Читать книгу Al Capone - Alfred Hornung - Страница 8

Süditaliener im amerikanischen Schmelztiegel

Оглавление

Dies müssen jedenfalls die visuellen Eindrücke und ersten Gefühle der Capone-Familie aus Neapel gewesen sein, als sie 1895 im Hafen von New York ankam und sich schließlich in dem New Yorker Stadtteil Brooklyn niederließ. Es ist fraglich, ob beide Eltern zusammen mit den in Italien geborenen Söhnen Vincenzo und Raffaele ankamen oder ob die Mutter alleine mit den Söhnen reiste, wie die Datenbank in Ellis Island nahelegt. Kurz nach der Ankunft kam der dritte Sohn Salvatore im Juli 1895 nun als Amerikaner zur Welt, dem im Rhythmus der Anpassung an eine neue Großstadt sechs weitere Kinder folgten. Der schließlich später weltweit berühmt-berüchtigte Alphonse Capone wurde am 17. Januar 1899 als viertes Kind der Familie geboren und am 7. Februar in der St. Michael-St. Edward Kirche in Brooklyn katholisch getauft. Die ersten Jahre in der neuen Welt waren mit verschiedenen Wohnungswechseln verbunden und der nicht immer einfachen Anpassung an eine neue Nachbarschaft. Der Umzug der Familie von der Navy Street in eine Vierzimmer-Wohnung in der Park Avenue nahe des Marinehafens in Brooklyn war für die ständig wachsende Familie dringend nötig. Unterstützt wurden diese Anfangsjahre durch die italienische Gemeinde, in die die Capone-Familie emotional eingebunden war. Das als „Little Italy“ bezeichnete Wohngebiet der Italiener bot ähnlich wie etwa das Viertel „Chinatown“ der Chinesen Schutz vor anderen Einwanderern und war Ausgangs- und Rückzugspunkt für die Kontakte mit dem von den angloamerikanischen Einwanderern gebildeten Mainstream der amerikanischen Gesellschaft.

Die Zeit um 1900 brachte die radikalste demografische Veränderung für die Bevölkerung in den USA. Die ungewöhnlich großen Einwanderungswellen aus Europa führten zu einer Verdoppelung der Bevölkerung innerhalb von wenigen Jahren. Zum einen suchten die aus Osteuropa durch die Pogrome in Russland vertriebenen orthodoxen Juden Zuflucht in der Neuen Welt. Zum anderen folgten Arbeitslose und Arme den Verlockungen des Landes, den sprichwörtlich ungeahnten Möglichkeiten, die in dem Konzept des amerikanischen Traums zu einem starken Motiv für die Einwanderung wurden. Die aus verschiedenen Regionen Europas stammenden, kulturell und politisch unterschiedlichen Gruppierungen dieser Masseneinwanderung stellten verständlicherweise eine große Herausforderung für die Behörden der USA sowie für die Integration in die politischen und gesellschaftlichen Strukturen der amerikanischen Nation dar. Die in diesem Zusammenhang entwickelte Idee des Schmelztiegels, in dem die Einwanderer die charakteristischen Merkmale ihrer Herkunft und Heimat aufgeben und zu einer neuen Identität als Amerikanerinnen und Amerikaner verschmolzen werden sollten, verkündete der amerikanische Präsident Theodore Roosevelt 1906 als Programm für die als „Naturalisierung“ bezeichnete Einbürgerung in das neue Land. Dabei wurde der republikanische Präsident von dem erfolgreich am Broadway aufgeführten Melodrama The Melting Pot des jüdischen Dramatikers Israel Zangwill (1864–1926) aus England geleitet. In dem programmatisch Schmelztiegel genannten Stück heiratet ein vor dem Pogrom in Russland geflohener Jude eine nach New York eingewanderte russische Christin, deren Vater für die Vernichtung seiner jüdischen Familie in der Alten Welt verantwortlich war. Eine solche Angleichung ethnischer Eigenschaften europäischer Einwanderer als Voraussetzung für die Formierung einer amerikanischen Identität hatte schon der aus Frankreich eingewanderte Schriftsteller Michel Guillaume Jean de Crèvecoeur in der Frühen Republik der Gründung der Vereinigten Staaten von Amerika in Briefe eines amerikanischen Landmanns propagiert:

Was ist also der Amerikaner, dieser neue Mann? Er ist entweder Europäer oder stammt von einem Europäer ab, besitzt also diese besondere Blutsmischung, die man in keinem anderen Land findet. Ich könnte Dir eine Familie nennen, deren Großvater Engländer war, dessen Frau Holländerin, deren Sohn eine Französin geheiratet hat und deren vier Söhne jetzt vier Frauen aus verschiedenen Nationen haben. Derjenige ist ein Amerikaner, der seine alten Vorurteile und Verhaltensweisen hinter sich lässt und neue von der neuen Lebensweise erhält, die er angenommen hat, der neuen Regierung, der er gehorcht, und dem neuen Status, den er einnimmt. Er wird Amerikaner durch die Aufnahme in den breiten Schoß unserer großen Alma Mater. Hier werden die Individuen von allen Nationen in neue Menschen verschmolzen, deren Anstrengungen und Nachfahren eines Tages große Veränderungen in der Welt bewirken werden.

