Читать книгу Coltwölfe: Glorreiche Western Sammelband 5 Romane - Alfred Bekker - Страница 23

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Eine halbe Stunde später hatte Manton mit seinem Handpferd, auf dem Sam festgebunden war, die Schlucht erreicht.

Es begann schon zu tagen. Der Himmel wurde grau, die Mesquite, die überall an den Hängen stand, war übersät mit Tauperlen, die im Licht des werdenden Tages wie Brillanten funkelten.

Manton ließ sich aus dem Sattel rutschen, stieß sich den Hut ins Genick und ging zu Sam hin, der allmählich zu erwachen schien.

Sam meinte in einer Schleuder zu sitzen oder in einem Karussell, das sich unentwegt drehte, dass ihm schwindlig wurde. Er hatte wahnsinnige Schmerzen im Kopf, glaubte keine Luft mehr zu bekommen, und zugleich war ihm speiübel.

Aber er war noch wie in einem tiefen Trancezustand, der kein wirkliches Begreifen seiner eigenen Situation zuließ. Alles war traumhaft. Er sah nicht, er empfand noch nicht. Was er wahrzunehmen glaubte, geschah im Unterbewusstsein. Auch den dumpfen Schlag, als er nach dem Losbinden zu Boden stürzte, empfand er wie im Traum.

Als Manton ihn an den Hinterbeinen packte und wie einen Kadaver hinter sich her zog, da war noch ein dumpfer Schmerz, und auch den empfand Sam nicht bewusst. Manton hatte ihm die Schnauze zusammengebunden, wuchtete sich jetzt Sam auf den Rücken und trug ihn ein Stück einen schmalen Felspfad lang, bis in eine Schlucht hinein, in der sich eine riesige Höhle befand. Diese Höhle war innen ausgebaut wie eine Hütte. Die Tür lag sehr versteckt. Das alles konnte man erst entdecken, wenn man unmittelbar davorstand. Manton stieß den Riegel zurück, schlug die Tür auf und ließ Sam zu Boden sinken. Er blickte auf ihn herab, aber Sam lag noch immer bewusstlos. Er schniefte zwar und auch seine Augen drehten sich, aber er schien immer noch nicht zu empfinden, was um ihn geschah.

Manton zerrte Sam in diese ausgebaute Höhle hinein. Im Innern stand ein Tisch, gab es Bänke, und in einer Seitenkammer, die Manton einmal vor Jahren gebaut hatte, befand sich der Käfig. Jener Käfig, der schon einmal einem Puma als Gefängnis gedient hatte. Einem Puma, den Manton gefangen hatte und abrichten wollte, was allerdings nicht gelungen war. Er zerrte diesen Käfig in den größeren Raum, öffnete ihn und stieß Sam in dieses Behältnis hinein. Der Käfig war anderthalb mal so breit und so lang wie Sam und nicht sehr viel höher als das Wolfsblut.

Sam zuckte mit den Beinen, als ihm Manton die Fesseln durchtrennte. Manton schnitt ihm auch die Schnur auf, mit der die Schnauze zusammengebunden war. Dann verschloss er sorgsam die Tür des Käfigs und ging nach draußen. Es währte nicht lange, da kehrte er zurück, hockte sich auf die Bank dem Käfig gegenüber, stützte den Kopf in die Hände und betrachtete grübelnd das Wolfsblut. Über dem Kamm der Berge war die Sonne aufgegangen, der Himmel hatte sich erhellt. Durch die offene Tür fiel diese Helligkeit auf Sam. Und er blinzelte, und in seinen grünen Augen reflektierte das Licht. Aber noch immer war er nicht ganz wach. Er glaubte zu schweben, und in seiner Angst zu stürzen zuckten seine Füße, stieß er eigenartige Laute aus, gleichzeitig nahm er den Geruch von Manton wahr. Noch geschah das im Unterbewusstsein, aber zugleich war alles auf Abwehr gerichtet. Und so wachte er auf. Es war ihm, als würde ein Schleier von seinen Augen gerissen. Noch immer dröhnte und rumorte es in seinem Schädel. Er hatte Schmerzen in den Beinen, dort, wo die Stricke gesessen hatten, und auch seine Zunge tat weh. Auf die musste er sich beim Sturz vom Pferd gebissen haben.

Als er Manton sah, knurrte er, seine Nackenhaare sträubten sich. Er blickte den Mann an, der völlig gleichgültig schien und ihn nur beobachtete.

Aber Sam war kein Beller, kein Kläffer, der hin und her raste und sich wie verrückt gebärdete. Und das bemerkte auch Manton, dass dieser Halbwolf anders war als alle die Hunde und Raubtiere, die er irgendwann in seinem Leben eingefangen hatte. Denn Sam blieb ruhig, blinzelte nur, streckte sich jetzt. Er lag am Boden, hatte den Kopf auf den Vorderbeinen liegen und sah auf den Mann. Auf den Mann, von dem er noch nicht wusste, dass er ihm diese Gefangenschaft verdankte. Aber er ahnte es wohl, und seine Abneigung zeigte sich in der Art, wie er die Lefzen über die Zähne hob.

Noch saß der Mann ruhig, noch überlegte er, auf welche Weise er Sam in Geld verwandeln konnte. Und Geld war ungefähr das einzige bei Frank Manton, was zählte.

Sam hatte Durst, wahnsinnigen Durst, seine Kehle war wund davon. Aber noch zeigte er es nicht. Er konnte nicht ahnen, dass für Frank Manton dieser Durst ein Mittel war, mit dem er Sam zu zähmen hoffte. Mit dem er ihn kirre machen wollte.

Frank Manton hatte Erfahrung. Ihm war es gelungen, reißende Pumas so zahm zu machen, dass sie ihm aus der Hand fraßen. Aus Angst aus der Hand fraßen. Und allein mit dem Durst hatte er sie so harmlos werden lassen.

Er konnte nicht ahnen, dieser Frank Manton, dass Sam anders sein würde. Aber auch Sam ahnte nicht, was ihm bevorstand. Zu welchen Gemeinheiten dieser Mann dort mit den grauen Haaren fähig sein sollte. Ein Mensch, bei dem ein Tier keine Seele hatte; ein Mensch, dem die Kreatur nichts bedeutete. Der sich ein Vergnügen daraus machte, Tiere zu quälen, nur um ihnen die Macht des Menschen zu zeigen.

Sam stand auf, als sich Manton erhob. Er knurrte. Manton fasste das als eine Herausforderung auf. Er sagte etwas und lachte dann gehässig.

Sam knurrte noch immer. Er bleckte jetzt die Zähne, aber es war in Wirklichkeit ein sinnloser Ausdruck seines Hasses in dieser ohnmächtigen Lage.

Wieder lachte Manton, und Sam hörte ganz genau am Ton dieses Lachens, wie böse es war. Manton drehte sich um, Sam beobachtete ihn ganz genau. Manton hatte jetzt etwas in den Händen, eine Eisenstange.

