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17. Februar 2016: Bedingungslose Liebe - Teil 2.

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Lieber Freund,

vor ein paar Tagen, als ich die ersten Zeilen dieses Briefes verfasste, war ich wieder einmal umzingelt. Eingekreist von unbekannten Menschen, die sich nach und nach, manchmal wechselnd, an meinen Tisch in einem Café gesellten. Draußen war es winterlich kalt und da dieses Café darüber hinaus zumeist sehr gut besucht wurde, hörte der Strom der Menschen kaum auf, der sich die Klinke in die Hand gab und sich nach etwas Wärme sehnte. Wie Du weißt, liebe ich das lebhafte Treiben um mich herum, denn dann spüre ich das pulsierende Leben und gleichzeitig wird meine Neugierde auf Menschen gestillt, die schon so manches Mal ein nettes Gespräch nach sich zog. Während ich mich dem Schreiben hingab, ab und zu eine Gabel mit dem Käsekuchen befüllte, um mich auch dem kulinarischen Genuss zu widmen, wurde ich mit Aufmerksamkeit beschenkt. Denn zwei Damen waren ganz fasziniert davon, dass ich noch ganz klassisch mit einem Füllfederhalter in ein Buch schrieb. Es weckte ihre Neugierde und sie wünschten mir Glück und Erfolg für´s Schreiben, als sie sich vom Platz erhoben und diesen Ort verließen.

Zwei Tage zuvor konnte ich schon den Tag mit Glück begehen, denn der Schornsteinfeger hatte sich angekündigt. Du erinnerst Dich sicher noch an diese Aussicht, von der ich Dir im letzten Brief berichtete. An diesem Morgen musste ich aufgrund der Ankündigung früh aus den Federn und da der Akt des Aufstehens für mich nicht direkt mit „Willkommen in der Welt” verbunden ist, brauchte ich eine Weile bis ich mit Fug und Recht behaupten konnte vollends in dieser Welt angekommen zu sein. Danach gab es nur noch eines zu tun: warten. Völlig unerwartet verging Stunde um Stunde, ohne dass das Glück an meine Tür klopfte. Gegen 11 Uhr trat ich auf den Balkon und just in diesem Moment erblickte ich den Schornsteinfeger, der gerade die Straße in Richtung Haus überquerte. Von oben rief ich hinunter und bat ihn doch erst zu mir zu kommen, da bereits andere Verpflichtungen auf mich warteten. Schnell lief ich zur Tür, um sie zu öffnen und während ich die letzten Sekunden ausharrte, spürte ich wie sich ein Gefühl der Freude in mir breit machte, weil nun gleich das Glück über die Schwelle trat. Die nächsten 15 Minuten ließen dann Raum für ein erfreuliches Gespräch über das Schreiben und Lesen und nach getaner Arbeit erlaubte mir der Schornsteinfeger an einem der Knöpfe seiner Jacke zu drehen, da dies bekanntermaßen Glück bringt. Das teilte ich dann sogleich in der realen Welt mit einer Dame, die ich traf und in der virtuellen, wo es so dem ein oder anderen vielleicht einen Moment des Glücks bescherte.

In meinem letzten Brief an Dich erzählte ich Dir doch auch von meinen Gedanken zur „bedingungslosen Liebe”, die ich weiter vertiefen wollte. Einige dazu umkreisten meine Freundschaft zu Nina, die Du noch nicht kennst. Um dies nun näher zu erläutern, fange ich dann vielleicht mit meiner Wahrnehmung dieses Menschen an, dem ich vor weit mehr als vier Jahren zum ersten Mal in einem Restaurant begegnete – ein Umstand an den sie sich weitaus besser erinnerte, als ich – und wir die gegenseitige Sympathie und Neugier aufeinander immer weiter auszubauen begannen, die für mich zu einem Fundament der Liebe wurde. Bedingungslos.

