Читать книгу Genesis VI - Alfred Broi - Страница 6
IV
ОглавлениеEs war genauso, wie zuvor - Kabus saß wieder auf der Liege, Niuri stand direkt vor ihm und kümmerte sich um seine Wunde.
Und doch war alles ganz anders.
Ganz still saß er da und ließ die junge Frau vor ihm machen, was immer zu tun erforderlich war. Keine Albernheiten mehr, keine Ablenkungen, kein Bedrängen. Kabus war folgsam, ruhig und mithelfend.
Niuri konnte frei agieren und tat dies auch in einer sehr konzentrierten und kompetenten Art und Weise. Kabus hatte nicht den geringsten Zweifel, dass sie genau wusste, was zu tun war und genau das auch tat.
Anfangs hatte er dadurch genügend Zeit, sich um seine Freunde die allergrößten Sorgen zu machen. Die Tatsache, dass der Elay allein und noch dazu derart schwer verwundet zurückgekehrt war, gab Anlass zu den schlimmsten Befürchtungen. Wenn Kabus jedoch allzu intensiv darüber nachdachte, spürte er sofort eine unerträgliche Nervosität in sich aufsteigen, die ihm das Herz schwermachte. Doch so unerträglich es auch sein mochte, er musste sich in Geduld üben. Das einzige Lebewesen, das ihm bei der Suche nach Jorik und den anderen helfen konnte, war der Elay – und der war selbst verletzt und wurde von Umuras und einigen anderen behandelt. Bevor das Tier nicht zumindest soweit genesen war, dass es wieder fliegen konnte, war er zum Nichtstun förmlich verdammt.
Doch das stimmte nicht ganz. Er konnte durchaus etwas tun – nämlich dafür sorgen, dass er selbst ebenfalls schnell gesundete. Mehr als Niuris Ratschlägen und Anweisungen zu folgen, blieb ihm jedoch nicht. Dabei allerdings konnte er beständig sehen und auch fühlen, mit welcher Hingabe und Konzentration sie agierte. Ihm war schnell klar, dass sie wusste, wie sehr ihm das ungewisse Schicksal seiner Freunde zusetzte und sich deshalb doppelt und dreifach anstrengte, um ihn gesund zu pflegen, aber er erkannte in ihr auch echte, eigene Sorge um die Menschen, die ihm so wichtig waren.
Und glaubte Kabus anfangs, dieses Gefühl, dass er für Niuri empfand und leichthin beinahe als Liebe bezeichnet hätte, wäre eben genau diese nicht, sondern nur Verlangen und…ja…Geilheit, so wurde ihm mit jedem Blick in ihr Gesicht mehr und mehr klar, dass es doch genau das war. Die Wärme in seinem Herzen war wundervoll, die Ruhe, die ihn umfing grandios, das Funkeln in ihren Augen schlichtweg fantastisch. Kabus spürte es mit jeder Faser seines Körpers: Dort vor ihm, da stand nicht nur eine atemberaubend schöne, intelligente und faszinierende Frau, die man gern um sich hatte und noch lieber spürte, sondern ein Mensch, dessen Wesen so reichhaltig war, dass er sich mehr als gut vorstellen konnte, sein Leben mit ihr zu verbringen – und nicht nur den so widerlich wahrscheinlichen Rest von einigen, wenigen Monaten.
Kurzum: Je länger Kabus sie ansah, desto sicherer war er, dass er sie tatsächlich und wahrhaftig liebte.
„Kabus?“
Er schreckte aus seinen tiefen Gedanken auf und musste feststellen, dass er mit offenen Augen geträumt hatte. Als er wieder ein klares Bild sah, konnte er Niuri erkennen, die mit einem sanften, aber irritierten Lächeln vor ihm stand und ihn mit großen Augen ansah. „Ja, was?“ stieß er hervor.
„Du hast geträumt!“ stellte sie sanft fest und lächelte etwas breiter.
