Читать книгу Al Capone - Alfred Hornung - Страница 10

Kriminelle Karriere und der amerikanische Traum

Оглавление

Ein bedeutender historischer Vertreter der in den Mafiafilmen vorgeführten Bilderbuchkarrieren war sicherlich Johnny Torrio. Er wurde wie Al Capones Eltern südlich von Neapel in Irsina 1882 geboren und war mit seiner verwitweten Mutter 1884 nach Amerika ausgewandert, wo sie in Brooklyn ein neues Leben aufbauten. Im Verständnis der traditionellen amerikanischen Gesellschaft galt er wie viele andere Süditaliener und Sizilianer als Überträger krimineller Machenschaften nach Amerika. Der stets tadellos gekleidete, für seine Nachbarn als ehrenhafter Ehemann auftretende Torrio sollte schließlich einer der wichtigsten kriminellen Köpfe der Vereinigten Staaten werden. Al Capones zuerst bei den Navy Street Boys, dann bei den Garfield Boys entwickeltes Talent und seine effektive Durchsetzungskraft fielen bei der Begegnung mit Torrio auf fruchtbaren Boden und der geistige Ziehvater konnte der wichtigste Einfluss auf Capones kriminelle Karriere werden. Es war für Al leicht, mit Johnny Torrio in Kontakt zu treten, der vor seinem Haus Jugendliche ansprach und für Botengänge anwarb. Das bei diesen Tätigkeiten erzielte Taschengeld besserte die Haushaltskasse der Familie Capone auf, ohne dass die Eltern, bei denen Al nach wie vor im Reihenhaus in der Garfield Place wohnte, die Einnahmequelle hinterfragten. Dies mag für die Eltern auch eine unbewusste Kompensation für den offensichtlich ohne Weiteres akzeptierten, in ihren Kreisen nicht ungewöhnlichen Schulabbruch gewesen sein. Kinderarbeit war erlaubt und wurde praktiziert.

