Читать книгу Juwelen, Mörder, Tote - Sechs Extra Krimis Juni 2018 - Alfred Bekker, Frank Rehfeld, Karl Plepelits - Страница 24

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Die beiden Männer hatten sich auf Italienisch unterhalten. Jedenfalls glaubte Elsa, dass es Italienisch war.

Elsa hatte die ganze Zeit über auf dem Sofa gesessen und ihnen stumm zugehört. Sie verstand nicht ein Wort. Vielleicht war es besser so. Vielleicht sprachen sie gerade über sie und das, was sie mit ihr anstellen wollten.

Elsa fühlte die Angst und ihr Puls raste. Sie fühlte die innere Anspannung und konnte nichts gegen dieses übermächtige Gefühl tun. Sie saß einfach da und zitterte.

Es fehlt nicht viel, und ich verliere den Verstand, ging es ihr durch den Kopf.

Dann wandte sich der Schwarzbart an sie. Er ging auf sie zu und baute sich breitbeinig vor ihr auf. Sein Gesicht war ernst, während sich um den Mund des Narbigen ein hässliches Grinsen legte.

Elsa blickte auf.

„Können Sie Kaffee machen?“, fragte der Schwarzbart.

Elsa nickte. „Ja.“

Sie wagte es kaum, zu ihm ihm aufzublicken.

„Dann machen Sie welchen. Aber nicht zu schwach!“

Seine Stimme war ruhig und kalt. Und dann machte er eine kurze Bewegung mit der Hand, eine Bewegung, die Elsa aufstehen und in die Küche gehen ließ.

Mit zitternden Händen machte sie sich an der Kaffeemaschine zu schaffen. Die Tüte mit den Filtern fiel ihr auf den Boden. Sie bückte sich, hob die Tüte auf und fuhr sich durch die Haare. Dann sah sie, dass der Schwarzbart ihr gefolgt war und sie beobachtete.

Er blickte sie stumm und kalt an. Sie blickte zurück und erstarrte. Sie fühlte sie wie gelähmt, unfähig auch nur einen Muskel ihres Körpers zu bewegen. Die Zeit schien für ein paar Sekunden stillzustehen.

„Machen Sie weiter“, murmelte er schließlich.

Sie nickte und machte weiter.

Sie nahm die Büchse mit dem gemahlenen Kaffee und tat ein paar Löffel in den Filter. Und dabei meinte sie plötzlich: „Ihnen macht es nicht allzuviel aus, einen Menschen umzubringen, nicht wahr?“ Sie blickte nicht zu ihm hin. Ihr Mund bewegte sich und formte Wörter - und das half ihr etwas dabei, nicht verrückt zu werden. Sie sprach weiter, ohne dass es sie im Augenblick interessierte, was das für Folgen haben konnte. „Was sind Sie nur für Menschen! Vielleicht sind Sie auch gar keine! Wenn sich plötzlich herausstellen würde, dass Sie beide in Wahrheit gefühllose, kalte Außerirdische mit schleimigen Tentakeln sind, die nur zufällig gerade menschliche Gestalt angenommen haben - es würde mich nicht im mindesten wundern.“

„Wir machen nur unseren Job“, sagte der Schwarzbart. „Nicht mehr - aber verdammt noch mal auch nicht weniger!“

„Sie sind Tiere!“

„Denken Sie nicht zu schlecht von uns!“

„Ich denke aber schlecht von Ihnen. Auch wenn Sie mich jetzt dafür abknallen, so wie Sie es mit Robert vorhaben!“ Sie zuckte trotzig mit den Schultern. „Wahrscheinlich werden Sie es ohnehin tun, wenn Sie erreicht haben, was Sie wollten und ich für Sie nicht mehr nützlich bin!“

Der Schwarzbart zuckte mit den Schultern. „Das hängt von Ihnen ab!“

„Ich glaube Ihnen kein Wort!“

„Es ist aber die Wahrheit, junge Frau!“

„Und was muss ich tun, um am Leben zu bleiben? Hängt es vielleicht davon ab, ob mein Kaffee Ihnen schmeckt?“

Er lächelte dünn.

„Wenn er mir schmeckt, dann wäre das keine schlechte Voraussetzung!“ Dann wurde sein Gesicht wieder ernst. Er zuckte mit den Schultern; eine Geste, die locker wirken sollte - in Wahrheit aber wohl Verlegenheit verriet. „Es macht mir keine Freude, Sie oder jemand anderen umzubringen. Ich habe aber andererseits keinerlei Skrupel...“

„Das haben Sie ja bereits unter Beweis gestellt“, versetzte Elsa bitter. Sie dachte an den toten Aziz.

„Sie reden, als wüssten Sie wirklich kaum etwas über Steiner - Robert...“

„Was wollen Sie damit sagen?“

„Vielleicht sollte ich Ihnen ein paar Dinge über Ihren Freund erzählen... Und vielleicht denken Sie dann nicht mehr ganz so schlecht von uns...“

Elsa sah auf und musterte ihn nachdenklich. Was konnte der Schwarzbart damit meinen?