Sam ahnte, was kommen würde. Er stand ruhig, abwartend, gespannt. Noch immer dröhnte es in seinem Kopf, das lähmte ihn etwas, das beeinträchtigte seine Beweglichkeit.

Manton trat an den Käfig heran. Sam knurrte wieder, fauchte wie ein Tiger. Und da stieß Manton die Stange zwischen den Stäben hindurch nach Sams Leib.

Sam wich aus, aber beim zweiten Mal streifte ihn die Stange am Rücken. Ein jäher Schmerz schoss durch seinen Körper.

Manton lachte wieder, lauter, gehässiger.

Für Sam gab es keine Fluchtmöglichkeit, er konnte auch nur mit Mühe ausweichen. Und immer wieder stieß Manton die Stange nach Sam. Meistens verfehlte er ihn, da Sam schnell genug war, auszuweichen. Aber dann gelang ihm mal ein Hieb, als er von oben mit der Eisenstange nach unten dreschen konnte und dabei Sam an der Schwanzwurzel traf.

Sam heulte auf vor Schmerzen. Einen Augenblick lang war er wie paralysiert. Er rollte in die Ecke, lag mit zuckenden Läufen, und Mantons schallendes Gelächter drang ihm wie Paukenschläge in die Ohren.

Manton schleuderte die Stange in die Ecke und verließ den Raum. Sam hörte ihn draußen etwas murmeln, dann entfernten sich die Schritte, der Geruch wurde unscharfer.

Sam versuchte die Prellung an seinem Rücken zu lecken. Aber er hatte solche Schmerzen, dass er nur mit Mühe zu jener Stelle kam. Blut lief ihm über das Fell. Die Haut war aufgeplatzt, der Schmerz zog sich bis zum Nacken vor.

Sam quälte der Durst immer mehr. Er legte sich zu Boden, als er spürte, dass bei ruhigem Liegen die Schmerzen nachließen. Aber der Durst, der blieb. Seine Zunge hing zur Schnauze heraus. Dann schnupperte er, ob irgendwo Wasser sein konnte. Aber er witterte nichts. Wenn Wasser da war, so befand es sich draußen, nicht hier in der Hütte.

Das Licht, das durch die offene Tür fiel, wurde immer heller. Eine Stunde verging, schließlich zwei. Manton kam nicht zurück. Die Tür stand offen, und durch sie kam nicht nur das Licht, sondern als es Mittag wurde, auch die Hitze. Eine Hitze, die den Durst von Sam noch steigerte.

Und dann kam Manton wieder. Sam hatte im Halbschlaf gelegen. Doch bei Mantons Eintritt, als dessen Körper die Tür verdunkelte, sprang Sam wieder auf die Füße. Er knurrte, als er dieses Mannes ansichtig wurde, der ihn vorhin gequält hatte.

Manton lachte wieder. Es war ein Lachen wie in Vorfreude auf das, was er sich ausgedacht hatte. Und er kam näher. Sam witterte Wasser. Manton hatte es in einem Kübel. Es platschte an die Wände dieses Holzeimers. Etwas davon spritzte auf den Boden. Der Geruch von Wasser versetzte Sam fast in Raserei. Aber alles das war noch gar nichts gegen das, was kommen sollte.

Manton lachte wieder und spritzte Sam mit dem Wasser voll. Sam heulte vor Wut, knurrte. Und dann stellte Manton diesen Eimer mit dem Wasser ein Stück vom Käfig entfernt zu Boden. Wenig später ging er wieder. Ging hinaus und ließ sich bis zum späten Nachmittag nicht mehr sehen.

Einmal bekam Sam eine Witterung in die Nase, die von einem anderen Menschen stammte, den er ebenfalls kannte. Die Witterung von Jack Richards. Und er hörte ihn sogar. Er hatte die Stimme eines der drei Männer, die damals über Lil hergefallen waren. Aber Geruch und auch Stimme schwanden wieder. Schließlich war es Manton allein, der die Hütte betrat. Gegen Abend aber tauchte die Frau auf.

Und mit ihr kamen die drei Männer. Jene drei, die Sam von dem Zwischenfall mit Lil Kane kannte. Die Frau aber war ihm fremd.

Manton deutete auf Sam, hängte eine Lampe oben in das Zimmer, das er einst in die Höhle gebaut hatte, und zündete sie an. Der Lichtschein fiel auf Sam und seinen Käfig.

Und Manton sagte: „Da habt ihr ihn. Der tut niemandem mehr was. Der hat nur noch einen Gedanken: Saufen! Wasser bekommen!“

„Ich möchte ihn am liebsten umlegen. Dieses Miststück!“, keuchte Mandy Snyder.

Archie nickte nur und Jack Richards erklärte: „Was du mit ihm vorhast, Frank, das kann schwer ins Auge gehen! Es wäre einfacher, dieses Vieh einfach totzuschlagen oder zu erschießen.“

„Überlass ihn mir“, erwiderte Frank Manton und lächelte selbstgefällig. „Ich mache aus ihm ein Geschäft. Ich habe mir etwas ausgedacht. Das bringt uns etwas. Wie ist es denn? Ist euch auch wirklich keiner gefolgt?“

„Keiner. Betty wollte erst nicht mit. Sie hatte Angst, nicht wahr, Betty?“, meinte Jack Richards.

Sie blickten alle Betty Hunt an. Und die zuckte die Schultern und meinte schnippisch: „Angst? Ich weiß gar nicht, wovon der redet. Der Ranger hatte gesagt, ich müsste im Saloon bleiben. Ich sollte da schlafen und durfte die Stadt nicht verlassen. Wenn ich so was schon höre! Es war überhaupt ein verrückter Einfall von dir, Frank, dass ich mich um ihn kümmern sollte. Der hat sich um mich gekümmert, nicht ich um ihn. Das hat nicht funktioniert. Das ist ein ganz sturer Bolzen. Der kennt nur seinen Befehl und seine Aufgabe. Aber wir haben Glück gehabt.“

„Glück, welches Glück?“, knurrte Frank Manton.

„Das Glück nämlich, dass sich alle einbilden, es hängt mit dem Gouverneur zusammen. Mit eurem Vater! Als wenn der so wichtig wäre.“

Archie runzelte die Brauen, und Mandy meinte: „Wichtiger als du ist er schon. Wer bist du denn? Eine Schlampe!“

„Nun hör dir den an, wie der das Maul aufreißt!“, schnauzte ihn Betty Hunt an. „Was bildest du dir eigentlich ein? Bis jetzt war ich euch gut genug, nicht wahr?“

„Oder wir dir“, erwiderte Mandy. „Du hast unser Geld immer gerne genommen. Darauf ist es dir doch angekommen und nicht auf uns.“

„Na und, was sollte ich denn von euch wollen? Selbstverständlich war ich auf euer Geld scharf. Ihr habt mir doch nichts zu bieten außer Geld.“

„Meinst du mich auch damit?“, fragte Jack Richards mit gepresster Stimme.