Man kann nicht davon ausgehen, dass vor allem die nicht-englischsprachigen Einwanderer die durch kritische Journalisten und Autoren der Muckraking-Bewegung in der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts eingeleiteten Reformen für das öffentliche Leben verfolgen konnten. Das 1904 gegründete National Child Labor Committee setzte sich für die Abschaffung der Kinderarbeit ein, was 1916 zu einer ersten Gesetzgebung führte. Sicher waren auch die nach Gabriele Capones Einbürgerung durchgeführten Veränderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Landes, wie die Zerschlagung der Monopolkonzerne oder die Einführung von Gewerkschaften wie die der sozialistischen Industrial Workers of the World (1905), bei diesen Einwanderern unbekannt. Hierzu gehörten die durch die sozialistische Partei verfolgte Umgestaltung des demokratischen Systems, zu der die linken Schriftsteller Upton Sinclair und Jack London wesentlich durch ihre Schriften und öffentlichen Auftritte beitrugen – wie etwa bei der großen Veranstaltung der Intercollegiate Socialist Society 1906 in der Grand Exhibition Hall in New York vor 4.000 Zuhörern – sowie Veränderungen im politischen Wahlsystem durch die Einführung der Direktwahl der Senatoren im 17. Verfassungszusatz (1912). Ähnlich wie bei der Wahl des Präsidenten waren die Gründerväter auch bei der Wahl der Senatoren davon ausgegangen, dass solche wichtigen Entscheidungen nicht dem leicht beeinflussbaren Wahlvolk überlassen werden könnten, und hatten als Regulativ ein Wahlkollegium vorgesehen, das in letzter Instanz den Präsidenten und die Senatoren in gesonderten Sitzungen wählt. Für den Präsidenten gilt das heute noch. Welche Auswirkungen die oft mit der Finanzkrise 2009 verglichene massive Erschütterung des Finanzwesens im Jahr 1907 auf das Leben der Einwanderer hatte, lässt sich nur spekulativ beantworten. Es ist davon auszugehen, dass die öffentliche Wahrnehmung einer allgemeinen Krise in der durch Masseneinwanderung sprunghaft angestiegenen Bevölkerung kriminelle Machenschaften provoziert hat. So entstand eine ökonomische Parallelwelt mit Schutzgelderpressung, Prostitution, Drogenhandel und illegalen Wettbüros. Unter dem Schutzmantel seiner wohlsituierten bürgerlichen Existenz war Johnny Torrio der geniale Organisator dieser einträglichen Aktivitäten, Al Capone wurde sein kongenialer Exekutor, zunächst in Brooklyn und Manhattan, dann in Chicago mit Auswirkungen auf das ganze Land. Möglicherweise wurde diese Entstehung einer kriminellen Unterwelt durch die offene Diskriminierung italienischer Einwanderer seitens der ansässigen angelsächsischen Amerikaner befördert. Stellvertretend dafür steht der Bericht des früheren New Yorker Staatsanwalts Arthur Train nach seinem Aufenthalt in Neapel im McClureʹs Magazine: „Italiener aus dem tiefen Süden pflegen ignorant, faul, mittellos und abergläubisch zu sein. … Die Zahl der Süditaliener, die jetzt ehrenwerte Positionen in New York einnehmen und die auf der anderen Seite Vorstrafen haben, würde selbst ihre Mitbürger überraschen“ (Train, 1912, S. 83). Die hier insinuierte, faktisch nicht zutreffende häufige Straffälligkeit der Italiener widerspricht allen Bestrebungen der ersten Dekade des Jahrhunderts nach dem Entwurf neuer Gesellschaftsmodelle für die USA, die der multikulturellen Zusammensetzung des Einwandererlandes entsprechen sollten. Vor allem jüdische Intellektuelle der 1906 an der Harvard University gegründeten Menorah-Gesellschaft haben dem von Präsident Theodore Roosevelt im gleichen Jahr proklamierten Schmelztiegel-Modell und der Kampagne des exklusiven Standards der „100-prozentigen Amerikaner“ mit angloamerikanischem Stammbaum widersprochen. Der aus Deutschland mit seinen Eltern als Fünfjähriger 1887 in die USA eingewanderte Horace Kallen entwickelte – auch inspiriert von der Konzeption eines modernen „Pluriversums“ anstelle des konventionellen Universums seines Harvard-Professors, des bedeutenden Philosophen und Psychologen William James – die Idee des „Kulturellen Pluralismus“, die eine neue Orchestrierung aller aus Europa eingewanderten Menschen propagierte. In „Democracy versus the Melting Pot: A Study of American Nationality“ schrieb er 1915: „Demokratie bedeutet nicht die Eliminierung von Unterschieden, sondern die Perfektionierung und Konservierung von Unterschieden“. Anders als die monokulturellen europäischen Staaten sah er die USA nicht als einen Nationalstaat, sondern als ein „Mosaik von Menschen“ und die amerikanische Kultur als eine „Vielheit in der Einheit, eine Orchestrierung der Menschheit“ mit dem Hauptziel der Verwirklichung nicht der Einheit der Union, sondern der Harmonie der Vielen (Kallen, 1924, S. 58, S. 124). Nur ein Jahr später, als in Europa schon der 1. Weltkrieg entbrannt war, und kurz vor dem heftig umstrittenen Kriegseintritt der USA, lancierte der von Kallens Ideen beeinflusste Randolph Bourne 1916 in New York die Idee eines „Trans-National America“. An die Stelle der Nationalität sollte der Gedanke der Transnationalität treten, eine Verknüpfung mit anderen Ländern, wobei wie auf einem Webstuhl viele Fäden unterschiedlicher Größen und Farben miteinander verwoben werden (Bourne, 1992, S. 262). Im Kontext dieses demografischen Wandels gehen die wegen der Einwanderung orthodoxer Juden aus Osteuropa durch ihre sichtbare Ethnizität weitgehend diskriminierte jüdische Gemeinde und die afroamerikanische Minderheit einen gegenseitigen Unterstützungspakt ein, der in die Gründung der National Association for the Advancement of Colored People 1909 in New York mündet. Grundlage dieser konzertierten Aktion der Selbstbestimmung im amerikanischen Mainstream ist die gemeinsame Erfahrung der Diaspora nach der an die biblische Flucht der Israeliten aus Ägypten erinnernden Vertreibung aus dem russischen Zarenreich bzw. der Entführung der Afrikaner aus ihrer Heimat und ihre Versklavung in Amerika. Man kann sich fragen, ob ein besseres Management der Akkulturation der Immigranten über die bürokratische Verwaltung hinaus nicht möglich gewesen wäre. Damit hätte idealiter die den gefeierten amerikanischen Industriekapitänen vergleichbare wirtschaftliche Energie der Italiener in die gemeinsame Entwicklung eines egalitären und prosperierenden Amerika auf weitgehend legalem Weg überführt werden können.

Am Beispiel des jugendlichen Al Capone und seiner Entwicklung zeigt sich eindrucksvoll, wie aus der Rivalität ethnischer Gruppen um die gesellschaftliche Akzeptanz und die professionelle Anerkennung durch die Amerikaner im Neuen Land eine Energie entfaltet werden konnte, die den gleichzeitig erfolgreichen Karrieren der amerikanischen Wirtschafts- und Politikbosse nahekommt. Die beiden Quellen des Antriebs sind hierbei jeweils die Idee des amerikanischen Traums und die Ideologie des Sozialdarwinismus. Der Begriff des amerikanischen Traums wurde von dem amerikanischen Historiker James Truslow Adams in seiner Abhandlung The Epic of America 1931 geprägt. Für ihn bedeutet der amerikanische Traum