(Crèvecoeur, 1782/1788–89, 3. Brief)

Deutlich wird schon aus dieser Quelle vom Ende des 18. Jahrhunderts, dass der Schmelztiegel einer amerikanischen Nation immer nur die Assimilierung europäischer Einwanderer an die weiße, ursprünglich angloamerikanische Gesellschaft bedeutet, und, wie Crèvecoeurs Nennung von Franzosen und Holländern zeigt, sich primär auf nordeuropäische Herkunftsländer bezieht. Nicht einbezogen in die Verschmelzung zu einer neuen amerikanischen Nation sind die Ureinwohner sowie die seit 1619 aus Afrika zur Arbeit auf den Plantagen eingesetzten Sklaven. Zu diesen Diskriminierten wurden Anfang des 20. Jahrhunderts auch Einwanderer aus Ost- und Südeuropa wegen ihrer dunkleren Hautfarbe gezählt. Zusammen mit Afroamerikanern, Ureinwohnern, orthodoxen Juden und Asiaten galten sie als „unassimilierbare Fremde“. Deshalb hatten vor allem die dunkelhäutigen Einwanderer aus Süditalien und Sizilien einen schweren Stand und mussten von Anfang an um ihre Anerkennung ringen. Diese mangelnde Wertschätzung hatten die gegenüber dem Norden als rückständig geltenden Süditaliener schon in dem nach 1861 vereinigten Italien erfahren. Neben der schlechten wirtschaftlichen Situation der weitgehend in der Landwirtschaft tätigen Bewohner aus den Regionen von Kampanien, Apulien, Kalabrien und Sizilien war die Diskriminierung durch die das Land dominierenden Nordstaaten einer der Hauptgründe für die Auswanderung gewesen. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts stieg die Zahl der Amerika als Ziel ihrer Träume ansehenden Süditaliener sprunghaft an, sodass in der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts mehr als 2 Millionen Einwanderer registriert wurden, während der Rückgang in der zweiten Dekade auf immerhin noch 1 Million nur durch den 1. Weltkrieg bedingt war. Nicht unerheblich für die Beziehung zwischen der Heimat und dem prosperierenden Amerika war die große Zahl von Rückkehrern, deren vorübergehender Aufenthalt nur dem finanziellen Zugewinn für die in Italien verbliebene Familie diente.

Die Situation der auswanderungswilligen Italiener stellte sich fundamental anders dar als die der aus England seit dem 17. Jahrhundert eingewanderten Gruppierungen. Die von dem Seefahrer und Entdecker Sir Walter Raleigh 1585 mit der Billigung von Königin Elizabeth I. nach Amerika entsandte Gruppe von 105 Mann, mit der Absicht, dort auf der dem heutigen Staat von North Carolina vorgelagerten Insel Roanoke die erste Kolonie der Engländer in der Neuen Welt zu gründen, war aus bislang ungeklärten Gründen verloren gegangen. Erst ein weiterer Versuch führte schließlich mit der Gründung von Jamestown 1603 im heutigen Virginia zur dauerhaften, auf Landwirtschaft ausgerichteten Siedlung im Süden. Im Norden hatten Pilgerväter 1620 zunächst die Plymouth-Kolonie und die Puritaner 1630 mit Genehmigung des englischen Königs Charles I. die Massachusetts-Bay-Kolonie in Neuengland gegründet mit dem Ziel, ihre von der anglikanischen Kirche abweichenden religiösen Vorstellungen in einem neu zu gründenden Gottesstaat zu verwirklichen. Salem, der heutige Vorort von Boston, sollte ein zweites Jerusalem werden und nach dem Willen des ersten Gouverneurs John Winthrop eine „Stadt auf einem Hügel“ und ein Modell für die Welt sein, das schließlich zur Grundlage des amerikanischen Exzeptionalismus wurde. Diese schon am Anfang der Kolonialzeit in Neuengland religiös fundierte Vorstellung einer Ausnahmestellung in der Welt ist im Laufe der amerikanischen Geschichte politisch instrumentalisiert worden und hat das Selbstbewusstsein der amerikanischen Nation bis zu Donald Trump bestimmt. Bei der Beerdigung von Ronald Reagan 2004 wurde dem Wunsch des 40. Präsidenten entsprechend diese Textstelle aus John Winthrops Laienpredigt „Ein Modell christlicher Nächstenliebe“ verlesen.