Sie sah ihn an und lachte übermütig. „Dich ebenso wie die anderen. Ihr Stümper, was seid ihr denn? Junge Burschen, unerfahren, mit großen Klappen!“ Sie hielt einen Augenblick inne und sah Frank Manton versonnen an. „Cadburn würde mir schon gefallen“, erklärte sie. „Wenn der kein Texas-Ranger wäre, ausgerechnet. Das dürfte er nicht sein. Aber sonst – das ist ein Mann. Der lässt sich auch nicht gleich so beeindrucken. Dem kann man nicht mit so billigen Sachen kommen. Aber ihr Narren, ihr drei, ihr fallt doch auf jeden Schmus herein: Auf alles!“

Mandy Snyder konnte seinen überschäumenden Zorn nicht mehr bändigen. Und er holte aus, um Betty zu schlagen. Aber Archie packte seinen Arm, riss ihn zurück. „Bist du verrückt, lass den Unsinn!“

„Bemüh dich nur nicht“, meinte Betty. „Diese Sorte kenne ich schon. Es hat euch wohl nicht gereicht, was mit Lil passiert ist? Eines Tages wird die schon mal reden. Ewig hält die doch den Mund nicht. Nun schlag doch schon zu, Mandy. Das sind die richtigen Männer. Frauen schlagen und vor einem echten Mann kneifen.“

„Hör jetzt auf!“, meinte Frank. „Die ganze Streiterei führt zu nichts.“

„Sei du nur still!“, sagte Jack Richards zu Frank Manton. „Dir haben wir Geld gegeben. Du solltest diesen Wolf erschlagen und uns seinen Balg in die Hände drücken. So war es ausgemacht. Stattdessen möchtest du noch den Gouverneur erpressen!“

„Eben!“, rief Archie. „Ich wollte sowieso mit dir darüber reden. Daraus wird nämlich nichts. Er ist unser Vater. Wenn uns auch manches nicht gefällt, was er tut und sagt, aber letztlich ist er uns mehr wert als du!“

Frank Manton lehnte sich an die Bretterwand des Raumes, hatte die Arme in die Seiten gestützt und sah Mandy und Archie, die nebeneinander standen, aus schmalen Augen an. „Ach, so ist das! Die Gentlemen haben sich also was ausgedacht. Der Gouverneur ist auf einmal ein wertvoller, wichtiger Mann. Vor einiger Zeit habe ich euch noch anders reden hören.“

„Eben. Geh doch hin und erzähl ihm die Geschichte mit Lil!“, meinte Mandy. „Mal sehen, wie weit du kommst. Du kannst überhaupt nichts erzählen, dich suchen sie schon. Siehst du, da hast du Pech gehabt. Betty hat getratscht. Sie hat zu viel erzählt. Die Geschichte, die sie ihm aufgetischt hat, die mag gut sein. Der Nachteil ist nur, dass du darin vorkommst. Sie hat deinen Namen genannt, Frank.“

„Es mag nicht besonders klug und gut gewesen sein von ihr, aber die Geschichte ist so gut, dass sie mich nicht suchen.“

„Du irrst dich! Dieser Texas-Ranger wird dich so lange suchen, bis er dich gefunden hat. Es ist nicht ganz so einfach, dich zu finden. Früher hatte er immer den Wolf und dessen Nase, aber er wird dich irgendwann einmal finden. Vielleicht helfen wir etwas nach, wenn du nicht das tust, was wir von dir verlangt haben!“

„Und was habt ihr von mir verlangt?“, fragte Frank.

„Jack hat es dir eben gesagt“, erwiderte Mandy. „Wir wollen den Balg des Wolfes, und wir bekommen ihn auch!“ Er riss seinen Revolver aus dem Holster, richtete ihn auf Sam und sagte: „Ich werde ihn erschießen, und damit ist die Sache beendet! Dann erklär du dem Texas-Ranger, was du willst.“

Jack und Archie standen neben Mandy. Und sie alle starrten auf den Wolf und auf Frank Manton. Keiner achtete auf Betty.

Betty hatte unbemerkt von den drei jungen Männern die doppelläufige Schrotflinte von Manton aus der Ecke genommen und richtete sie jetzt auf den Rücken der drei jungen Männer.

„Du kannst ruhig abdrücken, Mandy“, sagte sie. „Ich bin vielleicht eine Sekunde langsamer als du, aber einen Vorteil hat diese alte Flinte mit den abgesägten Läufen. Sie streut derartig, dass sie euch alle drei erwischt. Was ist denn im Lauf drin?“, wandte sie sich Frank Manton zu. „Was hast du hineingetan, Frank?“

„Grobschrot“, erwiderte Frank Manton. „Hackblei.“

„Nun bitte, da seht ihr ja prima aus danach“, erklärte Betty.

Jack Richards fuhr herum, sah die Flinte und erkannte in dem Augenblick, dass es kein Bluff war.

„Dieses Dreckstück von einem Weib!“

„Ach, wie reizend du bist zu mir. Vor einiger Zeit hast du mich noch Liebling genannt. Nun bin ich ein Dreckstück!“

„Genau das bist du!“, keuchte Richards.

„Ich glaube, ihr hasst alle Frauen. Was ist eine Frau für euch, ein Lustobjekt oder was sonst?“

„Halt bloß dein großes Maul!“, fuhr sie Archie an. „Es kommt auch noch mal anders!“

Mittlerweile hatten sie sich alle drei umgedreht. Mandy hatte aus Furcht, dass Betty schießen könnte, den Revolver sinken lassen. Doch jetzt hob er ihn wieder an. „Ich glaube nicht“, flüsterte er, dass Betty Mühe hatte, ihn zu verstehen, „dass du abdrücken würdest. Weißt du, wie Grobschrot wirkt?“

„Und ob ich es weiß!“, rief sie lachend. „Du hast ja keine Ahnung, was ich alles kenne, wie, Frank?“

„Ja, Jungs“, rief Frank Manton, „sie hat eine Menge erlebt!“

Auch Manton nahm jetzt sein Gewehr von der Wand: eine Winchester. Und als er sie durchhebelte, zuckten die drei wieder herum. Die Mündung des Winchester-Gewehres war auf

Mandy Snyder gerichtet. „Lass den Revolver unten, lass ihn bloß unten!“, mahnte Frank Manton.

In diesem Augenblick wollte Mandy abdrücken. Er schoss auch. Und der Schuss hätte Frank Manton erwischt, aber der warf sich zur Seite, und so fuhr das Geschoss an Manton vorbei in die Holzwand. Da aber zog Betty den Stecher der Flinte zurück.

Es kam genau so, wie Betty es prophezeit hatte.

