Читать книгу Kannst Du lieben? - Alice Zumbé - Страница 7
5. Kapitel: Die Liebe zu meinem Sohn.
ОглавлениеNach Branco´s Abreise meldete sich am 08. Mai 2013 mein Sohn Daniel telefonisch bei mir. In den letzten Monaten hatten wir nur wenig Kontakt gehabt, denn er hatte es so entschieden. Ich respektierte dies, weil er schon lange sein eigenes Leben führte und ich über die Jahre gelernt hatte mein Kind loszulassen. Ich hatte ihm seine Flügel gegeben, damit er nun auch selber fliegen konnte, auch wenn dies manchmal bedeutete, dass ich den ein oder anderen Sturz sah und es nicht verhindern konnte.
Wir verabredeten uns für den nächsten Tag in einem Café und ich spürte schon während des Telefongesprächs, trotz der wenigen Worte, die wir wechselten, dass es ihm nicht gut ging. Vorbereitet auf mein Kind, das wieder einmal gestürzt war, begab ich mich zum vereinbarten Treffpunkt. Ich war so voller Liebe in mir, dass ich wusste, was auch immer er mir an negativen Erlebnissen und Gefühlen mitbrachte, ich würde es aushalten und einfach für ihn da sein, egal was kommt.
Dann trat mir ein Mensch entgegen, der in diesem Moment seinen ganzen Schmerz, die Niedergeschlagenheit, die Enttäuschung, die Wut, die Hilflosigkeit und die fehlende Selbstsicherheit ausstrahlte. Ich konnte nur eines tun. Zuhören. Und ihm so vielleicht die Möglichkeit bieten alle diese Gefühle ein Stück loszulassen. Es war kein leichtes Gespräch, aber ich fühlte mich stark genug seine Last für den Moment zu tragen und ich brachte die positive Energie mit, dies es brauchte, um dem persönlich entgegen zu stehen. Nachdem er schweren Herzens seine Geschichten erzählt hatte, verweilten wir einen Moment im Schweigen. Dann fragte ich ihn, wo die Liebe bei ihm ist. Ich berührte damit sein Herz und weil er sich gerade schwach und leer fühlte, beantwortete er die Frage damit, dass er es nicht weiß, sie einfach gerade nicht da sei und er glaube, dass er sie verloren hat. Dann begann ich ihm von meinen Erlebnissen der letzten Wochen zu erzählen, die von Liebe getragen waren. Ich erzählte von den wunderbaren Menschen in meinem Leben, mit denen ich in Liebe verbunden bin. Er hörte mir zu und öffnete für einen Spalt breit sein Herz. Ich freute mich, dass er dies zuließ und spürte aber auch wie viel Kraft es ihn gekostet hatte. Nach einer Weile waren alle Worte gesagt und ich wusste, dass die Zeit gekommen war uns zu trennen. Er ließ mich einen kurzen Augenblick alleine, den ich nutzte, um ihm einen Text auf sein Handy zu schicken, den ich wenige Tage zuvor entdeckt hatte. Er lautete:
„Die Liebe. Wenn die Liebe ruft, nehmt ihren Ruf an, selbst wenn der Weg mühsam und beschwerlich ist. Und wenn ihre Schwingen sich öffnen, gebt euch hin, selbst wenn das Schwert, das dort verborgen ist, euch am Ende verwundet. Und wenn die Liebe zu euch spricht, glaubt ihr, selbst wenn ihre Stimmen eure Träume zerstört wie der Nordwind den Garten. Denn die Liebe krönt euch und kreuzigt euch. Sie lässt die Zweige wachsen, die sie stutzt. Sie knetet die Menschen wie Teig, bis sie biegsam und geschmeidig sind... Solltet ihr aber aus Angst in der Liebe nur Frieden und Lust finden wollen, dann entfernt euch besser von ihrer Tür und sucht eine andere Welt, in der ihr lachen könnt, doch nicht mit aller Freude, in der ihr weinen könnt, doch ohne alle Tränen aufzubrauchen. Die Liebe gibt nichts und bittet um nichts, nur um sich selber. Die Liebe besitzt nicht und wird nicht besessen, da sie sich selber genügt. Und versucht nicht, ihren Lauf zu beeinflussen: Denn wenn die Liebe uns für würdig hält, wird sie uns dort hinführen, wohin wir gelangen sollen.“ (Paulo Coelho)
Wir verließen den Ort der Zusammenkunft und gingen noch gemeinsam ein Stück des Weges. Die Zeit des Abschieds war da. Wir standen uns mit etwas Abstand gegenüber und aus tiefstem Herzen ließ ich meinen Gefühlen Raum für die richtigen Worte. „Daniel, ich liebe Dich. So wie Du bist. Egal was war oder was kommen wird.“ Dann drehte ich mich um und ging weg. Es war Liebe da. Die Liebe zu meinem Sohn. Und ich vertraute meinem Kind, dass es seinen Weg finden würde. Ich fühlte mich glücklich über diese Begegnung und bis heute fühle ich das Glück jedes Mal, wenn wir aufeinandertreffen. Drei Stunden später sah ich, dass Daniel den Text auf seinem facebook-Profil veröffentlicht hatte und ich wusste, dass er sie wiedergefunden hatte. Die Liebe.
An dem folgendem Sonntag war Muttertag. Ein Tag, dem ich bisher keine besondere Bedeutung zumaß, was sich am Abend dann jedoch ändern sollte. Daniel schrieb mir eine Nachricht in den späten Abendstunden und der Satz, der mich am meisten darin berührte und in großen Lettern geschrieben war, lautete: „UND ICH WERDE DIE LIEBE WIEDER ZULASSEN“.
Daniel ist ein wundervoller Mensch mit vielen nennenswerten Eigenschaften. Einfühlsam und voller Herz. Liebenswert. Mit viel Freude beobachte ich, wie er sich entwickelt, seinen Weg geht und die Welt entdeckt. Oft bin ich überrascht über seine Weitsicht in Gesprächen über zwischenmenschliche Beziehungen und bin gewiss, dass dies ihm helfen wird sein Leben zu leben. Er hat gelernt zu fliegen und ich wünsche ihm, dass die Zeit der großen Stürze hinter ihm liegt und jetzt die Zeit kommt, wo seine Träume fliegen lernen.
Für mich ist dies eine der schönsten Liebesgeschichten, die ich in diesem Jahr erlebte und ich bin unendlich dankbar dafür, dass meine Sohn Daniel und ich uns wiedergefunden haben. Heute begegnen wir uns als eigenständige Menschen, die sich lieben. So wie wir sind.