Читать книгу Sie wollte leben, einfach nur leben... - Alfred Kachelmann - Страница 7
Kapitel 4
ОглавлениеEr war wieder weg. Schon früh am Morgen verließ er Grußlos das Haus. Auf dem Tisch fand sie dann einen Zettel. Auf ihm stand dass er jetzt eine Zeit lang nicht wieder kommen würde. Er wäre für einige Wochen in Österreich unterwegs. Neben dem Zettel lag ein kleiner Umschlag. Er fühlte sich schwer an. Voller Neugierde öffnete sie ihn mit dem kleinen Küchenmesser das noch von Gestern am Tisch liegen geblieben war. Sie konnte kaum glauben was sie in ihm fand. Ihr Schlüssel, den er ihr schon vor Monaten weggenommen hatte und vier Zehnmarkscheine.
Was hatte er vor, sollte er vielleicht sogar ein schlechtes Gewissen haben für das was er in dieser Nacht getan hatte? Oder war es nur wieder einer seiner Einfälle mit denen er ständig versuchte sie aufs Neue zu quälen? Sie wusste zu-nächst nicht wie sie mit dieser Situation umgehen sollte. Trotzdem beschloss sie die Gelegenheit zu nutzen um endlich wieder einmal ihre Eltern zu besuchen. Sie merkte wie ihr bei diesen Gedanken das Herz vor Freude schneller schlug.
Sie hatte ihr schönstes Kleid angezogen und saß stundenlang vor ihrem Spiegel um ihre Haare, die sie monatelang vernachlässigt hatte, wieder in Form zu bringen. Sie war aufgeregt wie ein kleines Kind. Endlich, endlich konnte sie ihre Eltern wieder sehen. Wie es ihnen wohl ergangen war? Ob sie sich auch so freuten wie sie es tat? Nachdem sie sich fertig angekleidet hatte verließ sie das Haus, verschloss sorgfältig die Türe und lief so schnell es ging zum Haus ihren Eltern.
Unterwegs begegneten ihr viele Menschen die sie noch aus ihrer Zeit in der Bäckerei kannte. Alle grüßten sie freundlich und sie erwiderte diese Grüße mit Freuden. Dabei huschte jedes Mal ein kleines Lächeln über ihr Gesicht. Es war warm, die Sonne schien mit ihrer ganzen Kraft an diesem herrlichen Frühlingstag. Sie freute sich über die Menschen die sie sah, genauso jedoch über die Blumen, die ihre Köpfchen vorwitzig und keck aus den Beeten, an denen sie vorüber lief, streckten. Der Gesang der Vögel brachten ihr Herz zum jubilieren. Ach wie schön es doch heute war. Vergessen die Angst und die Wut die die Nacht beherrschten.
Hastig lief sie letzten Meter über das Kopfsteinpflaster der engen Gasse hin zu ihrem Elternhaus. Sie sah ihren Vater schon von Weiten. Er stand da mit seinem gebückten Rücken, ruhig und besonnen wie immer, bemühte sich den Verschluss eines der Fensterläden neu zu justieren. Er hatte sie noch nicht bemerkt. Leise ging sie die letzten Schritte auf ihn zu. Ebenso leise sprach sie ihn, der ihr noch immer den Rücken zuwendete an. „Vater“ ...
Mein Gott, wie lange hatte er diese, ihm so vertraute Stimme schon nicht mehr gehört. Er richtete sich auf, drehte sich langsam um. Tränen der Freude liefen ihm über seine Wangen als er in ihr Gesicht sah. Wortlos fielen sie sich in die Arme. Sie hielten sich fest wie zwei Er-trinkende, die befürchteten unterzugehen sobald sie sich voneinander lösten. „Vater“…. überglücklich hatte sie dieses Wort über ihre Lippen gebracht. Ihr Herz schlug ihr dabei zum Zerspringen. In seinen Armen fühlte sie sich wieder wie das kleine Mädchen das so viele Jahre glücklich und zufrieden in diesem Haus gelebt hatte. Sie wollte ihn am liebsten überhaupt nie mehr los lassen…
Mutter ging es nicht gut, sie hatte vor einigen Wochen einen neuen Schlaganfall gehabt. Seither konnte sie ihr Bett nicht verlassen. Warum ihr Vater sie nicht verständig hatte, wollte sie wissen. Dieser konnte ihre Frage nicht verstehen, schließlich habe er ihren Mann, dem er in der Stadt begegnet war, darauf angesprochen und gebeten sie zu informieren. Der wiederum hätte ihm im Gegenzug zugesichert, dass er dies auf jeden Fall tun würde. Auch wollte er mit ihr zusammen schon lange vorbeikommen. Vater hatte sich gewundert warum sie ihm keine Antwort zukommen ließ. Er dachte schon ihr sei auch irgendetwas passiert. Schließlich hing sie doch immer so an ihrer Mutter.
Als Vater hörte, dass sie überhaupt keine Ahnung von der erneuten Erkrankung ihrer Mutter hatte, schüttelte er nur verständnislos seinen Kopf. Leise murmelte er vor sich hin dass er glaube die Heirat sei ein großer Fehler gewesen, sie habe den falschen Mann ausgesucht. Sie konnte verstehen was er vor sich hin brummte, aber sie wollte ihm keine Antwort darauf geben. Er hatte ja Recht damit, aber sollte sie ihm dies wirklich eingestehen? Würde sie seine Probleme damit nicht nur noch größer machen? Er konnte ihr ja doch nicht helfen. Sie musste ihr Päckchen alleine tragen, schließlich hatte sie es ja selbst so gewollt. Jung und blauäugig wie sie damals war. Für sie war es die erste große Liebe gewesen. Andere Männer kannte sie nicht. Ob sie heute noch einmal so entscheiden würde, diese Frage wagte sie sich selbst nicht zu beantworten.