Mandy Snyder wurde voll getroffen. Das Hackblei trieb ihn ein Stück vor und schleuderte ihn dann zu Boden. Außer ein paar schlaffen Bewegungen brachte er nichts mehr zuwege.

Jack Richards fing nur ein einziges Stück Blei ein. Aber dieses eine traf ihn am Hals, riss ihm die Schlagader auf, und die Bemühungen von Richards, den Blutstrom dadurch zu stoppen, dass er die Hand auf die Wunde presste, war so hoffnungslos wie entsetzlich. Richards begriff, dass das Leben aus ihm heraussprudelte, ohne dass er es aufzuhalten vermochte. Er jammerte, er schrie gurgelnd um Hilfe und war doch nicht zu retten.

Archie war nur unwesentlich verletzt. Unmittelbar nachdem sein Bruder an ihm vorbeigeflogen und von den Bleistücken getötet worden war, riss Archie den Revolver aus dem Holster, wollte schießen, aber jetzt war Frank Manton wieder zur Stelle und feuerte aus dem Winchestergewehr. Er schoss das ganze Röhrenmagazin in seiner Hast leer, und fünf der sechs Schüsse trafen Archie so, dass einer davon genügt hätte, um ihn umzubringen.

Betty, die erst jetzt begriff, wie grauenhaft die Wirkung ihres Schusses gewesen war, stand leichenblass und zitternd, die Finger noch immer um die Waffe gepresst, starrte auf die sterbenden Männer, blickte dann zu Frank Manton auf, und der grinste nur schief und zuckte die Schultern, als ob weiter nichts gewesen sei.

Plötzlich erfasste Richards das Furchtbare des Vorganges, wusste jetzt, dass ihm niemand mehr helfen konnte, niemand mehr helfen würde. Noch einmal nahm er seine ganze Kraft, die ihm verblieben war, zusammen, packte den Revolver von Mandy, der dem entfallen war und in Reichweite von Jack Richards lag.

Er riss ihn hoch. Betty sah es und schrie. „Frank, Frank!“

Da schoss Richards schon. Aber der Schuss streifte Frank Manton nur ganz leicht am rechten Oberarm. Dann feuerte Manton schon zurück, und seine Kugel traf Jack Richards in die Stirn. Im Sterben noch drückte Richards zweimal den Colt ab, aber die Schüsse schlugen an die Felsendecke, glitten ab und jaulten als gefährliche Querschläger herum. Einer davon landete unmittelbar neben Sam im Käfig.

Sam machte einen Satz zur Seite und knallte gegen das Gitter.

Dann war es unwirklich still. Pulverrauch wogte um die Lampe. Die toten Männer lagen vor dem Käfig. Der Blutgeruch machte Sam fast rasend.

„Diese Narren!“, knurrte Frank Manton. „Diese hirnverbrannten Idioten! Aber gut so, haben wir die vom Leib. Jetzt können wir unsere Forderungen an den Gouverneur etwas präziser stellen.“

„O Himmel, wenn das nur gutgeht“, meinte Betty. „Was hast du wirklich vor?“

„Ich wollte Lösegeld verlangen vom Gouverneur. Archie und Mandy sind schließlich seine Söhne. Er wird sie sich was kosten lassen; dazu noch den Wolf!“

„Es ist entsetzlich!“ Betty schlug die Hände vors Gesicht. „Ich habe das getan, ich habe das getan!“

„Geh nach draußen, du Närrin! Es war richtig, was du getan hast. Meine alte Schule; du hast sehr klug gehandelt. Und überlege doch, mehr waren diese Kerle nicht wert. Versetz dich mal an Lils Stelle. Wenn sie dich allein gehabt hätten, wäre es dir nicht anders ergangen. Du kannst von Glück sagen, dass du immer jemanden gehabt hast, der dich schützt. Lil hatte niemand. Und ihr Vater weiß es ganz sicher jetzt noch nicht mal, was diese drei Lumpenkerle mit seiner Tochter anstellen wollten.“

Betty schwieg, presste die Hände vors Gesicht, taumelte nach draußen und lehnte sich an den Höhleneingang.

Manton packte den toten Jack Richards, schleifte ihn ins Freie. Er kam nach einer Weile wieder, holte Mandy Snyder und später Archie.

Nach einiger Zeit kam Betty zurück. Dann auch Frank Manton. Er verschloss die Tür, drehte den Docht der Lampe etwas höher und sagte zu Betty: „Nun mach dir mal keine Sorgen. Hier oben finden sie uns so leicht nicht. Ich habe dir gesagt, das wird ein Geschäft, danach gehen wir weg von hier.“

Als sie schwieg und nur immerzu auf Sam starrte, da fuhr er fort: „Ich sagte doch, sie waren nichts wert. Die entdeckt keiner. Die sind tief in der Felsspalte drin, und ich habe Geröll darauf laufenlassen. Er hier, er würde sie finden. Aber den werde ich für mich abrichten.“

Betty sah auf. „Das glaubst du? Der hält zu seinem Herrn.“

„Wenn es stimmt, was mir dieser Alte, dieser Spieler, im Saloon erzählt hat, dann waren die nicht wie Herr und Hund, sie sind irgendwie Partner gewesen. Der ist immer freiwillig mitgelaufen. Aber ich – ich werde sein Herr sein. Ich werde ihn richtig abrichten, denn er ist der Hund. Wenn er nicht spurt, wenn er nicht tut, was ich sage, dann geht es ihm schlecht. Verstehst du?“

Frank Manton war an den Käfig getreten, in der Rechten hielt er die Stange, in der Linken die Schnapsflasche.

„Hast du mich verstanden, du Vieh?“

Sam knurrte ihn an.

„Knurre nur; das wird dir schon vergehen, das Knurren. So wie mit den anderen, so verfahre ich auch mit dir, wenn du nicht spurst. Da – wirst du wohl das Knurren sein lassen!“ Er fuhr mit der Stange zwischen den Stäben hindurch, stieß in Sams Richtung.

Sam wich aus. Den Schmerz vom Schlag der Stange, den spürte er jetzt noch.

Manton trank aus der Flasche.

„Du bist gemein“, rief Betty, „ich möchte auch etwas!“ Sie hatte irgendwo ein Glas gefunden, hielt es hin, und Frank Manton goss von dem Schnaps hinein.

Betty trank, goss den scharfen Brandy wie Wasser hinunter. „Ich möchte noch einen!“, rief sie.

„Besauf dich nicht! Das können wir nicht gebrauchen. Wir müssen klare Sinne behalten!“

„Wieso denn nur?“, fragte sie. „Du hast doch gesagt, wir wären hier oben sicher.“

„So sicher sind wir nirgendwo. Man muss immer aufpassen, und wenn es seinetwegen ist.“ Er deutete auf Sam.

