Читать книгу Der Preis meines Glaubens - Ali Husnain - Страница 6

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Prolog: Nur eine einzige Reisetasche

Ich war gerade siebzehn geworden und absolut nicht vorbereitet auf all das, was mich plötzlich bedrohte.

„Kafir! Ungläubiger!“ Drei Monate war es jetzt her, dass die wütenden Schreie die Luft zerrissen und hundert Hände von Menschen, die ich für meine Freunde gehalten hatte, mich mit Urgewalt auf den staubigen Boden gepresst hatten. Drei Monate, seit ich gesehen hatte, wie der schwarz gekleidete Mullah auf mich zumarschierte und die Klinge des Messers, die so lang war wie meine Hand, in der Spätnachmittagssonne aufblitzte. Drei Monate, seit ich gespürt hatte, wie die Klinge meine Haut durchstieß und tief zwischen meine Rippen drang. Drei Monate – und immer noch tat es weh, wenn ich versuchte, meinen linken Arm zu bewegen. Äußerlich hatte der Messerstich nur eine Narbe hinterlassen, die so breit wie mein Daumen war, aber der Schmerz in den Tiefen meiner Brust hatte kein bisschen nachgelassen. Doch das alles war nichts gegen die Angst.

Die Angst war schlimmer als die Schmerzen.

Mein Magen war ständig verknotet, alle Augenblicke stockte mir der Atem und meine Muskeln waren in ständiger Alarmbereitschaft, als müsste ich gleich um mein Leben rennen. In den Wochen nach der Messerattacke, als die Straße meines Lebens sich mehr und mehr in einen erstickenden Treibsand verwandelt hatte, war meine Angst immer stärker geworden. Ich hatte kaum noch Appetit, ich schlief fast gar nicht mehr und war überhaupt nicht in der Lage, innerlich Luft zu holen und zur Ruhe zu kommen. Alles, was ich spürte, alles, was ich fühlte, alles, was ich kannte, war Angst.

Drei Monate hatten aus einem selbstbewussten jungen Mann, der anfing, seine Lebenspläne zu verwirklichen, einen verletzten und verwundeten Jungen gemacht, der Angst vor der Dunkelheit hatte und sich danach sehnte, dass seine Mutter kam und sich um ihn kümmerte. Es war nicht ganz das, was ich vom Leben erwartet hatte. Jeder, der mich von früher kannte, wäre zutiefst erschrocken gewesen, wenn er mich in meinem Elend gesehen hätte.

In Pakistan sagt der Name eines Menschen eine Menge über ihn aus. Ein Blick auf den Familiennamen und man weiß sofort, wo der Betreffende herkommt und was sein sozialer Status ist. Mein Name gehörte zu den angesehensten, die es überhaupt gab.

Ich heiße Ali Sayed Husnain Schah. Dieser Name weist auf eine denkbar hohe Herkunft hin, mit einem Stammbaum, der bis zur Geburt des Islam, ja Mohammeds zurückreicht.

Ali ist der Name des Mannes, der Mohammeds erste Tochter heiratete, ja der Mohammeds erster Jünger wurde und der den Zweig des Islam – den schiitischen Islam – gründete, zu dem meine Familie gehört. Wer Schah heißt, gehört in meiner Heimat zur Oberschicht: Man findet in Pakistan viele Schahs in den obersten Etagen der Gesellschaft, von der Wirtschaft bis zur Regierung.

Aber was wirklich zählt, ist der Name Sayed. Wir Sayeds sind die Crème de la Crème des Landes; wir gehen auf die besten Universitäten, wir sind die, deren Meinung zählt und die man gerne auch finanziell unterstützt. Wir sind die Privilegierten, und dementsprechend war ich aufgewachsen. Wo ich ging und stand, ob in der Moschee oder im Country Club, galt ich als aufsteigender Stern, ein junger Mann mit einer glänzenden Zukunft.

All das war aus und vorbei. Ich hauste in einer Bruchbude im Wald. Aus dem Prinzen war ein Aussätziger geworden.

