Читать книгу Jalite: Die Ranenhexe 1 - Alfred Bekker - Страница 8

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3.


Der Hohepriester war gerade dabei, ein Rauchopfer für den Gott Svantevit vorzubereiten, als er das helle Gewand seiner Tochter erblickte. Die große Tempelhalle ruhte auf vier mächtigen Pfosten, die Seitenwände waren geschlossen, und durch das Zuziehen der Vorhänge zur Vorhalle herrschte jetzt wieder das übliche Dämmerlicht im Heiligen Raum.

„Jalite! Was tust du! Auch meine Tochter darf den Heiligen Raum nicht betreten!“

„Das weiß ich wohl, Oče (Vater), aber der mächtige Svantevit wird mir verzeihen. Ich muss dich dringend sprechend, und das ohne Anwesenheit unseres Fürsten.“

Orlaw runzelte die Stirn, warf einen raschen Blick zur Statue und griff dann den Arm seiner Tochter, um sie in die Vorhalle zu führen. Hier ließ er sie los, nicht jedoch, ohne noch einmal einen Blick hinter sich zu werfen.

Ich kann ihr nicht zürnen, wenn es der Gott nicht tut!, dachte er. Nur muss ich es möglichen Augenzeugen erklären, warum es eine Ausnahme für die Tochter des obersten Priesters gibt, wo es doch sonst nur unserem Fürsten gestattet ist, das Heiligtum zu betreten! Oh ihr Windgötter, helft mir, die Spuren ihrer Anwesenheit vom Angesicht unseres höchsten Herrn zu entfernen, auf dass der Tempel wieder gereinigt ist und vor Svantevits Augen Gnade findet!

Jalite mochte es ihrem Vater ansehen, wie unglücklich er über ihren Besuch im Heiligen Raum war, aber sie ließ ihn nicht zu Wort kommen.

„Ich habe eine Nachricht von Bohdan erhalten. Ein riesiges Heer wurde von König Waldemar und Herzog Heinrich aufgeboten, um uns zu überfallen und niederzuschlagen. Wenn jetzt nicht etwas geschieht, werden wir als Sklaven unter diesen fremden Herren leben müssen. Weiß das der Fürst, Vater? Hast du mit ihm gesprochen?“

Orlaw starrte in ihr Gesicht und dachte: Wie schön du bist, mein Kind! Svantevit hat dir das Aussehen deiner jugendlichen Mutter verliehen, um mich täglich an sie und ihr Schicksal zu mahnen. Aber konnte ich verhindern, dass sie bei dem Überfall auf ihr Dorf ums Leben kam? Sie schützte mit ihrem Leib unser Kind, und die Götter hielten ihre Hände nur über Jalite. Ein Leben für ein anderes Leben, das ist die Regel.

Als seine Tochter erneut sprach, zuckte er zusammen. Er war so weit in seinen Gedanken entfernt, dass er ihre Worte nicht gehört hatte.

„Es ist Zeit, zu handeln. Ich werde an der Seite von Bohdan und den anderen Männern kämpfen!“

„Jalite! Das ist nicht Sitte unter den Ranen!“, empörte sich ihr Vater mit besorgtem Blick, aber die junge Frau lachte, als sie ihm antwortete.

„Das stimmt so nicht, und das weißt du auch, Vater! Auch bei den Nordmännern gab es früher Frauen, die wie ein Mann bewaffnet in den Krieg zogen. Denen ging es um Beute und Eroberungen, ich will meine Heimat verteidigen. Oder hast du dich entschlossen, die alten Götter zu verleugnen und dafür den Gott der Christen anzubeten?“

„Jalite! Du lästerst unsere Götter, wenn du solche Fragen dem Hohepriester stellst, der sein Leben ihrer Ehre geweiht hat!“

Die junge Frau warf ihre hellroten Zöpfe über die Schulter und lachte noch einmal laut auf.

„Na, dann wirst du erleben, wie deine Tochter in den Reihen der Krieger steht und unser oberster Gott und Kriegsgott Svantevit uns alle schützt! Wo die Frauen zu den Waffen greifen, sind die Götter auf unserer Seite, Vater – es geht nicht nur um unsere Freiheit, es geht um unseren Glauben! Du selbst hast mir oft von Heinrich und Waldemar erzählt und gesagt, sie werden nicht eher ruhen, als bis sie alle Völker unterworfen haben und ihnen ihren Glauben aufzwingen. Soll ich da tatenlos dabeistehen?“

Deutlich sah Jalite, wie es im Gesicht ihres Vaters arbeitete.

„Ich glaube nicht, dass Fürst Jaromar unsere Festung Charenza dem Feind überlässt. Damals, als man uns zwang, nach Lubeca (Lübeck) zu fahren und den Lehenseid auf Herzog Heinrich zu leisten, bekam ich einen guten Eindruck von den Herrschern. Weder Heinrich noch Waldemar geben in einem Punkt nach, und der ständige Streit über ihre Gebiete hat uns eine Weile gesichert. Jetzt scheint die Zeit gekommen zu sein, wo beide ihren Versuch, uns zu unterwerfen, erneuern.“

Jalite griff nach der Hand ihres Vaters. „Du hast die Zeichen gesehen und kannst sie deuten. Was sagt Svantevit, Vater?“

Der alte Priester konnte den bohrenden Blick seiner Tochter nicht lange Zeit ertragen, dann senkte er die Augen.

„Vater?“

„Wir werden untergehen, Jalite“, antwortete Orlaw mit fast tonloser Stimme.

Jalite: Die Ranenhexe 1

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