Sein Mund wurde breiter. Er hatte ihre Verwirrung bemerkt und schien sie regelrecht ein wenig zu genießen. „Ihr Freund ist ein Killer“, sagte er dann so sachlich und kühl, wie man so etwas nur sagen kann. „Er verdient sein Geld damit, für Geld Menschen umzubringen, die irgendwem im Wege sind.“

„Das glaube ich nicht!“

„Es entspricht der Wahrheit. Sie können es mir glauben oder auch nicht. Das ist mir letztlich völlig gleichgültig.“ Er machte eine unbestimmte Bewegung mit der Hand. „Ihr Freund ist letztlich eine Art Kollege von uns!“

Sie sah ihn an. Ihre Augen waren weit aufgerissen. Sie wirkte fassungslos und schüttelte leicht den Kopf. Es dauerte einen Moment, bis sie bemerkte, dass ihre Hände zitterten.

„Sie lügen“, sagte Elsa dann leise.

Der Schwarzbart zuckte mit den Schultern. Er sah sie mit seinen dunklen Augen nachdenklich an.

„Lieben Sie ihn?“, fragte er.

„Was geht Sie das an?“

„Nichts.“

„Was soll die Frage dann?“

„Ich will nur darauf hinaus, dass Steiner für Sie wohl so etwas wie ein blinder Fleck ist! Wahrscheinlich würden Sie mir noch nicht einmal glauben, wenn ich eine Liste seiner Opfer samt den jeweiligen Beweisen vor Ihnen ausbreiten würde...“

Elsa antwortete nicht. Sie wandte ein wenig den Kopf zur Seite. Das Telefon klingelte.

Die Augen des Schwarzbartes verwandelten sich in schmale Schlitze, und nur einen Sekundenbruchteil später blickte Elsa bereits wieder in die blanke Mündung seines Revolvers, den er blitzartig hochgerissen hatte. Elsa war wie erstarrt. Sie wagte keine Bewegung. Es klingelte ein zweites und ein drittes Mal.

„Ist das – Robert?“, fragte der Schwarzbart.

„Ich weiß es nicht.“

Der Schwarzbart atmete tief durch.

„Wer könnte es sonst sein? Haben Sie Bekannte hier in Marokko?“

„Nein.“

„Gehen Sie, und nehmen Sie den Hörer ab.“

Elsa rührte sich zunächst nicht. Sie schluckte. Der Schwarzbart lächelte.

„Sie wissen doch, was Sie zu sagen haben nicht wahr - ich meine, falls es Robert ist!“

Sie nickte. „Ja.“

„Fragen Sie ihn, wann er zurückkommt. Haben Sie verstanden?“

„Ja, ich habe verstanden.“

„Der geringste Fehler - und Sie sind tot! Ihr Leben bedeutet uns nichts. Denken Sie immer daran.“

„Ich denke an nichts anderes, seit Sie hier eingedrungen sind!“

„Das ist gut so. Und nun gehen Sie!“

Der Schwarzbart bewegte den Lauf seiner Pistole. Als Elsa nicht sofort reagierte, packte er sie am Arm und schob sie vor sich her.

Einen Augenblick später standen sie am Telefon. Elsa nahm den Hörer ab. Der Schwarzbart stand neben ihr und horchte mit ihr an der Muschel.

„Hallo?“

Elsa spürte ihren Puls schlagen. Und dann hörte sie eine Stimme, die ihr eigentlich so vertraut war und ihr in diesem Moment doch so fremd vorkam.

Es war Robert.

Robert Jensen. Oder Steiner. Oder irgend jemand anderes. Was weiß ich schon über diesen Mann?, dachte sie.

„Ist alles in Ordnung, Elsa?“

„Ja, sicher... Was sollte denn nicht in Ordnung sein?“

„War nur eine Frage.“

„Wo bist du jetzt?“

„Paris. Wird noch ein bisschen dauern.“

„Schade.“

„Ist leider nicht zu ändern, Elsa. Ich komme morgen oder übermorgen. Vorher rufe ich aber noch an.“

„Robert...“

„Ja?“

Elsa versuchte den Kloß herunterzuschlucken, der ihr auf einmal im Hals zu stecken schien.

„Robert, ich liebe dich.“

Eine kurze Pause folgte. Elsa sah in das Gesicht des Schwarzbarts, der nur wenige Zentimeter neben ihr stand. In seinen Augen blitzte es. Es war keine Kunst, in diesem Augenblick seine Gedanken zu lesen.

Irgend etwas schien Robert misstrauisch gemacht zu haben. Es konnte alles mögliche sein, was nicht gestimmt hatte. Vielleicht der Tonfall in Elsas Stimme, vielleicht ein Geräusch aus dem Hintergrund, das nicht passte.

Elsa schluckte.

Im Gesicht des Schwarzbarts zuckte ein Muskel.

Vielleicht zwei, vielleicht auch drei Sekunden waren vergangen, dann kam das, worauf sie beide - der Schwarzbart und Elsa - aus unterschiedlichen Gründen warteten.

„Ich liebe dich auch, Elsa“, sagte Robert.

Elsa suchte nach einem Zeichen in seinem Tonfall, einem Zeichen dafür, dass er etwas bemerkt hatte. Aber was sollte er schon bemerkt haben?

Es ist eine Illusion, darauf zu hoffen, sagte sie sich selbst. Eine verdammte Illusion... Aber an irgendetwas musste sie sich schließlich klammern - und warum nicht daran?

Es war letztlich nicht weniger vielversprechend, als auf das Wohlwollen dieser Männer zu vertrauen.

„Ich muss jetzt Schluss machen“, hörte sie wie in Trance Roberts Stimme an ihrem Ohr.