… den Traum eines Landes, in dem das Leben für alle besser, reicher und voller sein sollte, mit der Gelegenheit für alle gemäß ihren Fähigkeiten und Leistungen. Es ist schwer für die europäische Oberschicht, diesen Traum angemessen zu interpretieren, und zu viele von uns selbst sind seiner überdrüssig und misstrauisch geworden. Es ist nicht nur ein Traum von Autos und hohen Löhnen, sondern ein Traum über eine gesellschaftliche Ordnung, in der jeder Mann und jede Frau das erreichen können, wozu sie von Geburt an fähig sind, und von anderen dafür anerkannt werden, ohne Rücksicht auf die zufälligen Umstände ihrer Geburt oder Stellung. … Der amerikanische Traum, der viele Millionen aus allen Nationen im letzten Jahrhundert an unsere Küsten gelockt hat, war nicht nur ein Traum für materiellen Reichtum, obwohl das zweifellos ein wichtiger Grund war. Es ist immer mehr als das gewesen. Es ist der fortwährende Traum für die Möglichkeit als Mann und Frau sich voll zu entwickeln, ungehindert durch Grenzen, die in den alten Zivilisationen errichtet wurden, ungebunden durch gesellschaftliche Rangordnungen, die zum Vorteil von Klassen entwickelt worden waren, anstatt für das einfache menschliche Wesen von jedweder Klasse. (Adams, 1931, S. 404–405)

Die auf dem Höhepunkt der modernen Entwicklung eines technologischen Industriestaates konzipierte Idee findet retrospektiv Anwendung für alle aus Europa nach Amerika eingewanderten Gruppen, die sich in der Neuen Welt eine Verbesserung ihrer politischen und wirtschaftlichen Lage erhofften. So glaubten die Puritaner 1630, in Neuengland das verheißene Land zu finden und dort ein exemplarisches Modell einer christlichen Gemeinde für alle Welt zu etablieren, verbunden mit wirtschaftlichem Erfolg. Die Gründerväter der Vereinigten Staaten von Amerika übertrugen diese religiösen Wunschvorstellungen in ein weltliches Aufstiegsmodell, wie es durch Benjamin Franklins Karriere im 18. Jahrhundert repräsentiert wurde, und machten es zur Grundlage der amerikanischen Staatengründung. Der zweite Absatz der Unabhängigkeitserklärung lautet: „Wir halten diese Wahrheiten für ausgemacht, dass alle Menschen gleich erschaffen worden, dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt worden, worunter sind Leben, Freiheit und das Bestreben nach Glückseligkeit“. Im 19. Jahrhundert werden diese Ideale zum Credo der Einwanderer im sprichwörtlichen „Land der ungeahnten Möglichkeiten“, das noch viel Raum zur Gestaltung und individuellen Verwirklichung bot. Der große Freiraum des noch weitgehend unbesiedelten Landes verstärkte diese Vorstellungen. Viele der Neuankömmlinge haben in autobiografischen Darstellungen ihrer Hoffnung auf ein besseres Leben in Freiheit Ausdruck verliehen und die Verheißungen des neuen Landes nach der Einbürgerung bestätigt. So nimmt die aus Russland eingewanderte jüdische Autorin Mary Antin die Botschaft bereits im Titel ihrer Autobiografie The Promised Land (1912) auf, die in der schon ein Jahr später erfolgenden deutschen Übersetzung den Aufstieg Vom Ghetto ins Land der Verheißung (1913) beschreibt. Der aus Dänemark eingewanderte Jacob Riis, der als Journalist die prekären Wohnverhältnisse in den Armenvierteln New Yorks beschreibt, hatte schon 1901 den Prozess der Amerikanisierung in The Making of an American nachgezeichnet. Dass auch die nach dem Bürgerkrieg emanzipierten Afroamerikaner sich mit autobiografischen Schriften in die amerikanische Gesellschaft einschreiben, wie in Booker T. Washington in Up from Slavery (1901; Ich war ein Sklave, 1958) spricht für ihr neues Selbstbewusstsein und die multiethnische Veränderung der Gesellschaft. Nicht von ungefähr hat 100 Jahre später der erste afroamerikanische Präsident der USA in seiner autobiografischen Essaysammlung Hoffnung wagen: Gedanken zur Rückbesinnung auf den American Dream (2008) den mit der Besiedlung des Landes und der Gründung der Nation verbundenen Aufstiegsmythos des amerikanischen Traums für alle Amerikaner reklamiert. Für seinen 2020 erschienenen ersten Memoirenband hat er den Titel A Promised Land (Ein verheißenes Land) gewählt, der als Folie für seine Biografie von der Kindheit in bescheidenen Verhältnissen über den durch kontinuierliche Anstrengungen erreichten Aufstieg bis in das Präsidentenamt dient und exemplarisch die Erfolgsleiter des amerikanischen Traums abbildet. Sein Glaube an die Macht des Gründungsmythos und an die persönlich durchlaufenen Stadien dieses Motivationspotenzials für Neuankömmlinge hatte ihn in seiner Regierungszeit bewogen, den Kindern von illegal eingewanderten Lateinamerikanern einen rechtlichen Status zu verleihen und den sogenannten „Dreamers“ ihren Traum der Einbürgerung zu erfüllen. Die Politik seines Nachfolgers Donald Trump wiederum bestand demgegenüber in einer Abschottung der amerikanischen Nation von der Außenwelt und dem Ansturm Not leidender Familien, die eine Besserung ihrer Lage im Glauben an den amerikanischen Traum erhofften. Dass Trumps Zurückweisung auch der Position seiner meist weißen Wähler entsprach, wurde durch das Verhalten seiner Fangemeinde deutlich belegt. Die sich in Barack Obamas und Donald Trumps Verhalten spiegelnden unterschiedlichen Einstellungen stehen für die heutige Polarisierung der amerikanischen Gesellschaft, die schon die gesellschaftspolitischen Veränderungen um die Jahrhundertwende 1900 bestimmt hatte.