Ami, meine Mutter, hatte mich in den Wochen, die ich in meinem Versteck hauste, nicht besucht. Es wäre zu gefährlich gewesen. Das verstand ich gut, aber es stoppte meine Tränen nicht. Ich achtete immer darauf, in die schmutzige Decke hineinzuweinen, die ich unter dem Bett gefunden hatte, damit niemand mich hörte.

Aber heute würde ich endlich mein kleines Gefängnis verlassen.

Baba-jan, mein Stiefvater, kletterte vorsichtig aus seinem staubigen SUV. Mein kleiner Bruder, Misim, rannte zu mir, als ob es um sein Leben ginge. Mehrere Minuten lang sagte keiner von uns etwas; erst fielen wir uns in die Arme, dann saßen wir Seite an Seite da, seine kleinere Hand in der meinen. Es war still – eine selige Stille.

Während Baba-jan meine paar Sachen aus dem Haus holte, saßen Misim und ich im Auto und betrachteten die Szene. Die Hütte, in der ich den letzten Monat gehaust hatte, war alt und eine halbe Ruine. Die Wände sahen aus, als habe ein ungeduldiges Kind die Ziegel geformt und aufeinander­geschichtet. Das Wellblech auf dem Dach war rostig und von Ranken überwuchert. Dazu die ebenfalls von Ranken und Dornen bewachsene kleine Lichtung und die hohen Bäume ringsherum, die nur einen Teil des Sonnenlichts durch­ließen – und mein Unterschlupf sah mehr wie ein Grabmal als wie ein sicheres Haus aus.

Ich schloss die Augen. „Nomi“, sagte Misim. Nomi war in Pakistan ein häufiger Spitzname für clevere Kinder. So hatten mich alle genannt, als ich kleiner gewesen war. Ich spürte Misims vorsichtigen Händedruck, während er fortfuhr, und musste daran denken, wie mein Leben gewesen war, bevor alles anders wurde. „Baba-jan wollte eigentlich den Honda nehmen, aber ich hab ihm gesagt, er soll den Range Rover nehmen. Den magst du doch lieber, oder?“

„Das hast du gut gemacht, Misim“, sagte ich. Ich lächelte und drückte mich tiefer in den Ledersitz, um meine Anerkennung zu zeigen. „Danke.“ Ich sah ihn an. Er war größer geworden, seit ich ihn das letzte Mal gesehen hatte, auf der Oberlippe wollten die ersten Barthaare sprießen. Aber sein Lächeln war immer noch das gleiche. Genauso hatte er gegrinst, wenn ich ihn mit in Onkel Faisals Laden nahm und ihm eine Handvoll Rupien gab, um Videospiele zu spielen. Oder wenn ich ihn auf dem Lenker meines Motorrads mitfahren ließ, während wir durch die Straßen kurvten. Doch das Lächeln verschwand abrupt, als ich ihn fragte: „Wo sind die anderen, Misim?“ Ja, wo war Zainab, meine Schwester? Und meine Mutter?

Er schaute zur Seite. „Die sehen wir am Flughafen.“

Die Fahrt zum Flughafen dauerte eine Stunde, vielleicht auch zwei. Lange Zeit sah man nichts als Bäume. Ich hatte in meinem Versteck gewusst, dass der Wald groß war, aber erst jetzt merkte ich, wie groß er war. Meile um Meile rumpelten wir über den Lehmweg, und rechts wie links nur Bäume, Bäume, Bäume. Baba-jan schaute mich im Rückspiegel an. –Siehst du jetzt, warum du hierhin musstest, Nomi? Es war der sicherste Ort für dich.“