„Mach's gut.“

„Du auch.“

Robert legte auf.

Der Schwarzbart nahm Elsa den Hörer aus der Hand und hängte ihn ein. Sie sah ihm an, dass er nicht zufrieden mit ihr war. Er blickte sie mit zusammengekniffenen Augen an. Der Narbige stand etwas abseits, und Elsa war froh darüber. Er hätte sie vermutlich geschlagen. Der Schwarzbart schien weniger roh zu sein.

„Ich habe alles gemacht, wie Sie gesagt haben,“ sagte Elsa unsicher.

Der Schwarzbart nickte.

„Ja. Ich hoffe, dass er nichts gemerkt hat.“

„Hat er nicht.“

„Woher wollen Sie das so genau wissen? Einen Moment lang dachte ich...“

„Ich weiß es eben!“

Der Schwarzbart zuckte mit den Schultern.

„Na gut. Was glauben Sie, was passiert, wenn er doch Verdacht geschöpft hat?“

„Ich weiß nicht. Ich denke, er wird sofort hierher kommen und...“

„Und versuchen, Sie hier herauszuhauen?“ Er lachte. „Sie kennen diesen Mann wirklich nicht! Wenn Steiner etwas gemerkt hat, dann wird er sich sofort aus dem Staub machen.“

Er packte sie rau am Handgelenk, so dass es schmerzte. Um seinen Mund zuckte es nervös. „Wir wären dann ziemlich sauer!“, zischte er. „Wir müssten dann nämlich mit unserer Suche wieder so gut wie von vorne anfangen!“

Jetzt meldete sich der Narbige zu Wort. Er sprach Italienisch. Elsa sah aus den Augenwinkeln, wie er dabei eine Illustrierte durchblätterte.

Was er sagte war ganz offensichtlich an den Schwarzbart gerichtet, aber Elsa fühlte instinktiv, dass es dabei um sie ging. Um sie und ihr Schicksal. Vielleicht um ihren Tod. Der Schwarzbart gab eine kurze Erwiderung.

Warum habe ich nur nie Italienisch gelernt?, hämmerte es in Elsas Kopf.

„Was hat er gesagt?“, fragte Elsa den Schwarzbart.

„Dass Steiner vielleicht Ihretwegen in unsere Falle gehen wird.“ Er machte eine unbestimmte Geste. „Ich habe ihm erwidert, dass ich nach allem, was ich über Steiner weiß, ihn nicht für einen Romantiker halte.“

„Was werden Sie jetzt tun?“

„Eine Zeitlang abwarten. Was sonst?“

In der Nacht schlief Elsa nicht gut, was nicht nur darin begründet lag, dass man sie mit Handschellen an ihr Bettgestell gefesselt hatte und sie sich kaum bewegen konnte.

Es war vor allem die schreckliche Ungewissheit, die sie plagte. Noch glaubten diese Männer, dass sie ihnen zu irgendeinem Zweck nützlich sein konnte.

Aber wenn diese Bedingung nicht mehr bestand, dann würden sie sie töten. Darüber gab sie sich keinerlei Illusionen hin. Bisher hatte sie nicht allzuviel Gelegenheit dazu gehabt, nachzudenken und zu grübeln. Es war zu viel geschehen, die Spannung war zu groß gewesen. Ständig hatte sie den Schwarzbart und den Narbigen in ihrer Nähe gehabt, und die beiden hatten ihre gesamte Aufmerksamkeit gefordert. Aber das war jetzt anders.

Sie war allein im Schlafzimmer. Von draußen fiel etwas Mondlicht ein, aber ansonsten war es völlig dunkel. Jetzt war sie allein mit sich und ihren Gedanken. In ihrem Kopf schien alles wie rasend durcheinanderzuwirbeln. Elsa dachte an ihren Tod. Ein kalter Schauder ging ihr über den Rücken, und sie erinnerte sich an die Depressionen, die sie während ihrer Pubertät gehabt hatte.

Das Gefühl, das sie jetzt beherrschte, erschien ihr ähnlich, nur viel stärker und bedrohlicher. Der Abgrund, vor dem sie stand, war unvergleichlich tiefer. Für einige Jahre hatte sie fast vergessen, wie sich solche Gedanken anfühlten; erst als ihre Eltern sich trennten, kam ein Teil davon zurück.

Dann die Fahrt - die Flucht - nach Tanger und jenes erste Zusammentreffen im Postamt. Robert...

Jensen? Steiner?

Sie hatte einen Mann geliebt - und tat es noch immer - der genau zu wissen schien, was er wollte, der Sicherheit ausstrahlte und ihr Geborgenheit gegeben hatte, der eine elektrisierende Ausstrahlung auf sie ausübte und sie ihren Schmerz und ihre Selbstzweifel hatte vergessen lassen.

Ein Mann ohne Identität, und ein Mann ohne jegliches Gewissen.

Ich sollte nicht den Stab über ihn brechen, beschwor sie sich verzweifelt. Nicht, bevor ich ihn nicht selbst gehört habe...

Sie stellte sich vor, was geschehen würde, sobald er zurückkam. Wenn er Verdacht geschöpft hatte, dann war er vielleicht wirklich über alle Berge, so wie der Schwarzbart vermutete. Rein gefühlsmäßig war das für Elsa unvorstellbar, schließlich konnte es ihm doch nicht gleichgültig sein, was mit ihr geschah.

