Читать книгу DreiEXBeziehungen - Alina Leitinger - Страница 10
ОглавлениеWie diese unglaubliche Geschichte begann…
19.7
Betreff: ER
Hallo,
wir kennen uns nicht persönlich, aber ich habe schon viel über dich gehört - so wie du über mich… nehme ich an.
Ich werde gleich zur Sache kommen, der Grund warum ich dir schreibe ist dass ER dich betrügt… und zwar mit mir!
Wir haben seit Muttertag wieder Kontakt und ab 12. Mai hatten wir wieder Sex, wir sehen uns so oft es geht und verbringen auch mindestens ein Mal wöchentlich die Nacht zusammen. Ich habe dazwischen oft versucht es zu beenden, aber ER ließ das nicht zu. Wir waren vorletztes Wochenende in Budapest. Er weiß, dass ich noch Gefühle für ihn habe und beteuert mir, dass er mich immer noch liebt. Auf die Frage, warum er mit dir zusammen ist, antwortete er, dass er mit dir eine Beziehung eingegangen ist um mich zu vergessen (hat nicht viel gebracht), außerdem spare er sich 180 Euro für die Ernährungsberatung. Er weiß, dass es nicht richtig ist aber er hat kein schlechtes Gewissen. Er hat mir sehr intime Details erzählt, wonach du Probleme hättest zum Orgasmus zu kommen und dass er sich jedes Mal mich vorstellt, wenn er mit dir schläft.
Letzte Nacht haben wir wieder gemeinsam verbracht.
Ich saß am Klo, als ich das las. Am Klo im Haus meiner Mutter in der Steiermark. Du fragst dich, ob ich meine Mails immer Sonntagnachmittag auf der Toilette checke? Wohl eher nicht! Ich saß nicht zufällig mit meinem Smartphone auf der Schüssel. Aber um ehrlich zu sein, passte das ganz gut, denn mein Körper reagierte auf diese Nachricht unmittelbar mit Dünnschiss (= Diarrhoe = Durchfall = flüssiger Stuhlgang). So reagiert mein Körper meistens, wenn ich aufgeregt bin. Wobei das Wort “aufgeregt” nach dieser Nachricht ein wenig untertrieben war. Mein ganzer Körper bebte. Mein Herz schlug mir bis in den Hals und im Hals steckte ein Kloß. Mein Magen zog sich zusammen und mir war übel. Meine Finger waren trotz Sommerhitze auf einmal eiskalt. Ich hielt mein Smartphone in den Händen und dachte nach.
Was zum Kuckuck habe ich mir da bestellt?!?!?! So war das aber nicht geplant!! Alles läuft perfekt, sogar besser als ich es mir je ausmalen konnte und jetzt das? Was zum Teufel soll das?
Du musst wissen, ich bestelle mir nun schon seit Jahren “Dinge” beim Universum. Davon hast du bestimmt schon einmal gehört, dass sich Menschen zum Beispiel einen Parkplatz für ihr Auto wünschen und ihn immer bekommen. Auch wenn viele Menschen diese erfüllten Bestellungen für Zufälle halten, hat es bei mir doch immer wieder funktioniert. Alles, was ich mir aus tiefstem Herzen wünschte, kam auch tatsächlich zu mir. Oft kamen meine Bestellungen anders, als ich sie erwartete, aber meistens sogar besser als ich es mir vorstellen konnte. Berufliche Wünsche erfüllten sich für mich immer schon mit Leichtigkeit, denn ich wusste in der Regel genau, was ich wollte, also konnte das Universum schnell und präzise für mich liefern. Was meine Liebesangelegenheiten betraf, war die Bestellerei für mich schon etwas schwieriger. Das lag aber nicht daran, dass das Universum nicht liefern wollte, sondern an meinen ständig wechselnden Bestellungen. Ich wollte definitiv einen Mann, das war klar. Doch an einem Tag wollte ich einen liebevollen Kuschelhasen, der mich von oben bis unten verwöhnen würde, an einem anderen Tag einen abenteuerlustigen Bad Boy, mit dem ich die Welt erobern würde und wiederum an einem anderen Tag wollte ich einen erfolgreichen Geschäftsmann, mit dem ich vielleicht sogar zusammen ein Business aufziehen könnte. Diese Wünsche konnte ich gedanklich nicht in einem einzigen Mann vereinen und daher war eine klare Bestellung irgendwie unmöglich.