Sicher? Du hast ja keine Ahnung, wie ich mich gefühlt hab …Ich musste an die Nächte denken, in denen die Stunden wie Monate schienen. Was hatte ich für eine Angst gehabt bei jedem Sonnenuntergang, während in mir mit jeder Minute die Panik vor dem Moment wuchs, wenn es richtig dunkel wurde und die Geräuschkulisse des Waldes sich veränderte. Jede Nacht hatte ich vor Angst bibbernd in der hintersten Ecke der Hütte gekauert, darauf wartend, dass die Sonne wieder aufging und der Wald wieder stiller wurde. Ich hatte versucht, sie zu verdrängen, die Schreckensbilder, die mir durch den Kopf zogen. Ich flüsterte verzweifelte Gebete – um Gottes Hilfe, um seinen Schutz oder auch um einen schnellen, möglichst schmerzfreien Tod. Stunde um Stunde hockte ich so da, bis es draußen heller wurde und ich durch das Fenster wieder die Umrisse der Bäume sah. Erst dann ging mein ­Adrenalinspiegel so weit zurück, dass ich es fertigbrachte, mich auf das Charpai zu legen, das wackelige Bett, dessen dünne, schmutzige Matratze auf einem noch dünneren Rahmen ruhte, bei dem der Lattenrost durch eine Art Geflecht aus verfilzten Schnüren ersetzt war. Erst wenn die Sonne aufgegangen war, konnte ich endlich versuchen, etwas Schlaf zu finden.

Endlich kamen wir jetzt aus dem Wald heraus und Baba-jan bog auf eine richtige Asphaltstraße ein. Nun fühlte ich mich besser. Misim begann, mich mit Süßigkeiten und Limonade zu verwöhnen; er wusste, dass ich den ganzen letzten Monat fast nur Dhal (eine Art Linsengericht) und Reis gegessen hatte. Er erzählte mir, dass er beim Kricket immer besser wurde und dass die Schule nach wie vor ätzend war. Ich redete nicht viel. Am liebsten hätte ich ihn gefragt, was Ami und Zainab machten, aber ich wollte nicht, dass er wieder lügen musste.

Die Süßigkeiten, Misims gelegentliche Bemerkungen und die vertraute Rückbank von Baba-jans Auto schufen eine Atmosphäre, in der ich wieder ein wenig ich selbst sein konnte – der Ali Husnain von damals, bevor alles anders wurde. Ich erinnerte mich daran, wie ich mit meinem 125-ccm-Motorrad die Straßen unsicher gemacht hatte, während drei meiner Freunde hinter mir saßen.

Ich versuchte, mir vorzustellen, was mich am Flughafen erwartete. Besser nicht zu intensiv daran denken, dass ich bald Ami wiedersehen würde; nach zehn Wochen ohne sie trieb mir der bloße Gedanke an das baldige Wiedersehen die Tränen in die Augen. Ich rief mir stattdessen den Plan ins Gedächtnis, den Baba-jan mir vor einer Woche eröffnet hatte.

„Du kannst nicht für den Rest deines Lebens hier bleiben“, hatte er gesagt, als er das letzte Mal mit dem Vorrat für die nächste Woche zu meinem Versteck gekommen war. „Wir haben beschlossen, dass du nach England gehen wirst.“ Meine Miene muss wohl meine Panik verraten haben, denn er fügte rasch hinzu: „Natürlich nicht allein, sondern mit deiner Familie. Deine Mutter, deine Schwester und dein Bruder werden dich begleiten.“

Mit meinen Lieben nach England – es war fast zu schön, um wahr zu sein. Den ganzen Rest jenes Tages stellte ich mir vor, wie ich bald wieder mit den Menschen zusammen sein würde, die mir die liebsten in der Welt waren. Wieder nach England und dort ein neues Leben beginnen unter all den fremden Menschen und dem grauen Himmel … Ich würde Misim Basketball beibringen und grinsend zuschauen, wie Amis Augen sich weiteten beim Anblick von Supermärkten, die so groß waren wie ein ganzes Einkaufszentrum. Ich würde ihr Fremdenführer sein, und gemeinsam würden wir dieses neue Abenteuer bestehen. Und vielleicht würden sie sogar anfangen zu verstehen, was mit mir passiert war in diesem Land. Vielleicht könnte ich sie ihnen endlich begreiflich machen, die große Veränderung in meinem Leben.

Es war ein ganz anderer Ali Husnain gewesen, der vor anderthalb Jahren England besucht hatte. Ich hatte diesen Besuch voller Hoffnung und Ehrgeiz begonnen, und ich beendete ihn mit dem Feuer eines unaussprechlich wunderbaren Geheimnisses in meinem Herzen. Aber dieses Geheimnis hatte mich um ein Haar das Leben gekostet. Meine Zuversicht war verflogen, das Bemerkenswerteste an meinem Herzen war die Narbe an seiner Seite, und das Geheimnis war keines mehr; alle kannten es – von meinen Freunden über meine Lehrer und Baba-jans Geschäftsfreunde bis zu den Militanten, die mich Kafir nannten und behaupteten, dass der Koran ihnen das Recht gab, mich zu töten.