Durch die rapide zunehmenden Einwandererzahlen 1900 wurde zunehmend deutlich, dass die Idee des amerikanischen Traums zwar noch als Motivationspotential für sozialen Aufstieg diente, aber auch an ihre Grenzen stieß und gegenteilige, albtraumartige Effekte zeitigte. Nicht alle in Amerika lebenden Menschen konnten auf den Erfolg ihrer Bemühungen hoffen. Für diese Unterscheidung zwischen erfolgreichen und gescheiterten Existenzen wurden die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelten biologischen und soziologischen Theorien, vor allem die in den USA praktizierte und offiziell sanktionierte Ideologie des Sozialdarwinismus genutzt. 1859 war das bedeutende Werk des britischen Evolutionsbiologen Charles Darwin erschienen, in dem er dem Kreationismus, der göttlichen Schaffung der Welt, eine biologische Entwicklung aller organischen Lebewesen gegenüberstellte. In seinem epochemachenden Werk Über die Entstehung der Arten im Tier- und Pflanzenreich durch natürliche Züchtung oder Erhaltung der vervollkommneten Rassen im Kampfe um’s Dasein hatte er die wissenschaftliche Grundlage für eine naturgegebene Auswahl und den Erhalt der favorisierten Rassen im Überlebenskampf geliefert. Ihre Anwendung auf gesellschaftliche Entwicklungen durch den englischen Soziologen Herbert Spencer fiel vor allem in den USA auf fruchtbaren Boden. Es war das Verdienst des amerikanischen Soziologen William Graham Sumner an der Yale University, Darwins Prinzip der „natürlichen Selektion“, des „survival of the fittest“, als das Überleben der am besten angepassten Individuen auf die ideologische Machtkonstellation von Politik, Kapital und Arbeit in den USA zu übertragen. Deutlich formuliert Sumner den Gegensatz zwischen der Wirtschaftselite an der Spitze der Gesellschaft und den Armen und Mittellosen als „Bodensatz“ der Gesellschaft:

Lasst uns darüber klar werden, dass wir uns nicht außerhalb dieser Möglichkeit bewegen können: Freiheit, Ungleichheit, survival of the fittest; Unfreiheit, Gleichheit, survival of the unfittest. Ersteres bringt die Gesellschaft vorwärts und bevorzugt alle seine besten Mitglieder; letzteres bringt die Gesellschaft herunter und bevorzugt alle seine schlimmsten Mitglieder. (Persons, 1963, S. 76f.)

Die schon verschiedentlich erwähnten Industriebosse John D. Rockefeller, Andrew Carnegie, J. P. Morgan, Cornelius Vanderbilt, Leland Stanford und Philip D. Armour haben sich diese Ideologie zu eigen gemacht und rigoros ohne Rücksicht auf Verluste verwirklicht. Die von der Muckraking-Journalistin Ida M. Tarbell in ihrer Studie über John D. Rockefellers The History of the Standard Oil Company (1904) als Motto zitierte Aussage exemplifiziert die Verbindung zwischen dem biologischen und soziologischen Entwicklungsmodell:

Die amerikanische Beauty Rose kann in ihrer Pracht und ihrem Duft, die dem Betrachter Freude macht, nur produziert werden, indem man die um sie herum wachsenden frühen Knospen abschneidet. Das ist keine schlechte Tendenz im Geschäftsleben. Es ist nichts anderes als der Ablauf eines Gesetzes der Natur und eines Gesetzes Gottes. (Rede von John D. Rockefeller, Jr., vor Studierenden der Brown University, 1902; Tarbell, 1904)