Kabus, sofort wieder gebannt vom Leuchten in ihren Augen, musste ebenfalls lächeln und nicken. „Ein wenig!“
„Okay!“ Sie nickte zurück und schloss dabei ihre Augen. In diesem kurzen Moment war ihr deutlich anzusehen, wie anstrengend die Versorgung seiner Wunde gewesen war. „Ich bin fertig!“
Kabus Lächeln wurde wehmütig. „Ich werde mich wieder hinlegen!“
Jetzt grinste Niuri breiter.
„Was ist?“ fragte er.
„Das brauchst du nicht. Nicht mehr!“ Ihre Augen leuchteten noch intensiver. „Deine Wunde ist verheilt!“
„Was?“ Kabus war erstaunt. „Aber…?“ Er blickte auf den Verband um seinen Bauch, der nicht anders aussah, als sonst.
Niuri verzog die Mundwinkel. „Eine reine Vorsichtsmaßnahme!“
Kabus sah sie an und allmählich machte sich echte Freude in seinem Gesicht breit. Er rutschte von der Liege, zog die junge Frau an sich und drückte sie ganz fest. „Oh, das hast du wirklich toll gemacht!“ Er schob sie sanft von sich und wartete, bis er ihr in die Augen schauen konnte. „Danke!“
„Gern gesch…!“ Weiter kam sie nicht, da waren bereits seine Lippen auf den Ihren und sie spürte seine weiche, warme Zunge. Niuri musste aufstöhnen – halb überrascht, halb vor Lust. Als sie sich wieder trennten, lächelte sie erneut. „Ich habe eine Überraschung für dich!“
„Eine…!“ Kabus runzelte die Stirn. „Was denn?“
„Umuras hat Recht behalten!“
Kabus war noch verwirrt. „Womit?“
„Dass der Elay genesen ist, wenn du es bist!“
„Du meinst…?“ Er blickte sie mit großen Augen an, dann nickte sie mit einem breiten Lächeln. „Aber das ist ja großartig!“ Er küsste Niuri gleich nochmals kurz, aber wieder sehr leidenschaftlich, dann zog er sie nach draußen in die Halle.
Tatsächlich konnte er dort den Elay sehen. Sogar noch ein zweites Exemplar dieser Flugwesen. Beide Tiere standen aufrecht und ruhig. Als er mit Niuri näherkam, konnte er bei ihrem Elay deutlich die Spuren der Wunden erkennen, die dem Flugwesen beigebracht worden waren. Plötzlich beschlichen ihn Zweifel. „Umuras!“ rief er daher ungeduldig.
Der Alte drehte sich zu ihm und war sogleich überrascht. „Kabus!“ Er schaute mit einem Lächeln auf seinen Verband.
„Wie weit bist du mit dem Elay?“
„Wie weit bist du mit dir?“ Umuras lächelte noch immer.
„Niuri sagt, ich kann fliegen!“
„So? Du kannst fliegen!“ Jetzt lachte der Alte belustigt auf. „Ich dachte immer, dass würde der Elay tun!?“
„Lass den Unsinn, es ist ernst!“
Plötzlich verlor Umuras sein Lächeln. „Ich bin ernst!“ Er warf Niuri neben Kabus einen kurzen Blick zu. „Und ich sage, der Elay ist ebenfalls wieder gesund!“ Sofort sah er Erleichterung auf Kabus Gesicht. „Ich sage dir aber auch, dass wir ein Problem haben!“
„Was für ein Problem?“ Kabus verlor sein Lächeln wieder.
„Der Elay wird fliegen…!“ Der Alte nickte mehrmals, dann schaute er das Flugwesen an. „Aber wohl nicht mit dir!“
„Was?“ Kabus war bestürzt. „Warum nicht?“
„Erinnere dich!“ erwiderte der Alte. „Der Elay vertraut nur seinem Reiter! Und das ist Jorik!“ Umuras blickte mitleidig und schob den Unterkiefer vor.
