Читать книгу Juwelen, Mörder, Tote - Sechs Extra Krimis Juni 2018 - Alfred Bekker, Frank Rehfeld, Karl Plepelits - Страница 22
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Robert stieg den steilen Hang noch etwas hinunter. Unten standen vornehme Ferienhäuser, und dahinter schimmerte das Mittelmeer.
Er griff in seine Jackentasche und holte den brauen Umschlag hervor, den Garcia ihm in Madrid gegeben hatte. Er griff hinein. Eine Karte, ein paar Fotos, ein paar Daten auf einem weißen Blatt Papier.
Er sah noch einmal auf die Karte, blickte sich dann um und ging weiter. Er war hier richtig, so glaubte er. Sein Orientierungssinn war immer schon gut ausgeprägt gewesen.
Es dauerte aber nicht allzu lange, da war sein Weg plötzlich zu Ende, und es ging so steil hinunter, dass an einen weiteren Abstieg nicht zu denken war. Innerlich fluchte er.
Robert blickte hinüber zu einem der Häuser und verglich es mit seinen Fotos. Er war richtig hier, kein Zweifel. Dann schätzte er die Entfernung ab. 100 Meter waren es bis zur Terrasse. Vielleicht auch 120 oder 140, das war so genau nicht zu sagen. Aber es würde genügen.
Näher würde er kaum herankommen, aber diese Stelle war gar nicht schlecht. Robert sah einen Mann im Garten des Hauses, nahm seinen Feldstecher, und dann verglich er das Gesicht des Mannes mit einem Foto aus dem braunen Umschlag.
Morgen würde er wieder in Paris sein. Er würde den Abendzug von Marseille aus nehmen.
Robert drehte sich um und ging denselben Weg zurück, den er gekommen war. Irgendwo weiter oben, wo eine Landstraße in Serpentinen verlief, hatte er einen Leihwagen abgestellt. Der Wagen stand in einer Kurve, er musste sehen, dass er dort wegkam. Ein Unfall und viel Aufsehen, das war das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte.
Robert stieg schnell in den Wagen und brauste davon. Am nächsten Tag war er wie geplant in Paris und suchte Bernard in seinem Geschäft auf.
Unglücklicherweise waren Kunden im Raum. Ein paar Teenager, die sich für den CD-Player interessierten, ihn lange begutachteten, aber letztlich doch wohl nicht genug Geld bei sich hatten, um ihn sich leisten zu können.
Sie versuchten zu handeln, aber Bernard wollte nicht mit sich handeln lassen, und so zogen sie schließlich ab. Aber bis dahin dauerte es eine Weile, Robert ging unruhig im Laden auf und ab, sich scheinbar für dies und jenes interessierend, in Wahrheit wartete er aber nur darauf, dass die Jugendlichen endlich den Raum verließen. Als sie hinaus waren, wandte er sich sofort an Bernard.
„Na, wie stehen die Aktien?“ Robert war die Anspannung deutlich anzumerken war.
„Alles ist gut für dich gelaufen“, meinte Bernard lakonisch.
„Dann hast du die Sachen auf der Liste bekommen können?“
„Ja.“
„Alles?“
„Ja.“
Bernard ging hinter den Tresen und holte ein Paket hervor, das er Robert hinschob. Er wollte es öffnen, aber Bernard legte ihm die Hand auf den Arm und schüttelte den Kopf.
„Nein, nicht hier.“
„Wieso?“
„Ich will es einfach nicht. Du kannst es öffnen wo immer du willst, aber nicht hier. Wenn etwas nicht in Ordnung ist und du dich beschweren willst, kannst du ja wiederkommen.“
Robert zuckte mit den Schultern.
„So vorsichtig bist du doch sonst nicht gewesen!“
„Jetzt bin ich es aber. Wann bekomme ich übrigens mein Geld? Der Mann, der diese Dinger herstellt, wartet nicht gerne auf seine Kohle!“
Robert griff in sein Jackett und holte ein Bündel mit Geldscheinen heraus.