Was den Menschen ausmacht, ist das Zusammenspiel von Körper, Seele und Geist und Nina hat sich meiner Ansicht nach in all diesen Bestandteilen der Schönheit verschrieben, die sich allerdings nicht in Oberflächlichkeiten verliert. Ihr Wesen gleicht dem eines Schmetterlings, der schön anzusehen die Freiheit des Fluges genießt, um sich von Zeit zu Zeit auf einer schönen Blume, an einem schönen Ort niederzulassen und sich an dem süßen Saft zu laben, der dort verborgen ruht. Ein verbindendes Element unserer Freundschaft ist natürlich die Liebe, über die wir in den Jahren oft sprachen und uns austauschten über die Geschichten des Lebens, die wir bis heute damit verbinden. Auf viele gemeinsame Erlebnisse, verknüpft mit so mancher Reise blicke ich mittlerweile zurück und sie waren alle von Offenheit und Ehrlichkeit geprägt. Ganz gleich ob leichte oder schwere Zeiten fällig waren, sie stand an meiner Seite, wenn es nötig war - selbst dann, als uns eine halbe Weltreise räumlich voneinander trennte. Verbundenheit beginnt im Herzen und die Bedingungslosigkeit dieser Form der Liebe, die man Freundschaft nennt, macht die Unabhängigkeit von äußeren Umständen aus. Für mich immer wieder mal eine Herausforderung, für diesen Schmetterling weniger und es liegt an mir darauf zu vertrauen, dass sie immer wieder auf meiner Blume Platz nimmt. Dann flüstert sie mir auch ins Ohr, dass ich in ihrem Herzen bin.

Die Leichtigkeit ist eine der Eigenschaften, die ich an Nina bewundere. Mit ihr schreitet sie durchs Leben und davon kann ich noch so manches lernen. Ihre äußere Erscheinung beeindruckt viele, doch ihre wahre Schönheit liegt im Inneren und ist die, die nach außen strahlt. Sie spiegelt ihre Heiterkeit, ihren Sanftmut und ihr wohlwollendes Wesen wieder und wer dies erkennt, sich nicht nur für die Oberfläche interessiert und daran teilhaben darf, kann sich glücklich schätzen, wenn er mit ihr Zeit verbringt. Ein Privileg, das mir seit vielen Jahre vergönnt ist und auf das ich dankbar zurückschaue. Über unsere Freundschaft und das, was sie ausmacht, tauschten wir uns hier und da aus und dann sagte ich immer: „Eigentlich ist es die perfekte Beziehung, obwohl ich das Wort „perfekt” nicht gerne mag. Jeder nimmt den anderen so an, wie er ist, mit allem Für und Wider. Wir lassen uns gegenseitig die Freiheit zu sein wer wir sind oder sein wollen, unabhängig von der Beurteilung des anderen.”

Wenn bedingungslose Liebe Achtsamkeit, Höflichkeit, Freundlichkeit, Mitgefühl, zuhören und helfen, wo es möglich ist, ausmacht, dann ist diese Freundschaft zu Recht bedingungslos. Uns eint der Sinn für Schönheit, der sich nicht im äußerlichen erschöpft, das Gefühl von Freiheit, das sich nicht an äußeren Umständen misst und die Liebe, die sich weder den Gesetzen von Raum, noch denen von Zeit unterwirft. Daran üben wir uns und jeder auf seine Weise. Das Leben ist Veränderung. Neue Menschen treten in unser Leben, Wege führen uns an andere Orte, mit neuen Aufgaben befüllen wir unsere Zeit. Was bleibt ist die Verbundenheit, die offenbart, dass man liebt. Bedingungslos. So fühle ich es, wenn ich an diese Freundschaft denke.