Merke! Wenn du dir etwas nicht vorstellen kannst, wenn du deinen Wunsch nicht klar und deutlich benennen kannst, kann das Universum auch nicht gut liefern.
Und so war es gaaaaanz lange Zeit bei mir und meinen Liebesangelegenheiten. Es war ungefähr so, als hätte ich beim Homeshopping Kanal des Universums angerufen, mit dem Wunsch einen Pulli zu bestellen. Welches Modell hätten Sie denn gerne junge Frau? Ich weiß nicht. Welche Farbe? Ich weiß nicht. Blau? Oder doch grün? Haben sie einen schönen Gelben? Welche Größe? Ich weiß nicht. Mit Kapuze? Ja, nein, ich weiß nicht. So kann ich Ihnen nicht helfen meine Liebe. Zack - Hörer aufgelegt.
Dieses Hin und Her in Sachen Liebeswünschen ging mir selbst unglaublich auf die Nerven, daher machte ich im Herbst 2020 eine ganz besondere Männerbestellung. Ich erinnere mich noch ganz genau daran. Ich stand in meiner Küche und hatte gerade meinen Abwasch erledigt. Genervt von meiner Unklarheit, streckte ich meine Arme in die Höhe und flehte zum Universum:
Liebes Universum. Anscheinend habe ich keine Ahnung, was ich will, geschweige denn, was wirklich gut für mich ist. Also liefere mir bitte einfach den besten Mann, den ich kriegen kann. Du machst das schon. Danke
Tatsächlich kam ER völlig unerwartet, komplett anders, als ich ihn mir je ausgemalt hatte und sogar besser denn je. Das Universum hatte alle meine Wünsche in einem einzigen Mann vereint und hat sogar noch einen draufgesetzt. Diese Lieferung war mehr als perfekt.
Und da saß ich nun auf der Schüssel und verstand meine Welt nicht mehr. Was hatte mir das Universum denn da geliefert? Einen perfekten Betrüger? Schon wieder? Das war so nicht ausgemacht. Das Beste für mich konnte doch kein Lügner sein oder etwa doch?
Ich war bereits am Freitag in die Steiermark gefahren, um meine Eltern zu besuchen. ER kam am Sonntag nach, um mich abzuholen und um meinen Vater kennenzulernen. Ja genau, ER hatte an diesem Tag das erste Mal meinen Vater getroffen. Ich war 15 Jahre alt, als mein Vater das letzte Mal einen Freund von mir persönlich kennenlernte. Mein Vater und ich konnten uns also ganze 15 Jahre vor dieser “normalen” Sache drücken - den Freund kennenlernen. An dem Wochenende durchlebte ich also sowieso einen bunten Mix an Gefühlen von Aufregung über Nervosität bis hin zu Angst vor unangenehmer Stille und Disharmonie.
Eine kleine Anmerkung vorweg: Es gibt eine Paranoia Stimme in uns, die uns das Leben ganz schön schwer machen kann. Dazu erfährst du in einem anderen Teil der Geschichte mehr.