„Es ist sogar eine Bauanleitung dabei“, versicherte Bernard. „Jedenfalls hat man mir das gesagt.“
„Ich hoffe, dass ich sie nicht brauche...“
„Du wirst sie brauchen. So einfach ist es nämlich nicht zusammenzusetzen. Aber mit ein bisschen technischem Verstand! Du bist ja schließlich kein Anfänger.“
Für die Nacht hatte sich Robert in einer Absteige in der Nähe des Gare d'Austerlitz einquartiert.
Das Fenster war undicht, und von draußen dröhnte der Autoverkehr. In mehr oder weniger regelmäßigen Abständen donnerten zusätzlich die Züge über die Gleisanlagen. Es würde eine unruhige Nacht werden, aber schließlich war dies ja auch kein Erholungsaufenthalt.
Robert legte das Paket neben seinen Koffer auf das Bett und machte sich sogleich daran, es auszupacken.
Er sah ein paar Stangen, eine Nylon-Schnur, viele Schrauben und Schienen aus Metall... Und eine kurze Anleitung, wie er das alles zusammenzusetzen hatte.
Ich werde es in Einzelteilen in den Süden mitnehmen!, dachte er. So würde er kein Aufsehen erregen. Aber dann musste er es dort zusammensetzen, und das musste ziemlich schnell gehen.
Er würde es also üben müssen, dieses Ding mit schnellen Handgriffen zusammenzusetzen und wieder auseinanderzulegen. Aber das konnte kein allzu schwieriges Problem zu sein.
Am nächsten Tag fuhr Robert zurück in den Süden. Auch diesmal nahm er einen Leihwagen, allerdings von einer anderen Firma.
Er stellte den Wagen in derselben Kurve ab, wie bei seinem ersten Besuch. Auf dem Rücksitz hatte er eine Sporttasche, die er mitnahm, als er ausstieg und den Hang hinunterging.
Wenig später hatte er eine günstige Position erreicht. Er sah den Bungalow und jenen Mann vom Foto, das ihm Garcia gegeben hatte. Der Mann lag auf der Terrasse und und las in einer Illustrierten.
Und dann war da auch noch eine Frau, die kurz aus dem Inneren des Bungalows kam, anscheinend ein paar Worte mit dem Mann wechselte und wieder im Haus verschwand.
Robert atmete ruhig und regelmäßig. Er öffnete die Sporttasche, holte seinen Feldstecher hervor. Mit geübten Bewegungen steckte er die Metallteile zusammen, die sich in der Tasche befanden. Es wurde eine Armbrust. Zuletzt befestigte er das Zielfernrohr.
Schließlich setzte er das Projektil ein, legte an und feuerte, als sich der Mann auf der Bungalow-Terrasse mitten im Fadenkreuzes befand.
Durch das Zielfernrohr sah Robert, dass er getroffen hatte. Der Mann sackte leblos zusammen. Robert hatte ihn in die Brust getroffen - aber selbst wenn es nur der Arm gewesen wäre, wäre er jetzt tot gewesen, denn das Projektil war vergiftet.
Robert zerlegte die Armbrust wieder in ihre Bestandteile und packte sie sorgfältig in die Sporttasche ein.
Für sich genommen wirkten die Teile völlig unverdächtig. Robert würde sie in Paris in die Seine werfen.
Es gab keine Spuren, die die Polizei oder irgend jemanden in seine Richtung führen konnten. Ja, es würde nicht einmal eine Tatwaffe geben!
Robert sah ein letztes Mal hinunter zum Bungalow. Die Frau war wieder hinausgetreten und hatte bemerkt, was geschehen war. Sie schlug die Hände vor das Gesicht und beugte sich dann über den Toten. Aber da war natürlich nichts mehr zu machen.
Robert stieg unterdessen schon wieder den Hang hinauf.