Sicher stellt dieses sozialdarwinistische Konzept mit allen Konsequenzen auch eine extreme Form des amerikanischen Traums dar, der allerdings nur wenigen in der Gesellschaft vorbehalten ist, primär den WASPs (White Anglo-Saxon Protestants = weiße angelsächsische Protestanten). Dennoch repräsentierten diese erfolgreichen Wirtschaftsführer gleichzeitig ein erstrebenswertes Modell, empfohlen zur Nachahmung für alle anderen. In der populären Kultur der Zeit finden sich zahlreiche Beispiele dafür. Am besten illustrierten die „Dime Novels“ (Groschenromane) des Bestsellerautors Horatio Alger (1832–1899) solche Aufstiegsmöglichkeiten für Angehörige der Arbeiterklasse und der Unterschicht. Die für wenig Geld (dime = 10 cents) erwerbbaren und ungefähr 60 Seiten langen Kurzromane handeln jeweils von armen Jugendlichen in der Großstadt, meist New York, und ihrem von energischem Durchsetzungswillen und einigen glücklichen Umständen geprägten allmählichen Aufstieg zu Reichtum und Glück. Diese fiktionalen Vorlagen wurden auch Ausgangspunkt erster innovativer literarischer Versuche von und mit Einwanderern. Begünstigt wurden diese kreativen Entwürfe durch neue Verfahren in der Produktion und dem Druck von Zeitschriften, sodass eine Reihe von bedeutenden Comics erschienen, die Aufstiegsmöglichkeiten gegen alle Widerstände thematisierten. Besonders illustrativ waren die als „Funnies“ in den Sonntagsausgaben von Zeitungen abgedruckten Comics, wie die von Richard Felton Outcault (1863–1928) gezeichnete, in den 1890er-Jahren erscheinende Yellow Kid-Serie, die das Leben von Afroamerikanern und irischen Einwanderern am Rande der Gesellschaft thematisierten. Den großen Erfolg dieser Serie wollte der Medienmogul William Randolph Hearst für sein New York Journal imitieren und engagierte den deutschstämmigen Rudolph Dirks, der in Anlehnung an Wilhelm Buschs Max und Moritz die Katzenjammer Kids entwarf, eine Serie über zwei Englisch mit deutschem Akzent sprechende Kinder Hans und Fritz, die ab 1897 erschien und als humoristische Akkulturation für (deutsche) Einwanderer gelten konnte. Natürlich war diese Form des Humors auch ein beliebtes Medium für die irischen Einwanderer, die wesentlich zur Gründung der neuen humoristischen Literaturgattung beitrugen. Der in Chicago als irischstämmiger Journalist arbeitende Finley Peter Dunn (1867–1936) stand mit seinen investigativen Beiträgen unter anderem für die Chicago Tribune der Muckraking-Bewegung nahe und begründete mit seiner Figur des Mr. Dooley ein neues Medium der Kritik an nationalen und internationalen Ereignissen, die humorvoll aus der Sicht eines den Dialekt irischer Einwanderer sprechenden Barbesitzers in einem Vorort Chicagos vorgetragen wurde. Diese regelmäßig in den Zeitungen (1893–1915) erscheinenden Episoden waren allgemein beliebt, auch beim späteren Präsidenten Theodore Roosevelt, der den irischen Satiriker trotz der Kritik an Roosevelts Teilnahme am Krieg gegen Spanien auf Kuba (1898) wiederholt ins Weiße Haus einlud. Zweifellos hat diese Präsenz irischer Sichtweisen auf amerikanische Verhältnisse wesentlich zur Akzeptanz dieser Einwanderer bei den Amerikanern beigetragen und gleichzeitig ihre ethnische Identität gestärkt. Ähnliche literarische Beispiele von italienischen Einwanderern waren in dieser Zeit nicht vorhanden und konnten so kein Vorbild für die nachwachsende Generation sein. Stattdessen scheinen die mit mafiösen Organisationen verbundenen negativen Vorstellungen das Italienbild geprägt zu haben.

Für Al Capone hätten die jungen Helden in Horatio Algers „Dime Novels“ ebenso wie ein auf die italienische Situation eingehender Comic sicher Anleitungen für eine andere Karriere sein können, auch wenn ein ähnlich steiler Aufstieg mit vergleichbar großem finanziellem Erfolg wohl kaum realisierbar gewesen wäre. Al verfolgte jedoch einen anderen Weg und identifizierte sich auf dem Höhepunkt seiner Macht später mit John D. Rockefeller, dessen wirtschaftlichen Erfolg er – nach eigener Aussage – unter Anwendung seiner Mittel auf andere Gebiete erreicht habe. Der für die Einwanderer durch die erfolgreichen Wirtschaftsbosse verkörperte amerikanische Traum wurde damit zur Grundlage für die Verlagerung der sozialdarwinistischen Mechanismen auf das organisierte Verbrechen. Vorstufen dazu existierten in den italienischen Organisationen der Mano Nera, der Camorra und der Mafia. Unter der Anleitung von Johnny Torrio sollte Al Capone einen Weg einschlagen, der neue Akzente setzte. Er begann schon mit einer Art Doppelleben in seiner Kindheit in der Navy Street und der Park Avenue. Das Leben in seiner italienischen Familie mit einer kontinuierlich wachsenden Geschwisterzahl wurde durch seine Streetgang-Familie auf den Straßen rund um das Hafengelände der Brooklyn Docks ergänzt. Der häuslichen Geborgenheit stand die relative Sicherheit im Verbund gleichgesinnter Jugendlicher gegenüber, die sich über ihre ethnische Herkunft identifizierten und gegen rivalisierende Straßengangs mit anderem Migrationshintergrund definierten. Die Gruppenidentität beinhaltete automatisch eine auf Opposition angelegte Weltsicht, die in Straßenkämpfen ausagiert wurde. Dieses jugendliche Parallelleben fand in der Überschreitung der ethnisch etablierten Grenzen zwischen italienischen, irischen, jüdischen und teilweise deutschen Wohnvierteln statt. Der als Junge mit seinen Eltern aus Russland eingewanderte jüdische Schriftsteller Daniel Fuchs fasste seine Erinnerung an seine Jugendzeit in Brooklyn in einem Zeitungsbeitrag mit Bezug auf Al Capone „Where Al Capone Grew Up“ zusammen:

Die bösartigste aller Gangs waren leicht die Italiener, ob von der Metropolitan Avenue oder anders woher. Sie waren knallhart in ihren Methoden, kaum bereit mit der Faust oder mit Steinen zu kämpfen, sondern benutzten unmoralisch Messer und Schusswaffen. Eigentlich konnte man sagen, dass die Iren fast aus Spaß gekämpft haben; die Juden ihrerseits kämpften immer zur Selbstverteidigung. Aber die Italiener waren immer darauf aus, zu verletzen oder zu töten. (Fuchs, 1931, S. 96)

Die Streiche von Daniel Fuchsʹ jüdischen Gangs bezeichnete er dagegen als harmlos. Sie ließen die während der Woche gesammelten Milchflaschen von Dächern auf die gegnerischen Angreifer herabregnen. Als einen der wildesten Schauplätze für Auseinandersetzungen beschrieb er die belebte Kreuzung von Broadway und Flushing Avenue, wo sich Fuchs zufolge auch Al Capone herumtrieb:

Seltsamerweise war Capone damals kaum der typische Bösewicht („bad man“) in seiner Ausbildungsphase. Man erinnert sich an ihn als eher etwas Unscheinbares, freundlich, mit sanfter Stimme und in allem sogar mittelmäßig außer im Tanzen. Capone, immer ein sehr gut angezogener Kerl, war wie viele andere Italiener ein ausgezeichneter Tänzer. Er verkehrte in einer Tanzhalle namens Broadway Casino, die jetzt elegant restauriert und als Lorraine umbenannt wurde. Alles in allem, als dieser Brooklyn Junge seinen Weg in der Welt ging, waren seine alten Freunde und Bekannten allgemein überrascht. (Fuchs, 1931, S. 97)

Als Daniel Fuchs diesen Bericht 1931 schrieb, stand Al Capone gerade in Chicago vor Gericht, wo ihm der Prozess wegen Steuerhinterziehung gemacht wurde. Es ist nicht bekannt, ob Fuchs mit der relativ freundlichen Beschreibung des italienischen Jugendlichen als galantem Tänzer seine eigene Verwunderung über dessen kriminelle Karriere zum Ausdruck bringen wollte, oder ob er auf die Unfähigkeit der amerikanischen Strafverfolgungsbehörden anspielen wollte, Beweise für Capones eigentliche Kapitalverbrechen zu finden. In jedem Fall machte er seine Leser auf die Unterschiede zwischen den ethnischen Gruppierungen und der die amerikanische Wertewelt vertretenden weißen Bevölkerung aufmerksam.

Zu Kontakten mit dem amerikanischen Mainstream der angelsächsisch-protestantischen Gesellschaft kam es für die neuen Bindestrich-Amerikaner nicht, es sei denn durch das öffentliche Ordnungswesen der Polizei und der Behörden, was man tunlichst vermied. An die Stelle des bestehenden Rechts trat die jeweils von ethnischen Wortführern und Gruppierungen definierte und ausgeübte Rechtsauffassung. Die Überzeugung von Al Capones erster Straßengang, den Navy Street Boys, sich für die Durchsetzung des von ihnen verstandenen Rechts zu engagieren, speiste sich aus Ideen der italienischen Gemeinde. Die mit allen Mitteln geführte Durchsetzung solcher ethnischer Wertsetzungen rückte sie in die Nähe krimineller Machenschaften, ohne dass dies von den jugendlichen Straßenkämpfern so empfunden wurde. Inwiefern die im Hafenviertel angesiedelten illegalen Gewerbe wie Prostitution, Schutzgelderpressung und Glücksspiele den Kindern auf der Straße bekannt waren, kann nicht abschließend beantwortet werden. Beim Umzug der Capone-Familie aus dem Hafenviertel in die bessere Wohngegend in der Garfield Place 1907 war Al erst 8 Jahre alt, war bei den Navy Street Boys aber schon als Anführer akzeptiert worden. Dies waren gute Voraussetzungen für das Treffen mit Johnny Torrio.