Lange Rede kurzer Sinn - sowohl mein Vater als auch mein Herzblatt sind sehr liebevolle, umgängliche Persönlichkeiten, also war jegliche Sorge unbegründet. Der Tag verlief sehr gut und wie immer besser als ich es mir vorgestellt hatte. Nach einigen redseligen Stunden voller Harmonie, fuhren wir von der Wohnung meines Vaters zum Haus meiner Mutter. Schnell die Mami umarmen, kurz auf der Terrasse quatschen, den Garten plündern und wieder zurück nach Wien fahren war der Plan. Die anderen saßen noch gemütlich auf der Terrasse, als ich schon das geplünderte Grünzeug aus Mamas Garten ins Auto brachte. Als ich im Vorraum die Uhrzeit auf meinem Handy checken wollte, bemerkte ich das Mail am Handy. Ich erkannte den Namen der EX und las im Betreff den Namen meines Schatzes. Ich war gleich verwirrt und etwas verunsichert. Was schreibt sie? Wozu? Hä? In dem Moment blickte mein Schatz über meine Schultern und fragte, ob ich beim Einräumen Hilfe bräuchte. Er spürte meine Unsicherheit in der Sekunde.
Was ist los? Alles okay?
Ich zeigte ihm nur kurz den Handybildschirm mit dem ungelesenen Mail, sagte keine Ahnung, warf das Handy wieder in meine Handtasche und lenkte den Fokus sofort aufs Gemüse einräumen. Nun war ER sichtlich verwirrt, er nahm sein Handy und prüfte, ob er mir versehentlich ein Mail von ihr weitergeleitet hatte. Dem war natürlich nicht so.
Wir gingen noch einmal auf die Terrasse, um noch kurz die letzten gemeinsamen Momente des Wochenendes zu genießen. Ich saß nicht mal eine Minute, als ich mich mit “ich geh noch aufs Klo” bei den anderen entschuldigte. Im Vorbeigehen nahm ich mein Handy wieder aus der Tasche, zog mich auf die Schüssel zurück und las die Nachricht. Zehn Minuten früher befand ich mich noch im siebten Himmel und schrieb schon mein persönliches Happy End und nun saß ich zitternd da und befürchtete, es könnte doch ein KACKE End werden - im wahrsten Sinne des Wortes. Was sollte ich jetzt machen? Schreien? Weinen? Es war ein seltsames, unbeschreibliches Gefühl. Eine Art innere Zerrissenheit. Auf der einen Seite hatte ich die Jahre zuvor ein riesiges Vertrauen ins Universum aufgebaut, dass ALLES IMMER FÜR MICH passierte, dass das Universum nur Gutes für mich möchte.
Alles passiert aus einem Grund. Alles passiert zu meinem Wohle. Alles ist immer gut.
Auf der anderen Seite las ich die Zeilen und hatte das Gefühl meine unangenehme Männer-Vergangenheit würde mich heimsuchen. Ich wurde in meiner Vergangenheit immer wieder betrogen. Es war so unglaublich schwer für mich, mein Herz wieder für die Liebe zu öffnen. Und nun hatte ich es endlich geschafft die Mauern meines Herzens zu schmälern und mich zu öffnen. Da saß ich nun - vollkommen verwirrt.
Was zum Teufel ist der Sinn dieser Nachricht?
Was will mir das Universum sagen?