„Hör auf damit! Gieß etwas ins Glas, ich habe Durst!“

„Durst!“ Manton lachte gehässig. „Das hat der hier auch. Und wie der Durst hat. Aber er knurrt noch. Er ist noch viel zu stark. Der wird noch klein, ganz klein. Pass mal auf, wenn der zwei Tage nichts bekommen hat; oder drei, oder vier. Wenn er am Boden liegt und nur noch japst. Aber dann frisst er mir aus der Hand. Dann tut er alles für einen Tropfen Wasser. Da kannst du doch sicher sein.“

„Das ist doch nur ein Tier! Lass ihn doch in Ruhe, lass ihn laufen!“

„Ihn laufenlassen? Wenn der Texas-Ranger den wieder hat, dann bin ich nicht mehr vor ihm sicher. Und glaube mir, dieses Vieh würde sich auch rächen für den Schlag, den es von mir bekommen hat, nicht wahr? Dafür willst du dich doch sicher rächen, du Vieh!“

Manton stieß wieder die Stange nach Sam. Und diesmal streifte er Sam leicht am linken Hinterbein. Sam heulte vor Schmerz auf, fauchte, versuchte zu schnappen. Aber Manton hatte die Hand viel zu weit vom Gitter entfernt, er lachte nur und stieß noch einmal mit der Stange zu, traf Sam und fetzte ihm mit der spitzen Stange den Rücken auf.

Jetzt wich Sam zurück. Er versuchte aus dem Bereich dieser Stange zu bleiben und lauerte nur darauf, dass Manton einmal mit der Hand zu nahe ans Gitter käme. Aber Manton war zu vorsichtig.

„Lass es doch sein!“, rief Betty.

„Trink du und halte deine Klappe! Das hier ist mein Geschäft, nicht deins“, entgegnete Manton.

„So tut er nie, was du willst“, behauptete sie.

„Du hast keine Ahnung“, erwiderte er. „Der wird so klein. Ich sage doch, der passt in meinen Hut, so klein wird er.“

Jetzt hatte sich Manton etwas Neues ausgedacht. Das mit der Stange schien ihn zu langweilen. Er holte eine lange Bullpeitsche aus einem hinteren Winkel dieses Raumes, trat damit neben den Käfig, trank wieder aus der Flasche und sagte zu Betty: „Jetzt sollst du mal sehen; jetzt sollst du ihn mal springen sehen!“

„Lass es doch sein! Was haben wir davon?“, entgegnete sie.

„Was wir davon haben? Unseren Spaß haben wir. Trink, Betty, trink, hier! Da drüben steht noch eine Flasche. Gut von mir, dass ich die Vorräte hergeschafft habe, was? Hättest du nie gedacht!“

„Ich hab‘s ja gewusst. Du hast immer erzählt, dass du Sachen hier hoch schleppst.“

„Eben, der gute Mann baut vor. Wir können hier oben wochenlang leben. Wasser haben wir, zu essen haben wir, und sogar Schnaps. Davon können wir uns tagelang besaufen. Trink, Betty, mach dir eine Flasche auf!“

„Mit einem Male? Vorhin wolltest du nicht ...“

„Halt die Klappe und trink!“

Sie trank, und mit jedem Schluck, den sie tat, wurde sie hemmungsloser. Er aber, Frank Manton. holte mit der Peitsche aus, und Betty wusste, wie sicher er damit zuschlagen konnte. Er war imstande, einem Manne mit der Peitsche die Zigarette aus dem Mund zu schlagen, ohne den Betreffenden zu verletzen. Und so genau fegte die Lederschnur zwischen den Stäben hindurch, knallte unmittelbar neben Sam, der erschrocken zur Seite sprang. Das nächste Mal aber traf ihn die Peitsche. Die Schnur fetzte ihm die Haare aus dem Pelz, schlug ihm blutige Striemen, riss ihm die Haut auf. Und immer wieder schlug er zu. Und dann, als Sam in seiner Wehrlosigkeit nicht mehr ein noch aus wusste, da nahm Frank Manton den Kübel mit dem Wasser und schüttete ihn über Sam hinweg.

Sam hatte wahnsinnigen Durst.

Aber der Schmerz war größer. Und er tat nicht das, was Frank Manton wohl erwartete. Er leckte nicht das Wasser von seinem Pelz, er schlürfte es nicht vom Boden weg, wo es in kleinen Pfützen stehengeblieben war.

Manton war dicht an den Käfig getreten, in der Rechten die Peitsche, in der Linken den Eimer. Gehässig rief er Sam zu: „Na, nun leck es auf, leck es auf!“

Sam stand mit gesträubtem Fell und presste sich an die andere Seite des Käfigs.

Manton lachte höhnisch. „Jetzt hast du es mit der Angst, nicht wahr? Jetzt zitterst du, jetzt fürchtest du dich, dass ich noch einmal zuschlage. Da!“ Und er wollte wieder zuschlagen, holte aus und kam einen kurzen Augenblick lang mit der Hand ganz dicht an die Stäbe heran. Und darauf hatte Sam die ganze Zeit gewartet.

Sam schoss förmlich nach vorn; und ebenso zielsicher, wie Manton vorhin die Peitsche gebraucht hatte, so genau fuhr die Schnauze von Sam jetzt zwischen den Stäben hindurch. Die Fänge, diese messerscharfen Zähne, packten Mantons rechte Hand, schnappten zu und rissen ihm das Fleisch bis auf die Knochen auf.

Manton schrie gellend. Betty fuhr herum. Und dann hatte Sam schon wieder losgelassen.

Manton starrte auf seine blutende, aufgefetzte Hand.

Betty, die schon drei Wassergläser voll Schnaps getrunken hatte und gar nicht mehr klar denken konnte, rief kichernd: „Jetzt siehst du aus wie Mandy! Dieselbe Hand wie Mandy!“

Manton zuckte herum. „Halt dein dreckiges Maul! Sei still, du Schlampe! Hilf mir lieber!“

Betty war total betrunken. Sie begriff gar nicht mehr, um was es ging.

Manton hob die Peitsche auf, die ihm aus der Hand gefallen war, packte sie mit der Linken und sagte: „Du sollst mir helfen! Du verdammtes Weib sollst mir helfen!“

Betty stieß der Schnaps auf. Sie rülpste wie ein Fuhrknecht, lachte irr und verdrehte die Augen. Da schlug Manton zu. Und auch mit der Linken wusste er mit der Peitsche umzugehen. Das Leder fetzte über Bettys Schulter, riss ihr das Kleid auf.

Betty schrie, taumelte, stürzte auf die Knie und kreischte. Aber Manton wandte sich um, riss sich das Halstuch herunter und wickelte es um seine stark blutende Hand. „Steh auf und hilf mir!“, brüllte er über die Schulter.

Betty gab keine Antwort. Sie kniete am Boden, blickte auf ihre Schulter und sah, dass dort ein dicker blutunterlaufener Striemen war. Dann stierte sie mit hasserfüllten Augen auf Manton. „Du hast mich geschlagen“, keuchte sie.