Die von den Plantagenbesitzern in den Südstaaten und den religiös motivierten Kolonialisten im Norden im Laufe der Besiedlung entwickelten politischen und kulturellen Überzeugungen in den aus den 13 englischen Kolonien entstandenen Vereinigten Staaten von Amerika bildeten den Wertekern einer angloamerikanischen Gesellschaft, deren Strukturen und Institutionen auf die Hegemonie der weißen Bevölkerung ausgerichtet waren. Neuankömmlinge aus Europa mussten sich diesem Standard der angelsächsischen Herkunft der Mehrheit anpassen, um im Schmelztiegel zu (weißen) Amerikanern zu werden. Vor allem die Süditaliener entsprachen aufgrund ihrer romanischen Sprache, ihrer katholischen Religion und ihrem südländischen Lebensstil nicht diesem Standard. Die reservierte Haltung gegenüber der Großzahl an Ankömmlingen aus Süditalien fußte auch auf Skepsis und Vorbehalten gegenüber ihrer vermeintlichen Zugehörigkeit zu mafiösen Gesellschaften und illegalen Praktiken in Süditalien und Sizilien, die sie nach Meinung von Italienreisenden mit nach Amerika brachten. Dabei hatte sich unter den politisch und wirtschaftlich führenden Repräsentanten der amerikanischen Gesellschaft schon bald nach der Staatsgründung ein auf Wahlkampf und Konkurrenz angelegtes System entwickelt, in dem xenophobe Einstellung und Korruption vor allem in den großen Wirtschaftsmetropolen wie New York und Chicago auf fruchtbaren Boden fielen.

Schon der Ausschluss der auf dem amerikanischen Kontinent seit mehr als 10.000 Jahren ansässigen Ureinwohner sowie der aus Afrika entführten Sklaven steht für die Marginalisierung und Ablehnung ethnischer Völker, die nicht der primär weißen Bevölkerung des kaukasischen Kulturkreises entstammen. Diese Unterscheidung ist in Artikel I, Sektion 2 der 1787 verabschiedeten Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika festgehalten. Danach setzt sich die Anzahl der Vertreter im Repräsentantenhaus, die im Unterschied zur konstanten Zahl der Senatoren variiert, aus den „freien Personen“ eines Staates und „drei Fünftel der Gesamtzahl aller übrigen Personen“ ohne die „nicht besteuerten Indianer“ zusammen. Die abwertende Einschätzung der indigenen Bevölkerung, die in vielen verlustreichen Kämpfen während der Kolonialzeit in ihrem eigenen Land zurückgedrängt worden war, wurde Teil der amerikanischen Politik und Grundlage der 1830 unter der Präsidentschaft von Andrew Jackson erlassenen Gesetze („Indian Removal Act“) zur Vertreibung und Umsiedlung der im Südosten ansässigen indigenen Völker in die Reservate westlich des Mississippi. Der in den USA zur Information über den fortschrittlichen Strafvollzug und zur Materialsammlung seines Berichts über den Stand der amerikanischen Demokratie reisende französische Diplomat und Historiker Alexis de Tocqueville berichtet 1831 im Weihnachtsbrief an seine Mutter von einem Gespräch mit einem Vertreter der Chacta auf dem „Pfad der Tränen“ als Zeuge dieser ‚Vertreibung und Auflösung eines der berühmtesten und ältesten amerikanischen Völker‘ (Tocqueville, 2021, Teil 2, S. 526f.). Die nicht vollständige Anerkennung „aller übrigen Personen“ in der Verfassung, die vor allem die Sklaven in den Südstaaten betrifft, garantierte durch Anrechnung von drei Fünftel eine den Nordstaaten gleiche Anzahl von Abgeordneten im Repräsentantenhaus des Kongresses, deren Zahl sich nach den im jeweiligen Staat registrierten Bewohnern richtet. In der Auseinandersetzung über den auch durch diese inhumane Regelung dokumentierten systemischen Rassismus hat der Präsidentschaftskandidat Barack Obama im März 2008 Stellung genommen zur Situation der afroamerikanischen Bevölkerung und die in der Verfassung kodifizierte Diskriminierung als die Erbsünde der Nation bezeichnet. In Philadelphia, dem Ort der Unterzeichnung der Unabhängigkeitserklärung und der Verfassung, erinnerte er an die Leistung der aus europäischer Tyrannei und Verfolgung geflohenen Landarbeiter, Lehrer, Staatsmänner und Patrioten, die die Grundlagen für die amerikanische Demokratie legten, verwies aber zugleich auf ihr gravierendes Versäumnis, die Sklaverei abzuschaffen:

Das von ihnen schließlich unterschriebene Dokument blieb letztlich unvollendet. Es war befleckt durch die Erbsünde der Sklaverei dieser Nation, eine Frage, die die Kolonien spaltete und den Verfassungskonvent zu einem Stillstand brachte, bis die Gründerväter sich entschlossen, den Sklavenhandel mindestens zwanzig Jahre weiter zu führen, und eine Lösung letztlich zukünftigen Generationen zu überlassen. (Obama, The Wall Street Journal, 2008)

Barack Obama trat an, um die in der Präambel der Verfassung formulierte ständige Aufgabe des amerikanischen Volkes, „unseren Bund zu vervollkommnen“, als erster nicht-weißer Präsident umzusetzen, wenngleich ihm dies aufgrund der Finanzkrise 2009 und der massiven republikanischen Opposition nur unvollkommen gelingen konnte.

Die sich aus den Verfassungsdokumenten ergebenden Geburtsfehler der amerikanischen Demokratie, zu denen natürlich auch die Nicht-Berücksichtigung aller Frauen gehört, setzten sich im 19. Jahrhundert im Wechselspiel zwischen Politikern und Wirtschaftsführern um die Vormachtstellung fort. Unwissende Neuankömmlinge, die Greenhorns, wurden häufig für die Manipulation bei Wahlen und als billige Arbeitskräfte missbraucht. Diese Vorgehensweisen von Politik und Kapital wurden durch das auf Charles Darwins Evolutionstheorie aufbauende Ausleseprinzip und dessen Anwendung als Sozialdarwinismus auf die amerikanische Gesellschaft offiziell legitimiert. Durch die schnelle wirtschaftliche Expansion, den Wiederaufbau nach dem Bürgerkrieg und die Erschließung des amerikanischen Westens boten sich große Möglichkeiten, schnell reich zu werden. Die als individuelle Vertreter der liberalen Wirtschaftsordnung zunächst gepriesenen Wirtschaftskapitäne wurden bald als „Räuberbarone“ bezeichnet. William H. Vanderbilt und Leland Stanford bauten, besaßen und beherrschten die verschiedenen Eisenbahnstrecken des ganzen Kontinents, John D. Rockefeller hatte sich das Ölmonopol in Pennsylvanien gesichert, Andrew Carnegie besaß die Stahlwerke des Landes, J. P. Morgan kontrollierte das Bank- und Finanzwesen und Philip D. Armour die Schlachthöfe und Fleischfabriken in Chicago. Der politische Apparat übernahm das von den Kapitalisten etablierte System der Wirtschaftsbosse und kollaborierte mit ihnen. Zum berühmtesten Fall dieser Filzokratie wurden die illegalen Operationen des Tweed Ring in New York City. William Tweed, der 1852 zum Stadtrat für die Demokratische Partei in New York und ein Jahr später zum Abgeordneten im Repräsentantenhaus in Washington gewählt wurde, war schon früh als Anführer einer kriminellen Vereinigung bekannt und nutzte als Vorsitzender der Demokraten in New York die Institution der Tammany-Gesellschaft, die nach einem den Weißen freundlich gesinnten Häuptling des Lenni Lenape-Stammes benannt und in der frühen Republik gegründet wurde, um als „Boss Tweed“ ein Korruptions- und Bestechungssystem aufzubauen. Die in allen Bereichen von Wirtschaft und Politik vorherrschenden Missstände wurden zum Ausgangspunkt für kritische Journalisten in der Muckraking-Bewegung Anfang des 20. Jahrhunderts. Die von Präsident Theodore Roosevelt 1906 nach einer Figur aus John Bunyans puritanischer Allegorie Pilgerreise zur seligen Ewigkeit (1685) als ‚Dreckwühler‘ verunglimpften Investigativ-Journalisten hatten es sich zum Ziel gesetzt, in neu gegründeten Zeitschriften Korruption und Machtmissbrauch aufzudecken und auf Reformen zu drängen.