Ich beschloss gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Einen Aufstand machen, brachte in dem Fall gar nichts. Ich wusste, dass es SIE gibt, wann, warum und wie sie sich getrennt hatten, zumindest kannte ich die Geschichte aus seiner Sicht. Ich wusste auch, dass sie noch Kontakt hatten. Er war schon von Anfang an wie ein offenes Buch zu mir. Ich hatte SIE sogar schon gesehen, aber dazu später mehr. Mit ihrer Nachricht stellte sie lediglich Behauptungen in den Raum. Es stand noch nicht einmal Aussage gegen Aussage, sondern nur Aussage gegen “Ist alles okay, Schatz?”. In Wirklichkeit wusste ich also gar nichts, außer dass die gesamte harmonische Familienzusammenkunft zerstört wäre, wenn ich mich vor allen dazu äußerte. Mein Misstrauen hätte sich auf meine Familie ausgebreitet und das wollte ich nicht. Ich wollte die Situation unter vier Augen klären. Ich atmete tief durch und ging zurück zu den anderen. Mein Schatz bemerkte, dass ich anders war und ich merkte, dass er mein anders sein nicht einordnen konnte. Normalerweise wäre ich bestimmt noch länger bei meiner Familie geblieben, doch nun drängte ich ganz sachte und unauffällig in Richtung “Lass uns nach Hause fahren, Schatz”. Ich war sehr erstaunt, wie sehr ich meine Gefühle unter Kontrolle hatte. Mein Körper bebte immer noch und immer wieder bekam ich am gesamten Körper Gänsehaut, doch es schien bis auf IHN kein anderer zu bemerken. Blöderweise hatte ich vor der ganzen E-Mail Kack-Geschichte zugesagt, ich würde mit dem Auto wieder zurück nach Wien fahren. Mir graute vor einem ungeplanten Gefühlsausbruch mit 130 km/h auf der Autobahn, doch leider fiel mir kein Argument ein, warum ich nicht fahren konnte. Wir verabschiedeten uns und wir fuhren los. Nach wenigen Minuten befanden wir uns schon auf der Autobahn und mein Schatz fragte erneut, ob alles okay sei und da begann meine Fassade zu bröckeln. Ich fuhr konzentriert und ruhig weiter, aber äußerte ein unsicheres:
Naaaein nicht wirklich.
Er fragte, was das auf meinem Handy für eine Nachricht war. Ich erzählte ihm, dass SIE mir geschrieben hatte und dass die Nachricht nicht besonders großartig war. Er fragte, ob er sie lesen dürfte. Ich willigte ein. Er tippte mein Bildschirmpasswort ein, öffnete die Mail und begann zu lesen. Er sah mich an, er sah auf den Bildschirm. Er sah mich wieder an. Bis auf die Fahrgeräusche war es im Auto mucksmäuschenstill.
Bitte fahr bei der nächsten Abfahrt ab.
Einige Jahre zuvor war ich in einer ähnlichen Situation gewesen. Ich fuhr mit dem Auto, mein damaliger Freund saß am Beifahrersitz und ich konfrontierte ihn mit einer angeblichen Affäre. Nachdem ich rechts rangefahren war, begannen wir zu diskutieren. Ich weinte, er schrie und stritt die Affäre vehement ab. Er fand ein Argument nach dem anderen für seine Treue, dabei wusste ich genau, dass er mich betrogen hatte. Ich hatte Beweise. Der Arsch log mir eiskalt ins Gesicht.
Genau diese Reaktionen erwartete ich nun auch von IHM. Ich fuhr bei der nächsten Abfahrt ab. Da wir nicht weit gekommen waren, fuhr ich auf den Parkplatz von einem mir gut bekannten Café neben einem Supermarkt. Beides war geschlossen an diesem Sonntag, also hatten wir den Parkplatz für uns allein. Als ich eingeparkt hatte, blickte ich in sein Gesicht. Ich weinte nicht. Ich war sogar erstaunlich ruhig. Ich wartete auf seine Argumente gegen die Nachricht seiner Ex, doch er sagte nichts. NICHTS. Wieso stritt er es nicht ab? Was war da los? So hatte ich das nicht erwartet. Ich dachte er würde alle Vorwürfe und Inhalte sofort abstreiten. So kannte ich diese Situation nicht.
Wieso schreist du mich nicht an ?
Wieso sollte ich ? Das bringt nichts.
Er war verwundert, ich war verwundert. Beide hatten wir andere Reaktionen von uns erwartet. Wir stiegen aus dem Auto und spazierten los. Wir gingen gefühlt hundert Runden um den Supermarkt herum. Vom Café weg, um den Supermarkt herum, zurück zum Auto, zum Café, um den Supermarkt herum, zurück zum Auto,…
Wir lasen die Nachricht noch einmal gemeinsam, wir suchten nach Erklärungen, nach Lösungen, nach Fehlern.