Aber ihr Verstand sagte ihr, dass es keinen Grund gab, weshalb jemand, der über Leichen ging, nicht genau so handeln sollte...

Ein Mann seines Gewerbes konnte schließlich nicht die Polizei um Hilfe gegen seine Konkurrenz bitten.

Und wenn er nichts gemerkt hatte? Wenn er nichtsahnend hier auftauchte? Sie würden ihn wie einen tollen Hund erschießen!, dachte Elsa. Und wahrscheinlich hatte er nicht die geringste Chance, davonzukommen, geschweige denn ihr - Elsa - zu helfen. Sie würden auf ihn warten und ihren furchtbaren Job erledigen.

So wie Robert es wohl auch getan hätte. Elsa wurde wach, als der Narbige am Morgen das Schlafzimmer betrat. Er bedachte sie nur mit einem kühlen Blick, warf dann einen Blick hinaus aus dem Fenster und kettete sie vom Bettgestell los.

Sie rieb sich die Handgelenke.

Der Narbige stand dicht vor ihr und blickte auf sie herab. Er sagte kein einziges Wort, aber seine bloße Nähe wirkte schon wie eine einzige, unverhohlene Drohung.

Elsa sah die Waffe in seinem Hosenbund stecken.

Er schien von ihr nicht viel Widerstand zu erwarten und sich ziemlich sicher zu fühlen. Und tatsächlich - welche Chancen hätte sie auch gehabt?

Ich muss etwas tun!, dachte sie. Ich kann mich doch nicht wie ein Lamm zur Schlachtbank führen lassen!

Eine Sekunde nur überlegte sie, ob sie nach der Waffe greifen könnte, die so provozierend nahe schien.

Dann hatte der Narbige sie am Handgelenk gepackt und schob sie vor sich her. Es ging die Treppe hinunter. Elsa stolperte fast, aber der Narbige hielt sie in eisernem Griff, bis sie ins Wohnzimmer gelangt waren. Dort ließ er sie los.

Sie sah den Schwarzbart auf der Couch sitzen und in einer Illustrierten blättern.

„Morgen!“, brummte er, ohne aufzusehen.

Dann wurde sie in die Küche geschickt, um das Frühstück zu machen. Der Narbige stand die ganze Zeit dabei und ließ sie nicht aus den Augen.

Was habe ich nur getan, um in eine solche Lage zu geraten?, hämmerte es in Elsas Kopf. Sie war zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen - nachdem sie sich in den falschen Mann verliebt hatte. So einfach war das.

„Machen Sie den Kaffee nicht zu schwach!“, rief der Schwarzbart aus dem Nebenzimmer.

„Keine Sorge“, murmelte Elsa.

„Was?“

„Ich sagte: Keine Sorge! Ich werde ihn schon stark genug machen!“

Wenig später brachte sie das Frühstück auf einem Tablett ins Wohnzimmer und stellte es auf den Tisch. Es war noch etwas Brot und Marmelade dagewesen. Das Brot war zwar nicht mehr frisch, aber das konnte Elsa nicht ändern.

Sollen sie sich selbst um diese Dinge kümmern, wenn sie etwas Besseres wollen, dachte sie, als sie das Gesicht des Narbigen sah, der sich in einen der Sessel gefläzt hatte und nun auf einem ziemlich zähen Bissen herumkaute.

Elsa nahm nur eine Tasse Kaffee.

„Wollen Sie nichts essen?“, fragte der Schwarzbart mürrisch.

„Nein. Ich habe keinen Appetit.“

„Sie sollten etwas zu sich nehmen.“

„Was kümmert Sie das?“

Er blickte auf und grinste.

„Ihre Laune wird sonst zu schlecht.“

„Wenn Sie mich umgebracht haben, wird es keine Rolle spielen, ob mein Magen voll ist oder nicht - oder wie es um meine Laune bestellt ist.“

„Es ist noch nicht entschieden, ob wir Sie liquidieren müssen.“

„Das sagen Sie, um mir Hoffnungen zu machen. Sie denken, dass ich dann gefügiger bin!“

Der Schwarzbart winkte ab und lachte.

„Wo denken Sie hin!“

Elsa nahm einen weiten Schluck Kaffee. Dabei strich sie sich mit der anderen Hand die ungewaschenen Haare aus dem Gesicht.

Dann fragte sie: „Was wollen Sie eigentlich von Robert? Was hat er getan, dass Sie ihn unbedingt umbringen wollen?“

Sie hatte gestern schon einmal in diese Richtung gefragt. und da war er ihr ausgewichen. Vielleicht hatte sie jetzt mehr Glück. „Ich möchte wissen, worum es hier geht.“

„Je weniger Sie wissen, desto besser“, kam es zurück.

Und dann klingelte es plötzlich.

Es war nicht das Telefon, es war an der Tür.

Der Griff des Narbigen ging augenblicklich zu der Pistole in seinem Hosenbund. Er riss die Waffe blitzschnell heraus und lud sie durch.

„Wer kann das sein?“, fragte der Schwarzbart Elsa.

„Keine Ahnung...“

Der Schwarzbart holte nun ebenfalls seine Waffe hervor und erhob sich. Während es ein zweites Mal klingelte, diesmal schon deutlich ungeduldiger, trat er zur Tür und blickte durch den Spion hinaus.