Das in der Kindheit im Hafenviertel eingeübte Doppelleben mit seiner Familie zu Hause und der Alternativfamilie auf der Straße setzte sich durch den Kontakt mit Johnny Torrio und dessen Organisation auf neue Weise fort. Die Kontaktnahme begann mit den schon erwähnten einfachen Botengängen, mit deren Ausführung die Tauglichkeit der angeworbenen Jungen für die Geschäfte Torrios überprüft werden sollte. Al bestand diese Tests mit Bravour und trat nach dem Verlassen der Schule in jungen Jahren einen nicht näher definierten einträglichen Job an. Verglichen mit dem konventionellen Friseurberuf und -geschäft seines Vaters erschien Al das neue, noch weitgehend unbekannte Geschäft von Torrio um vieles attraktiver. Während er zu Hause mit seinem leiblichen Vater das Billardspiel im Nachbarhaus in der Garfield Place perfektionierte und zum Billardmeister avancierte, verfestigte sich die faszinierende Ausstrahlung von Johnny Torrio zu einem Idol, das schließlich zu einer alternativen Vaterfigur wurde. Zuträglich war diesem sich entwickelnden neuen Profil Al Capones Tätigkeit in einer Waffenfabrik in Brooklyn, wo er den Umgang mit Waffen erlernte. Weniger interessant war die eher langweilige Tätigkeit in einer Papierfabrik mit geringem Einkommen, das er – ebenso wie den Verdienst bei Torrio – zu Hause abgab. Den Berichten von Zeitgenossen zufolge führte Al Capone eine Art bürgerliches Leben, war gut gekleidet und als exzellenter Tänzer und Billardspieler bekannt, der noch bei seiner Familie wohnte. Dagegen blieb in den publizierten Erinnerungen sein in den Straßengangs und mit Torrio verbundenes Leben weitgehend unerwähnt. Andere Quellen berichten von seinen Besuchen im Broadway Casino und in dem berüchtigten, vorwiegend von Italienern frequentierten Adonis Social Club, in dem regelmäßig gewaltsame Auseinandersetzungen stattfanden und in dessen Keller man auf leere Bierflaschen schießen konnte. Hier lernte Al Capone den Umgang mit Schusswaffen.

Das nächtliche Vergnügen in den Bars teilte Al mit seinem älteren Bruder Raffaele, der – wie andere der Brüder – inzwischen seinen Namen amerikanisiert hatte und als Ralph seinen Aktivitäten nachging. Ein anderes Vorbild für Al hätte sein ältester Bruder Vincenzo sein können. Er hatte seinen italienischen Namen durch James ersetzt und 1908 als 16-Jähriger die Familie klammheimlich verlassen, um sich eine neue Existenz im Mittleren Westen aufzubauen. Geleitet wurde er bei dieser Flucht aus dem Milieu der Großstadt Brooklyn von der in Wildwestfilmen vorgegaukelten Welt, in der der Westernheld mit Waffengewalt das Recht vertritt. Seine Identifikation mit dem diese Rolle in Stummfilmen repräsentierenden Hollywoodstar William S. Hart ging so weit, dass er den Namen Richard Hart annahm und seine italienische Herkunft leugnete. Möglicherweise wollte er sich damit auch von dem mit Italienern assoziierten kriminellen Umfeld lösen und als bewaffneter Cowboy-Held eine andere Karriere einschlagen. Unter dem Kodenamen „Two-Gun Hart“ wurde er schließlich als Sheriff in Nebraska im Kampf gegen den Alkoholhandel bekannt. Aufgrund seiner dunkleren Hautfarbe entwickelte er eine Affinität zur indigenen Bevölkerung und zu Mexikanern, was ihm bei seinen Einsätzen entgegenkam. Gelegentliche Kontakte mit der Familie in Brooklyn sind durch Briefe bezeugt, ebenso wie seine Teilnahme am 1. Weltkrieg in Frankreich und die spätere Wiedervereinigung mit Al nach dessen Aufstieg zum Boss in Chicago. Der ebenfalls in Italien geborene zweitälteste Sohn Ralph beendete die Schulzeit – wie der seinen Namen von Alphonse auf den amerikanischen Al abkürzende jüngere Bruder – nach der 6. Klasse, um Geld für die Familie zu verdienen, wobei er bei seiner Arbeit in einer Flaschenfabrik den Spitznamen „Bottles“ erhielt. In häufig wechselnden Jobs brachte er es zu einem guten Verdienst, mit dem er sein extensives Nachtleben finanzierte. Dazu gehörten Bordellbesuche im Hafenviertel, bei denen er sich verschiedene Geschlechtskrankheiten zuzog, bevor er 1915 die in Salerno geborene Florence, ursprünglich Filomena Marie Carmelo Moscato, heiratete. Nach der Geburt ihres Sohnes brach die Ehe bald wieder auseinander und wurde 1920 geschieden, sodass seine Mutter die Betreuung des Kindes übernahm, das in der Großfamilie zusammen mit vier Jungen und einem Mädchen aufwuchs. Al sowie seine beiden älteren Brüder Ralph und Frank wohnten zwar noch bei der Familie, führten aber durch ihre berufliche Situation und anderweitige Beschäftigungen ein weitgehend eigenständiges Leben. Nach der Beschreibung von Mario Gomes gehörte dazu ihr Engagement für hilfsbedürftige und arme Menschen der St. Michael-St. Edward- Kirche im Jugendklub, Young Menʹs Civic or Catholic Club, die sie mit Essen versorgten, wie die Zeitung The Brooklyn Citizen vom 4. Januar 1915 berichtet: „Aiding the Poor: St. Michaelʹs Young Menʹs Catholic Club Doing Good Work“. Zudem waren sie eifrige Baseballspieler und spielten für halbprofessionelle Teams in Brooklyn. Ralph leitete sogar als Coach eine Jugendmannschaft. Die tatkräftige Mitarbeit der großen Brüder für die Armen und ihre Sportbegeisterung sprechen für die gute Integration der Capone-Familie in das Kirchenleben. Dazu kamen schließlich die üblichen Abendveranstaltungen und Besuche in Tanzhallen, wo besonders Al seine Künste als Tänzer praktizieren und zur Schau stellen konnte. Allmählich nahmen diese nächtlichen Vergnügungen zunehmend mehr Raum ein.