Wir waren zu dieser Zeit erst vier Monate ein Paar, doch wir kannten uns bereits länger vom Sehen. Wir trainierten in der gleichen Crossfit Box. Wir sahen uns nur hin und wieder in der 8 Uhr Stunde und sprachen eigentlich nie wirklich miteinander. Er war auch nie in meinem Männerradar gelandet, wobei mein Männerradar zu dieser Zeit wohl sowieso defekt oder ausgeschaltet war. Das erste Mal unterhielten wir uns über Belangloses, als wir nebeneinander auf dem Bike saßen. Ich erinnere mich nicht einmal mehr über was wir gesprochen hatten. Einige Tage nach unserem Gespräch bekam ich eine WhatsApp Nachricht von ihm. Er wollte zu mir zur Ernährungsberatung kommen. Du musst wissen, ich trage beim Training immer ein T-Shirt mit meinem Namen, meinem Logo und meiner Website.
Die Beratung folgte einige Wochen später und verlief wie jede andere auch. Wir waren uns sympathisch. Unsere Wellenlänge passte. Das war ausschlaggebend für eine längerfristige Zusammenarbeit. Ich freute mich schon darauf ihn dabei zu unterstützen, seine Ernährung und damit seine Gesundheit zu optimieren. Ich führte wie immer meine Tests durch und war schon gespannt auf den weiteren Verlauf unserer Zusammenarbeit. Ich dachte damals nicht einmal eine Sekunde daran, dass wir ein Paar werden würden. Zugegeben, ich fand ihn in seiner “normalen” Alltagskleidung sehr attraktiv, aber das war’s auch schon. Einige Wochen nach der ersten Beratung wollten wir die weitere Vorgehensweise seiner Ernährungsumstellung besprechen. Beziehungsweise wollte ich die Vorgehensweise besprechen und er wollte mich kennenlernen, wie sich dann herausstellte. Er schlug ein Treffen in einem Restaurant vor und ich willigte natürlich ein. Immerhin liebte ich Essen und zum Essen eingeladen werden noch mehr. Normalerweise gehe ich mit meinen Kunden nicht in Restaurants, doch bei ihm war die Situation ganz anders, da wir uns schon vom Training kannten. Wir hatten uns geeinigt die Zusammenarbeit auf einer freundschaftlichen Ebene zu gestalten. Ich naives Ding hatte noch immer nicht am Schirm, dass sein Interesse über die Ernährung hinausging. Es war an einem Freitagabend, als wir uns zur nächsten Beratung trafen. Ich wartete vor dem Restaurant und hatte meine Unterlagen in meiner Tasche dabei. Erst als wir das Restaurant betraten und mich die romantische Atmosphäre überraschte, ging mir zum ersten Mal ein klitzekleines Licht auf. Die Unterlagen würde ich heute wohl in der Tasche lassen, waren meine Gedanken. Als wir zum Tisch geführt wurden, rückte er schnell mit der Sprache raus.
Ich möchte dich gerne kennenlernen.
Und so nahm die Geschichte ihren Lauf. Die Corona-Krise war für unser Kennenlernen ein Geschenk des Himmels, denn wir hatten die Ruhe und Zeit uns schnell sehr intensiv kennenzulernen. Ohne den Lockdown wäre das wohl nicht möglich gewesen. In einem normalen Jahr ohne Krise wären wir nicht so schnell ein Paar geworden. In einem normalen Jahr ohne Krise wären wir beide viel zu beschäftigt gewesen, um uns so schnell zu lieben. Doch es war kein normales Jahr und auch kein normaler Beziehungsstart. Die ersten Wochen im Lockdown verbrachten wir so gut wie täglich miteinander. Wir durchlebten im Stillstand der Krise alles wie in einem Schnelldurchlauf. Wenn wir diese intensive Zeit nicht gemeinsam verbracht hätten, hätte uns diese Mail zerstört. Da bin ich mir heute sicher. Mein Misstrauen den Männern gegenüber war zu diesem Zeitpunkt zwar schon kleiner gewesen, jedoch traf mich die Nachricht an einem meiner größten wunden Punkte. Sie schüttelte und rüttelte mit voller Gewalt und Boshaftigkeit an meinem Vertrauen.
wir kennen uns nicht persönlich, aber ich habe schon viel über dich gehört - so wie du über mich… nehme ich an.
