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Wir nahmen den nächsten Flieger nach Stuttgart, um nach Biesbach zu gelangen. Von Stuttgart nach Biesbach ging es mit der Bahn. In Biesbach holte uns eine Kommissarin namens Leonie Mayerhoff ab und fuhr uns zu den Räumlichkeiten der dortigen Kriminalpolizei. Der zuständige Dienststellenleiter hieß Altan Calanoglu und war ein stämmig wirkender Deutschtürke. Wir hatten vor kurzem bereits in einer anderen Sache mit ihm zusammengearbeitet.

„Schön, dass Sie da sind”, begrüßte uns Calanoglu. „Der Fall hat hier absolute Priorität. Wir sind hier nur wenige Kollegen, wie Sie sehen.”

„Allerdings”, sagte ich.

„Wenn Sie wollen, bringe ich Sie zu der Stelle, an der der Wagen gefunden wurde. Und anschließend gehen wir zu den Angehörigen.”

„In Ordnung.”

Calanoglu atmete tief durch. „Ich kann Ihnen sagen, ich habe mich selten so mies gefühlt, wie in dem Augenblick, als ich der Familie sagen musste, dass Kommissar Gottlieb verschwunden ist. Nicht, dass Sie mich falsch verstehen, ich habe früher lange Dienst auf der Straße gemacht und musste wiederholt schlimme Nachrichten überbringen. Aber in diesem Fall war es anders...”

„In wie fern?”

„Weil wir gar nichts hatten. Keinen Anhaltspunkt. Jörn ist einfach verschwunden, so als hätte es ihn nie gegeben. Und ich will den kriminaltechnischen Untersuchungen ja nicht vorgreifen, aber bis jetzt sieht es wirklich nicht danach aus, dass wir da irgendetwas in die Hand bekommen. Es gibt keine Fingerabdrücke, keine DNA und keine Hinweise auf ein Verbrechen.”

„Das heißt, es steht nach wie vor im Raum, dass Kommissar Gottlieb aus freien Stücken verschwunden und gewissermaßen untergetaucht ist?”, mischte sich nun Rudi ein.

„Ausschließen können wir das nach Lage der Dinge immer noch nicht. Und genau das macht es so schwierig - auch gegenüber den Angehörigen, die ich im Übrigen seit Jahren gut kenne.”

Calanoglu machte eine ausholende Bewegung. „Sie sehen ja, Biesbach ist ein kleines Nest an einem idyllischen See mit einem kleinen Dorf daneben. Da kennt jeder jeden.”

Calanoglu übertrieb natürlich.

„Bevor wir aufbrechen, hätte ich noch eine Frage”, sagte ich.

„Bitte!”

„Finden Sie es nicht auch seltsam, dass sich ein Mann wie Jörn Gottlieb, der in Hannover zu einer Spezialabteilung gehörte, die quasi im Alleingang ein großes, mächtiges Netzwerk von Kriminellen auseinandergenommen hat, sich nach Biesbach versetzen lässt?”

„Ich kann Ihnen sagen, warum ich mich hier her versetzen ließ”, sagte Calanoglu. „Ich hatte die Chance, Dienststellenleiter zu werden. Anderswo war so eine Position nicht vakant, da habe ich die Gelegenheit beim Schopf ergriffen und bin dann hier hängen geblieben. Aber es gefällt mir hier und ganz so ruhig, wie man vielleicht denkt, ist es auch in Vermont nicht.”

„Und Sie meinen, Kommissar Gottlieb hat vor zehn Jahren auch plötzlich eine Vorliebe für das ruhige Landleben entdeckt?”

„Was fällt Ihnen sonst für ein Grund ein?”

„Es ist nur seltsam, dass alle Mitglieder der damaligen Spezialabteilung, die gegen die Liga von Hannover ermittelte, offenbar einen ähnlichen Wunsch hatte. Einer setzt sich nach Biesbach ab, ein anderer will nur noch Innendienst machen. Und obwohl ihnen allen die Türen offen gestanden hätten, macht keiner so richtig Karriere.”

„Du vergisst Dieter Reims”, korrigierte Rudi mich. „Der ist immerhin stellvertretender Dienststellenleiter in Frankfurt.”

„...und hat damit sicherlich mehr zu sagen als ich hier in Biesbach”, gab Calanoglu zu bedenken.

„Ja, Rudi”, nickte ich, „Stellvertretender Dienststellenleiter - aber eben nicht Leiter eines BKA-Büro oder Kriminalinspektor, so wie wir beide. Und du kannst mir nicht erzählen, dass in den letzten zehn Jahren keine Dienststelle vakant gewesen wäre, die für so jemanden interessant gewesen wäre!”

„Ich denke, dass das alles mit der familiären Verwurzelung zu tun hat”, glaubte Calanoglu. „Seine Frau stammt aus dieser Gegend. Und seine Söhne gehe hier zur Schule. Die Großeltern und die ganze Verwandtschaft mütterlicherseits lebt hier. Da geht man nicht einfach weg.”

Ich lächelte. „Sie reden schon wie einer, der auch nie irgendwo anders gewesen ist.”

„Sehen Sie! Genau das wird mit Jörn im Laufe der Zeit auch geschehen sein. Das glaube ich sogar fest, denn ich kannte ihn gut genug, um das zu beurteilen. Er war vollkommen integriert und ein beliebter Laienprediger in der örtlichen Pietistengemeinde. Und was er sonst noch an Ehrenämtern und dergleichen ausübte, kann ich kaum aufzählen.”

In diesem Augenblick dachte ich für einen Moment tatsächlich, dass ich vielleicht mit meiner Vermutung, dass der Karriereverzicht der Ex-Task-Force-Super-Kommissars irgendetwas zu bedeuten hatte, auf dem Holzweg war.

Aber nur für einen Moment.


Die besten 8 Urlaubskrimis im Januar 2022: Krimi Paket

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