Mein Weg führte mich heute noch an einen geschichtsträchtigen Ort voller Bücher. Ein Verlagshaus, das nach mehr als 100 Jahren bald seine Türen für immer verschließt und in dem mich eine Buchbestellung erwartete. Ein weiteres Werk von Jane Austen, das ich jedoch dieses Mal als Geschenk weiter reichen werde. Als ich es entgegennahm, mich abwendete und in Ruhe meinen Blick über die schon leeren Buchregale schweifen ließ, entdeckte ich einen Satz an der Wand, der mich neugierig werden ließ. Also wand ich mich noch einmal an die Dame hinter dem Tresen, die mir einen Flyer entgegenreichte, der mir das Geheimnis der Worte verraten würde. Sie lauteten: „Menschsein heißt lesen” und sind die Übersetzung aus dem griechischen ANTHROPOS ZOON LOGON ECHON – die älteste Definition des Menschen aus der griechischen Antike. Der Flyer offenbarte mir dann weitere Details, wie zum Beispiel, dass das Wort „lesen” „sammeln, zusammenlegen” bedeutet und dass die Gabe des Lesens, unter allen Wesen dieser Welt, nur dem Menschen zuteilwurde. Sie verschafft uns die Möglichkeit an dem Wissen anderer teilzunehmen, dem geschriebenen Wort, dem der Gedanke vorausging, der aus den Tiefen der menschlichen Seele entsprang. Dies verbindet uns unabhängig von den Gesetzen von Raum und Zeit und es verbindet meine Liebe zum Schreiben mit denen, die es lieben zu lesen.

Auf der Rückseite des Flyers las ich noch ein paar Gedanken zu Lesen, Sprechen, Denken von Johann Gottfried Herder, einem Dichter, Philosophen und Theologen der im 18. Jahrhundert lebte und dessen Sicht mir gefällt, weshalb ich sie hier in ihrer gesamten Fassung zitiere:

„Mehrmals war es mir fremd, dass wir Deutsche die Wichtigkeit dessen, was Sprache ist, so sehr zu verkennen scheinen. Sobald von Sprache die Rede ist, glaubt der große Haufe, dass man von ihr als ein Grammatiker spreche. Sie als Organ unserer Vernunft und gesellschaftlichen Tätigkeit, als das Werkzeug jeder Kultur und Unterweisung, als das Band der Geselligkeit und guten Sitten, als das echte Mobil zur Beförderung der Humanität zu betrachten, davon sind wir weit entfernt. Und doch lernen wir nur durch Sprache vernünftig zu denken, nur durch Sprache unsere Vernunft und Empfindungen anderen mitzuteilen. Sprache ist das Band der Seelen, das Werkzeug der Erziehung, das Medium unserer besten Vergnügungen. Sie verknüpft Eltern mit Kindern, den Lehrer mit seinen Schülern, Freunde, Bürger, Menschen. In allen diesen Fugen und Gelenken sie auszubilden, sie richtig anzuwenden – diese Aufgabe schließt viel in sich. Wer richtig, rein, angemessen, kraftvoll, herzlich sprechen kann und darf, der kann nicht anders, als wohl denken. Ist die Sprache eines Menschen, einer menschlichen Gesellschaft, schleppend, hart, verworren, kraftlos, unbestimmt: so ist´s gewiss auch der Geist dieser Menschen; denn sie denken ja nur in und mit der Sprache.”

Damit enden heute meine geschriebenen Gedanken an Dich und ich verbleibe bis zum nächsten Mal. Eine kleine Geschichte, die ich heute miterlebte, die mein Herz erwärmte, schwebt mir schon durch den Kopf, doch übe Dich noch etwas in Geduld.

In Liebe,

Alice

PS. Und vergiss nicht - Schmetterlinge muss man fliegen lassen.

„Liebe ist etwas Machtvolles, doch der, der danach handelt, würde sie nie missbrauchen, weil er der Achtsamkeit, dem Respekt, dem Mitgefühl, der Höflichkeit und der Freundlichkeit folgt.”

Liebesbriefe von Alice.

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