Als ich diese Zeilen im Klo das erste Mal gelesen hatte, war ich noch neugierig, was kommen würde. Er hatte mir die für mich wesentlichen Fakten bereits von Anfang an auf den Tisch gelegt. Bei einem unserer ersten Treffen hatte er mir bereits von IHR erzählt. Sie hatten sich erst vor wenigen Monaten getrennt, sie waren mehrere Jahre ein Paar und der Grund, warum er mir überhaupt so früh von ihr erzählte, war, dass sie seine Nachbarin war bzw. noch immer ist. Welch freudige Überraschung. Dieses kleine Detail löste in einer misstrauischen Person wie mir nicht gerade Freude aus, doch ich nahm es hin. Was sollte ich auch dagegen tun?
Ich sah SIE das erste Mal in Echt genau beim Hauseingang. Wir liefen uns regelrecht in die Arme. SIE wollte raus, ER und ich wollten rein und obwohl ich sie zuvor noch nie gesehen hatte, wusste ich genau wer sie war. Unübersehbar trotz einer großen Sonnenbrille, die ihre Augen verdeckte. Sie hatte die Brille gerade noch auf ihre Nase geschoben. Ihr Kopf senkte sich, die Mundwinkel gingen nach oben und aus ihrem Mund hörte man eine leise Begrüßung. Zusammen mit einem "Hallo" versprühte sie eine riesige Portion falsche Freundlichkeit. Ihre Körperhaltung sprach lauter als ihr Mund. Ihre Mundwinkel formten ein falsches Lächeln. Unüberspürbar, wie unangenehm die Situation für sie war. Oder für uns. Oder für ihn? Wir begrüßten sie ebenfalls und gingen aneinander vorbei. Ich musste grinsen. Das tue ich meistens in solchen seltsamen Situationen. Mein Körper gibt in Situationen, die für mich unangenehm sind, ganz automatisch den Befehl, die Gesichtsmuskeln zusammen zu ziehen und die Mundwinkel nach oben zu ziehen. Je eigenartiger oder beunruhigender die Situation, desto eher wird aus dem Grinsen ein Kichern und aus dem Kichern ein Lachen bis zum überwältigenden Lachkrampf. Eine meiner Kolleginnen hatte mir mal erklärt, mein Körper würde mit Lachen innerliche Spannung abbauen. Wie Blitze bei einem Gewitter. Sie sagte: “Ist das Herz aufgeregt und voller Emotionen, kann sich das einfach am ganzen Körper bemerkbar machen.” Oh ja. Und wie. Nervosität, Appetitlosigkeit, Zittern, Übelkeit, Hitze, Kälte, Dünnschiss, …
Alle, die schon einmal verliebt waren, Liebeskummer hatten oder vor einer Prüfung standen, wissen wovon ich spreche. Und alle Sportler, die schon einmal bei einem Sport-Wettbewerb mitgemacht haben, wissen es wohl auch. Weißt du, wieso es bei Marathon Wettbewerben so viele Dixi Klos gibt? Natürlich wollen ganz viele Läufer noch einmal aufs Klo bevor sie Laufen. Ihr Körper zwingt sie regelrecht dazu, ihre Aufregung rauszukacken und etwas Spannung loszuwerden. Als sich die Türe hinter uns schloss, sah ich, dass auch er grinste.
Das war sie, oder?
Ja das war sie.