Ich versuchte, nicht an sie zu denken, sondern an das, was jetzt kommen würde. Dabei schaute ich zu den startenden Flugzeugen hinauf, die über unserem Auto höher und höher in den tiefblauen Himmel stiegen. Bald würde ich in einem von ihnen sitzen und in mein neues Leben fliegen.

Ich konnte es kaum erwarten, Ami und Zainab zu sehen. Meine Beine waren mir nicht schnell genug, als wir zum Terminal gingen, und ich fing an, zu hüpfen wie Misim, als wir uns einen Weg zwischen all den Taxis, Rikschas und Bussen bahnten. Ich war wieder ein Kind, voller Vorfreude; ich hatte das Gefühl, hundert Luftballons in meinem Bauch zu haben, die mich gleich hoch in den Himmel heben würden.

Als ich sie sah – sie standen direkt hinter dem Eingang –, konnte ich mich nicht mehr bremsen und fing an zu rennen. Ich lachte und weinte gleichzeitig, ich konnte sie nicht mehr zurückhalten, die Freude und Erleichterung über dieses Wiedersehen. Dann lag ich in Amis Armen und all die Angst und Verwirrung fielen von mir ab. In den Armen meiner Mutter, mit dem Duft ihres Haars unter ihrem Hidschab in meiner Nase war ich in Sicherheit. Ich war von der quirlenden Menschenmenge eines Großflughafens umgeben, aber ich war zu Hause. Endlich.

Ich trat zurück und sog tief die Luft ein. Auch Zainab umarmte mich, aber nur kurz, dann half sie Misim, der mit dem Gepäckwagen kam. Auf dem Gepäckwagen stand eine Reise­tasche.

Eine Tasche. Sonst nichts.

„Wo ist das andere Gepäck?“, fragte ich. Ich wusste die Antwort schon und trotzdem war mir, als ob mir jemand einen Faustschlag in die Magengrube gab.

„Nomi“, sagte Ami. Ihre Augen waren nass, ihre Hände griffen nach meinen. Sie rang nach Worten.

Baba-jan kam ihr schließlich zu Hilfe: „Sie haben ihre Visa noch nicht gekriegt, aber sie kommen nach, sobald sie können. Es wird nicht lange dauern.“

Ich spürte plötzlich ein Loch in meiner Seele. Die Freude und Erleichterung, der tröstende Duft der Haare meiner Mutter – plötzlich war das alles wieder weg. Ade, Familienausflüge in England! Ich würde gleich in ein Flugzeug steigen, aber nicht, um ein neues Leben aufzubauen, sondern um für immer aus meinem alten zu verschwinden. Meine schlimmsten Ängste wurden wahr.

Ich muss wohl in einer Art Schockzustand gewesen sein, denn wenn jemand mich fragen würde, was meine Familie und ich miteinander machten, bevor es ans Abschiednehmen ging, könnte ich ihm nicht viel erzählen. Ich weiß noch, dass wir auf kalten Metallstühlen saßen und schweigend irgend­etwas aßen. Alles, woran ich denken konnte, war, dass dies hier vielleicht das letzte Mal war, dass ich meine Familie sah.

Ich hatte einiges durchgemacht in den letzten Wochen, aber das hier war das Schlimmste. Der Gedanke, dass unser „Auf Wiedersehen“ sehr wahrscheinlich ein „Auf Nimmerwiedersehen“ sein würde, fraß wie ein Gift in mir. Und während Baba-jan darüber redete, was sie gerade so zu Hause machten, und Misim meinen Teller leer aß, musste Ami an dasselbe denken wie ich; ich merkte es an ihrem Schweigen, an ihren traurigen Augen, an der Art, wie sie unter dem Tisch meine Hand ganz fest drückte.