„Ja, ich habe dich geschlagen, und ich schlage dich noch mal, wenn du mir nicht sofort hilfst!“, rief er, ohne zu ihr hinzusehen.

Sie schloss einen Augenblick die Augen, öffnete sie, starrte wieder auf ihre blutunterlaufene Schulter und stand auf.

Wütend fuhr er herum. „Was stehst du da? Du sollst mir helfen! Siehst du nicht, wie ich blute? Diese verdammte Bestie! Aber die knall‘ ich nachher ab, warte nur! Und jetzt komm her und hilf mir!“

„Nein“, sagte sie. „Hilf dir selbst, du Grobian! Bin ich denn blind gewesen all die Jahre? Und ich habe mich dir zu Dank verpflichtet gefühlt. Du bist eine Bestie, ein Vieh!“

Es war, als beachtete er diese Bemerkung überhaupt nicht. Doch ganz unvermittelt fuhr er herum, und zugleich holte er mit der Peitsche aus. Dann schlug er zu! Die Geißel traf Betty quer im Gesicht. Und diesmal zog sie eine blutige Furche.

„Ich habe dir gesagt, du sollst still sein und mir helfen! Wird es bald?“

Betty wurde blass. Blut perlte aus dem Striemen, den die Peitsche gezogen hatte. Die Oberlippe war aufgeplatzt. Betty flog am ganzen Körper. Sie war so erschüttert, so verblüfft, befand sich in einem so tiefen Schock, dass sie nicht imstande war zu schreien. Sie stand einfach da und starrte völlig fassungslos auf Manton.

Langsam wandte sie sich um, ging auf den alten Spiegel zu, der halb blind an der Wand hing, blieb davor stehen und starrte ins eigene Spiegelbild. Ihr Gesicht sah furchtbar aus.

Sie drehte sich halb herum, und Manton rief ihr ungeduldig zu: „Wird es bald? Soll ich dir noch eine überziehen?“

Sie sagte nichts. Es sah aus, als wollte sie jetzt gehorchen. Völlig verstört taumelte sie in Mantons Richtung. Aber dabei musste sie am Käfig vorbei. Und als sie daneben war, da stützte sie sich auf die Gitterstäbe.

Manton sah es und schrie. „Willst du dir die Hand zerfleischen lassen?“

Sie gab darauf keine Antwort. Und erstaunlicherweise machte Sam nicht den geringsten Versuch, sie zu beißen.

„Aha“, brüllte Manton. „dich verschont er, auf mich geht er los, dieses Miststück! Ihr passt zusammen, ihr zwei!“

Er wandte sich wieder um, zog mit seiner gesunden Hand ein weißes Tuch aus seinem Sattel, den er oben an dem Haken aufgehängt hatte.

„Hier“, brüllte er ohne sie anzusehen, „wickle mir das um den Arm! Nun komm schon!“

Als sie sah, dass er sie nicht beachtete, stieß sie mit dem Knie den Riegel der Käfigtür auf. Dann ging sie weiter, taumelte auf ihn zu und keuchte: „Du bist ein Schuft, du bist ein gemeiner Schuft! Sieh mich an! Sieh es dir an, was du mit mir gemacht hast!“

Ohne sie anzusehen rief er höhnisch: „Und was sehe ich, wenn ich dich betrachte? Eine dämliche Ziege, die nichts dazugelernt hat. Los, nimm das Tuch!“

Sam hatte keine Sekunde gezögert, da war er aus dem Käfig heraus. Die Tür konnte er mit dem Kopf aufdrücken. Und nun war er draußen.

Der Durst plagte ihn, und in dem Bottich war sicher noch etwas Wasser. Aber das spielte jetzt keine Rolle. Das konnte warten. Erst musste er kämpfen!

Er kam um den Käfig herum, war jetzt genau im Rücken des Mannes. Betty sah ihn allerdings, blickte ihn an und musste wohl ein furchtsames Gesicht gemacht haben.

„Was ist denn?“, schnauzte Frank Manton sie an. „Was starrst du denn so?“

Er drehte sich um, blickte in dieselbe Richtung wie Betty und sah Sam.

Da sprang Sam ab.

Er flog wie ein Pfeil gegen Mantons Brust, stieß den Mann zurück, biss in seine Schulter, fetzte ihm die Jacke auf, und sogleich sah Betty die nackte Haut von Manton, wie sie aufgerissen war und wie das Blut hervorquoll.

Manton schlug mit seiner gesunden Hand zu, versuchte Sam abzuwehren.

Sam wollte wieder zubeißen. Aber diesmal gelang es Manton, rechtzeitig auszuweichen.

Sam, der hochgesprungen war, landete wieder auf allen vieren, wirbelte herum und wollte Manton wieder anspringen. Aber der packte Betty, riss sie mit dem linken Arm an sich wie einen Schutzschild und schrie. „Da, die kannst du fressen, die kannst du kriegen!“

Dann stieß er Betty Sam entgegen. Sam wollte ausweichen, aber Betty stürzte über ihn und begrub ihn unter sich.

Die Zeit, bis Sam sich unter Betty hervorgearbeitet hatte, genügte Frank Manton, seinen Revolver zu packen, in die gesunde Linke zu nehmen und Betty zuzurufen: „Auf die Füße mit dir, hoch mit dir!“

Als Betty hochkam und Sam unter ihr hervorsprang, da schoss Manton. Aber Betty hatte in dem selben Augenblick einen Schritt nach vorn gemacht, war getaumelt, genau ins Schussfeld hinein.

Betty schrie auf, presste die Hände vor ihren Bauch und starrte Manton voller Entsetzen an.

In diesem Augenblick schoss Sam vor, biss in den ausgestreckten linken Unterarm von Manton, und der hatte damit überhaupt nicht mehr gerechnet, brüllte auf und ließ erschrocken den Revolver los, während ihm die messerscharfen Zähne des Wolfsblutes den Unterarm zerfleischten.

Irgendwie verlor Manton in diesem Augenblick die Nerven. Er rannte los, stürmte auf die Tür zu. konnte sie aufreißen und nach draußen entkommen. Er trat die Tür hinter sich mit dem Fuß zu, und als Sam ihm folgen wollte, konnte er nicht hinaus.

Sam blickte sich nach Betty Hunt um, die jetzt auf die Knie gestürzt war, ihre Hände auf den Leib presste und in dieser Stellung vorgebeugt verharrte. Bettys Gesicht wurde bleich. Und der Striemen, der quer über die untere Gesichtshälfte verlief, zeichnete sich noch deutlicher ab als vorhin.

Sie stöhnte, sie krümmte sich vor Schmerzen, und dann sackte sie zusammen. Aber sie war nicht tot. Das Sterben von Betty Hunt währte länger. Es sollte noch einige Stunden lang dauern, furchtbare Stunden. Aber sie war nicht imstande, Sam die Tür aufzumachen.