Ich werde gleich zur Sache kommen, der Grund warum ich dir schreibe ist dass ER dich betrügt… und zwar mit mir!
Bei mir führten diese Worte beinahe zu einer Heeeerzeeeeexplosion! Und mein Körper hat sich nach diesem Schock im Klo im wahrsten Sinne des Wortes angeschissen. Was für ein schmerzhaftes Gefühl. Auch als wir es gemeinsam erneut gelesen hatten, wurde mir wieder übel. Zum Glück blieb der Dünnschiss am Parkplatz aus. Er äußerte sich endlich ebenfalls zu ihren Worten:
Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Ich bin sprachlos. Ich bin schockiert, dass sie sowas schreibt. Ich frage mich, wieso sie das macht. Wieso will sie mein Glück zerstören? Wenn das Vertrauen in einer Beziehung fehlt, ist das der Anfang vom Ende.
Wir umarmten uns und gingen weiter.
Wir haben seit Muttertag wieder Kontakt und ab 12. Mai hatten wir wieder Sex, wir sehen uns so oft es geht und verbringen auch mindestens ein Mal wöchentlich die Nacht zusammen.
Bei diesen Worten sprang sofort mein Hirn an. Ratter ratter… Wann war noch schnell Muttertag? Was war am 12. Mai? Einmal pro Woche? Er war nicht ständig bei mir nach dem Lockdown und ich auch nicht ständig bei ihm, also könnte es sich zeitlich sogar ausgehen. Ratter ratter… könnte alles stimmen, könnte aber auch vollkommen gelogen sein. Er erzählte mir, was er mir schon erzählt hatte. Wann sie sich getroffen hatten, wo sie sich getroffen hatten und warum und worüber sie sprachen.
Ich habe dazwischen oft versucht es zu beenden, aber ER ließ das nicht zu. Wir waren vorletztes Wochenende in Budapest.
Er war tatsächlich beruflich in Budapest gewesen, mit seiner Assistentin. Er hatte mir eine schöne Halskette mitgebracht, eine zarte Silberkette mit einem Herz und einem Unendlichzeichen. Das Symbol für unendliche Liebe! Eine Wiedergutmachung? Das wäre einfach skrupellos und ekelhaft.
Er weiß, dass ich noch Gefühle für ihn habe und beteuert mir, dass er mich immer noch liebt.
Das sie noch Gefühle für ihn hatte, glaubte ich ihr sofort. Dass ER sie noch liebte, kam mir bis zu dieser Nachricht nicht ansatzweise in den Sinn. Er gab mir nie ein schlechtes Gefühl. Ganz und gar nicht. Er gab mir sogar eine Sicherheit, wie ich sie lange nicht gespürt hatte, wie ich sie noch nie zuvor gespürt hatte. Ich fragte mich: Wenn er sie wirklich noch liebte, warum ist er dann mit mir zusammen anstatt mit ihr? Es wäre doch ganz einfach sich von mir zu trennen, um wieder mit ihr das Leben zu genießen.
Er sprach die Worte aus, die ich mir dachte:
Wie unlogisch ist das bitte? Wenn ich mit ihr zusammen sein wollen würde, wäre ich doch nicht mit dir zusammen, sondern wieder mit ihr.
Auf die Frage, warum er mit dir zusammen ist, antwortete er, dass er mit dir eine Beziehung eingegangen ist um mich zu vergessen (hat nicht viel gebracht), außerdem spare er sich 180 Euro für die Ernährungsberatung. Er weiß, dass es nicht richtig ist aber er hat kein schlechtes Gewissen.
Ich fühlte mich nie als Ablenkung und er zahlte mein Honorar pünktlich und ich habe ihm das Geld auch nie zurückgegeben. Das entgegnete er auch sofort:
Ich habe die 180 € gezahlt. So ein Blödsinn.
Er hat mir sehr intime Details erzählt, wonach du Probleme hättest zum Orgasmus zu kommen und dass er sich jedes Mal mich vorstellt, wenn er mit dir schläft.