Zwei Sekunden später drehte er sich um.

„Eine Frau ist da draußen.“

„Ich kenne hier niemanden.“

„Sieht wie eine Araberin aus.“

„Das könnte die Frau von Aziz sein“, erklärte Elsa.

„Aziz?“

„Der Mann, den Sie erschossen haben! Er ist nicht nach Hause gekommen, sie wird sich Sorgen machen!“

„Und wie ist sie durch das Tor gekommen?“

„Sie hat einen Schlüssel.“

„Das klingt merkwürdig.“

„Es ist gar nicht so merkwürdig. Sie putzt hier regelmäßig mit ihren Töchtern, und Robert ist oft auf Reisen.“

Der Schwarzbart schüttelte verständnislos den Kopf. „Ein Mann wie Steiner, der sonst keiner Seele trauen würde... Und dann so etwas! Das erstaunt mich!“

„Es ist aber so!“

Der Schwarzbart nickte.

Dann machte er eine Bewegung mit dem Lauf seiner Waffe, die Elsa bedeutete, zur Tür zu kommen.

„Sehen Sie durch den Spion!“

Elsa gehorchte.

„Ist sie es?“, fragte der Schwarzbart.

„Ja.“

„Wimmeln Sie die Frau ab!“, befahl er.

„Tun Sie ihr nichts. Sie hat mit allem nichts zu tun.“

„Ich tue ihr nichts, wenn Sie sie abwimmeln. Sonst haben wir vielleicht keine andere Wahl. Lassen Sie Ihre Fantasie spielen, und denken Sie sich irgendetwas aus, das plausibel ist, klar?“

„Klar.“

Der Schwarzbart postierte sich so neben der Tür, dass man ihn nicht sehen konnte, wenn Elsa öffnete. Er hob den Lauf seiner Waffe.

„Wenn Sie irgend etwas versuchen, sind Sie beide tot - Sie und die Frau.“

„Ich habe verstanden.“

„Öffnen Sie jetzt die Tür.“ Aziz' Frau sprach nur Arabisch. Sie redete in einem wahren Wortschwall auf Elsa ein, aber natürlich verstand sie nichts davon.

Man brauchte kein Arabisch zu sprechen, um zu wissen, was sie wollte. Es lag auf der Hand.

Elsa fühlte einen Kloß in ihrem Hals, als sie an den toten Aziz dachte. Die Frau, die vor ihr stand, war in Sorge. Ihr Mann war die Nacht über nicht nach Hause gekommen, sie hatte also allen Grund dazu. Aber Elsa konnte ihr nicht die Wahrheit sagen.

Die Wahrheit war grausam, sie ihr zu verschweigen und in falscher Hoffnung zu wiegen ebenfalls. Aber es gab keinen anderen Weg. Elsa wollte das Leben dieser Araberin nicht gefährden. Die Frau hatte mit dieser Sache genauso wenig zu tun, wie ihr Mann.

„Ihr Mann - Aziz - ist nicht hier!“, erklärte Elsa ziemlich laut auf Englisch, aber die Frau verstand sie dadurch keineswegs besser. Sie versuchte es mit Gesten. Die Frau erwiderte etwas, dann versuchte sie, an Elsa vorbeizugehen.

Im letzten Moment konnte Elsa sie daran noch hindern.

„Aziz - nicht hier!“ Sie schrie es fast.

Die Frau blickte sie verständnislos an. Wie sollte sie auch verstehen, was hier vor sich ging? Sie ahnte nichts von der Pistole, die Elsa auf sich gerichtet wusste - und genauso wenig ahnte sie etwas davon, dass es hier auch um ihr eigenes Leben ging. Sie murmelte etwas vor sich hin.

Elsa versuchte ihr klarzumachen, dass sie am besten zur Polizei gehen sollte. Die Frau zuckte mit den Schultern und ging dann davon. Sie schien niedergeschlagen.

Elsa sah Aziz' Frau durch das offenstehende Tor gehen. Davor wartete ein Wagen auf sie. Irgendein Verwandter hatte sie hierher gebracht.

Elsas Blick fiel dann auf den zweiten Wagen. Aziz' Wagen! Er stand gut sichtbar vor dem Haus, und seine Frau musste ihn gesehen haben. Elsa versetzte es einen Stich.

Kein Wunder, wenn sie so fest davon überzeugt war, dass ihr Mann hier zu finden sein musste!

„Hat sie es geschluckt?“, zischte der Schwarzbart hinter ihrem Rücken.

„Nein...“, murmelte Elsa. „Mein Gott! Sie kommt zurück!“

Wie konnte es auch anders sein, dachte Elsa. Sie war ja nicht dumm. Außerdem hatte sie Augen im Kopf, und der Wagen ihres Mannes konnte ihr unmöglich entgangen sein.

Aber sie kam nicht allein. In ihrer Begleitung war jetzt ein junger Mann, der aus dem Pkw gestiegen war, der sie hierher gebracht hatte.

Sie kamen zusammen auf Elsa zu, die noch immer wie angewurzelt in der Tür stand. Sie warf einen Blick zu dem Schwarzbart, dessen Pistolenmündung in ihre Richtung zeigte.

„Was ist los?“

„Ich sagte doch, sie kommt zurück!“

„Ich höre Schritte von zwei Menschen. Wer ist bei ihr?“

Aber Elsa kam nicht mehr dazu, die Frage zu beantworten.

