingang zum Schutzraum war ziemlich eng, wenn man eine Leiche auf den Schultern trug. Einer von Grotzkys Ärmeln verhakte sich im Türgriff und die dicke Sicher- heitstür fiel mit einem zischenden Geräusch zu.

Der Killer legte die Leiche auf eine der Liegen, die man hier für den Ernstfall aufgestellt hatte. Dann ging er zurück zur Tür, aber bekam sie nicht auf. Es war wie verhext, aber was er auch versuchte, sie ließ sich nicht öffnen...

*


Die beiden Männer, die an Grotzkys Haustür klingelten trugen Kittel mit der Aufschrift 'Harrys Schlüsseldienst'. Der Jüngere der beiden klingelte bereits zum zweiten Mal und wurde schon ungeduldig. Aber es machte niemand auf.

"Vielleicht ist niemand zu Hause", meinte er.

Der Ältere schüttelte den Kopf.

"Ich habe gestern nachmittag mit Mister Grotzky telefoniert und er hat mir gesagt, daß er um diese Zeit zu Hause sei..."

"Vielleicht funktioniert die Klingel nicht!" Der Jüngere ging ein paar Schritte seitwärts in Richtung des ersten Fensters.

"Weswegen sind wir eigentlich hier?" fragte er dann.

Der Ältere lächelte. "Ein Leckerbissen für dich, Bob! Da kannst du was lernen. Es geht um die Polung eines elektronischen Sicherheitsschlosses für die Tür zu einem Atomschutzraum."

"Polung?" fragte der Jüngere.

"Ja. Normalerweise funktionieren die Dinger so, daß sie sich von innen nur dann öffnen lassen, wenn außen keine Gefahr mehr durch Strahlung besteht. Aber wenn sie falsch gepolt sind, kann es passieren, daß sie genau umgekehrt funktionieren und sich erst öffnen, sobald draußen alles verstrahlt ist!"

Der Jüngere hörte gar nicht mehr zu, sondern blickte wie gebannt durch das Fenster. "Ich glaube, wir rufen besser die Polizei", sagte er. "Da drinnen sieht es aus, wie nach einem Einbruch!"

23 Killergeschichten: Kurze Krimis

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