„Aber…?“ Kabus verstand die Worte des Alten und Verzweiflung machte sich auf seinem Antlitz breit. „…das…?“ Er blickte den Elay an, dann Umuras, dann Niuri, dann wieder das Flugwesen. Schließlich senkte er den Kopf und schüttelte ihn. „Nein!“ sagte er nach einem kurzen Augenblick und riss den Kopf wieder nach oben. „Das kann ich nicht akzeptieren!“
Umuras lachte einmal heiser auf. „Das wirst du müssen!“
„Nein!“ Wieder schüttelte Kabus energisch den Kopf. „Muss ich nicht!“
Umuras Blick verdunkelte sich. „Was hast du vor? Du kannst den Elay nicht mit Gewalt zwingen!“
„Ich weiß!“ erwiderte Kabus, doch seine Stimme klang nicht überzeugend, zumal er Umuras dabei nicht anschaute, sondern seinen Blick direkt auf dem Elay lag, während er langsam auf das Tier zuging.
Der Alte wollte sofort hinter ihm her und ihn zurückhalten, doch Niuri hielt ihn am Arm zurück. „Warte!“ sagte sie und schaute ihm in einer Mischung aus Flehen und Zuversicht in die Augen.
Umuras stoppte daraufhin ab, brummte jedoch missmutig. Was soll´s? sagte er sich. Wenn er kein Glück hat, wird er das gleich schmerzhaft zu spüren bekommen!
Doch Kabus gelangte unbehelligt direkt vor den mächtigen Schädel des Elay, der ihn zur Seite gedreht und den Menschen scheinbar noch nicht bemerkt hatte – oder einfach ignorierte.
„Hallo, meine Schöne!“ sagte Kabus sanft, hob langsam seine rechte Hand und legte sie dem Flugwesen auf die Nase.
Plötzlich zuckte der Kopf des Tieres mit einem überraschten Stöhnen herum. Kabus erschrak, doch konnte er verhindern, dass er rückwärts stolperte. Niuri hinter ihm sog hörbar die Luft ein. Der Elay schaute Kabus für einen Augenblick direkt in die Augen, dann aber brummte er missmutig und drehte den Kopf wieder zur Seite.
Diese Geste gefiel Kabus sichtlich nicht, denn er schürzte die Lippen und seine Augenbrauen sanken herab. „Nicht wegdrehen!“ Gleichzeitig drückte er mit der rechten Hand seitlich gegen den Schädel des Tieres und nahm zusätzlich auch noch die linke Hand zur Hilfe. Damit konnte er die Bewegung des Flugwesens stoppen und sogar rückgängig machen. Dem Elay aber gefiel dies sichtlich nicht, denn er stöhnte zunächst überrascht auf und als er erkannte, was der Mensch im Begriff war zu tun, wurden seine Augen zu Schlitzen und er fauchte erbost. Doch Kabus, dessen Herz ziemlich raste, ließ sich seine Nervosität nach außen hin nicht anmerken, sondern blickte dem Tier erneut direkt in die Augen. „Jorik ist auch mein Freund!“ sagte er mit kräftiger, fester Stimme. „Und ich mache mir große Sorgen um ihn und die anderen!“ Zur Überraschung aller blickte der Elay beinahe wie gebannt auf Kabus. Zwar war sein Körper angespannt und anfangs war auch noch ein leises Knurren zu hören, doch blieb er ansonsten ruhig. „Deine Wunden sprechen eine eindeutige Sprache!“ fuhr Kabus unbeirrt fort. „Es muss etwas Schlimmes passiert sein. Und ich muss wissen, was das war!“ Kabus Stimme wurde leiser und traurig, sein Blick brach allmählich. „Ich weiß, dass du weißt, wo ich sie finden kann!“ Er atmete einmal tief durch. „Und ich bitte dich, …mich dorthin zu bringen, weil ich hoffe, …dass ich noch helfen kann!“ Er senkte seinen Blick vollends, doch war zuvor zu erkennen, dass er gegen Tränen ankämpfen musste, weil ihm klar wurde, dass er keine Chance haben würde, sein Vorhaben anzugehen, wenn er den Elay nicht überzeugen konnte und er im Moment nicht das Gefühl hatte, das ihm dies gelungen war. Das Tier blickte ihn zwar unverwandt an, doch zeigte es keinerlei Reaktion. Kabus spürte, wie die Kraft ihn verließ und sich Verzweiflung in ihm breitmachte. Niuri musste das erkannt und gespürt haben, denn schon im nächsten Moment stand sie neben ihm und schloss ihn tröstend in die Arme.
