Читать книгу Mordfenster in Aurich: Tjade Winkels ermittelt 3 - Alfred Bekker - Страница 6

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Drei Tage später ...

Tjade Winkels stand regungslos am Fenster und blickte sorgenvoll in die Richtung, in der sich sein Auricher Haus befand.

Würde er jemals wieder dorthin zurückkehren können?

Würde alles gutgehen?

Würde ... Tjade Winkels schüttelte den Kopf und versuchte die düsteren Gedanken zurückzudrängen.

Vor Kurzem war bei Arbeiten auf einem Nachbargrundstück im Boden eine 250-Kilogramm-Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden worden.

Ein riesiger Sperrbezirk wurde von der Gemeinde gezogen.

Wegen des Blindgängers mussten mehr als viertausend Menschen vorübergehend ihre Wohnungen und Häuser verlassen. Winkels selbst wollte nicht die ganze Nacht in einem Evakuierungszentrum verbringen.

Deshalb hatte er sich mit seinem Hund Harm in einem Hotel am Stadtrand einquartiert.

Er hätte die Zeit bis zur Entschärfung der Bombe auch in seinem Ferienhaus am Großen Meer verbringen können, aber irgendwie war im nicht Wohl bei dem Gedanken, soweit von seinem Haus in Aurich entfernt zu sein. Falls doch etwas passierte, wollte er in der Nähe sein.

Jetzt konnte er nur hoffen, dass die Entschärfung der Bombe ohne Probleme verlief. Während Winkels aus dem Fenster starrte, gaukelte ihm seine Fantasie hässliche Bilder vor. Er sah, wie die Bombe explodierte. Ein gigantischer Feuerball stieg in den Himmel empor. Die Druckwelle war so stark, dass sein Haus in sich zusammenstürzte.

Und dann ...

Winkels verscheuchte die dunklen Gedanken. Nein, es würde alles gut gehen, sagte er sich. Diese Leute verstanden ihr Handwerk. Sie wussten, wie man eine Bombe entschärfte. Sie machten es nicht zum ersten Mal. Bald konnte er wieder in sein Haus zurückkehren.

Winkels Blick fiel auf das gegenüberliegende Gebäude. Alles sehr gediegen. Die Fassade – der Eingang, dort gab es mehrere Wohnungen, in denen ausnahmslos reiche Leute wohnten. Doch jetzt während des Winters hatten sich vermutlich alle Mieter in wärmere Gegenden abgesetzt.

Zu seiner Überraschung merkte Winkels, dass trotz der späten Stunde zwei Fenster hell erleuchtet waren. Eines befand sich genau gegenüber seinem Standpunkt am Hotelfenster. Ein schwacher Lichtschein fiel durch die heruntergelassene Jalousie.

Das andere Licht, das er noch bemerkte, strahlte hell und ungehindert durch das offene Fenster des Zimmers, das genau über jenem anderen, aber ein Stockwerk höher lag. Winkels befand sich zu tief unten, um dort hineinsehen zu können, doch er bemerkte an dem Fenster kostbare seidene Vorhänge. Außerdem konnte er die oberen Leisten mehrerer goldener Bilderrahmen und einige Pflanzen erkennen.

Während er gedankenlos zu diesem Fenster emporsah, wurde plötzlich durch die heftige Bewegung der Gardine seine Aufmerksamkeit erregt. Irgendeine Person, die wahrscheinlich auf dem Fußboden lag, drehte sie zusammen und riss sie dann vor das Fenster.

Etwas Dunkles, das er für einen Menschenkopf hielt, bewegte sich zwischen den Zimmerpflanzen auf und ab. Nach vielleicht einer Minute fiel die Gardine wieder in ihren ursprünglichen Faltenwurf zurück.

Winkels sah ganz deutlich, wie sich der Umriss einer Gestalt vom Fenster wegbewegte. Kurz darauf erlosch das Licht.

Für Winkels wären diese Vorgänge eigentlich nicht weiter interessant gewesen, wenn sie sich in einer gewöhnlichen Mietwohnung abgespielt hätten. Doch in diesem Haus wohnten nur reiche und vornehme Leute, und das machte die Angelegenheit höchst verdächtig. Was mochte dort drüben geschehen sein?

Ein Verbrechen?

Die Möglichkeit war nicht von der Hand zu weisen. Andererseits konnte es sich auch um etwas vollkommen Harmloses handeln.

Während Winkels noch darüber nachdachte, hörte er eine entfernte Turmuhr Mitternacht schlagen. Gleichzeitig bemerkte er jetzt auch in der tiefer gelegenen Wohnung Lebenszeichen. An den Vorhängen zeichnete sich ein Schatten ab, der sich hin und her bewegte, zu riesenhafter Größe anwuchs, dann wieder kleiner wurde, um dann ganz zu verschwinden.

Aber nicht für lange.

Bald erschien er wieder, und jetzt wurden die Vorhänge aufgezogen. Winkels konnte ungehindert den ganzen Raum überblicken. Doch er schien im Augenblick nicht benutzt zu werden. Die Bilder und Möbel waren mit braunen Überzügen bedeckt. Ein Mann lehnte sich gegen das Fenster. Nach der Haltung des auf die Brust gesenkten Kopfes musste er entweder vollkommen erschöpft sein oder große Sorgen haben.

Aufgrund der Dunkelheit konnte Winkels das Gesicht nicht deutlich erkennen, doch er bemerkte, dass der Mann groß, dunkelhaarig und von kräftigem Körperbau war. Nachdem er einige Minuten am Fenster gestanden hatte, drehte er sich weg und kroch auf dem Fußboden herum. Er verschwand unter dem Sofa und rückte zu guter Letzt sogar die schweren Möbel von ihren Plätzen. Offenbar hatte er etwas verloren und wollte es unbedingt wiederhaben.

Winkels Aufmerksamkeit wurde abgelenkt, als er in einem Zimmer der darüber liegenden Wohnung eine weibliche Person entdeckte. Er bemerkte sie erst, als das Zimmer bereits hell erleuchtet war.

Sie stand am Fenster und starrte in die Nacht hinaus. Ihr Haar war so dunkel, dass man es kaum von ihrem schwarzen Kleid unterscheiden konnte.

Wie lange sie dort stehenblieb, wusste Winkels nicht. In der Zwischenzeit hatte der Mann seine Suche beendet und das Licht ausgeschaltet. Die Frau entfernte sich vom Fenster und verschwand im Hintergrund.

Winkels wartete lange, in der Hoffnung, sie wiederzusehen.

Doch die Frau zeigte sich nicht mehr.

Er blickte noch eine Zeitlang zu dem einsamen Licht hinüber, das in dem großen Gebäude schweigend Wache hielt.

Hinter ihm ertönte ein leises Jaulen. Winkels wandte den Kopf. Harm lag in seinem Körbchen und schlief. Hin und wieder strampelte er mit den Beinen. Es schien so, als würde er wild träumen. Auch Harms hatte der plötzliche Umzug aus seiner gewohnten Umgebung zugesetzt.

Winkels warf einen kurzen Blick auf seine Armbanduhr. Zwanzig Minuten nach zwölf. Er zog die Vorhänge zu und legte sich ins Bett. Er holte ein paar Mal tief Luft. Kurze Zeit später befand er sich im Reich der Träume.

Mordfenster in Aurich: Tjade Winkels ermittelt 3

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