Dies war die politische und sozioökonomische Landschaft der Vereinigten Staaten von Amerika zu Beginn des 20. Jahrhunderts, deren Auswüchse für Auswanderungswillige im fernen Europa durch die Verlockungen des amerikanischen Traums verdeckt wurden. Die Süditaliener bildeten die größte Gruppe unter den Einwanderern dieser Zeit, die sich primär in New York niederließen, wobei die Sizilianer den Stadtteil Manhattan, die Neapolitaner die im Westen von Long Island gelegene Stadt Brooklyn bevorzugten. Der englische Name Brooklyn geht auf das holländische Breuckelen zurück und verweist auf die amerikanische Kolonialgeschichte der Holländer. Im 17. Jahrhundert hatten die Holländer das Gebiet von Long Island, auf dem Indianer des Lepane-Stammes lebten, eingenommen und 1646 Breuckelen gegründet, das schließlich einen Teil der Kolonie Neu-Niederland mit der Hauptstadt Neu-Amsterdam auf der Insel Manhattan bildete. Die von der Niederländischen Westindien-Kompanie 1624 an der Ostküste Amerikas etablierte Kolonie diente primär dem Pelzhandel. Der holländische Besitz der Kolonie währte jedoch nicht lange und schon 1664, endgültig 1674, mussten die Holländer den Engländern weichen, die Neu-Amsterdam sowie das Gebiet in New York nach dem Bruder des englischen Königs Charles II., Duke of York, dem späteren König James II. umbenannten. Im Zuge dieser Anglisierung wurde aus Breuckelen, das holländisch für Marschland steht, Brooklyn. Die im Laufe des 19. Jahrhunderts stark anwachsende und bedeutende Stadt wurde erst 1898 in den Verbund von Greater New York mit den fünf Stadtteilen eingemeindet.

Die Präferenz neapolitanischer Einwanderer für Brooklyn mag auch der Grund für die Capone-Familie gewesen sein, sich nicht in Manhattan, sondern bei dem engen Verbund von Italienern aus ihrer Region niederzulassen. Entgegen der in Biografien angegebenen oder angenommenen Herkunft stammt die Familie nicht direkt aus Neapel, sondern aus der Provinz Salerno in der weiteren Region Kampanien. Am 25. Mai 1891 ist die Eheschließung von Gabriele Caponi mit Teresa Raiola in der Stadt Angri, 45 Kilometer südlich von Neapel, registriert. Auch die ersten beiden Söhne, Vincenzo und Raffaele, werden in Angri geboren. In der eingangs genannten Datenbank in Ellis Island ist die Einreise der Mutter mit den beiden Söhnen auf dem Schiff Werra am 18. Juni 1895 dokumentiert (https://www.libertyellisfoundation.org/passenger-result). Die Nummern 93, 94 und 95 der Passagierliste benennen die 24-jährige Teresa Raiola mit dem dreijährigen Vincenzo und dem 10 Monate alten Raffaele. Nicht nur nutzte die Mutter ihren Mädchennamen, sondern die 1867 in Angri geborene Raiola machte sich auch noch um vier Jahre jünger. Erstaunlich ist zudem, dass der Name ihres Mannes Gabriele Capone nicht in der Datenbank auftaucht, was für die vielfach geäußerte Annahme spricht, dass Gabriele offenbar schon früher über Kanada in die USA eingereist war. Dokumentiert ist der Einzug in eine einfache Wohnung in der Navy Street Nr. 95 in Brooklyn, der größten italienischen Gemeinde in der Stadt. Das sprachliche und kulturelle Ambiente von „Kleinitalien“ (Little Italy) erleichterte die Eingewöhnung in das neue Leben in der Neuen Welt. Zugleich stillte der nur wenige Straßen entfernte Hafen von New York ein wenig das Fernweh nach der alten Heimat jenseits des Atlantiks. Die ebenfalls unweit gelegene, 1883 fertiggestellte Brooklyn-Brücke führte direkt zur italienischen Gemeinde auf der Insel Manhattan. Während das Gefühl der ethnischen Verbundenheit Sicherheit im Aufbau einer neuen Existenz bedeutete, erschwerten die Praxis der italienischen Sprache und der katholischen Religion die Integration in die amerikanische Gesellschaft. Gerade die Geschlossenheit der ethnischen Gruppierung brachte die Rivalität mit anderen Einwanderergruppen mit sich, die im wirtschaftlichen Wettbewerb auch mit unerlaubten Mitteln ausagiert wurde. Das an die Wohngegend angrenzende Hafenmilieu begünstigte kriminelle Praktiken wie Schutzgelderpressung und Prostitution.

Al Capone

Подняться наверх