KOOOOTZ, WÜRG, BAAAAAHH. Ich wusste, sie hatten sich getroffen. Ich wusste auch, dass er ihr von mir erzählt hatte. Seinen Worten zufolge hat er nur Gutes über mich erzählt. Welche Ex hört schon nur Gutes über die neue Freundin ihres Ex?? Wie oft geben Menschen (Männer) anderen Menschen (ihren Ex-Partnerinnen) unbewusst einen Dolchstoß, obwohl sie schon am Boden liegen. Und natürlich schlagen sie dann beizeiten härter und unfairer zurück.
Nichtsdestotrotz fragte ich mich, ob er ihr irgendwas in die Richtung erzählt hatte. Über unser Sexleben. Gefiel es ihm nicht? Hatte ich Orgasmusprobleme? Ich hatte Orgasmen. Ich kam nicht jedes Mal, aber zählte das schon zu Orgasmusproblemen? Der Gedanke, dass er sich bei unserem Liebesakt eine andere Frau vorstellte, war für mich in Ordnung, denn Gedanken sind Privatsache. Beim Gedanken, dass er sich bei UNSEREM Liebesakt Sex mit seiner EX vorstellte, wurde mir trotzdem kotzübel. 1000% Eifersucht! Wir gingen schweigend nebeneinanderher. Das Sex Thema lag in der Luft, ich konnte es genau spüren. Doch keiner von uns wollte es so wirklich ansprechen. In dem Moment fiel mir eine Aussage ein, die mir immer wieder mal in den unterschiedlichsten Situationen ins Gedächtnis kam. Ich weiß gar nicht mehr, wo ich es gelesen hatte. Wahrscheinlich stand es in irgendeiner meiner Zeitschriften oder einem meiner Bücher über Persönlichkeitsentwicklung. Jedenfalls bewegte mich die Aussage bzw. der Ratschlag sehr und auch an diesem Tag fielen mir die Worte wieder ein.
Fragen Sie keine Fragen, auf die Sie die Wahrheit nicht hören wollen. So erziehen Sie Ihren Partner zum Lügner.
Wie konnte ich das Thema ansprechen, ohne möglicherweise eine Wahrheit zu hören, die mir unangenehm war? Und wäre es nicht sinnvoll die unangenehme Wahrheit zu hören, falls es eine gäbe? Ich wollte gerade über meinen Schatten springen, als er mir mit dem Thema zuvorkam:
Findest du, dass du Orgasmusprobleme hast? Ich meine, du hast doch Orgasmen.
Die habe ich. Genau! Ich finde nicht. Findest du?
Nein ich finde auch nicht.
Letzte Nacht haben wir wieder gemeinsam verbracht.
Ich war in der Steiermark. ER war in Wien. SIE lebte im gleichen Haus. Eine Lüge? Ein Ausrutscher? Oder vielleicht sogar ein geplantes Hintergehen? Wir gingen noch einige Runden um den Supermarkt herum. Wir gingen Hand in Hand. Wir sprachen über den Inhalt der Nachricht, wir sprachen darüber, was die Nachricht in uns auslöste, wir sprachen über unsere Ängste. Wir fragten uns, wie wir nun weiter vorgehen sollten. Antworten? Nicht antworten? Was wäre die passende Antwort auf diese Nachricht? Ich beschloss ihm zu vertrauen. Vorerst. Denn wie er schon gesagt hatte. Wenn das Vertrauen fehlt, ist das der Anfang vom Ende. Dieser Meinung war ich genauso und daher konnte ich nichts anderes tun, als zu vertrauen. Vorerst. Wir umarmten uns. Mehrmals. Und dann fuhren wir wieder zurück nach Wien. Es war eine ruhige und entspannte Fahrt, auf die einige turbulente Tage folgen sollten.
Wie hättest du in dieser Situation reagiert, liebe Leserin, lieber Leser?
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