Читать книгу Sie wollte leben, einfach nur leben... - Alfred Kachelmann - Страница 9

Kapitel 6

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Sie war wieder in ihr altes Zimmer eingezogen. Ihre Eltern hatten sie mit offenen Händen aufgenommen. Ihr Vater versprach ihr zu helfen wo er nur könne. Ihre Mutter war einfach nur froh dass sie wieder bei ihr war. Arbeit konnte sie keine finden, schließlich wurde ihr Bäuchlein immer runder und wer wollte schon eine schwangere Frau einstellen. Von ihrem Mann hatte sie nichts mehr gehört. Er war jetzt fast neun Monate wie vom Erdboden verschluckt. Keine Nachricht, kein Brief, nichts...

Sie war gerade aufgestanden als sie ein seltsames Ziehen in ihrem Bauch spürte. Dabei lief langsam eine Flüssigkeit ihre Beine hinunter. Sie erschrak, jetzt war es soweit. Sie hatte sich zwar in den letzten Wochen darauf gefreut, wollte das Kind unbedingt bekommen, aber jetzt, wo die Geburt einsetzte bekam sie Angst davor. Laut rief sie nach ihrem Vater, schrie ihm mit angstverzerrter Stimme entgegen dass das Kind jetzt kommen würde. Sie hörte ihn hastig die Treppe heraufstürmen. Dann brach sie zusammen…

Ihr Körper krampfte und schüttelte sich unter den Fieberschüben. Ihr Nachthemd war Schweißverklebt. So lag sie schon seit wenigen Tagen nach der Geburt ihrer Tochter im Bett. Unfähig sich zu rühren. Unfähig das Kind, dass sie unter starken Schmerzen zur Welt gebracht hat auch nur eine Minute an sich heranzulassen. Sepsis hatte der Arzt, den ihr Vater geholt hatte, diagnostiziert. Er solle damit rechnen dass sie vielleicht sogar sterben könnte…

Stunden- und tagelang saß ihr Vater seither an ihrem Bett. Tupfte ihr den Schweiß von der Stirn, flösste ihr die Medizin, die der Arzt dagelassen hatte, ein und versuchte ihr zu helfen so gut es ging. Selbst den Nachttopf steckte er ihr unter ihre Bettdecke. Er kümmerte sich rührend um sie und vergaß sich fast selbst dabei.

Drei Tage lang ging das so. Drei Tage in denen er nicht von ihrer Seite wich. Ab und zu schlief er im alten Lehnstuhl, den er neben ihr Bett geruckt hatte um ständig bei ihr sein zu können, kurz ein. Kaum rührte sie sich, war er sofort wieder hellwach und kümmerte sich rührend um sie. So ganz nebenbei versorgte er auch noch liebevoll seine kleine Enkelin, die er wickelte, fütterte und in den Schlaf wiegte. Mutter war auch immer da. Sie unterstützte, so gut es mit ihrer Behinderung nur irgendwie ging, Vater damit er wirklich durchhalten konnte.

Jetzt saßen sie beide im Lehnstuhl vor ihrem Bett und waren vor Erschöpfung eingeschlafen. Rührend wie Vater Mutter in seinen alten aber dennoch kräftigen Armen hielt. Wie zärtlich er sich an ihre Wangen schmiegte.

Es ging ihr wieder besser. Sie hatte sich von ihrer Erkrankung überraschend schnell erholt. Auch fand sie ebenso schnell wieder Arbeit. Dort in der Bäckerei, am Ende der Gasse, in der ihre Eltern wohnten, war sie seit kurzer Zeit wieder beschäftigt. Zwar nur ein paar Stunden am Tag und es war auch nicht viel an Geld was sie mit nach hause brachte, aber es würde schon irgendwie reichen. So mussten ihre Eltern wenigstens nicht den ganzen Tag auf ihr Kind aufpassen und hatten auch noch etwas Zeit für sich.

Mutter hingegen ging es wieder etwas schlechter. Sie hatte eine erneute Attacke und konnte ihren rechten Am und ihr Bein kaum noch gebrauchen. Vater kümmerte sich rührend um sie. Zärtlich war er zu ihr, zärtlich und fürsorglich. Egal wie schlecht gelaunt Mutter wieder einmal war, er sprach immer mit ruhiger, sanfter Stimme zu ihr. Beim Klang seiner Worte beruhigte Mutter sich immer rasch. Manchmal liefen ihr dabei ein paar Tränchen die Wangen herunter. Aber viel öfter lächelte sie wenn sie ihre kleine Enkeltochter von Vater in den Arm gelegt bekam und sie die Kleine festhielt während er versuchte ihr das Fläschchen zu geben. Sie musste lächeln während ihre solche Gedanken durch den Kopf gingen. Eigentlich hatte sie ihr Leben wieder ganz gut in den Griff bekommen.

Sie hatte das Gefühl, dass ihre Eltern es auch so sahen und mit den Dingen, so wie sie eben gerade waren, durchaus zufrieden schienen.

Sie selbst fühlte sich wohl im Hause ihrer Eltern. Es gab ihr Wärme und Sicherheit zugleich. Denn noch wusste sie ja nicht wie es mit ihm, ihrem Mann, weitergehen würde. Sie hatte zwar schon lange nichts mehr von ihm gehört, aber was hieß das schon? Es wäre ja nicht das erste Mal dass er wieder zurückkommen und so tun würde als sei nichts geschehen. Vor diesem Moment des Zusammentreffens fürchtete sie sich schon seit er sie damals so überstürzt verlassen hatte. Kein Wort des Bedauerns, kein Wort wie es für sie und die Kleine weitergehen sollte hatte sie von ihm gehört. Er war einfach gegangen. Hatte sie und ihr gemeinsames Kind einem ungewissen Schicksal überlassen. Sie konnte ihm deshalb nicht einmal mehr böse sein. Sie hatte nur noch Mitleid mit ihm…

Sie wollte leben, einfach nur leben...

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