„Kabus!“ Auch Umuras trat neben sie, doch seine Stimmlage ließ beide aufhorchen. Sie blickten zu ihm, aber er sah sie nicht an. Stattdessen nickte er mit einem immer breiter werdenden Grinsen auf den Elay. „Sieh nur!“
Niuri und Kabus drehten sich irritiert herum und waren total erstaunt, als sie sahen, wie das rechte Vorderbein des Elay einknickte und sich der massige Rumpf zu ihnen herabschob. Dazu brummte das Tier sanft und tief. Die Einladung, aufzusteigen, war nicht miss zu verstehen.
Kabus Augen begannen zu leuchten und er musste lächeln. Er trat vor das Flugwesen, legte seine rechte Hand auf die Schnauze und wartete, bis der Elay ihn ansah. „Danke!“ sagte er aufrichtig und das Tier brummte nochmals sanft.
Einen Moment später schwang sich Kabus bereits auf seinen Rücken und nahm in der Sitzschale dort Platz. Als er hinabschaute, um sich von Niuri zu verabschieden, stellte er überrascht fest, dass sie ihren rechten Fuß auf das eingeknickte Bein des Elay gestellt hatte und ihm ihren rechten Arm entgegenstreckte. „Hilf mir!“ sagte sie nur.
„Was soll das werden?“ fragte Kabus.
„Ich komme mit dir!“ erwiderte Niuri wie selbstverständlich.
„Aber…?“
„Hör auf!“ schnitt ihm die junge Frau sanft das Wort ab. „Ich werde dich nicht allein lassen!“ Mittlerweile hatte sie es irgendwie selbst geschafft, sich zu ihm hinauf zu ziehen. Sie schob sich dicht vor ihn und schaute ihm tief in die Augen. „Vorzugsweise nie mehr!“ Als sie sah, wie gerührt Kabus von ihren Worten war, musste sie zaghaft lächeln.
„So sei es!“ erwiderte ihr Gegenüber und küsste sie kurz, aber leidenschaftlich. Danach half er ihr in die Sitzschale hinter ihm. Dabei sah er, dass auch Umuras Anstalten machte, auf den zweiten Elay zu klettern, zu dem er in den letzten Stunden offensichtlich ebenfalls entsprechendes Vertrauen hatte aufbauen können, dass er ihn reiten durfte.
Als der Alte Kabus Blick wahrnahm, lächelte er etwas verlegen. „Sie ist eine Frau!“ Er deutete auf den Elay. „Sie könnte etwas launisch werden. Da ist es vielleicht besser, wenn ich mitkomme!“ Er verzog die Mundwinkel zu einem Grinsen.
Doch Kabus nickte nur mit einem Lächeln. „Klar doch!“
Dann nahm er die Zügel fest in seine Hände, erinnerte sich daran, wie es war, ein Pferd zu reiten und zog die Zügel zu sich. Sofort erhob sich der Elay, breitete seine Flügel aus und kreischte lautstark und ungeduldig.
Kabus hieb seine Hacken in den Leib des Tieres, daraufhin drehte es sich in die Höhle hinein, schwang seine Flügel kräftiger, machte ein paar kurze, schnelle Schritte und erhob sich schließlich kraftvoll in die Luft. Umuras folgte ihm mit dem zweiten Tier dichtauf. Zunächst ging ihr Flug steil nach oben, dass alle schon Angst hatten, sie würden gegen das Höhlendach krachen, doch die Elay beendeten rechtzeitig ihren Steigflug und flogen mit ausgebreiteten Flügeln eine ausgedehnte Schleife, bevor sie wieder ziemlich steil zu Boden rasten, wo sie knapp über den Köpfen der Menschen in Richtung Trichter flogen, über den sie direkt an die Oberfläche Santaras gelangen würden.