Während sie mit dem Tode rang, stillte Sam endlich seinen Durst in dem Bottich. Dann machte er den Versuch, die Tür zu öffnen. Aber das war nicht so einfach. Obgleich Tom ihm beigebracht hatte, wie man eine Tür öffnet, musste er den Versuch hier bald aufgeben.

So sehr er sich auch einstemmte, die Tür ließ sich nicht öffnen. Sie hatte auch keine Klinke und keinen Schnapper, Sie klemmte ganz einfach und widerstand dem dafür nicht ausreichenden Gewicht des Wolfes.

Aber Sam wollte hinaus. Er wollte diesen Mann stellen, der ihn so furchtbar gequält hatte. Er lief zurück, nahm Anlauf und warf sich gegen die Tür, Scheinbar hatte sie auch jetzt diesem Druck widerstanden. Sam wollte schon aufgeben, denn ihn schmerzte die Schulter, schmerzte der Nacken von dem Anprall, und doch war die Tür ein kleines Bisschen nach außen gerutscht.

Sam machte noch einmal einen Versuch, warf sich gegen die Tür, und da gab sie nach. Ein Stück schwenkte sie auf, und schon war Sam durch die Spalte nach draußen geschlüpft, hatte im selben Augenblick die Witterung von Manton und folgte der Spur.

Manton war den schmalen Pfad talwärts gelaufen, die Schlucht entlang bis hinunter zu jenem Talkessel, wo er die Pferde untergestellt hatte. Und dort befanden sich nicht nur die Pferde, sondern auch die Gewehre von Jack Richards, Mandy Snyder und seinem Bruder Archie.

Manton stand da unten und hatte eines dieser Gewehre in den Händen. Er konnte es mit seiner Rechten kaum halten. Inzwischen war es ihm gelungen, seinen linken Unterarm zu verbinden. Mühsam zwar, aber doch so weit, dass er die Blutung stillen konnte. Nun stand er da und wartete auf Sam. Wartete in der mittlerweile vollends hereingebrochenen Nacht auf Sam.

Und Sam kam. Aber Manton sah ihn nicht. Sam war so schwarz wie diese Nacht, und er bewegte sich lautlos. Als er jetzt am Eingang des Talkessels stand, da blickte er aus Augen, die zu glühen schienen, hinab auf Manton.

Das matte Licht der Sterne brach sich auf dem Gewehrlauf in Mantons Händen. Der Mann sah sich suchend um, versuchte Sam irgendwo in der Dunkelheit zu entdecken. Aber die Finsternis schien undurchdringlich und zeigte ihm Sam nicht.

Plötzlich raschelte etwas oben, etwa fünf, sechs Schritte von Sam entfernt. Sofort riss Manton das Gewehr hoch, schoss. Der grelle Mündungsblitz blendete ihn selbst. Aber der Schuss fuhr ins Leere.

Sam hatte von Tom Cadburn gelernt, immer unmittelbar nach einem Abschuss auf einen Gegner zuzulaufen. Das tat er auch jetzt. Sam wusste nicht, warum das so war, das konnte ihm Tom Cadburn nicht erklären, dass der Mündungsblitz den Schützen blendete und ihn für kurze Zelt außerstande machte, in der Dunkelheit etwas zu sehen.

Und es funktionierte auch jetzt. Sam kam gefahrlos bis auf etwa zwanzig Schritt an Manton heran, legte sich zu Boden, presste den Kopf auf seine Vorderpfoten und versuchte mit dem Blick seiner grünen Augen die Finsternis zu durchdringen. Da sah er vor dem etwas helleren Hintergrund den Oberkörper Mantons wie einen Scherenschnitt. Er sah sogar den Gewehrlauf. Und dieser Lauf bewegte sich jetzt, und dann feuerte Manton noch einmal. Schoss in eine ganz andere Richtung, wo er meinte, Sam gesehen zu haben.

Für Sam war das ein Signal, sich noch weiter an ihn heranzupirschen, sich abermals zu Boden zu legen und zu warten.

Aber nun war das Risiko größer geworden. Sam befand sich keine zehn Schritt mehr von Manton entfernt. Es war gut möglich, dass der ihn sah, so sah, wie Sam den Mann erkannte.

Der Gewehrlauf blitzte im Licht der Sterne, schwenkte wieder herum. Sam hörte Manton etwas sagen. Er verstand es nicht, aber er spürte den Hass in den Worten, der darin mitschwang.

Plötzlich kam Manton auf ihn zu. Seine Stiefel scharrten im Schotter, der den Talgrund bedeckte, tappten näher, immer näher, und wenn er so weiterging, musste er über Sam fallen.

Da! Manton blieb wie erstarrt stehen, hatte Sam entdeckt, packte das Gewehr, senkte den Lauf.

Sam sprang ab, schoss aus dem Liegen heraus auf Manton zu. Und in diesem Augenblick knallte der Schuss.

In Sams Ohren war es wie eine Explosion, als dicht neben ihm der Abschuss erfolgte. Glühend heiß fuhr es über Sam Rücken. Der Mündungsblitz tauchte das Land für einen Augenblick lang in grelles Licht.

Sam prallte gegen Manton, biss sofort zu. Und Manton ließ mit einem schrillen Schrei das Gewehr fallen. Es klirrte unten aufs Geröll. Dann versuchte Manton Sam abzuwehren. Trat nach ihm und traf mit der Stiefelspitze Sam empfindlich am Bauch.

Der Schmerz, der Sam so jäh durchströmte, nahm ihm fast die Besinnung. Sam war außerstande, seinen Angriff fortzusetzen. Er stürzte auf den Rücken, wälzte sich herum und jaulte in Atemnot und Schmerzen.

Manton versuchte nicht erst, sein Gewehr zu finden. Er rannte einfach los, jagte auf die Pferde zu.

Sam kämpfte gegen den Schmerz an. Er lag verkrümmt auf der Seite, während Manton immer noch auf die Pferde zurannte, die erschrocken und in panischer Furcht davonliefen. Das Donnern der Schüsse im Talkessel hatte sie so erschreckt, dass ihre Nerven viel zu angespannt waren. Und als Manton jetzt versuchte, eines der Tiere zu fangen, da rannten sie davon.

Und jetzt kam Sam. Jetzt hatte er wieder Gewalt über seinen Körper, hatte den Schock überwunden, der durch diesen schrecklichen Tritt mit der Fußspitze am empfindlichsten Teil seines Körpers erfolgt war. Und nun kam er!

Er war noch immer nicht wieder im Vollbesitz seiner Kraft, seiner Energie. Doch es gelang ihm aufzuholen. Und Manton, der das Hecheln hinter sich hörte, lief schneller, stolperte, rannte weiter. Sam kam immer näher. Manton blieb stehen, hob mit seiner gesunden Linken einen Stein auf und schleuderte ihn nach Sam. Dann hastete er weiter, warf wieder einen Stein.