Irgendwann war es dann so weit. Baba-jan reichte mir einen Umschlag. „Schau hier“, sagte er, „das Visum, Geld und die Tickets. Hin- und Rückflug, mit offenem Rückflugdatum, aber das mit dem Rückflug hat erst mal Zeit.“

Ich schaute den Umschlag kurz durch. Es schien alles in Ordnung zu sein. Das Visum sah genauso aus wie bei meinem ersten Englandbesuch und jawohl, das Ticket war eines mit offenem Rückflugdatum. Aber war es nicht in Wirklichkeit ein einfaches Ticket? Warum hatte Baba-jan überhaupt das Geld für ein Rückflugticket ausgegeben? Ich kämpfte gegen meine Tränen an und befahl meinen Füßen, meiner Familie zu folgen, als sie aufstanden und auf den Abflugbereich zusteuerten.

Es gab keine langen Warteschlangen, mein Flug war nicht gestrichen oder verspätet. Kein Aufschub, keine Gnadenfrist. Da war der Durchgang zu den Sicherheitskontrollen, rechts und links flankiert von je einem Polizisten, der die Pässe und Tickets prüfte und die Passagiere durchwinkte.

Zainab reichte mir meine Reisetasche. „Ich hab ein paar von deinen Lieblingssachen reingetan“, sagte sie. „Grüß Tante Gulshan von mir.“ Wir umarmten uns kurz. Mein Bruder Misim umarmte mich länger, aber dann trat auch er zurück. Baba-jan gab mir die Hand und legte kurz den Arm um meine Schultern. Ami umarmte mich am längsten. Ich kam mir hilflos und verloren vor in dieser Umarmung; auf einmal fühlte ich mich wieder wie ein ganz kleiner Junge.

„Es ist Zeit“, sagte Baba-jan. Seine Hand drückte mich in Richtung auf die Schiebetür zwischen den Polizisten. Ich nahm meine Tasche und ging los. Wie leicht die Tasche war, viel zu leicht für so eine weite Reise. Als ich zu den Polizisten kam, drehte ich mich um und schaute zurück. Da standen Zainab, Misim, Ami und Baba-jan, eine winzige Insel in dem Menschenstrom, der sich um sie herum ergoss.

Wir starrten einander an. Jemand trat zu mir und fragte mich, ob ich durch die Tür wollte. Ich winkte ihn an mir vorbei, den Blick unverwandt zu meinen Lieben hin gerichtet, die mir weiter nachsahen. Immer mehr Reisende kamen, die an mir vorbeimussten, und ich winkte auch sie vorbei, entschlossen, diesen Augenblick so lange wie irgend möglich auszukosten. Die Geräusche des Flughafens schienen lauter zu werden – die Stimmen der Menschen, die Lautsprecherdurchsagen, das Rattern der Gepäckwagen. Ich versuchte, sie zu überhören.

„Worauf warten Sie?“ Einer der Polizisten war zu mir getreten. Er baute sich vor mir auf und durchbrach den letzten Augenkontakt zu meiner Familie. „Sie können hier nicht ewig stehen bleiben. Gehen Sie da durch.“

Ich erwachte aus meiner Trance, drehte mich um und ging durch die Tür. Vor mir waren mehr Menschen, Geräte, Polizisten und Lärm. Nur noch ein einziger Blick zurück, bevor ich mich dorthin begab. Alles, was ich sehen konnte, waren die verspiegelten Türen, die sich hinter mir geschlossen hatten. Anstatt meiner Verwandten sah ich nur die Menschenmassen, die ihr Gepäck auf Förderbänder stellten und vor den Scannerschleusen Schlange standen; davor mein eigenes Spiegelbild. Ich sah klein und mitgenommen aus, gerade so wie meine Reisetasche. Mein Gesicht mit den tränenverschwollenen Augen schien jemand anderem zu gehören.

Und ich wusste endgültig: Du bist allein, ganz allein.

Konnte es etwas geben, das so viel Schmerz und Verlust wert war?

Da war der Polizist wieder. Er schob mich in eine der Warteschlangen. Ich hörte, wie die Schiebetüren hinter mir wieder aufglitten, aber ich wusste: Es würde nichts bringen, mich noch einmal umzudrehen.

Ich wusste: Meine Familie war fort.

Der Preis meines Glaubens

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