Der junge Mann, mit dem Aziz' Frau gekommen war, stellte sich kurz vor.

Er heiße Nurreddin, sei ein Cousin von Aziz. Er sprach hervorragendes Englisch, und nun wurde es Elsa klar, weshalb Aziz' Frau gerade ihn mitgebracht hatte.

„Es geht um meinen Onkel“, erklärte Nurreddin, und Elsa fühlte, wie ihre Handflächen feucht wurden. „Er ist nicht nach Hause gekommen, und meine Tante ist sehr in Sorge um ihn. Er ist nie über Nacht weggeblieben, ohne ihr etwas zu sagen.“

„Ja, ich...“

„Wir dachten, er wäre vielleicht hier.“

„Er ist nicht hier.“

„Aber sein Wagen. Dort steht sein Wagen.“

Elsa machte eine hilflose Geste. Sie fühlte, wie ihr der kalte Schweiß auf Nacken und Stirn ausbrach. Mit einer fahrigen Geste strich sie sich die Haare zurück, obgleich sie ihr gar nicht ins Gesicht hingen

„Gehen Sie jetzt bitte. Ihr Onkel ist nicht hier. Weshalb sein Auto hier steht, weiß ich auch nicht. Vielleicht war es kaputt, und er ist anderweitig in die Stadt gekommen...“

„Er hätte jemanden von uns angerufen, damit er abgeholt wird!“

„Vielleicht hat er ein Taxi genommen.“

„Das glaube ich nicht. Das sähe ihm gar nicht ähnlich.“

Und dann trat Nurreddin einen Schritt vor. Aziz' Frau folgte ihm. Elsa versuchte, den jungen Mann zurückzuhalten, aber es war zu spät. Er war durch die Tür getreten, einen Schritt nur an Elsa vorbei. Und jetzt blickte er genau in die Mündung der Pistole.

Er erstarrte noch im selben Augenblick. Eine Sekunde lang geschah gar nichts.

Dann machte es 'Plop!'

Der Schwarzbart hatte den Abzug seiner Schalldämpfer betätigt, und in Nurreddins Stirn war jetzt ein kleines, rotes Loch.

Er fiel mit starren Augen nach hinten, während der Schwarzbart die Waffe herumriss und ein zweites Mal, diesmal auf Aziz' Frau - feuerte.

Sie bekam eine Kugel in den Leib und dann eine eine zweite in die Brust. Mit einem unterdrückten Stöhnen sank sie in sich zusammen, während Elsa zitternd zur Seite wich.

Sie begegnete den ruhigen, dunklen Augen des Schwarzbarts und blickte ihn einige Augenblicke lang einfach nur verständnislos an.

Dabei wagte sie es nicht, sich zu rühren. Sie sah die Waffe und dachte: wenn er mich jetzt töten will, gäbe es nichts, was ich dagegen tun könnte!

Sie schluckte. Sie fühlte die Furcht und das Grauen kalt in sich emporkriechen, aber gleichzeitig war sie selbst erstaunt, wie ruhig sie in diesem Moment war.

Der Schwarzbart hatte seine Waffe noch immer nicht gesenkt. Er stand einfach da und musterte sie.

„Warum?“, fragte Elsa.

„Es war notwendig.“

„Das ist nicht wahr!“

„Sie hätten überleben können, wenn Sie es geschafft hätten, die beiden davon zu überzeugen, dass es besser ist, anderswo nach diesem Araber zu suchen!“

„Warum machen Sie es nicht komplett!“, meinte Elsa trotzig, während sie spürte, wie ihr Tränen des Zorns in die Augen traten. „Bitte! Warum schießen Sie mich nicht auch über den Haufen?“

In die Furcht, die sie empfand, mischte sich nun auch eine deutliche Portion Hass. Und ein wenig davon hatte sogar in ihren Worten mitgeschwungen.

Der Schwarzbart bewegte den Lauf seiner Pistole hin und her.

„Kommen Sie rein“, brummte er. „Und machen Sie keinen Ärger!“ Der Narbige kam herbei und machte sich daran, die Leichen ins Haus zu befördern. Elsa bekam den Befehl, ihm dabei zu helfen.

„Nicht in den Flur!“, meinte der Schwarzbart. „Steiner muss nicht gleich unsere Visitenkarte vorfinden, wenn er zurückkommt!“

Sie legten sie in eine Abstellkammer. Danach versuchte der Narbige, so gut es ging die Blutflecken zu entfernen.

Währenddessen arbeitete es in Elsas Kopf fieberhaft. Sie musste eine Möglichkeit finden, von hier zu entkommen, bevor die beiden Killer sie nicht mehr brauchten. Denn genau in dem Augenblick, würden sie sie töten.

Noch war das nicht der Fall. Noch konnte jeden Moment das Telefon klingeln. Und wenn Robert sich meldete, dann brauchten sie an der Leitung eine Stimme, die keinen Verdacht erregte und ihn glauben ließ, alles sei in Ordnung und er könne gefahrlos zurückkehren.

Es musste einen Weg geben! Wenn ihr die Flucht gelang, dann würde sie nicht nur ihr eigenes Leben retten, sondern vermutlich auch das von Robert.

Robert... Immer wieder hatte sie sich gefragt, ob das, was sie über ihn erfahren hatte, ihre Gefühle geändert hatte. Sie war sich nicht sicher.

