Читать книгу Mühlenbrock Mörderische Nachbarschaft - Alice Wakenfield - Страница 8

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BAUSTELLE

Sie schaut genervt aus dem Fenster. Die Baustellenbaken stehen schon seit zwei Wochen vor ihrer Einfahrt. Ebenso ein herrenloser Bagger und diverse Kabeltrommeln. Seit sie den Zettel mit der Bitte, außerhalb ihrer Einfahrt zu parken, im Briefkasten hatte und der Gehweg genau vor ihrem Haus aufgerissen wurde, hat sich nichts mehr getan. Bei ihren Nachbarn ist nichts, und das, obwohl sie als Einzige in der Straße nicht von dieser Aktion profitieren wird. Sie hat längst schnelles Internet. Und die Nachbarn hätten es auch haben können – ohne dieses Mordstheater. Sie hätten sich nur informieren müssen. Aber es ist natürlich leichter, den Klinkenputzern zu glauben. Mittlerweile glaubt sie fast, dass die Baustelle bei ihr Schikane ist. Sowas wie Rache, weil sie als Einzige in der Straße den seltsamen Vertrag nicht unterschrieben hat.

Am nächsten Tag sieht alles anders aus. Auf einmal scheint der große gelbe Ameisenhaufen vor ihrem Gartentor hunderte, nein tausende kleiner, fleißiger Arbeitsameisen ausgespuckt zu haben. Mindestens fünf kleine Radlader fahren emsig die Straße rauf und runter. Die Luft ist erfüllt vom Dröhnen der Presslufthämmer. Das Werkzeuglager wächst direkt vor ihrer Haustür, auf ihrer Auffahrt steht der Kompressor – direkt neben dem Generator. In ihrer Küche vibriert alles und die Luft ist durchzogen von Staub und Abgasen.

Sie beobachtet das Spiel eine Weile, sieht aber kein System. Es scheint, als würden Gehwegteile aufgerissen und wieder zugeschüttet werden, ohne dass irgendetwas verlegt wurde. An anderen Stellen schlängeln sich lange rote Plastikleitungen aus Löchern im Boden und scheinen dort vergessen zu werden.

Am Unverständlichsten agieren die Fahrer auf ihren kleinen Miniradladern. Sie fahren viel zu schnell hin und her. Einige haben Erde auf ihren Schaufeln, die sie nirgendwo hin kippen, sondern nur straßauf-, straßab fahren. Andere bevorzugen die Leerfahrten. Sie scheinen verzweifelt eine Stelle zum Graben zu suchen, sie aber nicht zu finden. Würden die zwei Varianten zusammenkommen, könnte etwas Fruchtbares daraus entstehen. Doch sie fahren schnell aneinander vorbei, würdigen sich keines Blickes, so als würde der eine sich für etwas Besseres halten als der andere. Nur in einem sind sie sich einig, sie wollen Geschwindigkeitsrekorde brechen.

Ein wenig macht es ihr Sorge, was sie da sieht. Gegenüber ist der Kindergarten, um die Ecke die Grundschule. Um die Mittagszeit werden hier viele Kinder unterwegs sein und die Verkehrslage ist momentan auf dieser ruhigen Wohnstraße so unübersichtlich wie der Sommerferienanfang am Kamener Kreuz.

Gegen Mittag kocht sie sich einen Kaffee. Sie schreckt auf, als sie von draußen Schreie hört. Ein enormer Streit scheint zugange zu sein. Sie nimmt den Welpen auf den Arm und geht nach draußen. Auf der Straße liegt ein aufgeplatzter Ranzen. Daneben steht eine Mutter mit einem Schulkind und einem Kinderwagen. Die Frau schreit auf den Fahrer eines Radladers ein. Offensichtlich ist das passiert, was sie befürchtet hat. Sie stellt sich dazu und fragt, ob sie helfen kann.

„Halt dich da raus, Schlampe“ tönt es vom Fahrersitz. „Die Alte hat ihr Blag nicht im Griff. Ist auf die Straße gerannt. Kann froh sein, dass ich gebremst habe.“

Mehrere Nachbarn kommen aus ihren Häusern und gesellen sich zu ihnen uns. Andere Bauarbeiter lassen ihr Werkzeug liegen und nehmen neben dem Radlader Stellung. Sie drückt dem weinenden Kind den Welpen in den Arm, das wirkt immer. Dann wendet sie sich dem zu, der zumindest so aussieht, als wüsste er, was er tut. Mit zusammengebissenen Zähnen versucht sie zu vermitteln: „Hier muss wirklich vorsichtig gefahren werden. Die Bagger sind viel zu schnell und die Straße ist durch die Baustelle unübersichtlich. Das Kind hätte...“

Er lässt sie gar nicht ausreden und drückt ihr eine Karte in die Hand. „Beschwer dich bei meinem Chef, Schlampe. Wir machen hier unseren Job.“

Sprachlos bleibt sie zurück. Sie blickt in die Augen der Nachbarn, die offenkundig erstaunt sind über die Geschäftspraktiken ihres neuen Internetanbieters.

„Endlich mal kein Toter.“ Mühlenbrock steht an einem verwaisten Baustellenschild neben einem alleinstehenden Bagger und schaut sich um.

Karl hält ein Stück Kabel in der Hand und grinst. „Ein Tatort ist das ja nicht. Alles schön zugeschüttet, verdichtet und gepflastert. Saubere Arbeit. Warum allerdings das ganze Equipment hier noch steht, weiß ich auch nicht. Und keine Spur von den Arbeitern.“

„Ich rufe in der Firma an, die Karte lag auf dem Baggersitz. Sollen die es doch abholen. Ich mach das vom Revier aus.“

Sie steigen ins Dienstfahrzeug, froh, dass wenigstens eine Baustelle in der Stadt so zügig erledigt war.

Es klingelt. Der Strom der eintretenden Nachbarn nimmt kein Ende. Sicherheitshalber hat sie genug Wein gekauft.

„Schön, dass wir noch aus dem Vertrag rausgekommen sind“, beginnt Gerd.

„Schön, dass sie schon alles perfekt für ihre Entsorgung vorbereitet haben“, grinst sie und macht die erste Flasche auf.

Mühlenbrock Mörderische Nachbarschaft

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