Sam wurde vorsichtiger in der Verfolgung. Die Steine sprangen um ihn herum, trafen ihn nicht. Aber gefährlich waren sie doch, und er wusste es.

Manton hastete wieder den Felspfad empor und wollte ganz offensichtlich zu seiner ausgebauten Höhle zurück.

Sam versuchte aufzuholen. Wieder wurden ihm Steine entgegengeschleudert. Aber dann schmolz der Vorsprung. Mit jeder Sekunde, die verging, kehrte mehr Energie und Kraft in Sam zurück. Er wurde schneller, seine Sprünge länger. Manton rannte um sein Leben. Links von ihm fiel der Pfad steil ab, rechts ging es empor. Die Felswand ragte bis hinauf zum Himmel, wie es schien.

Sam war jetzt heran. Noch einmal drehte sich Manton um, schleuderte einen Stein, und der streifte Sam an der Brust. Aber das hielt Sam nicht mehr auf. Mit einem Knurren, mit einem Heulen stürzte sich Sam auf den Mann, der verzweifelt um sich schlug und versuchte, diesen Gegner abzuwehren.

Sam biss, wo er von Manton etwas erwischen konnte. Und das war der Protest, das war die Rache des Wolfes, der von diesem Menschen gequält worden war. Und das war gewissermaßen auch die Rache all derer, die Manton auf dem Gewissen hatte.

Manton stürzte auf die Knie, riss beide Arme schützend vors Gesicht, wollte noch einmal mit der Linken zuschlagen. Da biss Sam zu. Biss in diese linke Hand, so wie er auch die rechte vorhin zerfleischt hatte.

Manton schrie, brüllte!

Plötzlich drang ein schriller Pfiff durch die Nacht. Sam hörte es nur einen kurzen Augenblick lang, hörte den Pfiff und auch das Schnauben eines Pferdes irgendwo in der Tiefe. Und dann der Ruf: „Sam!“

Es war Tom Cadburn. Ein freudiger Schreck durchfuhr Sam. Einen kurzen Augenblick lang war er abgelenkt.

Frank Manton nahm trotz der Verletzung an seiner rechten Hand einen Stein auf, holte damit aus und wollte ihn mit voller Wucht, wie einen Hammer, auf den Kopf von Sam schmettern. In rasender Schnelligkeit fuhr die Hand mit dem Stein nach unten!

Da begriff Sam, um was es ging. Dieser Stein würde ihn zerschmettern. Die Gewalt, die Wucht und die Verzweiflung, mit der Manton zuschlagen wollte, hätte Sam den Schädel regelrecht zertrümmert. Und jetzt warf er sich zur Seite.

Mantons Schlag ging ins Leere, knallte mit voller Wucht auf den Felsboden des Pfades. Und genau in diesem Augenblick, bevor Manton noch schmerzerfüllt aufbrüllen konnte, biss Sam zu. Biss in Mantons Genick. Das war nicht der Biss wie in die Hand, wie in den Arm; dieser Biss brachte die Entscheidung. Er war tödlich!

Wieder ertönte ein Pfiff aus dem Tal und der Ruf. Sam spürte den Mann unter sich schlaff werden, zur Seite sinken, die Arme von sich strecken. Und er hörte und roch den letzten Atemzug dieses Menschen, der so kaltblütig getötet hatte. Gequält und getötet!

Wieder hörte Sam seinen Namen rufen. Da stellte er sich auf, richtete den Kopf empor zu den Sternen und stimmte sein schauriges Wolfsgeheul an. Und er heulte, bis Tom bei ihm war, bis er vor ihm stand, ein Zündholz anriss und auf den Mann blickte, den Sam mit seinem Genickbiss getötet hatte.

„Sam, mein Junge, ich bin froh, dass ich dich wiederhabe. Hat er es so schlimm mit dir getrieben, dass du ihn töten musstest?“

Sam sprang an Tom empor, wie er es nur ganz selten tat, und dann legte er seinen Kopf an Toms Brust.

Toms Hand streichelte über seinen Rücken, glitt hinab bis zur Schwanzwurzel und spürte dann die aufgeschlagenen Stellen.

„Was hast du denn da? Hat er das gemacht? Das muss ich noch verarzten, mein Junge!“

Später brannte er ein Licht an und untersuchte die Verletzungen von Sam, nahm jene Flasche aus seiner Tasche, die Sam schon kannte, und die er mitunter sehr fürchtete, weil das, was sich in dieser Flasche befand, höllisch brannte. Aber es musste sein.

„Sei tapfer, mein Sohn, wir kriegen das schon!“, sagte Tom und desinfizierte ihm die Verletzungen. Sam jaulte, so teuflisch brannte es. Doch dann war es schon vergangen.

„Wir werden zu Thunder gehen. Komm mit, Sam!“

Aber Sam folgte Tom nicht weit, dann knurrte er und spähte hinab in die Tiefe der Schlucht, lief ein Stück talwärts, kehrte um und folgte dem Rand einer Felsspalte. Er heulte, fiepte, gab Zeichen, denn bellen konnte er nicht. Kein Wolfsblut kann es.

Tom wusste sofort, was das zu bedeuten hatte. Sam machte auf etwas aufmerksam, das sich unten in der Felsspalte befand. Ein Mensch vielleicht, Tom wusste es nicht.

Er lief zu Thunder, dem Blauschimmelhengst, holte eine Fackel und kam damit wieder. Als sie brannte und die Flamme die Felsspalte erleuchtete, da sah er unten nur in der Tiefe der Felsspalte Geröll, sonst nichts. Zunächst nicht! Plötzlich entdeckte er einen Stiefel.

Sein Verdacht war geweckt. Tom holte sein Lasso, seilte sich ab, und wenige Minuten nach seiner Ankunft unten wusste er, dass er das Grab von drei Männern gefunden hatte.

Noch in dieser Nacht fand Tom Cadburn auch die sterbende Betty Hunt. Ja, sie lebte noch. Und sie starb in Tom Cadburns Armen. Der Bauchschuss, den Frank Manton ihr zugefügt hatte, war tödlich. Und vor ihrem Tode noch berichtete sie Tom Cadburn flüsternd, manchmal kaum verständlich, was hinter all dem steckte, berichtete auch von jenen drei jungen Burschen und von dem Vorfall mit Lil Kane.

Zuletzt hatte sie gar keine Schmerzen mehr. Und als sie starb, da lächelte sie.

Der Tag graute, als Tom Cadburn mit Sam dieses furchtbare Bergtal verließ und die ledigen Pferde an einer langen Leine hinter sich her führte.

Die frische Bergluft strömte in die Nase von Sam. Er winselte freudig, jaulte und sah sich nach Tom um, als wollte er ihn fragen: Ja, wann kommst du denn endlich? Wir müssen doch zu Old Joe, der sicherlich auf uns wartet.

ENDE

Coltwölfe: Glorreiche Western Sammelband 5 Romane

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