Aber wahrscheinlich war der Teil in ihr, der ihn nach wie vor liebte, stärker - selbst unter der Voraussetzung, dass jedes Wort von dem, was diese beiden Männer ihr gesagt hatten, stimmte.

Seltsam, dachte sie. Ich habe immer gedacht, es sei unmöglich, jemanden zu lieben, der sein Geld mit Mord verdiente.

Elsa versuchte, sich in Gedanken Entschuldigungen zurechtzulegen. Entschuldigungen für Robert. Aber sie fand nichts.

Und wahrscheinlich gab es auch gar nichts. Aber an diese Möglichkeit mochte sie nicht denken. Ihr Glaube an ihn war derart fest, dass sie selbst darüber erschrak.

„Ich möchte mich duschen“, sagte Elsa an den Schwarzbart gewandt. „Seit Sie hier sind, hatte ich noch keine Gelegenheit mehr, mich zu waschen.“

Der Schwarzbart zuckte mit den Schultern.

„Tun Sie das. Aber Sie müssen warten, bis mein Freund mit der Entfernung der Blutflecken fertig ist. Er wird auf Sie aufpassen.“

„Haben Sie so große Angst davor, dass ich weglaufen könnte?“

„Wir müssen auf Nummer sicher gehen.“

„Das Bad ist oben. Sollte ich vielleicht aus dem Obergeschoss springen?“

Der Schwarzbart verzog den Mund zu der Ahnung eines Lächelns.

„Sie könnten versuchen, die Regenrinne hinunterzuklettern“, erklärte er dann kühl und ungerührt. Elsa schluckte.

Der Schwarzbart blickte sie mit seinen dunklen, ruhigen Augen an, und es schien ihr in diesem Moment, als würde er bis in ihr tiefstes Inneres hineinblicken.

Er hatte ins Schwarze getroffen. Genau daran hatte Elsa gedacht: an die Regenrinne und die Rohrleitung, die von ihr hinunterführte. An den metallenen Halterungen hätte sie sich festhalten können. Und da sie nicht besonders schwer war, hätte sie darauf vertrauen können, dass sie nicht aus der Wand herausbrachen und sie in die Tiefe stürzen ließen.

In diesem Augenblick kam der Narbige zurück.

Er sagte etwas auf Italienisch, und der Schwarzbart gab eine knappe Erwiderung. Dann begleitete der Narbige sie hinauf.

Es war trotzdem angenehm, sich zu duschen - auch wenn der Narbige dabei nicht von ihre Seite wich. Es hätte nur noch gefehlt, dass er sie sogar in die Duschkabine begleitete!

Während sie sich auszog, stand er da und musterte sie kühl. Im ersten Moment hatte sie die Befürchtung, dass ihn das auf die Idee bringen konnte, sein Vergnügen bei ihr zu suchen. Aber sie erkannte bald, dass in dieser Richtung kaum eine Gefahr bestand.

Diese Männer waren keine Vergewaltiger, keine unbeherrschten Triebtäter. Sie waren eiskalt, und das Töten schien ihnen nicht das Geringste auszumachen.

Allerdings hatten sie auch kein krankhaftes Vergnügen daran. In ihrer Handlungsweise lag eine absolut opportunistische Logik - kein Hass, keines der Gefühle, an die man für gewöhnlich zuerst denkt, wenn es um Mord geht.

Sie machten ihre Arbeit. Und sie glaubten an die Gewalt, als ein wirkungsvolles Mittel, bei dessen Einsatz sie nicht den geringsten Skrupel kannten.

Elsa zog sich wieder an.

Der Narbige beachtete sie kaum. Er stand da und spielte mit seiner Pistole herum.

Nachdem Elsa sich die Haare geföhnt hatte, gingen sie wieder hinunter. Dann klingelte plötzlich das Telefon.

Der Schwarzbart bedeutete Elsa, den Hörer abzunehmen, und sie gehorchte. Es war Robert. Er käme übermorgen, sagte er. Und er müsse schnell Schluss machen, weil er kein passendes Kleingeld mehr habe.

Als Elsa den Hörer eingehängt hatte, fluchte der Schwarzbart laut vor sich hin.

„Übermorgen...“, murmelte er. „Bis dahin wird uns die Verwandtschaft dieses Gärtners die Türen einrennen!“ Er wandte sich an den Narbigen und sagte etwas auf Italienisch zu ihm.

Elsa verstand kein Wort, aber sie konnte sich denken, was es bedeutete, denn gleich darauf machte sich der Narbige auf den Weg, das Auto wegzufahren, mit dem Aziz' Frau und sein Cousin gekommen waren.

„Während Sie sich Ihrer Körperpflege gewidmet haben, habe ich die Vorräte in der Küche etwas genauer unter die Lupe genommen. Es ist nicht mehr allzuviel da.“

„Wollen Sie mir das zum Vorwurf machen? Schließlich habe ich Sie nicht eingeladen.“

„Schon gut, schon gut!“

Es dauerte eine ganze Weile, bis der Narbige zurückkehrte. Elsa vermutete, dass er den Wagen ein Stück die Straße entlanggefahren war, um ihn dann irgendeinen Steilhang hinunterzustürzen. Dann war er wohl zu Fuß zurückgekehrt; jedenfalls schloss Elsa das daraus, dass er sich nach seiner Rückkehr den linken Schuh auszog, um eine Blase zu behandeln. Aziz' Wagen hatte der Narbige einfach in die Garage gestellt. Dort würde er nicht mehr auffallen.