Verständlicherweise war Al von dem offensichtlich freizügigeren Lebenswandel seines älteren Bruders beeindruckt und schloss sich ihm an. Es konnte nicht ausbleiben, dass die Aufenthalte in Bars Kontakte mit Frauen einschlossen und die Brüder mit dem Gewerbe der Prostitution in Berührung kamen. Bei Al Capones Botendiensten für Johnny Torrio ging es unter anderem um das Eintreiben von Schutzgeldern in den entsprechenden Etablissements. Zeitzeugen lokalisieren den Beginn von Al Capones das ganze weitere Leben beeinflussenden Geschlechtskrankheit auf seine ersten Bordellbesuche. Die seit dem Mittelalter in Europa auch als „Franzosenkrankheit“ bekannte Syphilis erhielt durch die von der ersten Entdeckungsreise mit Christopher Columbus aus Amerika zurückkehrenden Seeleute in der Renaissance einen neuen Schub, weil sie sich mit einer schlimmeren Form der Syphilis angesteckt hatten. Die Verbreitung dieser Krankheit erreichte im Laufe des 19. Jahrhunderts einen auch in der Literatur verarbeiteten bedeutsamen Höhepunkt. Die drei Stufen des Krankheitsverlaufs haben Al Capones Karriere unterschiedlich beeinflusst und hatten letztendlich seinen vorzeitigen Tod zur Folge. Folgt man Medizinhistorikern, war das Heimtückische der Erkrankung der Wechsel zwischen virulenten und diskreten Phasen, sodass die von Syphilis Infizierten ihre Infektion vorübergehend ignorieren konnten. Die mit der dritten Stufe der Syphilis verbundene neuronale Beeinträchtigung haben einige Biografen mit megalomanen Vorstellungen in Verbindung gebracht und sie als Erklärung für Al Capones Verhalten auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn in Chicago genutzt. Somit ergeben sich am Ende seiner Adoleszenz in Brooklyn die Mosaiksteine seines Profils, die die Grundlage für sein sich konstituierendes zukünftiges Imperium bilden. Die doppelte Prägung durch das familiäre Umfeld zu Hause und die Gangs auf der Straße, die ein an ethnischen Kriterien festgemachtes Freund-Feind-Denken als binäre Weltsicht generierte, führte zu einer Art Doppelleben als angesehenes Mitglied einer wohlsituierten Familie und als lebensfreudig rücksichtsloser Akteur im kriminellen Milieu. Er war stolz auf seinen Vater, der als Besitzer eines gut gehenden Friseurladens und eines Billardlokals den Aufstieg geschafft hatte. Aber diese Welt war zu klein für ihn und musste durch eigene Initiativen im Milieu ergänzt werden. Diese Koinzidenz von bürgerlicher Existenz und alternativen Geschäftsmodellen lernte er bei Johnny Torrio kennen, der ihm den Eintritt in diese ‚exklusive‘ Welt verschaffte. Es blieb auch diesem väterlichen Mentor vorbehalten, Al Capones nächsten Karriereschritt einzuleiten, indem er ihn an den aus Kalabrien eingewanderten Francesco Ioele vermittelte, der in Brooklyn die sizilianische Gewerkschaft der Unione Siciliana anführte und als Gewerkschaftsboss über entsprechende Kanäle zur Ausübung krimineller Machenschaften verfügte. Ioeles Einflusszonen umfassten verschiedene Bars in Brooklyn unter Einschluss der beliebten Strandregion von Coney Island sowie den Bereich des Little Italy im Süden von Manhattan. Damit weitete sich der Aktionsradius von Al Capone nicht nur regional, sondern auch grundsätzlich. Ursprünglich eher harmlose Aktivitäten und zeitweilige Auseinandersetzungen wurden nun professionalisiert und intensiviert. Der damit verbundene soziale Aufstieg mithilfe von Methoden, wie sie auch die Wirtschaftsbosse anwandten, entsprach dem Handlungspotenzial des amerikanischen Traums, das schließlich zum organisierten Verbrechen führte.

Al Capone

Подняться наверх