Die nächsten Stunden flossen ziemlich zäh dahin. Der Narbige beschäftigte sich mit dem Fernseher und schaltete fortwährend von einem Kanal auf den nächsten.

Der Schwarzbart saß in einem der Sessel und schien in Gedanken versunken.

Elsa machte den erfolglosen Versuch, sich zurückzuziehen, aber das war dem Schwarzbart nicht recht.

„Sie bleiben hier“, sagte er.

„Was soll ich schon tun? Die Vordertür haben Sie abgeschlossen und hinten heraus kann ich nicht, ohne direkt an Ihnen vorbeizugehen!“, erwiderte Elsa.

„Trotzdem. Ich möchte Sie im Auge behalten. Setzen Sie sich wieder!“

Elsa gehorchte.

„Wissen Sie, wie man Spaghetti kocht?“, fragte er dann.

Elsa nickte.

„Klar.“

„Ich hätte Hunger darauf.“

„Ich glaube, dass die nötigen Zutaten noch im Haus sind.“

„Sind sie nicht“, erklärte der Schwarzbart. „Ich habe nachgesehen. Aber vielleicht werde ich nachher in die Stadt fahren, um sie zu besorgen. Steiner kommt ja erst morgen. Bis dahin ist es noch lang...“

„Was hat er eigentlich getan, dass Sie ihn töten wollen?“

„Wir haben nur einen Auftrag.“

„Es wird aber niemand umgebracht, ohne dass es dafür einen Grund gibt!“, meinte Elsa.

Der Schwarzbart lachte.

„Ich schätze, Sie wissen sehr viel darüber“, meinte er ironisch. Er zuckte mit den Schultern und sagte dann: „Warum eigentlich nicht? Ich werde Ihnen sagen, weshalb Steiner sterben muss. Es ist etwa ein Jahr oder etwas länger her, da hatte er für irgend jemanden irgendeinen Job zu erledigen...“

„Einen Mord?“

„Ich wüsste nicht, dass er mal in einem anderen Gewerbe tätig gewesen wäre. Ja, es war ein Mord, wenn Sie diesen unfreundlichen Ausdruck unbedingt benutzen wollen. Steiner hat seinen Job erledigt, wie man das von einem Killer seiner Klasse erwartet.“

„Und jetzt will sich jemand rächen, der Sie angestellt hat?“, schloss Elsa.

Der Schwarzbart lachte schallend.

„Sie sind wohl wirklich so grün hinter den Ohren, wie sie tun!“

„Was haben Sie gedacht?“

„Was ich denke, behalte ich besser für mich. Es geht Sie nichts an.“ Er lehnte sich ein wenig zurück. „Der Mann, den Steiner umbringen sollte, war ein Kurier, der einen Koffer mit Geld bei sich hatte. Er war gerade auf dem Sprung in die Schweiz, um es dort im Auftrag seiner Hintermänner legal anzulegen. Und wie es aussieht, hat Ihr Freund Steiner nicht nur den Kurier erschossen, was ja seine Aufgabe war, sondern auch das Geld kassiert.“ Seine ruhigen dunklen Augen musterten Elsa und studierten jede Regung, die sich in ihrem Gesicht zeigte. „Beginnen Sie nun zu begreifen, weshalb ein paar Leute ziemlich sauer auf ihn sind?“

Elsa schluckte.

„Ja.“

„Wir haben lange gebraucht, um ihn endlich ausfindig zu machen. Steiner ist ein Meister im Verwischen von Spuren. Er passt sich überall perfekt an, spricht viele Sprachen... Weiß der Himmel, wie oft er schon seine Haarfarbe gewechselt, seinen Namen verändert und sich vermutlich sogar kosmetischer Operationen unterzogen hat.“

„Nun haben Sie ihn ja gefunden.“

„Ganz richtig.“

Elsa überlegte. Dann hob sie den Kopf und sagte: „Wenn Sie und Ihre Auftraggeber hinter dem Geld her sind, dann...“

„Wir sind nicht hinter dem Geld her“, erklärte der Schwarzbart kalt.

Elsa runzelte die Stirn und machte eine hilflose Geste.

„Aber Sie sagten doch...“

„Es geht den Leuten, für die wir arbeiten um das Prinzip!“

„Welches Prinzip?“

„Das Prinzip, das besagt, dass jemand bestraft werden muss, der die Spielregeln verletzt!“

„Aber...“

„Und Steiner - Robert - hat die Spielregeln verletzt, als er das Geld genommen hat. Selbst wenn es jetzt hier auf dem Tisch liegen würde - es würde ihm nichts nützen.“

„Das verstehe ich nicht!“

„Sie wollen ihn tot sehen.“

„Wer sind sie?“

„Das müssen Sie nun wirklich nicht wissen!“

„Ich verstehe es trotzdem nicht!“

„Ist es denn so schwer zu begreifen? Es ist eine Art Abschreckung für all diejenigen, die ebenfalls mit Koffern voll schwarzem Geld aus illegalen Geschäften herumreisen oder es sonstwie in die Finger bekommen könnten und auf diese Weise naturgemäß in großer Versuchung sind, sich einmal richtig zu bedienen.“

Juwelen, Mörder, Tote - Sechs Extra Krimis Juni 2018

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